Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: AktG § 41 Abs. 1
Instanzenzug: ArbG Chemnitz 8 Ca 7171/01 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Haftung der Beklagten als Gründungsgesellschafterin einer Aktiengesellschaft für Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis des Klägers zum Ehemann der Beklagten.
Der Kläger war zunächst beim Ehemann der Beklagten beschäftigt, der ein einzelkaufmännisches Unternehmen betrieb. Mit Schreiben vom wurde das Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig gekündigt. Im Kündigungsschreiben heißt es:
"Lohnrückstände bestehen per in Höhe von netto 21.687,22 DM für die Monate September 1999 bis Juni 2000, zzgl. anteiliges Gehalt/Lohn für den Monat Juli 2000 (bis )."
Vom 15. Juli bis zum Ende des Jahres 2000 war der Kläger als Technischer Leiter für die D AG i.G. tätig; zugleich wurde er zu deren Vorstand bestellt. Die Beklagte war eine Gründungsaktionärin dieser Gesellschaft.
Die D AG i.G. erwarb den Betrieb des Ehemanns der Beklagten zu einem Kaufpreis von 115.464,29 DM. Durch Urkunde vom trat der Ehemann der Beklagten seinen Kaufpreisanspruch in Höhe der im Kündigungsschreiben genannten Rückstände an den Kläger ab. Über das Vermögen des Ehemanns der Beklagten wurde zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am wurde die Firma D S AG in das Handelsregister eingetragen. Als alleinvertretungsberechtigter Vorstand wurde der Ehemann der Beklagten eingetragen. In den Monaten Februar und März 2002 stellten mehrere Gläubiger der D S AG Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. Diese Anträge wies das Insolvenzgericht mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse durch Beschluss vom ab.
Das Arbeitsgericht hat im vorliegenden Rechtsstreit gegen die zunächst mitverklagte D S AG ein rechtskräftig gewordenes Versäumnisurteil erlassen. Darin ist die D S AG zur Zahlung von Arbeitsentgelt für den Zeitraum von September 1999 bis zum abzüglich erhaltenen Insolvenzgelds sowie zur Zahlung des 13. Monatsgehalts für 1999 und einer Karenzentschädigung verurteilt worden.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte für seine Forderungen gegen die Aktiengesellschaft. Sie sei im kritischen Stadium der Gesellschaftsgründung gestaltend aktiv geworden. Sie habe ihren Anteil am Grundkapital nur eingezahlt, um eine formale Hürde für ihre persönliche Haftung zu errichten.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.734,88 Euro netto nebst Zinsen iHv. 5 % hieraus vom bis und Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 808,17 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem als anteiliges Gehalt für Juli 2000 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.789,52 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit als 13. Monatsgehalt für 1999 zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 963,59 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit als anteiliges 13. Monatsgehalt für 2000 zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.737,13 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit als Karenzentschädigung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, sie habe mit der Einzelfirma ihres Ehemanns rechtlich nichts zu tun gehabt. Sowohl die Sicherungsabtretung als auch der Anstellungsvertrag seien von ihrem Ehemann unterzeichnet worden. Er habe auch die Kündigung ausgesprochen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.
Gründe
I. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO. Die Revisionsbegründung muss den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufzeigen. Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs müssen erkennbar sein (Senat - 5 AZR 624/96 - BAGE 87, 41; - EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung. Die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht eine Außenhaftung der Gründungsgesellschafter nach Eintragung der Gesellschaft verneint. Entscheidend könne nicht sein, ob es noch zur Gründung komme, wenn im Gründungszeitpunkt bereits die Voraussetzungen der Insolvenz vorlägen. Für diesen Standpunkt führt die Revision verschiedene Argumente an. Dies stellt eine ausreichende Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil dar.
II. Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte für die Verbindlichkeiten der D AG gegenüber dem Kläger nicht einstehen muss.
