BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 1223/03

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 1 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 2; GG Art. 19 Abs. 4; GG Art. 25; GG Art. 100 Abs. 2; GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2

Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main 2 Ausl A 4/03 vom

Gründe

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde, die er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden hat, gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, mit der seine Auslieferung in die Vereinigten Staaten von Amerika zum Zwecke der Strafverfolgung für zulässig erklärt wurde.

I.

1. Der Beschwerdeführer ist jemenitischer Staatsangehöriger. Er ist nach eigenen Angaben Berater des jemenitischen Ministers für religiöse Stiftungen im Range eines Staatssekretärs und Imam der Al-Ihsan-Moschee in Sanaa/Jemen.

Seiner Festnahme am in Frankfurt liegt der Haftbefehl des Bundesgerichts der Vereinigten Staaten von Amerika für den östlichen Bezirk New Yorks vom zu Grunde. Die US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden warfen dem Beschwerdeführer vor, in dem Zeitraum vom Oktober 1997 bis zu seiner Verhaftung eine terroristische Vereinigung unterstützt zu haben. Er soll terroristische Vereinigungen, insbesondere Al-Qaida und Hamas, mit Geld, Waffen, Kommunikationsmitteln und personellem Nachwuchs versorgt haben.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main ordnete mit Beschluss vom die Festnahme des Beschwerdeführers zur Vorbereitung der Auslieferung an. Auf der Grundlage des Beschlusses des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom wurde der Beschwerdeführer in vorläufige Auslieferungshaft genommen.

Mit Verbalnote vom übermittelte die Botschaft der Vereinigten Staaten der Bundesregierung ein Ersuchen zur Auslieferung des Beschwerdeführers zum Zwecke der Strafverfolgung. Dem Auslieferungsersuchen liegen der Auslieferungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom - AV - (BGBl 1980 II S. 646, 1300) in Verbindung mit dem Zusatzvertrag vom - AV-ZV - (BGBl 1988 II S. 1086; 1993 II S. 846) zu Grunde.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das an, dass die vorläufige Auslieferungshaft als förmliche fortdauere und setzte den US-amerikanischen Behörden eine Frist zur Ergänzung der Auslieferungsunterlagen. Nach Einreichung weiterer Unterlagen zu den Tatvorwürfen, insbesondere von eidesstattlichen Erklärungen US-amerikanischer Ermittlungsbeamter, bestätigte das die förmliche Auslieferungshaft mit der Maßgabe, dass dem Beschwerdeführer die Mitgliedschaft in den terroristischen Organisationen Hamas und Al-Qaida - im Sinne des § 129 a Abs. 1 StGB - vorgeworfen werde.

Mit Verbalnote vom sicherte die Botschaft der Vereinigten Staaten zu, dass der Beschwerdeführer nicht vor einem in der US-amerikanischen "Presidential Military Order" vom vorgesehenen Militärtribunal oder einem sonstigen Ausnahmegericht strafrechtlich verfolgt würde.

Das Oberlandesgericht erklärte die Auslieferung des Beschwerdeführers mit Beschluss vom für zulässig und ordnete die Fortdauer der Auslieferungshaft an.

2. Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom den Antrag an das Oberlandesgericht gestellt, gemäß § 33 Abs. 1 IRG über die Zulässigkeit der Auslieferung erneut zu entscheiden und gemäß § 33 Abs. 4 IRG den Aufschub der Auslieferung anzuordnen. Ihm sei im gerichtlichen Verfahren in mehreren Punkten kein rechtliches Gehör gewährt worden. Über die Anträge ist - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.

3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 2 GG; Art. 2 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 25 GG; Art. 2 Abs. 1 GG, sein Recht auf ein faires Verfahren sowie Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG. Ferner macht er eine Verletzung seines Rechts auf Einhaltung des Rückwirkungsverbotes gemäß Art. 103 Abs. 2 GG geltend. Der Beschwerdeführer rügt darüber hinaus, das Oberlandesgericht habe im angegriffenen Beschluss trotz seines entsprechenden Vortrags die Frage der Anwendung von Folter im US-amerikanischen Verfahren nicht erörtert.

Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung möchte er die Auslieferung, die nach der Entscheidung über die Zulässigkeit jederzeit bewilligt und vollzogen werden könne, verhindern.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie - derzeit - keine Aussicht auf Erfolg hat.

1. Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde scheitert in dem hier zu beurteilenden Fall an dem Grundsatz der Subsidiarität. Dieser verlangt neben der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), dass der Beschwerdeführer alle bestehenden Möglichkeiten nutzt, um die behauptete Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 81, 22 <27>; 95, 96 <127> m.w.N.).

Hat der Beschwerdeführer noch die Möglichkeit, mit Hilfe eines Antrags nach § 77 IRG in Verbindung mit § 33 a StPO die nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs zu den von ihm als übergangen angesehenen Punkten zu erwirken, so kann die Verfassungsbeschwerde zulässigerweise erst nach Ausschöpfung dieser Möglichkeit erhoben werden (vgl. Beschluss des Vorprüfungsausschusses des -, NJW 1984, S. 559 und BVerfGE 42, 243 <247 f.>; siehe auch Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl. 1998, § 77 Rn. 7).

2. Dieser Rechtsbehelf ist - derzeit - nicht ausgeschöpft im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.

a) Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Antrag gestellt, "gemäß § 33 Abs. 1 IRG über die Zulässigkeit der Auslieferung erneut zu entscheiden" und "im Hinblick auf diese Umstände gemäß § 33 Abs. 4 IRG den Aufschub der Auslieferung" anzuordnen. Zur Begründung seines Antrags beim Oberlandesgericht rügt der Beschwerdeführer jedoch u.a. auch, dass ihm in mehreren Punkten insoweit kein rechtliches Gehör gewährt worden sei, als der Senat des Oberlandesgerichts seinen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und nicht bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen habe.

b) Zwar rügt der Beschwerdeführer in seiner Verfassungsbeschwerde nicht ausdrücklich eine Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts gemäß Art. 103 Abs. 1 GG; soweit er jedoch vorträgt, das Oberlandesgericht habe im angegriffenen Beschluss nicht die Frage der Anwendung von Folter im US-amerikanischen Verfahren erörtert, obwohl er dazu umfangreich vorgetragen habe, macht er der Sache nach einen Gehörsverstoß geltend.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist ungeachtet der ausdrücklichen Bezugnahme in dem gestellten Antrag auf Art. 33 IRG nach verständiger Würdigung des Rechtsschutzbegehrens des Beschwerdeführers als ein Antrag nach § 77 IRG in Verbindung mit § 33 a StPO auszulegen. Eine Entscheidung über diesen Antrag ist - soweit ersichtlich - bislang nicht ergangen. Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass das Oberlandesgericht vor dem Hintergrund der vorgetragenen Argumente zu einer anderen Entscheidung gelangen wird; in jedem Fall werden durch die Entscheidung die im fachgerichtlichen Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen weiter aufbereitet.

3. Im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens besteht im Fall eines Antrags nach § 77 IRG in Verbindung mit § 33 a StPO die Möglichkeit, einen Antrag auf Aufschub der Auslieferung in entsprechender Anwendung von § 33 Abs. 4 IRG zu stellen (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des -). Eine solche Anordnung durch das Oberlandesgericht wird regelmäßig geboten sein, wenn der Antrag nach § 77 IRG in Verbindung mit § 33 a StPO nicht von vornherein unzulässig oder nicht ausreichend begründet ist (vgl. insgesamt Schomburg, in: Schomburg/Lagodny, a.a.O., § 33 Rn. 33 f.; 4 Ausl (A) 630/96 - 192/96 III -, NStZ 1997, S. 193; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des -, im Umdruck S. 6).

Da der Antrag des Beschwerdeführers vom , wie bereits dargelegt, auch als Antrag gemäß § 77 IRG in Verbindung mit § 33 a StPO anzusehen ist, ist auch der in demselben Schriftsatz enthaltene Antrag auf Aufschub der Auslieferung als auf die Gehörsrüge bezogen anzusehen. Ein erneuter Antrag nach § 33 Abs. 4 IRG in entsprechender Anwendung ist demnach in dem vorliegenden Verfahren nicht verpflichtend.

4. Durch die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
CAAAB-86518