Verwertungsbefugnis bei Teilamortisations-Leasingvertrag
Gesetze: GrEStG § 1GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: GE (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), war Eigentümerin eines bebauten Grundstücks. Mit Vertrag vom veräußerte sie das Grundstück an eine Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG (KG), an der sie zu 94 v.H. als Kommanditistin beteiligt war, zu einem Kaufpreis in Höhe von 16 800 000 €. Der Bescheid vom , mit dem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) hierfür unter Berücksichtigung des § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Grunderwerbsteuer in Höhe von 35 280 € festsetzte, ist bestandskräftig.
In der gleichen Vertragsurkunde schloss die Klägerin mit der KG einen Immobilien-Leasingvertrag (Teil C) sowie einen Ankaufsrechtsvertrag (Teil D).
Nach dem Immobilien-Leasingvertrag war die KG verpflichtet, der Klägerin das Leasingobjekt zu vermieten gemäß einem zwischen den Vertragsbeteiligten bereits abgeschlossenen privatschriftlichen Immobilien-Leasingvertrag. Den Vertragsbeteiligten stand ein Kündigungsrecht nur aus wichtigem Grund zu. Die Mietzeit setzte sich zusammen aus einer ersten Mietperiode von 20 und einer weiteren von 10 Jahren. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasingobjekts betrug 33,5 Jahre. Die Miete bemaß sich nach den Gesamtinvestitionskosten, die vorläufig mit 17 Mio. DM angegeben wurden. Die Kosten sollten nach Fertigstellung konkret abgerechnet werden. Die Gesamtinvestitionskosten beinhalteten alle Kosten, die für den Grunderwerb einschließlich Nebenkosten aufgewandt würden, alle Kosten für die vertragsgemäße schlüsselfertige Herstellung des Leasingobjektes, etwaige Sanierungskosten während der Bauzeit sowie die gegebenenfalls anfallende Grunderwerbsteuer für Grund und Boden und Baukosten. Die Klägerin sollte der KG ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses alle aus dem Eigentum und der Vermietung des Leasingobjektes entstehenden Nebenkosten erstatten. Hierzu zählten etwa die Kosten für von der KG abzuschließende Gebäudeversicherungen. Die Gefahr des zufälligen ganzen oder teilweisen Untergangs und der ganzen oder teilweisen Zerstörung des Leasingobjektes hatte die KG zu tragen, sofern der Untergang oder die Zerstörung nicht von der Klägerin zu vertreten war. Die Klägerin hatte eine Betriebshaftpflichtversicherung abzuschließen, an der die KG als Versicherungsnehmerin teilnahm.
Im Ankaufsrechtsvertrag (Teil D) vereinbarten die Vertragsbeteiligten ein Ankaufsrecht in Form eines aufschiebend bedingten Kaufvertrages. Die Erklärung über die Ausübung des Ankaufsrechts sollte zum Ende der ersten oder zweiten Mietperiode möglich sein. Als Kaufpreis wurde der Verkehrswert vereinbart; dieser sollte sich errechnen aus den Gesamtinvestitionskosten abzüglich der in den Mietzahlungen enthaltenen Abschreibungen. Darüber hinaus vereinbarten die Vertragsbeteiligten zu Gunsten der Klägerin ein außerordentliches Ankaufsrecht für den Fall, dass über das Vermögen der KG ein Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wurde oder der Leasingvertrag mangels ausreichender Versicherungsleistungen endete oder von der Klägerin aus wichtigem Grunde wirksam gekündigt wurde. Für diesen Fall entsprach der Kaufpreis dem Barwert der bis zum Ende der Mietzeit noch zu leistenden Mieten und Verwaltungskostenbeiträge zuzüglich des Verkehrswertes des Leasingobjektes abzüglich noch zu zahlender Mieterdarlehen, sollte mindestens aber dem steuerlichen linearen Restbuchwert des Leasingobjekts entsprechen. Zur Sicherung des bedingten Anspruchs auf Übertragung des Eigentums bewilligte und beantragte die KG zugunsten der Klägerin die Eintragung einer Auflassungsvormerkung.
Das FA entnahm diesen Verträgen, die Klägerin habe gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG die Verwertungsbefugnis am Grundstück erlangt, und setzte mit Bescheid vom auf der Grundlage der vorläufigen Gesamtinvestitionskosten und unter Anwendung von § 6 Abs. 2 GrEStG Grunderwerbsteuer in Höhe von 35 700 € fest.
Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein Leasingvertrag eine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht begründet, wenn dem Leasingnehmer lediglich das Recht eingeräumt wird, zum Ablauf des Leasingvertrages den Abschluss eines Kaufvertrages über das Leasingobjekt mit dem Leasinggeber (zu einem feststehenden Kaufpreis) herbeizuführen.
a) Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dieser Tatbestand ist dann erfüllt, wenn es einem Dritten (Nichtgrundstückseigentümer) ohne Begründung eines Anspruchs auf Eigentumsübertragung rechtlich ermöglicht wird, über ein bestimmtes Grundstück wie ein Eigentümer zu verfügen, d.h. dass er es besitzen, verwalten, nutzen, belasten und schließlich veräußern kann, und sich diese Maßnahmen wirtschaftlich zugunsten oder zu Lasten des Dritten auswirken. Dabei ist es nicht erforderlich, dass dem Dritten jeweils alle für das juristische Eigentum charakteristischen Rechte übertragen werden (vgl. jeweils m.w.N. , BFH/NV 2003, 818; vom II R 13/96, BFH/NV 1999, 666; vom II R 47/93, BFH/NV 1996, 579). Er muss aber regelmäßig nicht nur besitz- und nutzungsberechtigt sein, sondern auch an der Substanz des Grundstücks in dem Sinne beteiligt sein, dass er an der ganzen Substanz des Grundstücks seinem Wert nach soll teilhaben, gegebenenfalls also auch die Substanz soll angreifen können. Die Einwirkungsmöglichkeiten, aus denen die Verwertungsbefugnis hervorgeht, müssen gleichzeitig und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise bestehen (, BFHE 82, 51, BStBl III 1965, 265).
b) Es kann offen bleiben, ob es im Streitfall an einer Verwertungsbefugnis der Klägerin gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG schon deswegen fehlte, weil sie sich als ursprüngliche Grundstückseigentümerin Nutzungs- und Ankaufsrechte vorbehalten und der KG das Grundstück von vornherein nur unter diesen Einschränkungen übertragen hatte. Denn der Klägerin war auch keine Verwertung des Grundstücks gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG ermöglicht worden.
Das der Klägerin vertraglich eingeräumte Ankaufsrecht begründete keine Verwertungsbefugnis. Die Klägerin war nicht an der Substanz des Grundstücks in dem Sinne beteiligt, dass sie an der ganzen Substanz des Grundstücks seinem Wert nach sollte teilhaben, gegebenenfalls also auch die Substanz sollte angreifen können. Sie war nicht in der Lage, die Verwertung des Grundstücks selbst herbeizuführen und damit das Grundstück letztlich nach eigenem Belieben zu verwerten (vgl. , BFHE 188, 444, BStBl II 1999, 491). Eine solche Verwertungsmöglichkeit hat der BFH insbesondere dann angenommen, wenn der Leasingnehmer jederzeit die Übereignung des Grundstücks herbeiführen und sich dadurch den etwaigen Wertzuwachs des Grundstücks verschaffen kann (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 818; in BFH/NV 1996, 579; vom II R 29/69, BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251). Kann der Leasingnehmer dagegen —wie im Streitfall— die Übereignungsverpflichtung erst zum Ablauf des —ggf. um eine weitere Mietperiode verlängerten— Leasingvertrages herbeiführen, besteht diese Verwertungsmöglichkeit nicht (ebenso Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 1 Anm. 75). Die Einwirkungsmöglichkeiten, aus denen sich die Verwertungsbefugnis ergibt, bestehen in einem solchen Fall nicht gleichzeitig, sondern folgen zeitlich aufeinander (vgl. BFH-Urteil in BFHE 82, 51, BStBl III 1965, 265). Auf die ertragsteuerliche Zuordnung des Leasingobjektes (vgl. , BStBl I 1992, 13 —Ertragsteuerliche Behandlung von Teilamortisations-Leasing-Verträgen über unbewegliche Wirtschaftsgüter—) kann hierbei für die Grunderwerbsteuer nicht abgestellt werden (vgl. m.w.N. Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 15. Aufl. 2002, § 1 Anm. 688).
Hieran ändert sich auch nichts, wenn —wie im Streitfall— dem Leasingnehmer während der Vertragslaufzeit ein außerordentliches Ankaufsrecht zusteht, dieses aber nur unter im Vertrag näher bestimmten Voraussetzungen ausgeübt werden kann. Denn dann kann der Leasingnehmer nicht nach seinem Belieben wie ein Eigentümer über das Grundstück verfügen.
c) Da der Klägerin eine Verwertungsbefugnis nicht zukam, hat das FG zutreffend entschieden, dass die Verträge im Streitfall die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht erfüllen. Der Grunderwerbsteuer unterliegt vielmehr erst der durch Ausübung des Ankaufsrechts herbeigeführte Kaufvertrag (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).
Bei der Ermittlung der Gegenleistung für diesen Erwerb können neben dem vereinbarten Kaufpreis auch Teile des Nutzungsentgelts (Leasingraten) als „sonstige Leistungen” i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG berücksichtigt werden, soweit dieses Nutzungsentgelt den Rahmen der Angemessenheit und Verkehrsüblichkeit übersteigt und als Vorauszahlung auf den Kaufpreis im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks anzusehen ist. Denn für die Annahme, dass die Leasingraten auch Vorauszahlungen auf die Substanz des Leasingobjekts enthalten, spricht der Umstand, dass die Höhe des vereinbarten Nutzungsentgelts von der Höhe der Gesamtherstellungskosten abhängig ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WAAAB-90213