1. Eine Handelndenhaftung der Beklagten gegenüber dem Kläger nach § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG besteht nicht.
a) Nach § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG haftet Dritten gegenüber persönlich, wer vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft handelt. Diese Haftung erlischt jedoch mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ( - NJW 1983, 2822; - II ZR 31/81 - NJW 1982, 932 [jeweils zur GmbH]; Geßler AktG § 41 Rn. 9; Hüffer AktG § 41 Rn. 25; Karsten Schmidt in Großkomm AktG § 41 Rn. 97). Ab diesem Zeitpunkt steht die Aktiengesellschaft dem Gläubiger als Schuldnerin zur Verfügung, die mit ihrem Gesellschaftsvermögen haftet (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AktG). Der Haftungszweck hat sich damit erledigt. Eine fortdauernde Bevorzugung der Altgläubiger aus dem Gründungsstadium ist nicht mehr gerechtfertigt. Hieran ändert eine zum Zeitpunkt der Eintragung bestehende Insolvenzlage nichts. Dies gilt auch für Forderungen aus Dauerschuldverhältnissen (Karsten Schmidt in Großkomm AktG § 41 Rn. 112). Nachdem die Aktiengesellschaft am in das Handelsregister eingetragen worden ist, scheidet eine persönliche Haftung der Beklagten nach § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG aus.
b) Einer Handelndenhaftung steht weiterhin entgegen, dass der Kläger nicht substantiiert vorgetragen hat, an welche Handlung der Beklagten im Namen der Vor-Aktiengesellschaft die Haftung anknüpfen soll (vgl. dazu - BAGE 93, 151; - 10 AZR 908/94 - BAGE 85, 94; Karsten Schmidt in Großkomm AktG § 41 Rn. 91). Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Beklagte bei der Führung der Geschäfte für die künftige Gesellschaft persönlich oder durch andere verantwortlich mitgewirkt und in diesem Rahmen auch die konkrete Geschäftstätigkeit, aus der die Verbindlichkeit herrührt, mitgetragen hat. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Beklagte weder den Arbeitsvertrag abgeschlossen noch in anderer Weise eine Verpflichtung gegenüber dem Kläger begründet hat. Das Vorbringen, die Beklagte sei bereits im kritischen Stadium gestaltend aktiv geworden, wobei es ihr um die Benachteiligung der Gläubiger zugunsten ihres Ehemanns gegangen sei, lässt nicht erkennen, worin das für die Handelndenhaftung erforderliche rechtsgeschäftliche Handeln bestanden haben soll.
2. Eine Gründerhaftung der Beklagten ist weder in Form der Verlustdeckungshaftung noch in Gestalt der Unterbilanzhaftung gegeben.
a) Die Gesellschafter einer Vorgesellschaft haften für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft in Form einer bis zur Eintragung der Gesellschaft andauernden Verlustdeckungshaftung. Die Verlustdeckungshaftung ist eine Innenhaftung für Anlaufverluste gegenüber der Gesellschaft bei Scheitern der Eintragung ( - BGHZ 134, 333; - II ZR 204/00 - BGHZ 152, 290; - BAGE 93, 151). Dieses vom Bundesgerichtshof für die GmbH entwickelte Haftungskonzept gilt wegen der vergleichbaren Rechts- und Interessenlage auch für die Aktiengesellschaft (Karsten Schmidt in Großkomm AktG § 41 Rn. 80; Hüffer AktG § 41 Rn. 8 mwN).
Eine Verlustdeckungshaftung der Beklagten besteht danach nicht. Sie scheidet schon deshalb aus, weil es zur Eintragung der Aktiengesellschaft gekommen ist. Mit diesem Vorgang endet diese Form der Haftung ( - BGHZ 134, 333; Karsten Schmidt in Großkomm AktG § 41 Rn. 112; Münch. Hdb. GesR Bd. 3/Gummert § 16 Rn. 107 mwN). Da es sich im Übrigen um eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft handelt, ist die Vor-AG in Abwicklung und nicht ein außenstehender Gläubiger, wie der Kläger, anspruchsberechtigt.
