Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 1; GG Art. 2 Abs. 2 Satz 2
Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main 1 Ws 123/04 vom LG Frankfurt am Main 5/6 Kls (2/03) 63/80 Js 10666/99 vom
Gründe
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft.
I.
1. a) Der Beschwerdeführer ist estnischer Staatsangehöriger und befindet sich auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom seit dem in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom erweitert und neu gefasst.
b) Unter dem erstellte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main die Anklageschrift, in der dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wurde, durch elf selbständige Handlungen, zum Teil gemeinschaftlich handelnd die Straftatbestände der ausbeuterischen Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB) und der dirigierenden Zuhälterei (§ 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB), teilweise in Tateinheit mit Menschenhandel (§ 180b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) und schwerem Menschenhandel (§ 181 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) verwirklicht zu haben. Ferner wurden ihm das Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen (§ 276 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB) und Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) vorgeworfen. Neben dem Beschwerdeführer wurden zehn weitere Personen angeklagt.
c) Die Hauptverhandlung fand zwischen dem und dem statt. In dieser wurden Teilbereiche der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten im Einverständnis aller Verfahrensbeteiligten nach § 154 StPO eingestellt. Der Beschwerdeführer räumte die angeklagten Urkundendelikte und die Erbringung gelegentlicher Fahrdienste ein. Die ihm weiter zur Last gelegten Taten bestritt er.
Die Staatsanwaltschaft forderte ausgehend von der rechtlichen Würdigung, wonach sich der Beschwerdeführer in zwei Fällen der ausbeuterischen Zuhälterei sowie in drei Fällen der Beihilfe zur ausbeuterischen Zuhälterei, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Menschenhandel, in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum Menschenhandel, in zwei Fällen in Tateinheit mit dem Verschaffen von falschen Ausweisen strafbar gemacht habe, eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.
d) Mit Urteil vom verurteilte das Landgericht Frankfurt am Main den Beschwerdeführer wegen ausbeuterischer Zuhälterei in Tateinheit mit Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen in zwei Fällen, davon in einem Fall zusätzlich in Tateinheit mit Menschenhandel, sowie der Beihilfe zur Zuhälterei in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Neben dem Beschwerdeführer wurden fünf Mitangeklagte zu Freiheitsstrafen verurteilt.
e) Gegen das Urteil legten der Beschwerdeführer, die Staatsanwaltschaft und vier als Nebenklägerinnen zugelassene Geschädigte Revision ein. Zwei der Nebenklägerinnen nahmen diese zurück.
Das Urteil gelangte am zur Geschäftsstelle. Dessen Zustellung an die Verteidiger, die Vertreter der Nebenklägerinnen und die Staatsanwaltschaft erfolgte in dem Zeitraum vom bis zum . Bis zum gingen die Revisionsbegründungen des Beschwerdeführers, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen ein. Die zu bewirkenden Zustellungen der Revisionsbegründungen erfolgten am 25. März, 26. März, 4. April, 7. April, 4. Mai, 5. Mai und am .
Der am gefertigte Revisionsübersendungsbericht der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main ging am bei der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein. Deren Stellungnahme wurde unter dem erstellt und anschließend mit den Akten dem Generalbundesanwalt übersandt.
Dieser leitete die Akten mit einer Stellungnahme vom an den Bundesgerichtshof weiter, bei dem sie am eingingen.
Der Bundesgerichtshof hat mit Verfügung vom Termin zur Hauptverhandlung über die Revisionen von zwei Nebenklägerinnen sowie der Staatsanwaltschaft auf den bestimmt.
2. Mit Beschluss vom wies das Landgericht Frankfurt am Main den Antrag des Beschwerdeführers auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom , erweitert durch den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom , zurück. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass nach wie vor Fluchtgefahr bestehe. Der Beschwerdeführer verfüge im Inland weder über einen festen Wohnsitz noch über tragfähige soziale oder berufliche Bindungen. Die Aussicht, in der Wohnung eines Bekannten Wohnsitz nehmen zu können, rechtfertige keine andere Beurteilung. Vielmehr sei zu befürchten, dass er sich im Falle seiner Freilassung dem weiteren Verfahren durch Flucht in sein Heimatland entziehe, zumal er dort über erhebliche finanzielle Mittel verfüge. Die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft erscheine auch unter Berücksichtigung des Zwei-Drittel-Zeitpunkts des § 57 Abs. 1 StGB nicht unverhältnismäßig, da es keinen diesbezüglichen Automatismus gebe.
