BAG Beschluss v. - 5 AZB 12/02

Leitsatz

[1] Eine Beschäftigung zur Berufsausbildung iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG liegt nur vor, wenn der Auszubildende aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Arbeit verpflichtet ist. Das kommt auch außerhalb der betrieblichen Berufsbildung gemäß § 1 Abs. 5 BBiG in Betracht.

Gesetze: ArbGG § 5

Instanzenzug: ArbG Hamburg 22 Ca 79/01 vom LAG Hamburg 3 Sa 75/01 vom

Gründe

I. Der Kläger begehrt mit seiner beim Arbeitsgericht erhobenen Klage die Feststellung des Fortbestands eines Umschulungsverhältnisses und die Erteilung eines Zeugnisses. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren streiten die Parteien über die Zulässigkeit des Rechtswegs.

Der Kläger schloß mit der Beklagten unter dem folgenden Umschulungsvertrag:

"§ 1

Ziel der Umschulung

Die Umschulung wird im Rahmen der Ausbildungsverordnung für das Berufsbild Mediengestalter für Bild und Ton durchgeführt und endet mit der Abschlußprüfung vor der Handelskammer Hamburg.

Während der Umschulung gelten die mit der Anmeldung anerkannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (siehe Anlage). Die o. g. Umschulung wurde nach Prüfung durch die Bundesanstalt für Arbeit entsprechend der Erfordernisse des § 86 Sozialgesetzbuch Drittes Buch SGB III anerkannt.

§ 2

Dauer der Umschulung

1. Die Umschulung beträgt 21 Monate.

Sie beginnt am und endet am .

2. Im Rahmen der Umschulung findet ein siebenmonatiges Praktikum in einem Betrieb in der freien Wirtschaft statt.

Es beginnt am und endet am .

3. Eine Verlängerung des Praktikums ist nicht möglich.

§ 3

Pflichten des Umschulungsträgers

Der Umschulungsträger verpflichtet sich,

1. den Umschüler/die Umschülerin während des Vollzeitunterrichts in der A bei der Berufsgenossenschaft für Verwaltung zu versichern.

2. In der Praktikumsphase übernimmt der Praktikumsbetrieb die Meldung bei der für sie zuständigen Berufsgenossenschaft; in Ergänzung zu der theoretischen Ausbildung im Rahmen der Ausbildungsverordnung für das Berufsbild Mediengestalterin für Bild und Ton dem Umschüler/der Umschülerin die im Ausbildungsberufsbild vorgeschriebenen Fertigkeiten und Kenntnisse entsprechend des Planes für die sachlich und zeitliche Gliederung der Berufsausbildung und der besonderen Erfordernisse zu vermitteln;

3. dem Umschüler/der Umschülerin nur Verrichtungen zu übertragen, die dem Umschulungsziel dienen und seinen körperlichen Kräften angemessen sind;

4. dem Umschüler/der Umschülerin die zum Besuch des Praktikums erforderliche Zeit zu gewähren. Der Umschüler/die Umschülerin ist auch zum Führen von Tätigkeitsberichten anzuhalten, soweit das für die Zulassung zur Abschlußprüfung verlangt wird;

5. dem Umschüler/der Umschülerin die für die Ausbildung erforderlichen Ausbildungsmittel zur Verfügung zu stellen;

6. den Umschulungsvertrag nach Unterzeichnung durch den Umschüler/die Umschülerin und die A GmbH der Handelskammer Hamburg zur Unterzeichnung vorzulegen. Die Prüfungsgebühr übernimmt der Kostenträger;

7. dem Umschüler/der Umschülerin nach Beendigung der Ausbildung ein Zeugnis über die schulischen Leistungen auszustellen.

§ 4

Pflichten des Umschülers/der Umschülerin

Der Umschüler/die Umschülerin verpflichtet sich,

1. sich zu bemühen, alle Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben, die erforderlich sind, um das Umschulungsziel zu erreichen;

2. während der Umschulung regelmäßig und pünktlich an allen Umschulungsmaßnahmen teilzunehmen;

3. Fehlzeiten (nur aus wichtigem Grund) in der Umschulung sind der A unter Angabe von Gründen unverzüglich mitzuteilen sowie im Krankheitsfall und am ersten Fehltag dem Umschulungsträger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einzureichen;

4. alle ihm/ihr im Rahmen der Umschulung von den Vertretern des Umschulungsträgers erteilten Weisungen zu befolgen;

5. die für den Umschulungsträger geltenden betrieblichen Bestimmungen zu beachten;

6. Werkzeuge, Maschinen und die sonstige Ausstattung sorgsam zu behandeln, die Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften und Regelungen, die die Ordnung des Umschulungsträgers betreffen, zu beachten.

§ 5

Umschulungszeit

1. Die regelmäßige tägliche Unterrichtszeit während der Umschulung beträgt 8 Stunden.

2. Die Unterrichtstage während des Praktikums werden durch die A festgelegt.

§ 6

Ferien

Für die Umschulungszeit gilt die mit der Bundesanstalt für Arbeit nach SGB III vereinbarte Ferienregelung (24 Werktage).

