BFH Beschluss v. - XI B 143/05

Rechtmäßigkeit des Solidaritätszuschlags; Recht auf den gesetzlichen Richter

Gesetze: SolZG; GG Art. 101, GG Art. 103

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist selbständiger Rechtsanwalt. Die gegen den Einkommensteuerbescheid erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) habe die Besteuerungsgrundlagen zutreffend ermittelt. Negative Einkünfte aus dem Veranlagungszeitraum 2001, die zurückgetragen werden könnten, lägen nicht vor. Die Festsetzung der Zinsen und des Solidaritätszuschlags sei rechtmäßig.

Die Kläger haben Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Die Frist zur Begründung wurde bis zum verlängert. Die Begründung ging erst am beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Dazu tragen die Kläger vor, dass der Kläger die Begründung zwar fristgerecht vorbereitet habe, dass er aber wegen eines „Diskettenabsturzes” den Entwurf nicht habe vollständig ausdrucken können. Wegen einer operationsbedingten Leistungsminderung sei er auch nicht in der Lage, den verloren gegangenen Teil fristgemäß zu komplettieren. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werde fristgerecht nachgereicht. Bei einer fernmündlichen Sachstandsanfrage am habe sich herausgestellt, dass der Schriftsatz vom , mit dem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim BFH beantragt worden sei und die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht vorlägen. Dieser Schriftsatz sei nachweislich am zur Post gegeben worden. Auch insoweit werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Mit der Beschwerde machen die Kläger in der Sache geltend, dass die Rechtssache wegen des Solidaritätszuschlags grundsätzliche Bedeutung habe und dass die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs fehlerhaft gewesen sei. Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten. Am Vorliegen der Wiedereinsetzungsgründe bestünden gewisse Zweifel. Einen „Diskettenabsturz” habe der Kläger nicht das erste Mal vorgetragen. Auch sei der Kläger dazu übergegangen, alle relevanten Schriftsätze vorab per Telefax zu versenden; hätte er daher am tatsächlich einen Brief verschickt, wäre im unmittelbaren Zusammenhang auch ein Fax abgesandt worden. Auch in der Sache könne die Beschwerde keinen Erfolg haben.

II. Die Beschwerde ist zumindest unbegründet; dabei lässt der Senat dahinstehen, ob die Beschwerde fristgerecht eingelegt und begründet worden ist.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die vom Kläger bezeichnete Rechtsfrage bedarf keiner weiteren Klärung.

Der Solidaritätszuschlag dient auch der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs; bereits der Solidaritätszuschlag 1991/1992 war nicht speziell zur Verwendung für Aufgaben in den neuen Bundesländern bestimmt (, BFH/NV 1996, 712, m.w.N.). Der ab 1995 eingeführte Solidaritätszuschlag entspricht dem Vorbild des Solidaritätszuschlags 1991/1992 (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms, BTDrucks 12/4401, S. 59). Der Zuschlag dient der allgemeinen Einnahmeverbesserung und soll alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit belasten (BTDrucks 12/4401, S. 4, 5).

Die Kläger machen geltend, dass der Kläger zu der Gruppe gehöre, der durch die Rechtsprechung zum Einigungsvertrag Grundvermögen entzogen sei, und dass auch der mit dem Solidaritätszuschlag zu deckende allgemeine Finanzbedarf letztlich auf Aufgaben für den Aufbau in den neuen Bundesländern zurückzuführen sei. Folgt man dieser Auffassung, müsste der Kläger insoweit auch von der Einkommensteuer freigestellt werden. Mit seiner Begründung versucht der Kläger, seinen nach der Rechtsprechung nicht ausgleichsfähigen Vermögensverlust durch eine Herabsetzung der Steuer teilweise zu kompensieren. Vorwegleistungen dieser Art können indes auf die nach dem Gesetz geschuldete Steuer nicht angerechnet werden; Steuern sind nach § 3 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) all denen aufzuerlegen, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.

2. Auch Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen nicht vor. Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen können nach § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Da dem Endurteil vorangegangene Entscheidungen, die nach der FGO unanfechtbar sind, nicht der Beurteilung der Revision unterliegen (§ 124 Abs. 2 FGO), kann eine Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht auf die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs gestützt werden. Geltend gemacht werden können nur solche Verfahrensmängel, die als Folge der Ablehnung des Befangenheitsgesuchs dem angefochtenen Urteil anhaften. Ein Zulassungsgrund liegt daher nur vor, wenn die Ablehnung gegen das Willkürverbot verstößt oder ein Verfahrensgrundrecht verletzt wird, wie der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—) oder den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; § 119 Nr. 1 FGO). Das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter ist jedoch nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften verletzt. Deshalb hat eine Besetzungsrüge nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich dem Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist (, juris Nr: STRE200550360).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Kläger rügt etliche Fehler, die dem FG während des Verfahrens unterlaufen sein sollen; die vom Kläger bezeichneten Fehler bewirken nach Auffassung des Senats aber nicht, dass die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs als willkürlich und greifbar gesetzwidrig zu beurteilen ist. Dazu reicht weder, dass das FG im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides verneint hatte noch dass die Ausfertigung des Beschlusses…vom irrtümlich das Datum des trug. Dasselbe gilt für die Zurückweisung der „Gegenvorstellung” durch Beschluss vom und für die vom FG getroffenen Kostenentscheidungen, soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt war. Ebenso ist der über die Zurückweisung der Gegenvorstellungen vom nicht geeignet, die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs zu einer greifbar gesetzwidrigen Entscheidung zu machen; Anhaltspunkte für ein willkürliches Verhalten sind nicht erkennbar und auch nicht näher dargelegt worden. Schließlich leitet der Kläger die Begründetheit des Ablehnungsantrags auch daraus ab, dass das FG zu Unrecht den Antrag auf Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung am abgelehnt habe. Auch insoweit ist kein Sachverhalt gegeben, der dazu führen könnte, die Entscheidung über den Befangenheitsantrag als willkürlich zu werten. Das FG hatte den Kläger bereits mit Schreiben vom darauf hingewiesen, dass er sich bei weiterer Erkrankung gegebenenfalls vertreten lassen müsse. Diese (allgemeine) Aussage ist nicht zu beanstanden; sie lässt durchaus offen, ob das FG im Einzelfall auf die besondere Situation des Klägers Rücksicht nehmen würde.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1886 Nr. 10
JAAAB-92624