3. Seine hiergegen gerichtete Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom . Bei Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsmittel sei derzeit kein dem Beschwerdeführer günstiges Ergebnis zu prognostizieren. Der Generalbundesanwalt habe die Verwerfung seiner Revision als offensichtlich unbegründet beantragt, während er der Revision der Staatsanwaltschaft - wenn auch mit einer abweichenden rechtlichen Bewertung - beigetreten sei. Auf der Basis der Ausführungen der Staatsanwaltschaft, auf die Bezug genommen werde, sei nach Auffassung des Senats nach den Urteilsfeststellungen jedenfalls auch die Verwirklichung der Straftatbestände des § 180b Abs. 2 Nr. 2 StGB in beiden Alternativen sowie von § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB in einem weiteren Fall und die Beihilfe zu letzterem in einem anderen Fall gerechtfertigt, so dass ein dringender Tatverdacht auch bezogen darauf zu bejahen sei.
Es bestehe nach wie vor der Haftgrund der Fluchtgefahr. Ein Erfolg der Revision der Staatsanwaltschaft und damit die Durchführung einer erneuten Hauptverhandlung und als deren Ergebnis eine Erhöhung der bisher verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sei als überwiegend wahrscheinlich zu erachten. Auch ausgehend von einer Rechtskraft der bisher ausgeworfenen Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten bestehe im Übrigen ein starker Fluchtanreiz, da von einer Vollverbüßung auszugehen sei. Eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung komme nach Einschätzung des Senats wie auch nach der im Beschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt mangels günstiger Sozialprognose sowie unter Berücksichtigung des Gewichts der abgeurteilten Taten und des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes nicht in Betracht. Es bestünden auch keine den Fluchtanreiz hemmenden Umstände. Der Beschwerdeführer verfüge weder über einen festen Wohnsitz noch über zuverlässige persönliche, familiäre oder berufliche Bindungen. Dem Bleiberecht und der Bereitschaft eines Freundes, ihn bei sich aufzunehmen, komme keine maßgebliche fluchthemmende Bedeutung zu. Vielmehr sei auch zu berücksichtigen, dass er in seinem Heimatland über erhebliche finanzielle Mittel verfüge. Nach alledem stehe zu erwarten, dass sich der Beschwerdeführer bei einer Haftverschonung durch Flucht oder Untertauchen dem weiteren Verfahren entziehen werde.
Aus den weiter geltenden Gründen des Senatsbeschlusses vom liege auch weiterhin der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr vor. Der Haftgrund entfalle trotz des Erlasses des Urteils nicht, da ein Erfolg der Revision der Staatsanwaltschaft nicht fern liege und damit nach Zurückverweisung der Sache eine erneute Durchführung der Beweisaufnahme drohe. Die Beweise gälten auch nicht als so gesichert, dass der Beschwerdeführer die Wahrheitsermittlung nicht mehr behindern könne. Er habe sich überwiegend bestreitend eingelassen. Es liege auf der Hand, dass die Wahrheitsermittlung ungeachtet der prozessualen Möglichkeiten, frühere Aussagen der geschädigten Zeuginnen in die Hauptverhandlung einzuführen, erschwert werden könne, wenn diese ihre Angaben auf Grund unlauteren Einwirkens auf sie als falsch widerrufen würden.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei im Hinblick auf die Bedeutung der Sache und die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe gewahrt. Eine Erhöhung der nicht rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe sei als überwiegend wahrscheinlich zu betrachten. Mangels Wahrscheinlichkeit einer vorzeitig bedingten Entlassung sei auch der für die Abwägung maßgebliche Endstrafenzeitpunkt nicht erreicht.
Schließlich sei auch das Beschleunigungsgebot nicht verletzt. Die grundsätzliche Geltung des Beschleunigungsgebots auch nach Erlass eines erstinstanzlichen Urteils stehe außer Streit. Jedoch sei dabei nicht derselbe strenge Prüfungsmaßstab wie vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils bei der Prüfung des wichtigen Grundes im Sinne des § 121 StPO anzulegen. Die Vorschrift gelte ihrem ausdrücklichen Wortlaut nach nur bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils. Für den Zeitraum danach lasse nicht mehr jede wesentliche vermeidbare Verzögerung die Verhältnismäßigkeit entfallen. Es verbleibe im Rahmen der Geltung des § 120 StPO bei der umfassenden Abwägung aller auch sonst für die Verhältnismäßigkeit maßgeblichen Gesichtspunkte, unter anderem des Gewichts der Straftat und der Höhe der zu erwartenden Strafe gegenüber dem Ausmaß der Verfahrensverzögerung und dem Grad des die Justiz hieran treffenden Verschuldens. Vorliegend sei bereits eine Verfahrensverzögerung, die ein für diese Abwägung bei Berücksichtigung des gemilderten Maßstabes relevantes Maß erreichen würde, für die Zeit nach dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils nicht festzustellen. Die Zustellung der Revisionsbegründungen hätte zwar bei Eingang der letzten Revisionsbegründung am in einem erheblich kürzeren Zeitraum als bis zum bewirkt werden können. Das habe aber bei Berücksichtigung der außerordentlich zügigen Erstellung der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht insgesamt gesehen keine erhebliche Verfahrensverzögerung zur Folge gehabt. Die Dauer der Bearbeitung der Revisionen bei dem Generalbundesanwalt sei dem besonderen Umfang und Schwierigkeitsgrad der Sache geschuldet und als angemessen hinzunehmen. Dies gelte auch hinsichtlich der Terminsbestimmung der Revisionsverhandlung auf den , da ein hoher Vorbereitungsaufwand zu veranschlagen sei. Ob sich das Verfahren im Falle einer Aufhebung des Urteils und einer Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts bis zu der dann erneut durchzuführenden Hauptverhandlung bis mindestens "Spätherbst 2005" hinziehen werde, bleibe noch abzuwarten. Zudem stelle sich eine solche Verzögerung als notwendige Folge der Einlegung des Rechtsmittels dar.
II.
1. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 1 und von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
Die seit dem andauernde Untersuchungshaft sei unverhältnismäßig. Soweit das Oberlandesgericht eine andere Bewertung vornehme, sei die von ihm gegebene Begründung nicht tragfähig. Zunächst fehle es an einer Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB. Die im Zusammenhang mit der positiven Sozialprognose anzustellenden komplexen Fragen wische das Oberlandesgericht mit einer grobschnittartigen Begründung vom Tisch. Es verkenne, dass eine positive Entscheidung nach § 57 Abs. 1 StGB nicht die Gewissheit künftiger Straffreiheit voraussetze. Es genüge vielmehr schon das Bestehen einer nahe liegenden Chance für ein positives Ergebnis. Eine Negativ-Prognose könne dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unmittelbar auf die Schwere der Schuld gestützt werden. Auch könne die Verteidigung der Rechtsordnung bei einer im Übrigen positiven Prognose nicht als selbständiger Gesichtspunkt entgegen gestellt werden. Von einer positiven Prognose aber könne ausgegangen werden. Mit den geschädigten Zeuginnen habe ihn ausweislich der Urteilsgründe eine Liebesbeziehung verbunden. Insofern seien die Umstände der Tat geeignet, von einem Ausnahmegeschehen auszugehen. Zudem handele es sich um einen Erstverbüßer. Auch habe er sich im Vollzug ausnahmslos vorbildlich geführt. In die Waagschale zu werfen seien ferner die mit der Untersuchungshaft verbundenen besonderen Einschränkungen. So habe er sich auf Anordnung der Staatsanwaltschaft bis zum in Isolationshaft befunden. Auf diese Gesichtspunkte gehe das Oberlandesgericht nicht ein, sondern stelle auf Umstände ab, die im Gesetz keine Entsprechung fänden.
Ferner sei nicht zu erkennen, wie das Oberlandesgericht mit der notwendigen Gewissheit dazu komme, dass die Revision der Staatsanwaltschaft Erfolg haben werde und ihm aus diesem Grunde eine wesentlich höhere Strafe drohe. Das Oberlandesgericht gehe wohl davon aus, dass eine vom Generalbundesanwalt vertretene Revision stets zum Erfolg führe. Einen derartigen Automatismus gebe es aber nicht. Überdies sei dieser Gesichtspunkt auch nicht geeignet, eine über zwei Jahre andauernde Untersuchungshaft zu rechtfertigen. Zudem fehle es an einer detaillierten und rechtlich zutreffenden Auseinandersetzung mit der Möglichkeit der Außervollzugsetzung des Haftbefehls als weniger einschneidende Maßnahme. Er verfüge über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Dieser gesicherten ausländerrechtlichen Position gehe er verlustig, wenn er die Bundesrepublik Deutschland verlasse und nicht innerhalb von sechs Monaten wieder einreise. Auch werde außer Betracht gelassen, dass er in der Bundesrepublik Deutschland einen Freundeskreis habe und er bei seinem besten Freund wohnen könne. Bindungen zu seinem Heimatland bestünden demgegenüber nicht. Er habe dort lediglich einige Male Urlaub gemacht.
Das Oberlandesgericht nenne in Bezug auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr keine konkreten Ansatzpunkte. Er verfüge über keine Kenntnisse hinsichtlich der Erreichbarkeit der Zeuginnen, die sich außerdem in einem Zeugenschutzprogramm befänden. Ihre bisherigen Einlassungen ließen sich auch leicht in einer neuerlichen Hauptverhandlung einführen. Im Übrigen sei hier die Auflage eines Kontaktverbots im Rahmen eines Haftverschonungsbeschlusses denkbar.
Weiterhin sei aus dem Verfahrensgang und dem nunmehrigen Fortgang der Sache mit einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof am auch ersichtlich, dass das verfassungsrechtlich garantierte Beschleunigungsverbot verletzt sei. Die aus diesem Gebot folgenden Grundsätze seien nicht beachtet worden, was sich schon daraus erschließe, dass zwischen dem und der terminierten Revisionshauptverhandlung ein Zeitraum von etwas über 11/2 Jahren liege.
Der Haftbefehl müsse daher auf Grund bestehender Unverhältnismäßigkeit aufgehoben, jedenfalls aber gegen geeignete Auflagen außer Vollzug gesetzt werden. Letzteres sei im Rahmen des Erlasses einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht auszusprechen.
2. Den gemäß § 94 BVerfGG Äußerungsberechtigten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Land Hessen hat auf eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main verwiesen, worin die Ansicht vertreten wird, dass die Fortdauer der Untersuchungshaft nach wie vor verhältnismäßig sei. Das Bundesministerium der Justiz hat im Rahmen seiner Stellungnahme vor allem zu den Bearbeitungszeiten des Generalbundesanwalts und des Bundesgerichtshofs Ausführungen gemacht.
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und - in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG eröffnenden Weise - auch offensichtlich begründet; die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
I.
1. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG garantiert die Freiheit der Person. In diesem Freiheitsgrundrecht ist das in Haftsachen geltende verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot angesiedelt (vgl. BVerfGE 46, 194 <195>). Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb in ständiger Rechtsprechung betont, dass der Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkungen ständig als Korrektiv entgegenzuhalten ist und sich sein Gewicht gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 20, 45 <49 f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Das bedeutet, dass der Eingriff in die Freiheit nur hinzunehmen ist, wenn und soweit der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters nicht anders gesichert werden kann als durch vorläufige Inhaftierung eines Verdächtigen (BVerfGE 19, 342 <347 f.>; 20, 45 <49>). Auch unabhängig von der zu erwartenden Strafe setzt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Haftfortdauer Grenzen. Dem trägt die Bestimmung des § 121 Abs. 1 StPO Rechnung, wonach der Vollzug der Untersuchungshaft vor Ergehen eines Urteils wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden darf, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen. Bei dieser Beurteilung ist entscheidend darauf abzustellen, ob die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte ihrerseits alle zumutbaren Maßnahmen getroffen haben, um die Ermittlungen so schnell wie möglich abzuschließen und ein Urteil herbeizuführen. Die Vorschrift des § 121 Abs. 1 StPO lässt insoweit nur in begrenztem Umfang eine Fortdauer der Untersuchungshaft zu und ist eng auszulegen (vgl. BVerfGE 20, 45 <50>; 36, 264 <270 f.>).
2. Das Beschleunigungsgebot beansprucht jedoch auch über seine einfachgesetzliche Ausprägung in § 121 StPO hinaus Geltung. Es erfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das gesamte Strafverfahren. Unabhängig von dem speziellen Betroffensein des Freiheitsrechts (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) bei der Untersuchungshaft findet es auch im Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes seine Wurzel. Dieses gebietet - nicht zuletzt im Interesse des Beschuldigten - die angemessene Beschleunigung des Strafverfahrens. Eine von den Strafverfolgungsorganen zu verantwortende erhebliche Verzögerung des Strafverfahrens verletzt den Beschuldigten in seinem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (vgl. BVerfGE 63, 45 <68 f.>; Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Zweiten Senats des -, NJW 1984, S. 967). Die Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zwingt die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte dazu, dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs zu berücksichtigen. So wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allgemein dazu anhält, in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob die eingesetzten Mittel der Strafverfolgung und der Bestrafung unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkung für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zum dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen (vgl. BVerfGE 46, 17 <29>; 92, 277 <326>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des -, NJW 1992, S. 2472 <2473>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des -, NJW 1993, S. 3254 <3255>), verpflichtet er im Falle eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehenden überlangen Verfahrens zu sorgfältiger Prüfung, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen (noch) strafrechtlich vorgehen kann (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des - u.a., NJW 2003, S. 2225; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, NJW 2003, S. 2897). Auf Grund dieser umfassenden Geltung des Beschleunigungsgebots hat das Bundesverfassungsgericht auch bereits entschieden, dass dieses im Verfahren über die Aussetzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu beachten ist (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, StV 2001, S. 521 <522 f.>).