§ 7

Kündigung und Auflösung des Umschulungsvertrages

1. Das Umschulungsverhältnis sollte nur nach Rücksprache mit dem Kostenträger unter Angabe eines Abbruchgrundes gelöst werden.

2. Das Umschulungsverhältnis endet sofort, ohne daß es einer Kündigung bedarf, wenn der Kostenträger dem Umschüler/der Umschülerin gegenüber die Kostenzusage - aus welchem Grund auch immer - zurückzieht.

3. Ein Anspruch auf den Umschulungsbesuch besteht auch dann nicht, wenn der Umschüler/die Umschülerin gegen die Entziehung der Kostenzusage Rechtsmittel einlegt, es sei denn, der Kostenträger wird im Wege einer einstweiligen Anordnung rechtskräftig verpflichtet, die Maßnahme vorerst fortzuführen.

§ 8

Zeugnis

1. Nach Abschluß der Umschulung erhält der Umschüler/die Umschülerin ein Zeugnis der A.

2. Das Zeugnis enthält Angaben über den während der Umschulung erworbenen Leistungsstand.

§ 9

Sonstige Vereinbarungen

1. Der anliegende Ausbildungsrahmenplan ist Bestandteil des Umschulungsvertrages.

2. Die Anmeldung zur Abschlußprüfung bei den zuständigen Kammern nimmt die A vor."

Während der Umschulung erhielt der Kläger Leistungen vom Arbeitsamt in Höhe von 1.200,-- DM monatlich.

Mit Schreiben vom empfahl die Beklagte dem Arbeitsamt die Ausschulung des Klägers aus disziplinarischen Gründen. Daraufhin hob das Arbeitsamt die Bewilligung von Unterhaltsgeld und Zuschußleistungen gegenüber dem Kläger mit Wirkung vom auf. Dessen Widerspruch war ebenso erfolglos wie ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht. Die Hauptsacheklage ist noch beim Sozialgericht anhängig. Ab dem verwehrte die Beklagte dem Kläger den Zugang zu ihren Räumen.

Der Kläger wurde zu der im Rahmen der Umschulung vorgesehenen Abschlußprüfung zugelassen, bestand sie aber nicht. Er nahm dann bei einem anderen Umschulungsträger an der Vorbereitung zur Wiederholungsprüfung teil und bezog seit dem wieder Unterhaltsgeld. Die Wiederholungsprüfung bestand er im Laufe des Jahres 2001.

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei bei der Beklagten zu seiner Berufsausbildung beschäftigt gewesen. Zumindest sei er als arbeitnehmerähnliche Person tätig geworden. § 7 Abs. 2 des Umschulungsvertrags stelle eine Umgehung des § 626 BGB dar. Die Beklagte habe den Abbruch der Umschulung treuwidrig herbeigeführt. Aus der Feststellung des Fortbestands des Umschulungsverhältnisses ergäben sich sozialrechtliche Ansprüche. Der Zeugnisanspruch beruhe unmittelbar auf dem Umschulungsvertrag.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß das Umschulungsverhältnis der Parteien nicht zum beendet worden sei, sondern in der Zeit vom bis zum bestanden habe,

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes und berufsförderndes Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer des Umschulungsverhältnisses sowie auf Führung und Leistung des Klägers in dem Umschulungsverhältnis erstreckt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei weder zu seiner Berufsausbildung beschäftigt noch arbeitnehmerähnliche Person gewesen. Gegenstand des Vertragsverhältnisses sei allein der Leistungsaustausch Umschulung gegen Geld. Nur sie, die Beklagte, sei zur Dienstleistung (Umschulung) verpflichtet gewesen, während der Kläger Dienste nicht erbracht, sondern entgegengenommen habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nicht gegeben. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil durch Beschluß aufgehoben, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt und die weitere Beschwerde zugelassen. Mit dieser erstrebt die Beklagte die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Hamburg.

II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Der Senat ist an die Zulassung der weiteren Beschwerde gegen die Vorabentscheidung auch dann gebunden, wenn diese anders als nach § 17 a GVG vorgesehen erstmals im Berufungsrechtszug getroffen wurde (vgl. - BGHZ 120, 198, 199 f.).

III. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die Gerichte für Arbeitssachen sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 b) und e) ArbGG zuständig. Der Kläger war bei der Beklagten zu seiner Berufsausbildung beschäftigt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).

