BAG Urteil v. - 4 AZR 474/04

Leitsatz

[1] 1. Für die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT), die keine höhere Eingruppierung, sondern nur einen Anspruch auf eine persönliche Zulage begründen kann, sieht diese Tarifnorm keine zeitliche Grenze vor.

2. Die vorübergehende Übertragung der Tätigkeit des einzigen Mitarbeiters einer Ratsfraktion einer Stadt an einen Verwaltungsangestellten ist grundsätzlich auch dann wirksam, wenn diese Tätigkeit in der Folgezeit über mehrere Wahlperioden ausgeübt wird.

Gesetze: BAT § 22; BAT § 23; BAT § 24

Instanzenzug: ArbG Oldenburg 3 Ca 74/03 E vom LAG Niedersachsen 13 Sa 2156/03 E vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Vergütung des Klägers.

Der am geborene Kläger verfügt über die Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Nach etwa sechsmonatiger Arbeit in diesem Beruf wurde er ab befristet bis zum von der im Rat der Beklagten vertretenen Fraktion - seinerzeit - "Die Grünen" beschäftigt. Unter dem vereinbarten die damaligen Arbeitsvertragsparteien die Fortsetzung dieses Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit auf "der Grundlage des BAT in der Vergütungsgruppe 6 b BAT". Seit dem steht der Kläger in den Diensten der Beklagten. In dem auf den - richtig - datierten Vertrag ist ua. Folgendes vereinbart:

"...

§ 1

Herr K wird ab bis als Fraktionssekretär der Fraktion 'Die Grünen' (Wahlperiode des Rates) eingestellt.

§ 2

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Außerdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung. Daneben gelten die von der Stadt O erlassenen Dienstanweisungen und die Geschäftsanweisung in der jeweiligen Fassung.

§ 3

Die ersten - - Monate sind Probezeit.

§ 4

Der Angestellte wird gemäß § 22 BAT in Vergütungsgruppe VII eingruppiert.

..."

Mit Vertrag vom vereinbarten die Parteien die unbefristete Weiterbeschäftigung des Klägers als "Verwaltungsangestellter". Die Vorschriften der §§ 2 und 4 dieses Arbeitsvertrages stimmen mit denjenigen des Vertrages vom überein. Unter Bezugnahme auf diese "Unbefristete Weiterbeschäftigung" teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom mit:

"Die Stadt O ist bereit, Sie unbefristet als Verwaltungsangestellten weiterzubeschäftigen. Sie erhalten wie bislang Vergütung nach Vergütungsgruppe VII BAT und für die Dauer Ihrer Tätigkeit im Büro der Fraktion Die Grünen eine Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Vergütungsgruppen VII und VI b BAT.

..."

Diese dem Kläger seitdem gewährte Zulage wurde mit Wirkung vom durch die Gewährung einer Zulage in Höhe der Differenz zwischen den VergGr. VII und Vb BAT abgelöst. Dies beruhte auf einem "Beschluss" der Einigungsstelle vom in einem Einigungsstellenverfahren zwischen der Dienststelle und ihrem Gesamtpersonalrat, dessen Gegenstand die "Höhergruppierung von Vorzimmerkräften der Fraktionen im Rat" der Beklagten war. Der Beschluss und seine Gründe lauten:

"Dem Antrag der Verwaltung, den Fraktionsmitarbeitern/innen B, K, P, S ab eine Zulage in Höhe der Differenz zwischen den Ver.-gruppen VII BAT und V b BAT zu zahlen, wird zugestimmt.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichts. Dem gemäß ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.

I. Die als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässige Klage des Klägers ist unbegründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die tarifliche Vergütung nach einer höheren Vergütungsgruppe als derjenigen der VergGr. VII BAT.

a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmt sich kraft vertraglicher Vereinbarung ua. nach dem BAT in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (BAT/VKA).

b) Der Klage auf tarifgerechte Vergütung kann daher nur stattgegeben werden, wenn im streitigen Anspruchszeitraum mindestens die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllenden Arbeitsvorgänge der von ihm nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale derjenigen Vergütungsgruppe erfüllt, auf die der Kläger Anspruch erhebt (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 1 BAT/VKA).

c) Es kann dahinstehen, aus welchen Arbeitsvorgängen die Tätigkeit des Klägers als Fraktionsmitarbeiter der Fraktion "Bündnis 90/Die Grünen" besteht. Denn die Klage ist bei jedem denkbaren Zuschnitt der Arbeitsvorgänge dieser Tätigkeit unbegründet, weil dem Kläger die Tätigkeit als Fraktionsmitarbeiter von der Beklagten nicht auf Dauer übertragen worden ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht übersehen.

aa) Nach dem BAT bestimmt allein die von dem Angestellten "nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit" dessen Eingruppierung (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1). Eine nur vorübergehend übertragene Tätigkeit vermag hingegen unter den Voraussetzungen des § 24 BAT/VKA lediglich einen Anspruch auf eine Zulage zu begründen.

bb) Dem Kläger ist seine Tätigkeit für die Fraktion - jetzt - "Bündnis 90/Die Grünen" von der Beklagten nicht auf Dauer übertragen worden. Die Übertragung der Tätigkeit für die Fraktion nur für einen vorübergehenden Zeitraum folgt aus dem Schreiben der Beklagten an den Kläger vom . Darin hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, sie sei bereit, ihn unbefristet als Verwaltungsangestellten weiter zu beschäftigen. Er erhalte wie bislang Vergütung nach VergGr. VII BAT und für die Dauer seiner Tätigkeit im Büro der Fraktion "Die Grünen" eine Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den VergGr. VII und VIb BAT. Nach diesem Schreiben erfolgte die Übertragung der Tätigkeit als Fraktionsmitarbeiter nur für einen vorübergehenden Zeitraum. Dies folgt unmissverständlich aus der Unterscheidung zwischen der "unbefristeten" Weiterbeschäftigung des Klägers und der Zahlung der Zulage "für die Dauer Ihrer Tätigkeit im Büro der Fraktion Die Grünen". Hinzu kommt, dass der Kläger von der Beklagten zuvor nach dem Arbeitsvertrag vom als "Fraktionssekretär der Fraktion 'Die Grünen'" nur befristet bis zum angestellt war. Bezüglich der Befristungsdauer enthält dieser Vertrag den Hinweis auf die "Wahlperiode des Rates". Der nachfolgende - noch immer für das Arbeitsverhältnis maßgebende - Vertrag vom sieht demgegenüber die Weiterbeschäftigung des Klägers als "Verwaltungsangestellter" vor, also nicht als "Fraktionssekretär". Demzufolge bedurfte es nicht - mit Rücksicht auf die Wahlperiode des Rates - einer erneuten Befristung des Arbeitsverhältnisses selbst, denn der Kläger ist gerade nicht speziell für die Tätigkeit als Fraktionsmitarbeiter auf Dauer in das Arbeitsverhältnis übernommen worden, sondern für die Tätigkeit als "Verwaltungsangestellter". Die für ihn - zunächst konkret vorgesehene - Tätigkeit für die Fraktion "Die Grünen" hingegen hat die Beklagte dem Kläger gerade nicht dauerhaft übertragen. Abgesehen davon, dass dies im Wortlaut des Schreibens betreffend das Zeitmoment dieser Tätigkeit unmittelbar gesagt ist, folgt die vorübergehende Übertragung auch aus dem Umstand der Zulagengewährung. Als deren rechtliche Grundlage kommt nach dem Sachverhalt allein § 24 BAT in Betracht, der den Anspruch auf eine Zulage für den Fall der interimistischen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit des Angestellten regelt.

cc) Die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT durch die Beklagte ist wirksam erfolgt.

(1) Für die vorübergehende Übertragung ist eine zeitliche Grenze nicht vorgesehen. Sie muss in entsprechender Anwendung von § 315 BGB billigem Ermessen entsprechen. Das billige Ermessen bei der Ausübung des Direktionsrechts muss sich auf die Tätigkeitsübertragung "an sich" und die "Nicht-Dauerhaftigkeit" der Übertragung beziehen - "doppelte Billigkeit" (Senat - 4 AZR 174/01 - BAGE 101, 91, 99 f.).

(2) Die Übertragung der Tätigkeit des Fraktionsmitarbeiters in der Fraktion "Bündnis 90/Die Grünen" auf den Kläger nur für einen vorübergehenden Zeitraum entspricht billigem Ermessen. Es liegt in der Natur der Sache, einem Verwaltungsangestellten die Tätigkeit des Fraktionsmitarbeiters nicht auf Dauer zu übertragen. Denn es hängt vom jeweiligen Ergebnis der Kommunalwahl ab, ob die Partei im Rat der Kommune wieder vertreten ist. Zudem ist auch eine Auflösung der Fraktion während der Wahlperiode nicht ausgeschlossen. Jedenfalls entspricht die vorübergehende Übertragung dieser Tätigkeit grundsätzlich dann billigem Ermessen, wenn der Verwaltungsangestellte als einziger die Verwaltungsarbeit einer Fraktion auszuüben hat. Denn auch bei Fortbestehen der Fraktion können Umstände eintreten, die es erforderlich machen, dass einem für eine Fraktion als einziger Mitarbeiter tätigen Verwaltungsangestellten eine andere Tätigkeit übertragen werden muss, etwa bei Störung des in der politischen Zusammenarbeit besonders wichtigen persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Fraktion und diesem Fraktionsmitarbeiter, insbesondere infolge einer Änderung der personellen Zusammensetzung der Fraktion. Dies sind Umstände, auf die die Kommune als Arbeitgeber des Fraktionsmitarbeiters keinen Einfluss hat.

d) Als Grundlage für eine höhere Eingruppierung des Klägers kommt danach auch § 23 BAT nicht in Betracht. Denn diese Norm setzt ebenfalls eine nicht nur vorübergehende Übertragung der angewachsenen Tätigkeit voraus.

e) Auf die vom Kläger zur Begründung seines Anspruchs angeführten Vertrau- ensschutzgesichtspunkte kommt es nicht an. Vertrauensschutz beansprucht der Kläger allein hinsichtlich der Übertragung der Tätigkeit als Fraktionsmitarbeiter ihrem Inhalt nach, nicht hinsichtlich der Dauer der Übertragung dieser Tätigkeit.

f) Damit bestimmt sich die Eingruppierung des Klägers, der keine andere Tätigkeit als diejenige als Fraktionsmitarbeiter der Fraktion - jetzt - "Bündnis 90/Die Grünen" während der Dauer des Arbeitsverhältnisses der Parteien ausgeübt hat, allein nach der Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag. Denn mangels anderweitiger konkreter Aufgabenbeschreibung ergibt sich allein daraus die von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit mit entsprechender Vergütungsverpflichtung (vgl. Friedrich/Kloppenburg RdA 2001, 293, 296). Danach hat der Kläger lediglich Anspruch auf die tarifliche Vergütung der VergGr. VII.

2. Ein denkbarer Anspruch des Klägers - auch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten - auf eine Zulage in Höhe der Differenz zwischen der Vergütung der VergGr. III, IVa oder IVb einerseits und derjenigen der VergGr. VII ist nicht Gegenstand der Klage.

II. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen (§§ 91, 97 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2006 S. 1456 Nr. 26
WAAAB-94111

1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein