Berechnung der Erbschaftsteuer bei Belastung früherer Schenkung mit nicht abziehbarer Belastung; keine Stundung der Erbschaftsteuer wegen dieser Belastung
Gesetze: ErbStG § 14 Abs. 1, ErbStG § 25 Abs. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erhielt im Jahr 1994 von ihren Eltern zwei in deren Miteigentum stehende Eigentumswohnungen sowie von ihrem Vater (V) zwei weitere Eigentumswohnungen übertragen. Die Eltern bzw. V behielten sich den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an den Wohnungen vor. Der Nießbrauch an den von den Eltern stammenden Wohnungen steht den Überlassern als Gesamtberechtigten und nach dem Ableben eines der Übergeber dem Überlebenden allein zu. Aufschiebend bedingt durch das Vorableben des V steht der Nießbrauch an den von V übergebenen Wohnungen der Ehefrau (E) des V und Mutter der Klägerin auf deren Lebensdauer zu. Da der steuerliche Wert der von V übertragenen Eigentumswohnungen und Miteigentumsanteile (insgesamt 75 880 DM) niedriger war als der der Klägerin nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der damals geltenden Fassung zustehende Freibetrag von 90 000 DM, war für die Zuwendungen des V keine Schenkungsteuer festzusetzen.
Im Juni 1996 verstarb V und wurde von E und der Klägerin je zur Hälfte beerbt. Nachdem die zunächst gegebenen Voraussetzungen für die Gewährung des in § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG vorgesehenen Freibetrags nach Abs. 5 der Vorschrift weggefallen waren, setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) gegen die Klägerin Erbschaftsteuer fest und rechnete dabei dem Wert des Erwerbs von Todes wegen den Steuerwert der 1994 erfolgten Schenkungen des V hinzu. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 621 veröffentlichte Urteil, die Erbschaftsteuer, die auf einen Kapitalwert von 35 938 DM der Nießbrauchsbelastung der der Klägerin im Jahr 1994 überlassenen Eigentumswohnungen entfällt, bis zum Erlöschen der Belastung zinslos zu stunden, und führte zur Begründung aus, die Steuer für den Erwerb von Todes wegen sei aufgrund der Nichtberücksichtigung der Belastung durch die Nießbrauchsrechte entsprechend höher festgesetzt worden. Diese Mehrsteuer müsse nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG bis zum Erlöschen der Belastung zinslos gestundet werden.
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung der §§ 14 und 25 Abs. 1 ErbStG und bringt zur Begründung vor, eine bei der Berechnung der Steuer für einen späteren Erwerb nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht zu berücksichtigende Belastung eines gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG in die Berechnung einzubeziehenden Vorerwerbs könne nicht zu einer entsprechenden zinslosen Stundung der für den späteren Erwerb festgesetzten —höheren— Steuer nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG führen. Diese Stundungsregelung greife nur ein, wenn der zu besteuernde Letzterwerb selbst mit einer nicht abziehbaren Belastung beschwert sei.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat das FA zu Unrecht verpflichtet, die Erbschaftsteuer bis zum Erlöschen der Nießbrauchsbelastungen dem Antrag der Klägerin entsprechend zinslos zu stunden.
1. Ist ein Erwerb nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mit einem früheren Erwerb zusammenzurechnen, der mit einer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht abziehbaren Belastung beschwert ist, ist der Vorerwerb mit dem Bruttowert, d.h. ohne Berücksichtigung der Belastung, anzusetzen.