b) Es besteht auch keine Unterbilanzhaftung der Beklagten. Dieses für die GmbH anerkannte Rechtsinstitut (vgl. aaO) gilt zwar ebenso für die Aktiengesellschaft (Karsten Schmidt aaO Rn. 114; Hüffer AktG § 41 Rn. 8). Bei der Unterbilanzhaftung handelt es sich jedoch gleichfalls um eine Innenhaftung, so dass Gläubigerin des Anspruchs die Gesellschaft ist ( aaO; Karsten Schmidt aaO Rn. 121; Hüffer aaO). Der Haftungsanspruch gehört zum Gesellschaftsvermögen, im Insolvenzverfahren zur Masse, und ist vom Vorstand, im Insolvenzverfahren vom Verwalter, geltend zu machen (Karsten Schmidt aaO Rn. 121). Der Kläger ist daher nicht anspruchsberechtigt. Hieran ist auch nach In-Kraft-Treten der Insolvenzordnung festzuhalten (vgl. - BGHZ 152, 290; - II ZR 89/01 - BGHZ 149, 273). Die für die Ausgestaltung als Innenhaftung sprechenden Gründe bestehen auch unter der Geltung der Insolvenzordnung fort. Zu nennen ist insbesondere die Herstellung eines Ausgleichs zwischen den Interessen der Gläubiger und der Gesellschafter. Bei einer unmittelbaren Haftung der Gesellschafter wäre im Insolvenzfall zu befürchten, dass ein Wettlauf der Gläubiger einsetzte und - etwa wenn einzelne Gesellschafter illiquide würden - ungleiche Befriedigungschancen der Gläubiger entstünden. Sind die Ansprüche dagegen im Innenverhältnis gegen die Gesellschaft gerichtet, kann in der Regel eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger erwartet werden.
c) Eine Unterbilanzhaftung der Beklagten scheidet weiterhin aus, weil der Kläger nicht dargelegt hat, ob und ggf. in welcher Höhe gerechnet auf den Stichtag der Eintragung überhaupt eine Unterbilanz bestand. Eine solche Darlegung war erforderlich, weil die Unterbilanzhaftung auf die Differenz zwischen dem Nennkapital der Gesellschaft und dem tatsächlichen Gesellschaftsvermögen am Eintragungsstichtag beschränkt ist (Karsten Schmidt in Großkomm AktG § 41 Rn. 119; Hüffer AktG § 41 Rn. 8 f.). Eine Unterbilanz kann idR nur durch eine Vermögensbilanz auf den Stichtag der Eintragung festgestellt werden (vgl. - DB 2003, 760; - II ZR 190/97 - BGHZ 140, 35). Das Vorbringen des Klägers, es habe ein "Gründungsschwindel" bzw. ein doloses Verhalten der Beklagten vorgelegen, weil diese gewusst habe, dass die Gesellschaft "in statu nascendi" bereits nicht lebensfähig gewesen sei, genügt dem nicht.
3. Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten nach § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 StGB liegen nicht vor. Das Vorbringen des Klägers lässt nicht erkennen, welche Handlung der Beklagten - Tun oder Unterlassen - dazu geführt haben soll, dass Forderungen des Klägers gegen die Aktiengesellschaft nicht realisiert werden können. Soweit der Kläger darauf abstellt, dass Vergütungen an den Ehemann der Beklagten geflossen seien, ergibt sich aus dem Vortrag nicht, dass und auf Grund welcher tatsächlichen Umstände dies zu Unrecht erfolgt sei. Auch wirkte die Beklagte bei der Begründung der Forderungen des Klägers gegen die Gesellschaft durch Abschluss des Arbeitsvertrags nicht mit. Soweit andeutungsweise und erstmals mit der Revision geltend gemacht wird, die Beklagte habe möglicherweise ihre Einlage nicht erbracht, sondern hierüber gefälschte Urkunden vorgelegt, handelt es sich zum einen um in der Revisionsinstanz unzulässigen neuen Sachvortrag; zum anderen entbehrt dieses Vorbringen hinreichender Substanz.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Fundstelle(n):
PAAAB-94242
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