1. "Berufsausbildung" iS des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind alle Bereiche der Berufsbildung nach § 1 Abs. 1 BBiG. Auch für Streitigkeiten aus einem Umschulungsverhältnis kann deshalb der Rechtsweg nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG eröffnet sein ( - AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 45 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 32, zu II 4 b der Gründe mwN). Der Kläger sollte im Rahmen der Ausbildungsverordnung für das Berufsbild "Mediengestalter für Bild und Ton" umgeschult werden und die Abschlußprüfung vor der Handelskammer Hamburg ablegen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 und 5 BBiG liegen vor. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte die Umschulung in einer berufsbildenden Schule oder einer sonstigen Berufsbildungseinrichtung durchführte.

2. Der Kläger wurde auch zu seiner Berufsausbildung "beschäftigt".

a) Eine Beschäftigung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Betreffende aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen Arbeit leistet. Das kommt auch außerhalb der betrieblichen Berufsbildung iSv. § 1 Abs. 5 BBiG in Betracht. "Beschäftigung" liegt regelmäßig dann vor, wenn der Umschüler dem Weisungsrecht des Ausbildenden hinsichtlich des Inhalts, der Zeit und des Ortes der Tätigkeit unterworfen ist (vgl. aaO, zu II 4 c aa bis ff der Gründe).

b) Diese Voraussetzungen liegen vor, wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat.

aa) Nach dem privatrechtlichen Umschulungsvertrag (UV) der Parteien war nicht nur die Beklagte zur Umschulung des Klägers verpflichtet. Vielmehr trafen den Kläger gemäß § 4 UV Dienstpflichten, die das Landesarbeitsgericht im einzelnen zutreffend herausgestellt hat. Dem Kläger waren im Rahmen der Umschulung Verrichtungen zu übertragen (§ 3 Nr. 3 UV), die er nach Kräften zu erfüllen hatte, um das Umschulungsziel zu erreichen. Diese Verpflichtung bestand gegenüber der Beklagten, nicht allein gegenüber dem Arbeitsamt als Kostenträger. Ob der Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten, um den der Kläger sich durch Teilnahme und eigenes Tätigwerden zu bemühen hatte, überwiegend mittels praktischer Arbeit oder mehr aufgrund theoretischen Unterrichts erfolgte, ist für den Begriff der Beschäftigung nicht maßgebend. Der Kläger hatte die Verpflichtung zu lernen und hierbei selbst Dienste zu leisten. Produktiv iSv. fremdnützig muß die Dienstleistung eines Umschülers nicht sein.

bb) Zudem unterlag der Kläger einem umfassenden Weisungsrecht der Beklagten im Rahmen der Umschulung (§ 4 Nr. 4 UV). Die Beklagte war berechtigt, die Pflichtenbindung des Klägers näher zu konkretisieren. Sie durfte die Art und Weise bestimmen, wie er beim Erwerb der Kenntnisse und Fertigkeiten vorzugehen, welche Verrichtungen er zu treffen und welche Lernschritte er vorzunehmen hatte. Damit war der Kläger, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht hervorgehoben hat, entsprechend einem Arbeitnehmer weisungsgebunden und persönlich abhängig.

cc) Der Umschulungsvertrag der Parteien ging damit über ein Dienstleistungsverhältnis mit dem Kläger als Dienstberechtigten hinaus. Er begründete für den Kläger vielfältige Verhaltenspflichten, die den Nebenpflichten eines Arbeitnehmers zumindest ähnlich waren. Dementsprechend war die Sozialversicherung ausgestaltet. Entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerde ist unerheblich, aus welchen Gründen die Pflichtenbindung vereinbart wurde, insbesondere ob die Beklagte damit nur Vorgaben des Kostenträgers erfüllen wollte. Entscheidend ist die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses.

IV. War der Kläger demnach bei der Beklagten zu seiner Berufsausbildung beschäftigt, kommt es für die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen auf weiteres nicht an. Zwar hat es das Bundesarbeitsgericht als für ein "arbeitsrechtliches Ausbildungsverhältnis" charakteristisch angesehen, daß die Tätigkeit des Auszubildenden einen eigenen wirtschaftlichen Wert für den Ausbildenden besitzt. Dieser Wert könne darin zum Ausdruck kommen, daß der Ausbildende seinen Nachwuchs aus dem Kreis der von ihm Auszubildenden rekrutieren möchte ( aaO, zu II 4 c ff der Gründe). Eine notwendige Voraussetzung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit liegt hierin aber nicht. Vielmehr ist das wirtschaftliche Interesse des Ausbilders nur "charakteristisch" iS von typisch. Die Motive der Beteiligten sind für die Frage des Rechtswegs nicht konstitutiv. Eine von dritter Seite finanzierte oder gänzlich uneigennützige, zB gemeinnützige Berufsbildung schließt die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit nicht stets aus. Die im Rahmen der Berufsbildung Beschäftigten können auch unabhängig von einer wirtschaftlichen Bedeutung der Dienste für den Vertragspartner tätig werden.

V. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen.

Fundstelle(n):
BB 2003 S. 160 Nr. 3
DB 2003 S. 348 Nr. 6
UAAAB-94210

1Für die Amtliche Sammlung: Ja; Für die Fachpresse: Ja