Berechnung der Erbschaftsteuer bei Belastung früherer Schenkung mit nicht abziehbarer Belastung; keine Stundung der Erbschaftsteuer wegen dieser Belastung
Gesetze: ErbStG § 14 Abs. 1ErbStG § 25 Abs. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), Geschwister, erhielten im Jahr 1994 von ihren Eltern unentgeltlich Grundstücke unter Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs für die Überlasser als Gesamtberechtigte zu hälftigem Miteigentum übertragen. Da diese Zuwendungen die den Klägern seinerzeit zustehenden Freibeträge von jeweils 90 000 DM (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes —ErbStG— a.F.) nicht erreichten, wurde dafür keine Schenkungsteuer festgesetzt.
Im Jahr 1998 verstarb der Vater (V) und wurde von seiner Ehefrau allein beerbt. Die Kläger erhielten Geldvermächtnisse in Höhe von je 400 000 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) rechnete bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegen die Kläger den Vermächtnissen die Steuerwerte der ihnen von V übertragenen Grundstücksanteile hinzu und lehnte es ab, die Steuer im Hinblick auf die bei der Steuerfestsetzung nicht berücksichtigte Belastung der übertragenen Grundstücksanteile mit den Nießbrauchsrechten zu stunden. Die Einsprüche blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1279 veröffentlichte Urteil, die gegenüber den Klägern festgesetzte Erbschaftsteuer bis zum Erlöschen der Nießbrauchsrechte in Höhe von jeweils 1 673 DM zinslos zu stunden, und führte zur Begründung aus, die Steuer für die Vermächtnisse sei aufgrund der Nichtberücksichtigung der Belastung durch die Nießbrauchsrechte entsprechend höher festgesetzt worden. Diese Mehrsteuer müsse nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG bis zum Erlöschen der Belastung zinslos gestundet werden.
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung der §§ 14 und 25 Abs. 1 ErbStG. Die Ansicht des FG sei mit der auch bei einer Berechnung der Steuer für den Letzterwerb nach § 14 Abs. 1 ErbStG unberührt bleibenden Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe unvereinbar.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat das FA zu Unrecht verpflichtet, die Erbschaftsteuer bis zum Erlöschen der Nießbrauchsbelastungen in Höhe von jeweils 1 673 DM zinslos zu stunden.
1. Ist ein Erwerb nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mit einem früheren Erwerb zusammenzurechnen, der mit einer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht abziehbaren Belastung beschwert ist, ist der Vorerwerb mit dem Bruttowert, d.h. ohne Berücksichtigung der Belastung, anzusetzen.
Dieser Bruttowert ist auch der Berechnung sowohl der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven Steuer als auch der nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG statt der fiktiven Steuer abzuziehenden tatsächlich für den Vorerwerb zu entrichtenden Steuer zugrunde zu legen. Die Auffassung der Finanzverwaltung, wonach die für den Vorerwerb tatsächlich zu entrichtende Steuer i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG lediglich die für den Vorerwerb nach § 25 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG sofort zu entrichtende Steuer zuzüglich des Ablösebetrags nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ist (H 85 Abs. 3 zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien —ErbStR— 2003 i.d.F. der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom , BStBl I 2004, 939), und zwar auch dann, wenn der Erwerber die Ablösung nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG nicht beantragt hat (Erlass der Finanzbehörde Hamburg vom , Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge —ZEV— 2004, 504, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2005, 249; weitere Nachweise zur Verwaltungsauffassung bei Korezkij, ZEV 2005, 242), ist mit § 14 Abs. 1 Satz 3 und § 25 Abs. 1 ErbStG nicht vereinbar. Diese Berechnungsweise führt dazu, dass dem Erwerber der Vorteil aus einer Steuerstundung für den Vorerwerb nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG oder aus einer Ablösung der zu stundenden Steuer mit dem Barwert nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG bei einer Zusammenrechnung dieses Erwerbs mit einem späteren Erwerb wieder entzogen wird, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gibt (Korezkij, ZEV 2005, 242; Gebel, ZEV 2004, 98, 102, und in Troll/Gebel/ Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 25 Tz. 35; kritisch auch Jülicher in Troll/Gebel/ Jülicher, § 14 Tz. 62). Die Regelungen in § 25 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ErbStG über die Stundung der Mehrsteuer, die sich aufgrund des Abzugsverbots des § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ergibt, und die Ablösung des zu stundenden Betrags sind ein (teilweiser) Ausgleich für die Wirkungen des Abzugsverbots, das systemwidrig in die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nach § 10 ErbStG eingreift ( u.a., BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608; vgl. auch , BFHE 210, 463, BStBl II 2005, 797). Diese Milderung der Folgen des Abzugsverbots für die Besteuerung des früheren Erwerbs darf dem Erwerber auch nicht im Rahmen der Besteuerung eines späteren Erwerbs nach § 14 Abs. 1 ErbStG wieder entzogen werden. Die von der Finanzverwaltung gesehene Parallele zum (BFHE 197, 275, BStBl II 2002, 314) besteht nicht. Diese Entscheidung betrifft die Berechnung der dem Erwerb nach § 10 Abs. 2 ErbStG hinzuzurechnenden Steuer, wenn sich der Zuwendende, der seinem Sohn ein Grundstück schenkt, einen lebenslänglichen Nießbrauch daran vorbehält und die anfallende Schenkungsteuer übernimmt, und somit eine andere Problematik.
2. Soweit die Berechnung der Steuer für den Letzterwerb nach diesen Grundsätzen zu einer höheren Festsetzung als bei einem Ansatz des Vorerwerbs mit dem Nettowert führt, ist der Mehrbetrag entgegen der Auffassung des FG nicht nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu stunden (Gebel, ZEV 2004, 98, 101 f.). Das Abzugsverbot nach § 25 Abs. 1 ErbStG ist nur im Rahmen der Ermittlung der steuerrechtlichen Bereicherung nach § 10 ErbStG bei dem Erwerb zu berücksichtigen, der mit einer Nutzungs- oder Rentenlast belastet ist (, BFHE 204, 311, BStBl II 2004, 429). Mit der Berücksichtigung von Vorerwerben trifft § 14 Abs. 1 ErbStG lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift ändert nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen (, BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728). Liegen daher beim Letzterwerb selbst die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 ErbStG nicht vor, scheidet eine Stundung aus, auch dann, wenn die Belastung des Vorerwerbs bei Entstehen der Steuer für den Letzterwerb noch nicht erloschen ist.
Ist nicht nur ein Vorerwerb, sondern auch der Letzterwerb mit einer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht abziehbaren Belastung beschwert, ist die Steuer für den Letzterwerb nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nur zu stunden, soweit die Mehrsteuer auf der nicht berücksichtigten Belastung des Letzterwerbs beruht. Die Belastung des Vorerwerbs bleibt auch in diesem Fall für die Stundung außer Betracht (a.A. Gebel, ZEV 2004, 98, 102).
3. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Den Klägern steht die begehrte Stundung nicht zu. Die Klage war daher abzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1662 Nr. 9
EStB 2006 S. 331 Nr. 9
TAAAB-90509