Degressive AfA nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG bei Alten- und Pflegeheimen
Anwendung der , und
Der BFH hat sich in drei Urteilen vom IX R 9/03 (BStBl 2004 II S. 225), IX R 2/00 (BStBl 2004 II S. 221) und IX R 7/03 (BStBl 2004 II S. 223) sowie vom III R 45/04 (BStBl 2005 II nn), III R 20/05 (BFH/NV 2006 S. 1343) und III R 27/05 (BStBl 2005 II nn) mit der Frage befasst, ob auch Immobilien, die in der Wohnform des sog, „betreuten Wohnens für Senioren”, als Pflegezimmer oder als Pflegeheim genutzt werden, im Sinne von § 7 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 EStG „Wohnzwecken dienen”, so dass für sie ein erhöhter Abschreibungssatz in Anspruch genommen werden kann. Die Finanzämter hatten dies in allen Fällen verneint, weil die Wohnnutzung von den daneben erbrachten Betreuungs- oder Pflegeleistungen überlagert werde und das Wohnen daher von nur untergeordneter Bedeutung sei.
1. Umfang der Betreuungs- oder Pflegeleistungen unerheblich
Der BFH ist der Auffassung der Finanzverwaltung nicht gefolgt. Nach dem Zweck des § 7 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 EStG, das Angebot von Mietwohnungen auf dem Wohnungsmarkt zu verstärken, sei es unerheblich, ob und in welchem Umfang der Bewohner in dem als förderungswürdig eingestuften Objekt neben dem Wohnen noch weitere Betreuungs- oder Pflegeleistungen in Anspruch nehme. Dies gelte nicht nur in dem Fall, dass solche Leistungen erst im Zuge sich verändernder Lebensbedürfnisse im bisherigen Wohnumfeld in Anspruch genommen würden, sondern auch im Falle des Umzugs in eine Einrichtung für „betreutes Wohnen” oder eine Pflegeeinrichtung.
Die bisher hiervon abweichende Auffassung der Finanzverwaltung (H 42a „Wohnzwecke” EStH 2003), wonach zur Beurteilung des jeweiligen Sachverhalts in erster Linie auf die vom Betreiber angebotenen (und zu bezahlenden) Grundleistungen abzustellen war, ist damit überholt.
2. Maßgeblichkeit des Wohnungsbegriffs und der tatsächlichen Sachherrschaft
Gleichzeitig hat der BFH jedoch die Anforderungen an Räume, die Wohnzwecken dienen, präzisiert: Erforderlich ist, dass die Räume eine eigenständige Haushaltsführung zulassen und der Bewohner über sie die tatsächliche und rechtliche Sachherrschaft hat. Ferner müssen mindestens eine Heizung, eine Kochgelegenheit, ein Bad und eine Toilette vorhanden sein.
Dementsprechend hat der BFH im Urteil IX R 9/03 entschieden, dass eine Eigentumswohnung, die in der Wohnform des „betreuten Wohnens” genutzt wird, regelmäßig Wohnzwecken dient.
Im Urteilsfall hatten die Kläger eine solche Eigentumswohnung an eine Betreibergesellschaft vermietet, die die Wohnung an die Endnutzer untervermietete.
Nach dem Urteil IX R 2/00 diente hingegen ein an eine Betreibergesellschaft vermietetes Pflegeheim nicht Wohnzwecken, weil den Heimbewohnern nach dem Heimvertrag kein Anspruch auf ein bestimmtes Zimmer zustand, sondern der Heimbetreiber sich die Verlegung der Heimbewohner vorbehalten hatte. In diesem Fall fehlt die erforderliche Sachherrschaft der Heimbewohner über ihre Unterkunft.
Ferner diente nach dem Urteil IX R 7/03 ein an einen Heimbetreiber vermietetes möbliertes Pflegedoppelzimmer nicht Wohnzwecken, weil mangels einer eigenen Kochgelegenheit keine eigenständige Haushaltsführung möglich war und auch in diesem Fall die Heimbewohner keine Sachherrschaft über das Zimmer hatten.
Das BVerfG hat die gegen das Urteil IX R 7/03 eingelegte Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom – 2 BvR 2273/03 nicht zur Entscheidung angenommen. Ebenfalls mit Beschluss vom – 2 BvR 2272/03 wurde auch die Verfassungsbeschwerde zu einem weiteren Urteil (, IX R 8/03, BFH/NV 2004, S. 186) mit einem vergleichbaren Sachverhalt abgelehnt. Im Ergebnis bedeutet dies, dass in den entsprechenden Fallgestaltungen keine degressive AfA in Betracht kommt.
Die Frage, ob ein Pflegewohnheim für Senioren der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dient, wenn nur eine Gemeinschaftsküche für 30 Personen auf einem Flur vorhanden ist, ist nun höchstrichterlich entschieden. Mit Urteilen vom (III R 20/05, III R 27/05 und III R 45/04) entschied der BFH, dass es ausreichend sei, wenn die Möglichkeit des Einbaus oder der Mitbenutzung einer Kochgelegenheit gegeben ist. Auch der Umstand, dass der Bewohner eines Zweibettzimmers möglicherweise keinen entscheidenden Einfluss auf die Auswahl eines Mitbewohners hat, steht seiner Sachherrschaft nicht entgegen, wenn er durch den Abschluss des Heimvertrages in die Auswahl des Mitbewohners durch das Seniorenheim eingewilligt hat. Die Urteile sind zwar zum Investitionszulagegesetz 1999 ergangen, die dort aufgeführten Grundsätze sind aber wegen der identischen Zielrichtung beider Vorschriften auch auf § 7 Abs. 5 EStG anzuwenden. Die Bearbeitung bisher ruhender Einspruchsverfahren bitte ich nun wieder aufzunehmen.
3. Besonderheit für im Gemeinschaftseigentum stehende Räume
Nach dem Urteil IX R 9/03 muss ferner geprüft werden, ob die für die Eigentumswohnung (Sondereigentum) zu gewährende AfA nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG auch für die im gemeinschaftlichen Eigentum (an der Wohnanlage) stehenden Räume (Mehrzweckraum, Cafeteria, Gruppenräume, Werkraum, Gästeappartement) in Betracht kommt. Sollten diese Räume nicht Wohnzwecken der Bewohner, sondern in erster Linie dem Betrieb der Anlage als solchem dienen (z. B. aufgrund eines außergewöhnlichen Umfangs der sonstigen Einrichtungen oder wenn diese regelmäßig durch andere Personengruppen neben den Bewohnern oder deren Besuchern genutzt werden), stehen sie in einem anderen Nutzungs- und Funktionszusammenhang als die ETW (vgl. , BStBl II 1982 S. 671 unter 5.). Sie bilden damit ein eigenständiges Wirtschaftsgut, für das AfA nach § 7 Abs. 4 bzw. Abs. 5 EStG gesondert zu prüfen ist.
Inhaltlich gleichlautend
OFD Rheinland v. - S 2196 - 1001 - St 2
OFD Münster v. - S 2196 - 22 - St 22 - 31
Fundstelle(n):
UAAAB-91122