Vor diesem Hintergrund kann nicht zweifelhaft sein, dass das Beschleunigungsgebot auch nach Erlass eines erstinstanzlichen Urteils Geltung beansprucht und bei der Prüfung der Anordnung der Fortdauer von Untersuchungshaft zu beachten ist. Dies zieht auch die fachgerichtliche Judikatur nicht in Zweifel. Verwiesen wird hier darauf, dass auch nach dem Erlass des Urteils und seiner Anfechtung ein vom Angeklagten nicht veranlasstes erhebliches Stocken des Verfahrens und eine dadurch verursachte unangebrachte Verlängerung der Untersuchungshaft für den Inhaftierten eine erhebliche unnötige und vom Gesetz nicht gewollte Belastung darstelle (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom - 1 Ws 225/68 -, NJW 1968, S. 2117 <2118>; vgl. auch -, NJW 1969, S. 1682; -, NJW 1970, S. 156 f.; -, NJW 1975, S. 941 <942>). Im Übrigen machten auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und verschiedene verfahrensrechtliche Bestimmungen, wie etwa die kurzen Anfechtungsfristen und die Regelung des § 275 StPO über die Absetzungsfristen für das Urteil deutlich, dass das Beschleunigungsgebot auch für den sich anschließenden, die Rechtskraft hinausschiebenden Verfahrensabschnitt Geltung beanspruche (vgl. Hanseatisches -, JR 1983, S. 259 f.). Es wird dabei ganz überwiegend als in § 120 StPO verankert angesehen, wonach der Haftbefehl aufzuheben ist, wenn die Fortdauer der Untersuchungshaft unverhältnismäßig ist. Streitig ist lediglich, ob auf Grund einer sachlich nicht zu rechtfertigenden, vermeidbaren und erheblichen, von dem Angeklagten nicht zu vertretenden Verfahrensverzögerung der Haftbefehl ohne Rücksicht auf die Höhe der zu erwartenden Strafe aufzuheben ist (so Hanseatisches -, JR 1983, S. 259 <260>; - 4 Ws 336 und 341/84 -, StV 1985, S. 67; OLG Oldenburg, Beschluss vom - 1 Ws 182/92 -, StV 1992, S. 481; OLG Bamberg, Beschluss vom - Ws 2/94 -, StV 1994, S. 141 <142>) oder ob das Gewicht der Straftat und die Höhe der zu erwartenden Strafe gegenüber dem Ausmaß der Verfahrensverzögerung und dem Grad des die Justiz hieran treffenden Verschuldens gegeneinander abzuwägen sind (so -, MDR 1992, S. 694 <695>; -, StV 1996, S. 552; Beschluss vom - 1 Ws 948/99 -, NStZ-RR 2000, S. 250 <251>; - 5 Ws 483/97 - <JURIS>; LG Gera, Beschluss vom - 200 Js 12799/92 - 5 KLs -, NJW 1996, S. 2586).
II.
Den sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.
1. Soweit das Oberlandesgericht bezüglich des Prüfungsmaßstabes davon ausgeht, dass für den Zeitraum nach dem Ergehen eines erstinstanzlichen Urteils eine umfassende Abwägung aller auch sonst für die Verhältnismäßigkeit maßgeblichen Gesichtspunkte, unter anderem des Gewichts der Straftat und der Höhe der zu erwartenden Strafe gegenüber dem Ausmaß der Verfahrensverzögerung und dem Grad des die Justiz hieran treffenden Verschuldens zu erfolgen habe, steht dies in Einklang mit einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung. Sie ist unter Berücksichtigung des Wortlauts des § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO auch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, sofern bei der konkret vorzunehmenden Abwägung das Gewicht des Freiheitsanspruchs in hinreichendem Maße berücksichtigt wird.
2. Das Oberlandesgericht ist jedoch bei seiner Abwägungsentscheidung der Bedeutung und Tragweite des Freiheitsrechts nicht gerecht geworden. Es hat nicht alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt und zudem wichtige Abwägungsgrundsätze außer Acht gelassen.
a) Zunächst liegt eine unzureichende Würdigung der tatsächlichen Grundlagen vor. Vorliegend lassen sich Umstände feststellen, die geeignet sind, den Schluss auf vermeidbare und durch ein Verschulden der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte verursachte Verfahrensverzögerungen zu tragen. Gleichfalls können sie in ihrer Gesamtheit eine Schwelle erreichen, die im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers und dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch die Anordnung einer weiteren Fortdauer der Untersuchungshaft nicht mehr erlauben.
Zu berücksichtigen sind hier zum einen die Zeitpunkte der Zustellungen der Revisionsbegründungen. Während vier Zustellungen noch relativ zeitnah erfolgt sind, sind drei Zustellungen der bis zum eingegangenen Revisionsbegründungen erst nach fast 11/2 Monaten, nämlich Anfang Mai, die letzte sogar erst nach 21/2 Monaten, konkret am bewirkt worden. Bei der Bewirkung der Zustellungen handelt es sich aber um eine schlichte Routinebearbeitung. Die hierbei zu beachtende Sorgfalt hinsichtlich der Vollständigkeit der Zustellungen ist ersichtlich nicht gewahrt worden. Eine erste Prüfung ergab bereits im April 2004 eine Unvollständigkeit, woraufhin die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main mit Verfügung vom das Landgericht bat, die weitere Zustellung von Revisionsbegründungen zu bewirken. Dabei wurde offensichtlich weder von der Staatsanwaltschaft noch vom Landgericht bemerkt, dass auch diese Verfügung unvollständig war. Vielmehr wurde ausweislich des Vermerks vom erst bei der Fertigung des Entwurfs des Revi-sionsübersendungsberichts durch das Sekretariat gesehen, dass noch weitere Zustellungen zu bewirken waren. Folge dieser fehlerhaften Sachbehandlung war eine rund zweimonatige Verfahrensverzögerung. Soweit das Oberlandesgericht ausführt, dass die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main in der Folgezeit außerordentlich zügig gearbeitet habe, vermag dies den Schluss auf das Auffangen der eingetretenen Verfahrensverzögerung durch spätere Maßnahmen nicht zu rechtfertigen. Denn dem angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts lässt sich nicht entnehmen, dass über die zügige Bearbeitung, die als solche ohnehin geboten ist, hinaus besondere Vorkehrungen seitens der Staatsanwaltschaft - etwa das Freistellen eines Sachbearbeiters - zum Auffangen der entstandenen Verzögerung getroffen worden sind.
Hinzu tritt die lange Dauer der Bearbeitung durch den Generalbundesanwalt. Die Erarbeitung der dortigen Stellungnahme erforderte einen Zeitraum von über vier Monaten, wobei das Oberlandesgericht hierzu lediglich pauschal ausführt, dass dies dem besonderen Umfang und dem hohen Schwierigkeitsgrad der Sache angemessen gewesen sei. Diese Aussage findet jedoch keine konkrete Grundlage. Angesichts des für die Revisionsbegründungen in Anspruch genommenen Zeitraums von rund zwei Monaten und der vierzehntägigen Bearbeitung durch die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main kann der Bearbeitungszeitraum von vier Monaten seitens des Generalbundesanwalts kaum als angemessen angesehen werden, zumal auch die Absetzung des Urteils nur einen Zeitraum von knapp zwei Monaten in Anspruch nahm. Hinzu tritt, dass sich der Umfang der Prüfung des Generalbundesanwalts auf die Revisionsrügen (vgl. § 352 StPO) beschränkt. Der Umfang der Revisionsbegründung des Beschwerdeführers nimmt aber lediglich 17 Seiten in Anspruch; die Gegenerklärung des Beschwerdeführers auf die vierseitige Stellungnahme des Generalbundesanwalts umfasst lediglich zwei Seiten. Die Stellungnahme des Generalbundesanwalts zu den Revisionsbegründungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, deren Umfang 20 und 13 Seiten beträgt, nimmt insgesamt 15 Seiten in Anspruch. Vor diesem Hintergrund entbehrt die Argumentation des Oberlandesgerichts zum Umfang und zur Komplexität des Verfahrens einer hinreichenden Grundlage. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass sich das Oberlandesgericht um eine konkrete Aufklärung der Bearbeitungsdauer etwa durch eine Nachfrage bemüht hat.
Auch die am erfolgte Bestimmung des Termins zur Hauptverhandlung über die Revisionen der Nebenklägerinnen und der Staatsanwaltschaft auf den bleibt ohne hinreichend nachvollziehbaren Grund. Der Verweis des Oberlandesgerichts auf den besonderen Umfang, die Komplexität und die mögliche grundsätzliche Klärung von Rechtsfragen stellen nicht mehr als blankettartige Argumentationsmuster dar, die nach den obigen Ausführungen keine Entsprechung im konkreten Verfahren finden.
Ferner berücksichtigt das Oberlandesgericht bei seinen Ausführungen nicht, dass bei einer etwaigen Aufhebung des ergangenen Urteils und einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Verhandlung jedenfalls eine dem Staat zuzurechnende Verfahrensverzögerung schon deshalb vorliegt, weil das ergangene Urteil fehlerhaft war.
Ausgehend von diesem Befund kann festgestellt werden, dass sich das Verfahren bedingt durch die nicht zeitnah erfolgten Zustellungen der Revisionsbegründungen an sämtliche Beteiligte um rund zwei Monate verzögert hat. Ferner kann eine Verzögerung des Verfahrens bedingt durch die lange Bearbeitungsdauer beim Generalbundesanwalt um jedenfalls zwei Monate festgestellt werden. Insoweit hat das Bundesministerium der Justiz unter Hinweis auf eine Untersuchung aus dem Jahre 1999 (Barton, Die Revisionsrechtsprechung des BGH in Strafsachen, 1999, S. 161 ff.) mitgeteilt, dass es dem Generalbundesanwalt in jedem dritten Fall gelungen sei, innerhalb von nur einer Woche zu votieren und nur in 8% der Fälle mehr als acht Wochen benötigt wurden. Das arithmetische Mittel liege bei 20 Tagen, was auch die jetzigen Verhältnisse - zumindest in ihrer Tendenz - wiederspiegele. Auch in Bezug auf die Verfahrensdauer hat das Bundesministerium der Justiz unter Hinweis auf diese Untersuchung mitgeteilt, dass die durchschnittliche Dauer der Revisionsverfahren bei fünf Wochen liege. Nur für 15% der Fälle habe die Verfahrensdauer mehr als zwei Monate in Anspruch genommen. Für das Jahr 2004 hat das Bundesministerium der Justiz darauf hingewiesen, dass der Bundesgerichtshof 107 von 173 Revisionen binnen dreier Monate durch Urteil entschieden habe. Bei 46 Sachen betrug die Verfahrensdauer bis zu sechs Monaten, bei 15 Sachen nahm sie einen Zeitraum von bis zu neun Monaten, in zwei Fällen von bis zu einem Jahr und in drei Fällen über ein Jahr in Anspruch. Vor diesem Hintergrund ist von einer weiteren Verfahrensverzögerung auszugehen, die durchaus im Bereich von drei Monaten angesetzt werden kann. Mithin kann eine Gesamtdauer vermeidbarer Verfahrensverzögerungen bis zum angesetzten Termin zur Hauptverhandlung im Revsionsverfahren festgestellt werden, die zumindest mit sieben Monaten zu Buche schlagen. Diesen Gesichtspunkt hat das Oberlandesgericht auf Grund seiner unzureichenden Tatsachenwürdigung nicht berücksichtigt.
b) Hinzu kommt, dass das Oberlandesgericht auch maßgebliche Abwägungsgrundsätze unbeachtet gelassen hat.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstärkt sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untersuchungsgefangenen gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse des Staates mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft zunehmen (vgl. -, StV 1996, S. 496; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl. 2004, § 121 Rn. 19). Zum anderen steigen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigen Grund (vgl. EGMR, Urteil vom - Beschw.Nr. 38321/97 - Erdem, EuGRZ 2001, S. 391 <395 Rn. 47>). Dem entspricht es auch, dass in jedem Haftfortdauerbeschluss aktuelle Ausführungen zum Vorliegen eines solchen Grundes, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten sind, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände, insbesondere angesichts der seit der letzten Entscheidung verstrichenen Zeit in ihrer Gewichtigkeit verschieben können (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des -, NJW 2002, S. 207 <208>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, StV 1999, S. 328; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, StV 1999, S. 40).
Zwar hat sich mit der Verurteilung auch das Gewicht des staatlichen Strafanspruchs vergrößert, da auf Grund der gerichtlich durchgeführten Beweisaufnahme die Begehung einer Straftat durch den Verurteilten als erwiesen angesehen worden ist. Der Umstand, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Einlegung eines Rechtsmittels hindert lediglich die Vollstreckung der durch das angegriffene Urteil ausgesprochenen Sanktionen bis zur Überprüfung durch das nächsthöhere Gericht. Sie beseitigt indessen nicht die Existenz des angegriffenen Urteils und damit den Umstand, dass auf der Grundlage eines gerichtlichen Verfahrens bereits ein Schuldnachweis gelungen ist. Gleichwohl rechtfertigt dieser Gesichtspunkt noch nicht, dass der Verurteilte jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Vollverbüßung der ausgesprochenen Strafe in Untersuchungshaft gehalten werden kann. Die verhängte Freiheitsstrafe stellt grundsätzlich nur ein Indiz für das Gewicht der zu verfolgenden Straftat dar. Sie kann auch deshalb nicht ohne weiteres als Maßstab für die mögliche Länge der Untersuchungshaft dienen, weil dies mit dem Resozialisierungszweck der Strafhaft in ein Spannungsverhältnis tritt. Wird die verhängte Freiheitsstrafe durch Anrechnung der Untersuchungshaft zum überwiegenden Teil oder gar vollständig verbüßt, so können die im Rahmen des Vollzugs der Strafhaft möglichen Maßnahmen zur Resozialisierung nur in geringem Ausmaß oder überhaupt keine Wirkung entfalten.
Im Rahmen der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsanspruch kommt es vor diesem Hintergrund in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies bedingt eine auf den Einzelfall bezogene Analyse des Verfahrensablaufs. Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft sind höhere Anforderungen an das Vorliegen eines sie rechtfertigenden Grundes zu stellen. Entsprechend dem Gewicht der zu ahndenden Straftat können zwar kleinere Verfahrensverzögerungen die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung können aber bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft herangezogen werden. Aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses ist nicht zu erkennen, dass das Oberlandesgericht diesen Grundsatz beachtet hat.
