BAG Beschluss v. - 1 ABR 30/03

Leitsatz

[1] Die Betriebsparteien können keine Vereinbarung treffen, durch die sich der Arbeitgeber verpflichtet, an den Betriebsrat im Falle der Verletzung von Mitbestimmungsrechten eine Vertragsstrafe zu bezahlen. Der Betriebsrat besitzt hierfür nicht die erforderliche Vermögens- und Rechtsfähigkeit.

Gesetze: BetrVG § 40

Instanzenzug: ArbG Trier 3 BV 23/02 TR vom LAG Rheinland-Pfalz 4 TaBV 1353/02 vom

Gründe

A. Die Beteiligten streiten um Ansprüche des Betriebsrats aus einer Vertragsstrafenvereinbarung.

Die Arbeitgeberin betreibt Filmtheater. Am schloss sie mit dem für ihre Betriebsstätte in T. gebildeten Betriebsrat zur Erledigung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens einen Vergleich. Dessen Nr. 1 lautet:

"Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, bei Meidung einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,-- DM für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung die ab dem bis zum geltenden Dienstpläne in ihrer Betriebsstätte in T. nur durchzuführen, Arbeitnehmer zur Einhaltung von Dienstplänen aufzufordern oder deren Arbeitsleistung entsprechend Dienstplänen zu dulden, denen der Antragsteller zugestimmt hat oder die Gegenstand der ersten Sitzung einer Einigungsstelle in dieser Angelegenheit waren."

In der Woche vom bis zum wandte die Arbeitgeberin ohne Zustimmung des Betriebsrats einen Dienstplan an, der insgesamt 85 Einsätze von Arbeitnehmern vorsah. Für die vorangegangene Woche vom 20. bis zum gab es einen vom Betriebsrat mitbestimmten Dienstplan. In dieser Woche überzogen Arbeitnehmer 21 mal ihre Arbeitszeit. In weiteren zwei Fällen sprangen Arbeitnehmer auf Wunsch der Arbeitgeberin abweichend vom Dienstplan ein.

Der Betriebsrat hat in dem am eingeleiteten Beschlussverfahren die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin habe in insgesamt 108 Einzelfällen gegen ihre Verpflichtung aus dem Vergleich vom verstoßen. Sie habe daher einen Vertragsstrafenanspruch in Höhe von 1.080.000,00 DM (= 552.195,23 Euro) verwirkt. Hieraus hat der Betriebsrat in der zeitlichen Reihenfolge der Verstöße einen Teilbetrag in Höhe von 25.000,00 Euro geltend gemacht.

Er hat zuletzt beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, 25.000,00 Euro als Vertragsstrafe an ihn zu zahlen,

hilfsweise

auf ein von ihm zu bezeichnendes Konto zur Bildung eines Dispositionsfonds des Betriebsrats für die Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben,

hilfsweise

auf ein zu seinen Gunsten von der Arbeitgeberin als betriebliches Sondervermögen zu errichtendes Konto, über das er für die Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben allein verfügungsberechtigt ist,

hilfsweise

an einen vom Gericht zu bestimmenden Zahlungsempfänger.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,die Anträge abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe keinen Anspruch aus der Vertragsstrafenvereinbarung, weil er lediglich partiell vermögensfähig sei.

Das Arbeitsgericht hat den - erstinstanzlich ausschließlich gestellten - Hauptantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen und dabei auch die im Beschwerdeverfahren gestellten Hilfsanträge abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine Anträge weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Hauptantrag und die Hilfsanträge zu Recht abgewiesen.

I. Der vom Betriebsrat in erster Linie gestellte Antrag, mit dem er die Zahlung der Vertragsstrafe unmittelbar an sich verlangt, ist unbegründet. Die zwischen den Betriebsparteien geschlossene Vertragsstrafenvereinbarung ist unwirksam. Der Betriebsrat ist nur partiell vermögensfähig. Er ist rechtlich nicht in der Lage, mit der Arbeitgeberin eine unmittelbar an ihn zu zahlende Vertragsstrafe zu vereinbaren.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und allgemeiner Ansicht im Schrifttum besitzt der Betriebsrat keine generelle Rechts- und Vermögensfähigkeit (vgl. - BAGE 52, 1, 10 = AP BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 1 Nr. 4, zu II 2 a der Gründe mwN; - 7 ABR 20/00 - BAGE 99, 208, 211 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 71 = EzA BetrVG 1972 § 22 Nr. 2, zu B II 1 der Gründe; DKK-Wedde Einl. Rn. 122; Fitting BetrVG § 1 Rn. 217; Kraft GK-BetrVG § 1 Rn. 77; Richardi in Richardi BetrVG Einl. Rn. 112). Partiell vermögensfähig ist er nur insoweit, als das Betriebsverfassungsgesetz vermögensrechtliche Ansprüche für ihn vorsieht. Soweit er im Rahmen der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben Inhaber vermögensrechtlicher Ansprüche sein kann, bedingt dies im entsprechenden Umfang seine Vermögensfähigkeit (vgl. aaO; Fitting aaO § 1 Rn. 218; Richardi aaO Einl. Rn. 109 ff.; Kraft aaO § 1 Rn. 75; DKK-Wedde Einl. Rn. 123). Dabei geht es im Wesentlichen um die ihm nach § 40 Abs. 1 und 2 BetrVG zustehenden Ansprüche (vgl. aaO; vgl. ferner zu einer Vereinbarung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG - AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 55 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 42, zu B I der Gründe). Eine darüber hinausgehende generelle Vermögensfähigkeit kann auch durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht geschaffen werden. Die Betriebsparteien haben es nicht in der Hand, den Betriebsrat über den durch das Betriebsverfassungsgesetz gesetzten Rahmen hinaus als Vermögenssubjekt zu installieren. Soweit der Betriebsrat nicht vermögensfähig ist, besitzt er auch keine Rechtsfähigkeit zum Abschluss von Vereinbarungen, durch die eigene vermögensrechtliche Ansprüche begründet werden sollen. Er kann außerhalb seines gesetzlichen Wirkungskreises nicht als Rechtssubjekt Geschäfte tätigen und selbst Gläubiger oder Schuldner privatrechtlicher Forderungen werden ( aaO).

