Kein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind der Partnerin einer eingetragenen Lebenspartnerschaft
Leitsatz
Kinder eines gleichgeschlechtlichen Lebenspartners sind nicht als "Kinder seines Ehegatten" i. S. des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen. Dies gilt auch bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und auch dann, wenn das Kind nach der Begründung der eingetragenen Lebenspartnerschaft geboren wird. Die unterschiedliche Behandlung von Kindern des Ehegatten einerseits und von Kindern des gleichgeschlechtlichen Lebenspartners andererseits ist nicht verfassungswidrig und verstößt auch nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.
Gesetze: EStG § 63
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) lebt seit Dezember 2002 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit Frau X, die im April 2004 einen Sohn zur Welt brachte.
Nach der Geburt des Kindes beantragte die Klägerin, ihr für den Sohn der Lebenspartnerin Kindergeld zu gewähren. Dies lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (die Familienkasse) ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf entsprechenden Antrag vom Juli 2004 erhielt die Lebenspartnerin der Klägerin mit Wirkung ab April 2004 das Kindergeld für ihren Sohn.
Während des Klageverfahrens entsprach die Familienkasse dem Begehren der Klägerin für die Zeit ab , weil diese mit Beschluss des Amtsgerichts vom Mai 2005 den Sohn ihrer Lebenspartnerin nach § 9 Abs. 6 und 7 des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) i.V.m. §§ 1754 Abs. 1, 1755 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als Kind angenommen hatte. Die Klägerin schränkte insoweit ihr Klagebegehren ein.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin die Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) als Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend und beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO sowie das Erfordernis zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO.
Das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es maßgebliches Vorbringen ignoriert habe. Sie habe die Klage im Wesentlichen damit begründet, der Anspruch auf Zahlung des Kindergeldes ergebe sich aus dem Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Sie sei bei der Gewährung von Kindergeld ebenso zu behandeln wie ein Mann, der über die eheliche Vaterschaft rechtlicher Vater werde, ohne es biologisch zu sein. Mit diesem Vortrag habe sich das FG in den Entscheidungsgründen seines Urteils nicht hinreichend auseinander gesetzt, obwohl die Darstellung insoweit im Tatbestand enthalten sei. Hätte das FG sich mit dieser Argumentation im Einzelnen befasst, hätte es der Klage stattgeben müssen.
Die Rechtssache sei auch grundsätzlich bedeutsam, da die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen für das Kind einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin Anspruch auf Kindergeld bestehe, durch die (BFH/NV 2004, 1103) und vom VIII R 61/04 (BFH/NV 2005, 695) noch nicht geklärt sei. Diese Entscheidungen seien zum einen nicht überzeugend begründet. Der pauschale Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 GG genüge nicht, um die vorliegende Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Zum anderen unterscheide sich der Streitfall auch maßgeblich von den Fällen, über die der BFH seinerzeit entschieden habe. Dem BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1103 liege ein Fall zugrunde, in dem die Partnerinnen eine Lebenspartnerschaft überhaupt noch nicht begründet hätten und im damals maßgeblichen Veranlagungszeitraum auch überhaupt noch nicht hätten begründen können. Schon deshalb seien die Fallgestaltungen nicht vergleichbar. In dem Fall, der dem Urteil in BFH/NV 2005, 695 zu Grunde gelegen habe, hätten die dortige Klägerin und die Kindesmutter im Veranlagungszeitraum zwar bereits eine nach niederländischem Recht zulässige Ehe geschlossen, die offenbar als Lebenspartnerschaft nach hiesigem Recht gewertet worden sei. Die Kinder seien jedoch alle vor In-Kraft-Treten des LPartG geboren worden. Im dortigen Fall hätte also nicht geltend gemacht werden können, die Vorenthaltung der Rechtsfolgen des § 1592 Nr. 1 BGB bei dem der Ehe vergleichbaren Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft stelle eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar. Schließlich fehle in den Urteilen des BFH jegliche Auseinandersetzung mit der Richtlinie 2000/78/EG vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —AblEG— Nr. L 303/16 vom ).
Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts sei gegeben, weil im Streitfall Rechtsfragen von entscheidungserheblicher Bedeutung seien, die in der bisherigen Rechtsprechung des BFH teils nicht überzeugend beantwortet, teils überhaupt nicht erörtert worden seien. Der Streitfall sei insbesondere geeignet, zu klären, ob sich aus den Verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben, insbesondere den Verboten der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und/oder der sexuellen Identität ein Anspruch auf Zahlung von Kindergeld für das leibliche Kind einer Lebenspartnerin ergebe, dies jedenfalls dann, wenn das Kind innerhalb dieser Lebenspartnerschaft geboren worden sei.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 132 FGO).