bb) Auch die Erwägung des Oberlandesgerichts, dass der Beschwerdeführer mit Wahrscheinlichkeit eine deutlich höhere Strafe zu erwarten habe, hält einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Hier ist bereits im Ausgangspunkt fraglich, ob eine derartige Prognose über den Ausgang des Revisionsverfahrens angestellt werden kann. Diese Auffassung wird zwar in Rechtsprechung und Literatur vertreten (vgl. -, MDR 1974, S. 596; -, MDR 1977, S. 775; Lemke, in: Heidelberger Kommentar, StPO, 2. Aufl. 1999, § 120 Rn. 7; zurückhaltend: Boujong, in: KK, StPO, 5. Aufl. 2003, § 120 Rn. 7; LG Freiburg, Beschluss vom - V AK 22/87 -, StV 1988, S. 394; ablehnend: Luckhaupt, Zur Zulässigkeit der U-Haft nach der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, MDR 1974, S. 550 <551 f.>). Es ist jedoch fraglich, ob diese Ansicht dem Gesichtspunkt der Unschuldsvermutung, die ihre Grundlage im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) findet (vgl. BVerfGE 74, 358 <371>), hinreichend Rechnung trägt. Durch die Verurteilung hat diese zwar eine Einbuße erlitten. Ist es aber im Verhältnis zu den Anklagevorwürfen zu einer Verurteilung auf Grund eines Straftatbestandes mit einem milderen Strafrahmen oder gar zu einem teilweisen Freispruch gekommen, so hat diese auch eine gewisse Bestätigung auf der Grundlage eines gerichtlichen, der Schuldfeststellung dienenden Verfahrens erfahren. Die Regelung des § 120 Abs. 1 Satz 2 StPO unterstreicht, dass der gerichtlichen Entscheidung - auch wenn sie noch nicht rechtskräftig ist - insoweit ein besonderer Stellenwert zukommt. Danach ist der Haftbefehl bei einem Freispruch, einer vorläufigen Verfahrenseinstellung oder der Nichteröffnung des Hauptverfahrens zwingend aufzuheben. Auf die Richtigkeit oder Rechtskraft der Entscheidung kommt es dabei nicht an (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl. 2004, § 120 Rn. 8). Angesichts dieser gesetzlichen Wertung, die ebenfalls als Ausprägung der Unschuldsvermutung verstanden werden kann, erscheint die Möglichkeit der Prüfung der Erfolgsaussichten bei einem teilweisen Freispruch oder einer bloß milderen Verurteilung auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten durchaus problematisch.
Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da das Oberlandesgericht seinen Schluss, dass eine Wahrscheinlichkeit für eine erheblich höhere Strafe gegeben sei, nicht im hinreichenden Maße begründet hat. Das Oberlandesgericht verweist lediglich in pauschaler Weise auf die Stellungnahme des Generalbundesanwalts und die zwischenzeitlich eingetretene Verfahrenssitua-tion, wonach der Bundesgerichtshof nur hinsichtlich der Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen Termin zur Hauptverhandlung bestimmt hat. Allein dieser Verfahrensstand aber präjudiziert noch nicht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Zum einen ist in der Praxis des Bundesgerichtshofs zu beobachten, dass etwa auch Staatsanwaltschaftsrevisionen, die absehbar unbegründet sind und vom Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, mündlich verhandelt werden (vgl. Barton, Die alltägliche Revisionsrechtsprechung des BGH in Strafsachen, StraFo 1998, S. 325 <327 mit Fn 18>). Ungeachtet des Umstandes, dass die Durchführung der Hauptverhandlung erst die Erkenntnisgrundlage für die Entscheidung darstellt, zeigt gerade diese Praxis, dass allein die Terminierung noch keine Aussage über die Erfolgsaussichten rechtfertigt. Zum anderen ist nach § 301 StPO auf eine Staatsanwaltschaftsrevision hin stets auch zu prüfen, ob das angefochtene Urteil für den Angeklagten beschwerende Rechtsfehler enthält. Die fehlende eigenständige Bewertung der Erfolgsaussichten der Revisionen schlägt sich auch darin nieder, dass sich das Oberlandesgericht über die konkreten Folgen einer möglichen Straferhöhung nur in globaler Weise äußert. Auf die konkret mögliche Erhöhung des Strafrahmens geht es in diesem Zusammenhang ebenso wenig ein wie auf das von der Staatsanwaltschaft ausgehend von einer abweichenden rechtlichen Beurteilung in der Hauptverhandlung vor der Strafkammer geforderte Strafmaß von drei Jahren und sechs Monaten. Unberücksichtigt bleibt auch die als Milderungsgrund mit einer Zurückverweisung in Betracht kommende, weil dem Staat zuzurechnende Verfahrensverzögerung (vgl. etwa -, StV 1996, S. 537 f.). Schließlich sind auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts zu den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB unzureichend. Auch zu diesem Punkt erfolgen lediglich pauschale Ausführungen, während eine Analyse des konkreten Sachverhalts, vor allem zu den Umständen der Tatbegehung und der Persönlichkeit des Beschwerdeführers, unter Berücksichtigung der zu § 57 Abs. 1 StGB entwickelten Grundsätze unterbleibt. Diese ergeben sich auch nicht aus der in Bezug genommenen Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem . Darin werden ebenfalls nur kurze und pauschale Ausführungen gemacht, die nicht auf den konkreten Einzelfall eingehen.
III.
Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG durch das Oberlandesgericht wie auch durch das Landgericht, das keinerlei Erwägungen zu dem Beschleunigungsgebot anstellt und dessen außerordentlich knappe Ausführungen den Anforderungen an die Begründung nicht gerecht werden, festzustellen. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts ist unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Oberlandesgericht hat unverzüglich unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte erneut eine Entscheidung über die Beschwerde gegen den herbeizuführen.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
NJW 2005 S. 2612 Nr. 36
LAAAB-86460