2. Hiernach ist die im Vergleich vom zwischen den Betriebsparteien getroffene Vereinbarung über eine von der Arbeitgeberin an den Betriebsrat zu zahlende Vertragsstrafe unwirksam. Der Betriebsrat war insoweit nicht rechtsfähig. Er konnte auch mit Zustimmung der Arbeitgeberin eine im Betriebsverfassungsgesetz nicht vorgesehene vermögensrechtliche Rechtsposition nicht begründen. Die getroffene Vereinbarung liegt außerhalb seines gesetzlichen Wirkungskreises. Dem steht nicht entgegen, dass der Betriebsrat den Vergleich in Verfolgung seiner Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG geschlossen hat. Diese begründen für ihn keine Vermögensrechte. Auch für den Fall ihrer Verletzung sieht das Betriebsverfassungsgesetz vermögensrechtliche Ansprüche des Betriebsrats nicht vor.

3. Da die Vertragsstrafenabrede bereits wegen der insoweit fehlenden Rechtsfähigkeit des Betriebsrats nicht wirksam zustande gekommen ist, kann dahinstehen, ob Zuwendungen des Arbeitgebers an den Betriebsrat, die über die Kostenerstattungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG hinausgehen, nicht auch deshalb unzulässig und darauf gerichtete Vereinbarungen unwirksam sind, weil sie die Unabhängigkeit des Betriebsrats und den Grundsatz der Unentgeltlichkeit des Ehrenamts gefährden können (vgl. DKK-Wedde § 41 Rn. 2; Fitting BetrVG § 41 Rn. 5; Wiese/Weber GK-BetrVG § 41 Rn. 8; Thüsing in Richardi BetrVG § 41 Rn. 5).

II. Der erste Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Dabei konnte zugunsten des Betriebsrats unterstellt werden, dass eine Leistung auf ein von ihm zu bezeichnendes "Konto zur Bildung eines Dispositionsfonds" dem Vergleich vom genügen würde. Auch konnte dahinstehen, ob die Einrichtung eines der Bestreitung der Aufwendungen des Betriebsrats dienenden Fonds grundsätzlich zulässig ist (so DKK-Wedde § 40 Rn. 12; Fitting BetrVG § 40 Rn. 91; Wiese/Weber GK-BetrVG § 40 Rn. 24; Thüsing in Richardi BetrVG § 40 Rn. 43; Glock in HSWG § 40 Rn. 73a). Denn jedenfalls würde ein Anspruch des Betriebsrats auf Zahlung von Vertragsstrafen in einen ihm zur Verfügung stehenden Fonds ebenfalls zu einer vermögensrechtlichen Position führen, die außerhalb seines gesetzlichen Wirkungskreises läge und zu deren Begründung er keine Rechtsfähigkeit besitzt. Ein dem Betriebsrat wegen der durch seine Tätigkeit entstehenden Kosten zur Verfügung gestellter Fonds darf nur der Geschäftsvereinfachung dienen. Dementsprechend muss über ihn auch in regelmäßigen Abständen abgerechnet werden (vgl. DKK-Wedde aaO; Wiese/Weber aaO). Hiermit wäre es unvereinbar, wenn der Fonds aus Vertragsstrafen gespeist würde. Diese haben weder ihrem Zweck noch ihrer Höhe nach etwas mit den bevorschussten Kosten der Betriebsratstätigkeit zu tun. Auch wäre es widersprüchlich, wenn die Vertragsstrafen anlässlich der regelmäßigen Abrechnung über den Dispositionsfonds wieder an den Arbeitgeber zurückflössen.

III. Aus denselben Gründen ist auch der zweite Hilfsantrag unbegründet. Ein Sondervermögen, über das nur der Betriebsrat verfügungsbefugt ist, kann nicht außerhalb der durch § 40 BetrVG gesetzten Grenzen gebildet werden.

IV. Unbegründet ist auch der letzte Hilfsantrag. Eine auf Grund des Vertragsstrafenversprechens erfolgende Zahlung der Arbeitgeberin an einen Dritten widerspräche allerdings weder der nur partiellen Vermögensfähigkeit des Betriebsrats noch dessen Unabhängigkeit oder den Grundsätzen des Ehrenamts. Es käme daher darauf an, ob die Vereinbarung einer bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats vom Arbeitgeber - an einen Dritten - zu leistenden Vertragsstrafe zulässig ist oder ob dem andere zwingende betriebsverfassungsrechtliche Grundsätze entgegenstehen. Die Frage kann hier dahinstehen, denn der Vergleich vom sieht die vom Betriebsrat begehrte Zahlung der Vertragsstrafe an einen vom Gericht zu bestimmenden Zahlungsempfänger nicht vor. Vertragsstrafen werden vom Schuldner regelmäßig dem Gläubiger versprochen (vgl. §§ 339 bis 341 BGB). Zwar dürfte es mit diesen Vorschriften vereinbar sein, im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB) die Zahlung der Vertragsstrafe an einen Dritten vorzusehen. Dann muss dieser aber bezeichnet oder geregelt werden, wie und durch wen er bestimmt werden soll. Im Streitfall fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Betriebsparteien eine derartige Vereinbarung treffen wollten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2005 S. 163 Nr. 3
DStR 2004 S. 2108 Nr. 49
FAAAB-93311

1Für die Amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein