Zweistufige Prüfung des Schuldzinsenabzugs auch bei Zinsen unter 4000 DM
Gesetze: EStG § 4 Abs. 4a
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 des Einkommensteuergesetzes —EStG—). Betriebliche und private Zahlungen erfolgten über dasselbe Girokonto.
Ausweislich eines Betriebsprüfungsberichts betreffend die Jahre 1996 bis 1998 hatte der ursprüngliche Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—), das bis zum für die Veranlagung der Kläger zuständige FA, von den gesamten Schuldzinsen dieser Jahre, die zwischen 2 400 DM bis 3 700 DM betrugen, jeweils einen Betrag von 1 300 DM als privat veranlasst angesehen und nicht als Betriebsausgaben anerkannt.
Für die Streitjahre beliefen sich die gesamten Schuldzinsen des gemischt genutzten Kontos auf 2 583 DM für das Jahr 2000 und auf 1 913 DM für das Jahr 2001. In Anlehnung an die Schätzungen der Vorjahre schätzte das FA den privaten Anteil für das Jahr 2000 auf 1 100 DM und für das Jahr 2001 auf 600 DM.
Die Kläger machten zur Begründung ihres Einspruchs geltend, gemäß § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) vom (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) sei eine Kürzung der Zinsaufwendungen erst ab einem Gesamtbetrag der Zinsen von 4 000 DM vorzunehmen. Das FA hielt dem entgegen, die Zinsen für das Girokonto seien nicht aufgrund des § 4 Abs. 4a EStG, sondern deshalb gekürzt worden, weil vor Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG zu prüfen sei, ob überhaupt betrieblich veranlasste Schuldzinsen vorlägen. Da es sich im Streitfall um ein gemischt genutztes Konto handele, seien der betrieblich und der privat veranlasste Anteil der Schuldzinsen im Schätzungswege ermittelt worden. Die Bedeutung des § 4 Abs. 4a EStG liege darin, dass die Abziehbarkeit ausschließlich betrieblich veranlasster Schuldzinsen insofern eingeschränkt werde, als Überentnahmen getätigt worden seien. § 4 Abs. 4a EStG sei im Streitfall wegen fehlender Überentnahmen nicht anwendbar.
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hielten die Kläger an der Auffassung fest, dass bei Gesamtzinsen eines gemischt genutzten Kontos von weniger als 4 000 DM für eine Aufteilung nach privater und betrieblicher Veranlassung gemäß § 4 Abs. 4a EStG kein Raum sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es entschied, dass auch nach Einführung des § 4 Abs. 4a EStG durch das StBereinG 1999 bei den Schuldzinsen eines gemischten Kontos weiterhin zunächst zu klären sei, ob sie betrieblich oder privat veranlasst seien. Sodann sei zu prüfen, ob der Abzug der betrieblich veranlassten Schuldzinsen im Hinblick auf Überentnahmen gemäß § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 1175 veröffentlicht.
Die Kläger rügen mit ihrer Revision eine unzutreffende Auslegung des § 4 Abs. 4a EStG. Sie wenden gegen das nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist ergangene (BFHE 211, 238, BStBl II 2006, 125) ein, dass bereits Bedenken bestehen, ob § 4 Abs. 4a EStG verfassungsgemäß sei. Denn wenn die Vorschrift sowohl so ausgelegt werden könne, dass sie eine für den Steuerpflichtigen günstige Regelung enthalte, als auch in der Weise, dass der betriebliche Schuldzinsenabzug für überschuldete Betriebe gekürzt werde, fehle es an der erforderlichen Eindeutigkeit der Norm. Die Entscheidung, ob eine gesetzliche Begünstigung oder Belastung erfolge, habe nicht der Gesetzgeber, sondern der BFH getroffen. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Außerdem führe die Interpretation durch den BFH dazu, dass der das Einkommensteuerrecht beherrschende Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht mehr beachtet werde. Nach dem (BFHE 211, 227) unterstelle das Gesetz bei Vorliegen von Überentnahmen —über § 4 Abs. 4 EStG hinaus— eine private Veranlassung und stufe deshalb die Zinsen als nicht abziehbar ein. Es sei unverständlich, dass bei der Berechnung der Überentnahmen ausschließlich betriebliche Verbindlichkeiten zu berücksichtigen seien, andererseits das Gesetz aber eine private Veranlassung der Überentnahmen unterstelle. Eine Besteuerung aufgrund einer Sachverhaltsunterstellung, von der feststehe, dass sie unzutreffend sei, wäre nicht verfassungsgemäß.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide dahin zu ändern, dass für das Jahr 2000 die gesamten Schuldzinsen in Höhe von 2 593,23 DM und für das Jahr 2001 in Höhe von 1 913,12 DM als Betriebsausgaben anerkannt werden.
