Teilwertabschreibung auf abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens
Leitsatz
Die für den Ansatz des niedrigeren Teilwerts gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 erforderliche voraussichtlich dauernde Wertminderung liegt bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vor, wenn der Teilwert des Wirtschaftsgutes zum Bilanzstichtag mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert liegt (Bestätigung des BStBl I 2000, 372).
Gesetze: EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 4 Abs. 1EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 5 Abs. 1EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, 2 und 3EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 7HGB § 252 Abs. 1 Nr. 3HGB § 253 Abs. 2 Satz 3
Instanzenzug: (EFG 2005, 683) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hat die Betriebsverpachtung und die Erbringung von Dienstleistungen zum Unternehmensgegenstand. Sie ist Organträgerin der X-GmbH.
Im Jahr 1990 errichtete sie ein Gebäude, das sie in den Jahren 1996 und 1998 erweiterte. In ihrer Bilanz zum nahm sie auf das Gebäude eine Teilwertabschreibung in Höhe von 151 660,64 DM vor, die sie ausgehend von einem Teilwert für den Grund und Boden, die Außenanlagen und die Gebäude von insgesamt 750 000 DM ermittelte.
Nach einer Betriebsprüfung gelangte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) zu der Auffassung, die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 —StEntlG 1999/2000/ 2002— vom (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) —im Folgenden: EStG 1997— notwendige dauernde Wertminderung liege nicht vor. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 2000, 372) sei von einer dauernden Wertminderung nur dann auszugehen, wenn der Wert zum Bilanzstichtag mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert des Wirtschaftsgutes liege. Diese Voraussetzung sei hier nicht gegeben.
Das Finanzgericht (FG) Münster gab der Klage mit Urteil vom 9 K 1564/03 K,G, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 683, statt.
Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet.
Das FA hat während des Revisionsverfahrens den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid aufgrund eines verminderten Verlustrücktrages aus dem Veranlagungszeitraum 2001 geändert.
Streitgegenstand ist nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), der nach § 121 Satz 1 FGO auch im Revisionsverfahren gilt, der geänderte Körperschaftsteuerbescheid geworden. Da sich der tatsächliche Streitstoff dadurch nicht verändert und ein neuer Sachverhalt nicht ergeben hat, ist eine Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung nach § 127 FGO nicht erforderlich. Die Sache ist aber deshalb an das FG zurückzuverweisen, weil der Senat aufgrund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht beurteilen kann, ob die Klägerin zu Recht zum Bilanzstichtag eine Teilwertabschreibung auf das in Rede stehende Gebäude vorgenommen hat (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1997 muss ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 Abs. 1 EStG 1997 ermittelt, die abnutzbaren Wirtschaftsgüter seines Anlagevermögens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die Absetzungen für Abnutzung (AfA), erhöhte Absetzungen, Sonderabschreibungen, Abzüge nach § 6b EStG 1997 und ähnliche Abzüge ansetzen. Stattdessen kann er den Teilwert des Wirtschaftsgutes ansetzen, wenn dieser aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger als die fortgeschriebenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997).
a) Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG 1997). Geht es um die Bewertung bebauter Grundstücke, so sind die Teilwerte für Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits jeweils gesondert zu ermitteln (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs —BFH— vom GrS 7/67, BFHE 94, 124, BStBl II 1969, 108).
b) Der Ansatz des niedrigeren Teilwerts (im steuerlichen Sprachgebrauch die Teilwertabschreibung oder gemäß § 253 Abs. 2 Satz 3 des Handelsgesetzbuchs —HGB— die außerplanmäßige Abschreibung) erfordert eine voraussichtlich dauernde Wertminderung. Der Begriff der voraussichtlich dauernden Wertminderung ist dem Handelsrecht entlehnt (§ 253 Abs. 2 Satz 3, § 279 Abs. 1 Satz 2 HGB). Von ihr ist nach herrschender Meinung, welcher sich der Senat anschließt, auszugehen, wenn der Wert des Wirtschaftsgutes den planmäßigen Rest des Buchwerts als die Bewertungsobergrenze während eines erheblichen Teils der Nutzungsdauer im Unternehmen nicht erreichen wird (z.B. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 372, Tz. 4; , BFHE 114, 415, BStBl II 1975, 294; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., HGB § 253 Tz. 477; Groh, Der Betrieb —DB— 1999, 978, 982; Fischer in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 6 Rn. 108; Baetge, Bilanzen, 4. Aufl., S. 267; Hoyos/Schramm/ M. Ring in Beck Bil-Komm., § 253 HGB Anm. 295; Adler/ Coenenberg, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 17. Aufl., S. 190, sowie w.N. bei Kessler, DB 1999, 2577, 2579 Fn. 25; anders Schlotter, Teilwertabschreibung und Wertaufholung zwischen Steuerbilanz und Verfassungsrecht, 2005, S. 359 ff.; Hommel/Berndt, DStR 2000, 1745, die kein vermögens-, sondern ein ausschüttungsorientiertes Verständnis vertreten).
Allerdings gehen die Auffassungen darüber, was unter einem „erheblichen Teil der Restnutzungsdauer” zu verstehen ist, auseinander. Während ein Teil des Schrifttums (z.B. Karrenbauer/ Döring/Buchholz in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, § 253 HGB Rz. 166; Thiele/Breithaupt in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 253 HGB Rz. 316; Fischer in Kirchhof, ebenda; Hoyos/Schramm/M. Ring, a.a.O., § 253 HGB Anm. 295; Winkeljohann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Anm. 562) und die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 372, Tz. 6) für Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ausgehen, wenn der Wert des jeweiligen Wirtschaftsgutes zum Bilanzstichtag mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert liegt, sind andere der Auffassung, das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip gebiete bei sehr langlebigen Wirtschaftsgütern einen kürzeren Prognosezeitraum von höchstens fünf Jahren (z.B. Baetge/Brockmeyer in Leffson, Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht, S. 382; Dietrich, DStR 2000, 1629, 1631; Richter, Rechnungslegungsgrundsätze nach HGB und IFRS, Handbuch des Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen, Abt. II/1 (2004), Rn. 259; Schlotter, a.a.O., S. 363 f.).
2. Der Senat folgt der ersten Auffassung.
Bereits der Wortlaut spricht dafür, eine „dauernde Wertminderung” nur dann anzunehmen, wenn der Teilwert des Wirtschaftsgutes während seiner mutmaßlichen Nutzungsdauer im Betrieb überwiegend unter seinem Buchwert liegt. Andernfalls liegt eine bloße Wertschwankung vor.
Zudem sollte, wie die Gesetzesmaterialien (vgl. BTDrucks 14/23, S. 5, 170, 171 und BTDrucks 14/443, S. 18) zeigen, trotz Übernahme des Begriffes der „dauernden Wertminderung” aus § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB durch die Neufassung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 2002 das Vorsichtsprinzip zu Gunsten des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zurückgedrängt werden (vgl. Kessler, DB 1999, 2577, 2579; Albert, Steuer und Bilanzen —StuB— 1999, 591). Unabhängig davon wiegt das Vorsichtsprinzip bei Anlagegegenständen, die der Abnutzung unterliegen, ohnehin weniger schwer, weil Verluste im Anlagevermögen regelmäßig nicht in naher Zukunft realisiert und Wertminderungen bei der Abnutzung unterliegenden Anlagen durch die AfA allmählich wieder aufgeholt werden (Kropff in Geßler/ Hefermehl/Eckhardt/Kropff, Aktiengesetz, § 154 a.F. Rn. 36 zur außerplanmäßigen Abschreibung).
Der Senat hält auch den Einwand für nicht zutreffend, eine Prognose über einen längeren Zeitraum als fünf Jahre sei generell nicht möglich. Vielmehr werden häufig auch bei langlebigen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens die Umstände, die zur Wertminderung geführt haben, und die Eigenart des Wirtschaftsgutes (vgl. Senatsurteil in BFHE 114, 415, BStBl II 1975, 294) einen hinreichend sicheren Schluss zulassen, ob die Wertminderung voraussichtlich über die halbe Restnutzungsdauer im Betrieb anhalten wird.
Schließlich ist es im Besteuerungsverfahren als Massenverfahren gerechtfertigt, bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern auf eine an der Eigenart des Wirtschaftsgutes ausgerichtete Prognose im Einzelfall zu verzichten, sondern typisierend dann von einer dauerhaften Wertminderung auszugehen, wenn der Teilwert zum Bilanzstichtag mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert liegt (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 372, Tz. 6). Die Differenz zwischen Teilwert und Buchwert zum Bilanzstichtag sowie der Zeitraum, innerhalb dessen sich diese Differenz durch planmäßige Abschreibungen ausgleichen wird, kann bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern ein Indiz dafür sein, ob ein Wertverlust voraussichtlich „dauernd” anhalten wird.
Der Streitfall bietet keine Veranlassung zu prüfen, ob eine andere Beurteilung dann angebracht ist, wenn der Steuerpflichtige belegt oder glaubhaft macht, dass das Wirtschaftsgut künftig seinen Buchwert nicht erlösen wird (vgl. Hommel/Berndt, Finanz-Rundschau 2000, 1305; Wüstemann, Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 1995, 1039; Schlotter, a.a.O., S. 359 ff.).
3. Das FG ist von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen und hat seiner Entscheidung allein einen Prognosezeitraum von fünf Jahren zugrunde gelegt. Das Urteil war daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif.
Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin lediglich auf das Gebäude eine Teilwertabschreibung vorgenommen. Ob diese zu Recht erfolgt ist, beurteilt sich danach, ob der Teilwert für dieses Wirtschaftsgut nachhaltig gesunken ist. Das FG hat jedoch den Teilwert des Gebäudes zuzüglich des Grund und Bodens und der Außenanlagen zum Bilanzstichtag mit dem Buchwert dieser drei Wirtschaftsgüter zum verglichen. Dies verstößt gegen das Gebot der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Es handelt sich um drei verschiedene Wirtschaftsgüter, die getrennt daraufhin zu untersuchen sind, ob eine Teilwertabschreibung gerechtfertigt ist (BFH-Beschluss in BFHE 94, 124, BStBl II 1969, 108; , BFH/NV 1986, 22).
Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholen kann.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 1673 Nr. 31
BB 2006 S. 1737 Nr. 32
BB 2007 S. 38 Nr. 1
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BFH/NV 2006 S. 1738 Nr. 9
DB 2006 S. 1656 Nr. 31
DB 2007 S. 17 Nr. 27
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StBW 2006 S. 2 Nr. 16
StuB-Bilanzreport Nr. 15/2006 S. 596
WPg 2006 S. 1168 Nr. 18
OAAAB-90233