Dieser Bruttowert ist auch der Berechnung sowohl der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven Steuer als auch der nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG statt der fiktiven Steuer abzuziehenden tatsächlich für den Vorerwerb zu entrichtenden Steuer zugrunde zu legen. Die Auffassung der Finanzverwaltung, wonach die für den Vorerwerb tatsächlich zu entrichtende Steuer i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG lediglich die für den Vorerwerb nach § 25 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG sofort zu entrichtende Steuer zuzüglich des Ablösebetrags nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ist (H 85 Abs. 3 zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien —ErbStR— 2003 i.d.F. der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom , BStBl I 2004, 939), und zwar auch dann, wenn der Erwerber die Ablösung nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG nicht beantragt hat (Erlass der Finanzbehörde Hamburg vom , Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge —ZEV— 2004, 504, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2005, 249; weitere Nachweise zur Verwaltungsauffassung bei Korezkij, ZEV 2005, 242), ist mit § 14 Abs. 1 Satz 3 und § 25 Abs. 1 ErbStG nicht vereinbar. Diese Berechnungsweise führt dazu, dass dem Erwerber der Vorteil aus einer Steuerstundung für den Vorerwerb nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG oder aus einer Ablösung der zu stundenden Steuer mit dem Barwert nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG bei einer Zusammenrechnung dieses Erwerbs mit einem späteren Erwerb wieder entzogen wird, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gibt (Korezkij, ZEV 2005, 242; Gebel, ZEV 2004, 98, 102, und in Troll/Gebel/ Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 25 Tz. 35; kritisch auch Jülicher in Troll/Gebel/ Jülicher, § 14 Tz. 62). Die Regelungen in § 25 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ErbStG über die Stundung der Mehrsteuer, die sich aufgrund des Abzugsverbots des § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ergibt, und die Ablösung des zu stundenden Betrags sind ein (teilweiser) Ausgleich für die Wirkungen des Abzugsverbots, das systemwidrig in die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nach § 10 ErbStG eingreift ( u.a., BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608; vgl. auch , BFHE 210, 463, BStBl II 2005, 797). Diese Milderung der Folgen des Abzugsverbots für die Besteuerung des früheren Erwerbs darf dem Erwerber auch nicht im Rahmen der Besteuerung eines späteren Erwerbs nach § 14 Abs. 1 ErbStG wieder entzogen werden. Die von der Finanzverwaltung gesehene Parallele zum (BFHE 197, 275, BStBl II 2002, 314) besteht nicht. Diese Entscheidung betrifft die Berechnung der dem Erwerb nach § 10 Abs. 2 ErbStG hinzuzurechnenden Steuer, wenn sich der Zuwendende, der seinem Sohn ein Grundstück schenkt, einen lebenslänglichen Nießbrauch daran vorbehält und die anfallende Schenkungsteuer übernimmt, und somit eine andere Problematik.
2. Führt die Berechnung der Steuer für den Letzterwerb nach diesen Grundsätzen zu einer höheren Festsetzung als bei einem Ansatz des Vorerwerbs mit dem Nettowert, ist der Mehrbetrag entgegen der Auffassung des FG nicht nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu stunden (Gebel, ZEV 2004, 98, 101 f.). Das Abzugsverbot nach § 25 Abs. 1 ErbStG ist nur im Rahmen der Ermittlung der steuerrechtlichen Bereicherung nach § 10 ErbStG bei dem Erwerb zu berücksichtigen, der mit einer Nutzungs- oder Rentenlast belastet ist (, BFHE 204, 311, BStBl II 2004, 429). Mit der Berücksichtigung von Vorerwerben trifft § 14 Abs. 1 ErbStG lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift ändert nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen (, BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728). Liegen daher beim Letzterwerb selbst die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 ErbStG nicht vor, scheidet eine Stundung aus, auch dann, wenn die Belastung des Vorerwerbs bei Entstehen der Steuer für den Letzterwerb noch nicht erloschen ist.
Ist nicht nur ein Vorerwerb, sondern auch der Letzterwerb mit einer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht abziehbaren Belastung beschwert, ist die Steuer für den Letzterwerb nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nur zu stunden, soweit die Mehrsteuer auf der nicht berücksichtigten Belastung des Letzterwerbs beruht. Die Belastung des Vorerwerbs bleibt auch in diesem Fall für die Stundung außer Betracht (a.A. Gebel, ZEV 2004, 98, 102).
3. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der nutzungsberechtigte Schenker stirbt und —wie im Streitfall hinsichtlich der beiden von V übertragenen Eigentumswohnungen— aufgrund des Eintritts einer entsprechend vereinbarten aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) nunmehr seinem Ehegatten ein nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bei der Besteuerung des Erwerbs von Todes wegen (des Letzterwerbs) nicht zu berücksichtigendes Nutzungsrecht an dem unentgeltlich übertragenen Vermögen zusteht. Auch in einem solchen Fall kann die Steuer für den Letzterwerb nicht nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG gestundet werden, und zwar selbst dann nicht, wenn der Eintritt der aufschiebenden Bedingung auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes und § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu einer weiteren zinslosen Stundung der für den Vorerwerb festgesetzten Schenkungsteuer führt.
4. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klägerin steht die begehrte Stundung nicht zu. Die Klage war daher abzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1661 Nr. 9
HFR 2006 S. 1240 Nr. 12
XAAAB-91014