Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main - S 1301 A - 55 - St 58

Rückfallklauseln, subject-to-tax-Klauseln, remittance-base-Prinzip und switch-over-Klauseln in den Doppelbesteuerungsabkommen

Kartei DBA, AStG S 1301 DBA Allgemeines Rückfallklauseln, Karte 1

A. Problemstellung

Die sog. Freistellungsmethode (Art. 23 A OECD-Musterabkommen) vermeidet die Doppelbesteuerung in der Weise, dass der Ansässigkeitsstaat die Einkünfte, für die der andere Staat (Quellenstaat) ein Besteuerungsrecht hat, aus der Bemessungsgrundlage ausnimmt. Dies gilt auch dann, wenn der Quellenstaat von seinem Besteuerungsrecht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen keinen Gebrauch macht, so dass es auch zu einer doppelten Nichtbesteuerung kommen kann (Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung). Es besteht in solchen Fällen lediglich die Möglichkeit, den anderen Staat durch eine Spontanauskunft auf die Einkünfte hinzuweisen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem anderen Staat diese Einkünfte nicht bekannt sind.

B. Regelungen in den DBA

1. Um diese sogenannten weißen Einkünfte zu vermeiden, ist in einigen Abkommen geregelt, dass Einkünfte für Zwecke der Anwendung des DBA nur dann als aus dem anderen Vertragsstaat stammend gelten, wenn sie dort besteuert werden. Ist dies nicht der Fall, fällt das Besteuerungsrecht an Deutschland als den Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen zurück; die Einkünfte werden dann nicht von der deutschen Steuer freigestellt. Derartige Regelungen (Rückfallklauseln) sind gegenwärtig in folgenden Abkommen enthalten:


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anzuwenden ab 1997,
Abs. 16d) des Schlußprotokolls zum DBA Italien 1989 –
anzuwenden ab 1993,
anzuwenden ab 1983,
anzuwenden ab 1978,
anzuwenden ab 1991,
anzuwenden ab 2003,
Art. 23 Abs. 1 letzter Satz DBA Schweden 1992 –
anzuwenden ab 1995,
Art. 23 Abs. 2 letzter Satz DBA USA 1989 –
anzuwenden ab 1990.

Sie waren als subject-to-tax-Klauseln auszulegen ( BStBl 1997 II S. 117; offen gelassen in BStBl 1998 II S. 58).

2. Neben diesen meist allgemeinen Klauseln enthalten einige DBA Regelungen, die (nur für bestimmte Einkunftsquellen) das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats wieder aufleben lassen, wenn der Quellenstaat nach seinem innerstaatlichen Recht das ihm nach dem DBA zustehende Besteuerungsrecht nicht wahrnimmt:

  • Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a DBA Großbritannien 1964/70 für Einkünfte aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens,

  • Art. 7 Abs. 2 und Art. 10 Abs. 3 Satz 2 DBA Luxemburg 1958/73 für Einkünfte aus dem Betrieb oder aus Diensten an Bord von Schiffen oder Luftfahrzeugen,

  • Art. 7 Abs. 2 und Art. 10 Abs. 3 Satz 2 DBA Niederlande 1959/2004 für Einkünfte aus dem Betrieb oder aus Diensten an Bord von Schiffen oder Luftfahrzeugen,

  • Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA Schweiz 1971/78/89/92/02 für Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit leitender Angestellter.

C. Wirkung als Rückfallklausel

Die unter B. genannten Regelungen sind nur noch in Einzelfällen als Rückfallklauseln (subject-to-tax Klausel zu Gunsten des Ansässigkeitsstaates) anzusehen, mit der Wirkung, dass das Besteuerungsrecht an den Ansässigkeitsstaat zurückfällt.

Nach dem BStBl 2004 II S. 260, liegen Rückfallklauseln nur noch vor im Verhältnis zu:

Bei diesen Regelungen greifen die Gründe des o.g. BFH-Urteils nicht (z.B. mangels einer solchen allgemeinen Klausel und den sich daraus ergebenden Konkurrenzproblemen oder aufgrund anderer Formulierungen wie z.B. „… effektiv besteuert …” im Protokoll zum DBA Italien).

