BFH Beschluss v. - V B 193/05

Einzelrichter bleibt zuständiger Spruchkörper bei Änderung der Zuständigkeit des Senats; Bekanntgabe des Übertragungsbeschlusses

Gesetze: FGO § 6

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil teils die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen, teils ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.

1. Keinen Erfolg hat die Rüge der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), das Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil ihr der Beschluss, mit dem der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen worden sei, nicht bekannt gegeben worden sei.

a) Gesetzlicher Richter ist auch der Einzelrichter, dem der Senat den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 FGO zur Entscheidung übertragen hat (z.B. , BFH/NV 1998, 720, m.w.N.). Der Beschluss betreffend die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter gemäß § 6 Abs. 1 FGO ist unanfechtbar (§ 6 Abs. 4 FGO) und braucht deshalb den Beteiligten nicht zugestellt zu werden (vgl. § 53 Abs. 1 FGO). Er wird auch dadurch wirksam, dass er den Beteiligten formlos bekannt gegeben wird (§ 155 FGO i.V.m. § 329 Abs. 2 Satz 1 der ZivilprozessordnungZPO—; z.B. , BFHE 175, 19, BStBl II 1994, 862, m.w.N.). Dass im Streitfall der Rechtsstreit mit Beschluss vom auf den Einzelrichter übertragen worden ist, war der Klägerin spätestens seit ihrer Einsichtnahme in die Akten am bekannt und darüber hinaus durch die Ladung des Einzelrichters vom zur mündlichen Verhandlung am (der Klägerin zugestellt am ) bekannt geworden; das genügt.

b) Im Übrigen führt nicht jeder Fehler bei der Anwendung des § 6 FGO zu einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 119 Nr. 1 FGO. Nach ständiger Rechtsprechung kann, weil gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 FGO der Übertragungsbeschluss unanfechtbar und damit nach § 124 Abs. 2 FGO grundsätzlich vom Revisionsgericht nicht zu überprüfen ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom VI R 105/95, BFH/NV 1996, 767; in BFH/NV 1998, 720, m.w.N.), eine Besetzungsrüge nur ausnahmsweise Erfolg haben, wenn die Übertragung bei verständiger Würdigung nicht mehr nachvollziehbar erscheint und offensichtlich unhaltbar, also sich als „greifbar gesetzwidrig” erweist (z.B. BFH-Beschlüsse vom II R 69/93, BFH/NV 1994, 725; vom IV R 26/95, BFH/NV 1996, 908; in BFH/NV 1998, 720, m.w.N.). Ein lediglich die Bekanntgabe und deren Zeitpunkt betreffender —hier als solcher unterstellter— Mangel stellt die Gewährleistung des gesetzlichen Richters mangels objektiver Willkür und mangels jeglicher Manipulationsabsicht jedoch auf keinen Fall infrage (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2002, 658).

c) Auch der Einwand der Klägerin, nach der Übertragung auf den Einzelrichter sei ein anderer Senat zuständig geworden, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.

Ist der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen worden, ist dieser mit allen Folgen der zuständige Spruchkörper für dieses Verfahren, selbst noch im Falle einer Zurückverweisung durch das Revisionsgericht (, BFHE 187, 206, BStBl II 1999, 60). Deshalb bleibt der Einzelrichter der zuständige Spruchkörper auch dann, wenn ein anderer Senat für das Verfahren zuständig wird (, BFHE 186, 5, BStBl II 1998, 544).

2. Soweit die Klägerin beanstandet, das Finanzgericht (FG) habe Beweisanträge übergangen, genügt die Beschwerdebegründung nicht den Erfordernissen einer substantiierten Sachaufklärungsrüge.

Die schlüssige Verfahrensrüge setzt in diesem Fall nach ständiger Rechtsprechung des BFH u.a. substantiierte Angaben darüber voraus, inwiefern das angefochtene FG-Urteil —ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts— auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen könne und was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre (vgl. dazu die Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 120 Rz. 69).

Daran fehlt es. Die Klägerin hat nicht substantiiert vorgetragen, was das Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre, denn die nicht weiter erläuterte Behauptung, das FG hätte dann nicht davon ausgehen können, dass ihre Tätigkeit überwiegend von Z aus erfolgte und „der Beklagte hiervon auch gewusst hat”, reicht deswegen nicht, weil sie damit lediglich das —nach Ansicht der Klägerin— mutmaßliche Ergebnis der dem FG obliegenden Beweiswürdigung, nicht aber das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme dargelegt hat.

3. Die von der Klägerin gerügte Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Gericht (§ 76 FGO) liegt nicht vor.

Der Amtsermittlungsgrundsatz wird durch die Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO begrenzt, die im finanzgerichtlichen Verfahren eine Mitverantwortung für die Sachaufklärung trifft. Für die klagende Partei gilt dies in besonderer Weise bezüglich der ihrem Einflussbereich oder zumindest ihrem Wissensbereich zuzurechnenden Tatsachen (, BFH/NV 2001, 789, 790, m.w.N.; , BFH/NV 2004, 645). Das FG hat durch die Aufklärungsanordnung vom die Klägerin zur Vorlage von konkret bezeichneten, ihren Einfluss- und Wissensbereich betreffenden Unterlagen aufgefordert und damit eine Maßnahme zur Aufklärung des streitigen Sachverhalts unternommen. Dass das FG erhebliches Vorbringen der Klägerin unter Hinweis auf die —ihrer Meinung nach unzulässige— Fristsetzung zurückgewiesen hätte, hat sie nicht vorgetragen.

4. Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe die Aussage der Prüferin nicht zutreffend berücksichtigt, wendet sie sich gegen die Beweiswürdigung. Mit diesem Vorbringen legt sie keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, denn die Grundsätze der Beweiswürdigung sind dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., 6. Aufl., § 115 Rz. 82 f.). Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).

5. Mit dem Vortrag, das angefochtene Urteil stehe nicht in Einklang mit zwei BFH-Urteilen zur Anordnung von Betriebsprüfungen und sei deshalb „willkürlich und greifbar gesetzwidrig”, rügt die Klägerin sinngemäß, das FG sei von der Rechtsprechung des BFH abgewichen. Insoweit genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen für eine schlüssige Divergenzrüge (vgl. hierzu z.B. , BFH/NV 2002, 1484; Gräber/Ruban, a.a.O., 6. Aufl., § 116 Rz. 42). Anhaltspunkte dafür, dass das Urteil „willkürlich und greifbar gesetzwidrig” ist, liegen nicht vor.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1854 Nr. 10
FAAAB-92942