Das während des Revisionsverfahren zuständig gewordene FA XY beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es verweist darauf, dass § 4 Abs. 4a EStG im Streitfall bereits deshalb nicht anwendbar sei, weil diese Vorschrift nach ihrem Satz 1 zwingend voraussetze, dass Überentnahmen getätigt worden seien. In den beiden Streitjahren hätten aber keine Überentnahmen vorgelegen.
II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Kläger nicht die gesamten Schuldzinsen des gemischt genutzten Kontos als Betriebsausgaben abziehen kann.
1. Während des Revisionsverfahrens ist aufgrund einer Änderung der Anordnung über die Zuständigkeit der Finanzämter in X mit Wirkung ab dem das FA XY für die Einkommensteuerveranlagung der Kläger zuständig geworden. Dieses ist damit Beteiligter (§ 57 FGO) des Revisionsverfahrens geworden; § 122 Abs. 1 FGO ist insoweit einschränkend auszulegen (vgl. , BFHE 128, 251, BStBl II 1979, 714).
2. Der Kläger kann keine höheren Schuldzinsen als die vom FA bereits anerkannten als Betriebsausgaben abziehen.
a) Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Danach können die Schuldzinsen eines gemischt genutzten Kontos nur insoweit als Betriebsausgaben abgezogen werden, als sie betrieblich veranlasst sind. Nach den vom BFH entwickelten Grundsätzen sind Schuldzinsen anhand des tatsächlichen Verwendungszwecks der Erwerbs- oder der Privatsphäre zuzuordnen (vgl. Beschluss des Großen Senats des , BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817). Wickelt ein Steuerpflichtiger seinen betrieblich und privat veranlassten Zahlungsverkehr über ein einheitliches Konto ab, ist für die Ermittlung der als Betriebsausgaben abziehbaren Schuldzinsen der Sollsaldo nach der sog. Zinszahlenstaffelmethode bzw. im Wege der Schätzung aufzuteilen.
Im Streitfall hat das FA die betrieblich veranlassten Zinsen geschätzt. Die Kläger wenden sich ausschließlich gegen die Aufteilung der Zinsen dem Grunde nach; gegen die Höhe der Schätzung und den Aufteilungsmaßstab des FA haben sie keine substantiierten Einwendungen erhoben.
b) Die Einwendungen der Kläger gegen die Aufteilung der Schuldzinsen dem Grunde nach sind nicht begründet. Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger scheidet die Aufteilung der —weniger als 4 000 DM betragenden— Zinsen des gemischten Kontos in den Streitjahren 2000 und 2001 nicht aufgrund der Einführung des § 4 Abs. 4a EStG durch das StBereinG 1999 aus. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Schuldzinsen nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Nach dem Urteil des X. Senats des BFH in BFHE 211, 238, BStBl II 2006, 125 ist nach der Einführung dieser Vorschrift der Schuldzinsenabzug zweistufig zu prüfen. Zunächst ist zu klären, ob der betreffende Kredit nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen eine betriebliche oder private Schuld ist. Sodann ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang die betrieblich veranlassten Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 abziehbar sind.
Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung des X. Senats an und verweist wegen der Einzelheiten der Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen auf dessen Urteil. Einleuchtende Gründe, die es rechtfertigen könnten, abweichend von § 4 Abs. 4 EStG und abweichend von der Rechtsauffassung des X. Senats Zinsen bis zu einer Höhe von 4 000 DM unabhängig davon als Betriebsausgaben abzuziehen, ob sie privat oder betrieblich veranlasst sind, vermag der Senat nicht zu erkennen.
Danach ist im Streitfall auch unter Berücksichtigung des § 4 Abs. 4a EStG zu Recht eine Aufteilung der insgesamt angefallenen Schuldzinsen vorgenommen worden.
3. Soweit die Kläger verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 4 Abs. 4a EStG haben und eine unzureichende Klarheit der Vorschrift, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung und gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit rügen, ist ihre Rechtsauffassung für die Entscheidung des Streitfalles nicht entscheidungserheblich. Denn wenn die Vorschrift aus den von den Klägern aufgeführten Gründen verfassungswidrig wäre, wäre sie gemäß § 78 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht mit der Folge für nichtig zu erklären, dass wieder die vorher bestehende Rechtslage eintreten würde. Es verbliebe also bei der Anwendung des § 4 Abs. 4 EStG, der für den Abzug von Schuldzinsen eine betriebliche Veranlassung verlangt.
Die Rüge der Kläger, § 4 Abs. 4a EStG sei verfassungsrechtlich bedenklich, wäre für die Entscheidung des Streitfalles nur dann erheblich, wenn das FA diese Vorschrift angewendet und die geltend gemachten Schuldzinsen auf der zweiten Stufe der Prüfung aufgrund von Überentnahmen gekürzt hätte. Dies war aber nicht der Fall. Vielmehr ist unstreitig, dass der Kläger keine Überentnahmen getätigt und das FA die angefallenen Schuldzinsen insoweit auch nicht gekürzt hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1832 Nr. 10
QAAAB-91829