Alle anderen Formulierungen (wie die allgemeinen Quellenregeln im DBA USA, Dänemark, Neuseeland, Norwegen und Schweden) sind nach dem o.g. Urteil nicht mehr als Rückfallklauseln anzusehen. Sie entfalten daher keine Wirkung.

Sofern noch eine Rückfallklausel anzunehmen ist, sind Einkünfte aus dem entsprechenden Staat, die nach den Regelungen dieses DBA in Deutschland grundsätzlich freizustellen wären, im anderen Staat tatsächlich aber nicht besteuert werden, nicht von der deutschen Besteuerung freizustellen.

Auf den Grund für die Nichtbesteuerung im anderen Staat kommt es dabei nicht an, d.h. die Rückfallklauseln erfassen sowohl die Fälle, in denen der andere Staat nach seinem nationalen Steuerrecht die Einkünfte nicht oder nicht in vollem Umfang besteuern kann, als auch die Fälle, in denen der andere Staat die Einkünfte – rechtsirrtümlich oder in Unkenntnis ihres Vorhandenseins – steuerfrei lässt, obwohl er sie nach seinem nationalen Recht besteuern könnte.

Eine ausländische Besteuerung ist auch noch anzunehmen, wenn die ausländische Steuer nur aufgrund von Freibeträgen, eines Verlustausgleichs oder Verlustabzugs entfällt oder die betreffenden Einkünfte als negative Einkünfte bei der ausländischen Besteuerung berücksichtigt werden ( BStBl 1998 II S. 58).

Bestehen derartige Klauseln, die eine Steuerfreistellung oder Steuerermäßigung im Inland von der steuerlichen Erfassung der Einkünfte im Ausland abhängig machen, muss der Steuerpflichtige im Rahmen seiner erhöhten Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 2 AO) den Nachweis erbringen, dass die Einkünfte im Ausland der Besteuerung unterworfen wurden [2]. Eine tatsächliche Besteuerung liegt auch vor, wenn im anderen Staat nach dem dort geltenden Tarif auch unter Einbeziehung der fraglichen Einkünfte keine Steuer festzusetzen ist (Einkünfte insgesamt nicht höher als Grundfreibetrag). Wird der Nachweis nicht erbracht, sind die Einkünfte grundsätzlich in die Besteuerung im Inland einzubeziehen ( BStBl 1997 II S. 117).

D. Abgrenzung zu ähnlichen Regelungen

Darüber hinaus enthalten verschiedene DBA Regelungen, nach denen der Quellenstaat Einkünfte nicht oder nur teilweise freistellt, wenn die Einkünfte

  • im Ansässigkeitsstaat nach dessen innerstaatlichem Recht nur mit ihrem dorthin überwiesenen Betrag steuerpflichtig sind (sog. remittance-base-Prinzip oder auch Überweisungsklauseln), so

    Art. II Abs. 2 DBA Großbritannien 1964/70,

    Art. II Abs. 2 DBA Irland 1962,

    Art. 2 Abs. 2 DBA Israel 1962/77,

    Art. 3 Abs. 3 DBA Jamaika 1974,

    Schlussprotokoll Nr. 2 zum DBA Malaysia 1977,

    Art. 2 Abs. 6 DBA Malta 1974,

    Schlussprotokoll Nr. 1 Buchst. a zum DBA Trinidad und Tobago 1973,

    Schlussprotokoll Nr. 2 zum DBA Zypern 1974),

  • im Ansässigkeitsstaat nach dessen innerstaatlichen Recht nicht steuerpflichtig sind (sog. subject-to-tax-Klauseln), vgl.

    Art. XV DBA Großbritannien 1964/70 für im DBA nicht besonders behandelte Einkünfte,

    Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA Portugal 1980,

    Art. 7 Abs. 2 Buchst. b, 8 Abs. 2, 9 Abs. 1, 12 Abs. 1, 13 Abs. 2, 16 Abs. 1 und 19 DBA Südafrika 1973 für verschiedene Einkünfte)

    oder

  • im Ansässigkeitsstaat „von der üblichen steuerlichen Behandlung ausgenommen” sind (Schlussprotokoll Nr. 1 zum DBA Marokko 1972).

Diese Regelungen können in Deutschland nur Anwendung finden, wenn der Steuerpflichtige im Ausland ansässig ist.