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FG den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt.
a) Rechtliches Gehör wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden soll. Das rechtliche Gehör bezieht sich vor allem auf Tatsachen und Beweisergebnisse (vgl. § 96 Abs. 2 FGO); darüber hinaus darf das FG seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt nur stützen, wenn die Beteiligten zuvor Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen (§ 139 Abs. 2 der Zivilprozessordnung —ZPO— i.V.m. § 155 FGO; vgl. auch § 93 Abs. 1 FGO; , BFH/NV 2005, 1329).
b) Im Streitfall hat die Klägerin selbst vorgetragen, das FG habe im Tatbestand seines Urteils ihre Darstellung aufgenommen und zur Problematik des von ihr aufgeworfenen Diskriminierungsverbots auch in den Entscheidungsgründen —wenn auch nur knapp— Stellung bezogen. Dies bedeutet, dass das FG den Vortrag der Klägerin zur Kenntnis genommen und in seine Entscheidung einbezogen hat. Dass die Würdigung des Vorbringens der Klägerin durch das FG nicht ihren Vorstellungen entsprach, begründet nicht den Verfahrensmangel der Verletzung rechtlichen Gehörs.
2. Der Rechtsstreit ist auch nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO bzw. zur Fortbildung des Rechts erforderlich nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO, da die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen nicht mehr klärungsbedürftig sind.
a) Nach dem Urteil des BFH in BFH/NV 2004, 1103 kann für das Kind der Partnerin einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft kein Kinder- und Haushaltsfreibetrag berücksichtigt werden, da die Partnerinnen einer solchen Lebensgemeinschaft keine „Ehegatten” seien und das Kind der einen Partnerin auch nicht als Stiefkind der anderen Partnerin anzusehen sei. Die unterschiedliche Behandlung von leiblichen Kindern und Stiefkindern einerseits und Kindern der Partnerin einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft andererseits verstoße nicht gegen das GG. Nach der weiteren Entscheidung des BFH in BFH/NV 2005, 695 sind die Kinder eines gleichgeschlechtlichen Lebenspartners nicht als „Kinder seines Ehegatten” i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen. Dies gelte auch bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Die unterschiedliche Behandlung von Kindern des Ehegatten einerseits und von Kindern des gleichgeschlechtlichen Lebenspartners andererseits sei nicht verfassungswidrig und verstoße auch nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.
Zu der ähnlichen Frage, ob Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft einen Anspruch auf Durchführung einer Zusammenveranlagung nach §§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem Ziel der Anwendung des Splittingtarifs gemäß § 32a Abs. 5 EStG haben, hat der (BFH/NV 2006, 1192) entschieden, dass diese Veranlagungsform entsprechend dem Gesetzeswortlaut nur Ehegatten zustehe, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig seien und während des Veranlagungszeitraums nicht dauernd getrennt gelebt hätten. Da mit dem Begriff „Ehegatten” eindeutig die Partner einer Ehe im Sinne des bürgerlichen Rechts gemeint seien, seien gleichgeschlechtliche Lebenspartner, die eine Lebenspartnerschaft nach dem LPartG begründet hätten, von dem Gesetzeswortlaut nicht erfasst. Auch eine entsprechende Anwendung der einkommenssteuerlichen Bestimmungen komme nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber bewusst von einer einkommensteuerlichen Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartner mit Ehegatten abgesehen habe. Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot sei nicht gegeben, da der Gesetzgeber im Hinblick auf den im GG vorgesehenen besonderen Schutz der Ehe nach Art. 6 GG berechtigt sei, diese im Vergleich zu anderen Formen gemeinschaftlichen Zusammenlebens auch steuerlich besonders zu fördern. Da die gesetzliche Regelung der §§ 26, 26a EStG genauso wie die im Streitfall einschlägige Regelung des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf den Begriff des „Ehegatten” abstellt, ist auch diese Rechtsprechung auf den Streitfall übertragbar.
b) Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen sind mithin durch den eindeutigen Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sowie durch die hierzu ergangene zitierte Rechtsprechung des BFH bereits geklärt.
Dies gilt auch für den von der Klägerin hervorgehobenen besonderen Umstand, dass das Kind im Streitfall abweichend von den Sachverhalten, über die der BFH entschieden habe, nach der Begründung der eingetragenen Lebenspartnerschaft geboren wurde. Der Zeitpunkt der Geburt des Kindes ist schon nach dem Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht entscheidungserheblich.
Auch der Hinweis der Klägerin, dass der BFH sich in seiner Rechtsprechung nicht mit der Richtlinie 2000/78/EG auseinander gesetzt habe, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Richtlinie, die zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ergangen ist, ist im Streitfall nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht einschlägig. In Abs. 22 der Richtlinie heißt es, dass diese die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt lasse. Hierzu zählt auch die Gewährung von Kindergeld.
Da die aufgeworfenen Rechtsfragen mithin bereits geklärt sind, kommt ihnen keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu (vgl. , BFHE 206, 358, BStBl II 2004, 1000). Aus demselben Grund besteht auch kein Bedürfnis zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO, da dieser Zulassungsgrund lediglich den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung konkretisiert (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 41, m.w.N.).
3. Im Kern wendet die Klägerin sich mit ihren Ausführungen gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Urteils, wobei sie ihre Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen des FG setzt. Dies vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen. Die Rügen der Klägerin betreffen auch keinen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO führt (z.B. , BFH/NV 2003, 1445, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1644 Nr. 9
KAAAB-90512