Erweiterte Mitwirkungspflicht auch bei nur teilweisem Auslandsbezug
Gesetze: AO § 90 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Geschäftsführer der M-GmbH. Alleinige Anteilseignerin dieser Gesellschaft ist die R-AG, Schweiz. Der Kläger übertrug im Jahr 1985 seine Beteiligung an der M-GmbH auf die R-AG. Er überließ der M-GmbH Patente gegen Lizenzgebühren, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) nach einer Außenprüfung als gewerbliche Einkünfte erfasst hat, da zwischen dem Kläger und der M-GmbH eine sog. Betriebsaufspaltung bestehe. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die sachlichen und personellen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung lägen vor. Zwar könne nach den Umständen nicht als geklärt betrachtet werden, wer die R-AG beherrsche; diese sei eine Domizilgesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb. Bei Einschaltung einer solchen Gesellschaft bestehe die nahe liegende Möglichkeit, dass der Steuerpflichtige die Unzugänglichkeit weiterer Informationen zur Verschleierung der wahren Besitzverhältnisse nutze, um ungerechtfertigt einen steuerlichen Vorteil zu erlangen. Diese Sachlage bedinge eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Da der Kläger nicht in dem ihm möglichen Maße an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt habe, treffe ihn die Beweislast. Es müsse davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger bei der Übertragung der Anteile über die Identität des Erwerbers vergewissert habe. Das gelte umso mehr, als von dem Fortwirken und dem Fortbestand der M-GmbH auch seine Existenz abhinge. Zudem habe der Kläger keine einleuchtenden Gründe für die Anteilsübertragung nennen können.
Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, dass die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung sei. Es sei fraglich, ob § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) auch dann anwendbar sei, wenn bei einem zweigliedrigen Tatbestand (hier: Betriebsaufspaltung) nur die zweite Voraussetzung (hier: die personelle Verflechtung) zur Mitwirkung i.S. des § 90 Abs. 2 AO 1977 verpflichte, obwohl er, der Kläger, als in Deutschland ansässiger Geschäftsführer und Lizenzgeber einer in Deutschland ansässigen GmbH nicht deren Gesellschafter sei und ein relevanter Auslandsbezug nur in einer früheren Anteilseignerstellung gesehen werden könne und damit fern liege. Diese Frage sei klärungsbedürftig und klärungsfähig, die Beantwortung rechtserheblich.
II. Die Beschwerde ist unbegründet; die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die vom Kläger bezeichnete Rechtsfrage bedarf keiner weiteren Klärung.
Gemäß § 90 Abs. 2 AO 1977 haben, wenn ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen ist, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht, die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können. § 90 Abs. 2 AO 1977 begründet für Sachverhalte, die sich auf Vorgänge im Ausland beziehen, eine erweiterte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen. Kommt der Steuerpflichtige dieser Verpflichtung nicht nach, so können das FA bzw. das FG hieraus für ihn nachteilige Schlüsse ziehen; ggf. kann sogar eine Beweislastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen eintreten (vgl. , BFHE 197, 287, BStBl II 2002, 861, m.w.N.).
Die Regelung des § 90 Abs. 2 AO 1977 bezieht sich auf alle Sachverhalte, die für die Anwendung der einzelnen steuerrechtlichen Norm relevant sind („Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, ...”). Im Streitfall ist die Patentüberlassung des Klägers als gewerblich zu beurteilen, sofern er mit der M-GmbH personell „verflochten ist” (vgl. , BFHE 187, 36, BStBl II 1999, 281); dieser Tatbestand der Verflechtung kann durch eine unmittelbare Beteiligung an der M-GmbH, aber auch durch eine mittelbare Beteiligung über die R-AG gegeben sein. Der dieser Beurteilung zugrunde liegende Sachverhalt beruht auch auf Vorgängen, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes stattgefunden haben.
Die von dem Kläger gestellte Frage, ob ein zweigliedriger Steuertatbestand, bei dem nur ein Teil Auslandsbezug habe, nicht von § 90 Abs. 2 AO 1977 erfasst werde, ist demnach zu verneinen, ohne dass eine weitere Klärung geboten ist. Dass der für die Anwendung der Steuerrechtsnorm maßgebliche Sachverhalt nur zum Teil Auslandsbezug hat, ist nicht ungewöhnlich. Die vom Kläger intendierte Einschränkung lässt sich § 90 Abs. 2 AO 1977 nicht entnehmen; sie wäre auch sinnwidrig, da die Ein- oder Mehrgliedrigkeit eines Tatbestandes keine Aussage über die Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten trifft. Ebenso ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob der Auslandsbezug eine unmittelbare sachliche oder zeitliche Nähe hat. Entscheidend ist allein, ob der fragliche Sachverhalt für die Anwendung der Norm relevant ist. § 90 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 zeigt, dass auch ein früheres (also ferner liegendes) Verhalten durchaus von Bedeutung sein kann; auch insoweit ist eine weitere Klärung nicht geboten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1785 Nr. 10
DAAAB-92626