Die deutsche Abkommenspraxis geht vermehrt dazu über, in neue DBA sogenannte switch-over-Klauseln aufzunehmen. Danach kann der Ansässigkeitsstaat an Stelle der eigentlich vorgesehenen Freistellungsmethode die Anrechnungsmethode anwenden, wenn in den Vertragsstaaten Einkünfte unterschiedlichen Abkommensbestimmungen zugeordnet oder verschiedenen Personen zugerechnet werden (Qualifikations- und Zurechnungskonflikte) und sich dieser Konflikt nicht durch ein Verständigungsverfahren regeln lässt und es entweder zu einer doppelten Besteuerung oder zu einer doppelten Nichtbesteuerung käme, oder wenn ein Vertragsstaat dem anderen Vertragsstaat eine solche Verfahrensweise auf diplomatischen Weg notifiziert (vgl. z.B. Schlussprotokoll Nr. 21 zum DBA USA 1989, Nr. 10 des Protokolls zu Art. 23 DBA Kanada 2001, Art. 28 DBA Österreich 2000 und Art. 24 Abs. 3 DBA Polen 2003).

E. Besonderheiten bei ausländischen Verlusten

Bei negativen Einkünften könnte die Anwendung der Rückfallklausel zu dem Ergebnis führen, dass negative Einkünfte stets im Ansässigkeitsstaat zu berücksichtigen wären, weil sie – da negativ – im anderen Staat nicht besteuert worden sind. Eine solche Auslegung entspricht nicht dem Zweck der Rückfallklauseln, weiße Einkünfte zu verhindern.

Daher bittet die OFD zu dieser noch nicht geklärten Rechtfrage die Auffassung zu vertreten, dass Rückfallklauseln nach ihrem Sinn und Zweck auf negative Einkünfte keine Anwendung finden.

F. Besonderheiten bei Arbeitslohn für eine Tätigkeit im Ausland

Im Freistellungsverfahren nach § 39b Abs. 6 EStG kann der Nachweis der Besteuerung im Ausland naturgemäß noch nicht erbracht werden. Die Freistellungsbescheinigung ist dennoch zu erteilen, wenn die übrigen nach dem DBA für die Freistellung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. In die Bescheinigung ist ein Hinweis aufzunehmen, dass die Freistellung unter dem Vorbehalt steht, dass die Einkünfte im anderen Staat besteuert werden.

Ab VZ 2004 ist die Regelung des § 50d Abs. 8 EStG zu beachten. Danach wird bei unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern der im Ausland erzielte Arbeitslohn abzüglich Werbungskosten, der nach einem DBA freizustellen und dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen ist, ungeachtet des jeweiligen DBA nur dann im Rahmen der ESt-Veranlagung tatsächlich freigestellt, wenn der Arbeitnehmer den Nachweis erbringt, dass für die Einkünfte im Ausland Steuern bezahlt wurden oder der ausländische Staat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet.

G. Verhältnis zum zwischenstaatlichen Auskunftsaustausch

Rückfallklauseln der DBA sollen die doppelte Nichtbesteuerung von Einkünften verhindern. Zweck dieser Klauseln ist es nicht, das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats, abweichend von den Verteilungsnormen des Abkommens, zu Lasten des anderen Staates zu erweitern. Es bleibt den Finanzämtern daher unbenommen, auf dem Wege der zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen eine Spontanauskunft an den betreffenden Staat zu richten [3]. Kommt es, z.B. aus diesem Grund, dort nachträglich zu einer Besteuerung, so ist der inländische Steuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern ( BStBl 1997 II S. 117).

Die Bezugsverfügung vom ist auszusondern.

Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main v. - S 1301 A - 55 - St 58

Fundstelle(n):
KAAAB-92051

1Das DBA Kanada 2001, welches das DBA Kanada 1981 ersetzt und ab 2001 anzuwenden ist, enthalt eine Rückfallklausel nur noch für in Kanada ansässige Personen.

2Zur Feststellungslast bei steuerbefreienden Tatsachen: BStBl II 1995 S. 95

3Siehe „Amtshilfe-Merkblatt” in BStBl I 2006 S. 26 ff. – OFD-Intranet/Fachinformationen/Außensteuerrecht/Zwischenstaatliche Amtshilfe in Steuersachen.