Leitsatz
§ 10 Abs. 3 SGB V verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG, soweit er Ehen und nichteheliche Lebensgemeinschaften in Bezug auf den Ausschluss von Kindern aus der Familienversicherung unterschiedlich behandelt.
Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1; SGB V § 10 Abs. 3
Instanzenzug: BSG B 12 KR 12/00 R vom LSG Bayern L 4 KR 37/97 vom LSG Bayern L 4 Kr 121/93 vom SG Augsburg S 6 Kr 162/92 vom 26.20.1993
Gründe
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen und insbesondere von Kindern in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 10 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), die so genannte Familienversicherung.
I.
Seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom (BGBl I S. 2477) am ist die Familienversicherung in § 10 SGB V geregelt. Die heutige Regelung steht, soweit es um ihren Grundgedanken geht, in einer langen sozialversicherungsrechtlichen Tradition (siehe näher Gerlach/Epping, Die Familienversicherung, 4. Auflage 1994, S. 10 ff.). Bereits die Reichsversicherungsordnung sah unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen an Familienangehörige (Familienhilfe) vor. Im Unterschied zur Familienhilfe begründet die Familienversicherung des SGB V eigene Leistungsrechte des mitversicherten Angehörigen. Dessen Status als Versicherter ist aber akzessorisch zur Mitgliedschaft des Stammversicherten. § 10 SGB V lautet in der Fassung des Art. 1 GRG, soweit hier von Bedeutung:
§ 10
Familienversicherung
(1) Versichert sind der Ehegatte und die Kinder von Mitgliedern, wenn diese Familienangehörigen
1. ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs haben,
2. nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 8, 11 oder 12 oder nicht freiwillig versichert sind,
3. nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind; dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 außer Betracht,
4. nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und
5. kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag berücksichtigt.
(2) Kinder sind versichert
1. bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres,
2. bis zur Vollendung des dreiundzwanzigsten Lebensjahres, wenn sie nicht erwerbstätig sind,
3. bis zur Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres leisten; wird die Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht des Kindes unterbrochen oder verzögert, besteht die Versicherung auch für einen der Dauer dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum über das fünfundzwanzigste Lebensjahr hinaus,
4. ohne Altersgrenze, wenn sie wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, daß die Behinderung zu einem Zeitpunkt vorlag, in dem das Kind nach Nummer 1, 2 oder 3 versichert war.
(3) Kinder sind nicht versichert, wenn der mit den Kindern verwandte Ehegatte des Mitglieds nicht Mitglied einer Krankenkasse ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Mitglieds ist; bei Renten wird der Zahlbetrag berücksichtigt.
(4) Als Kinder im Sinne der Absätze 1 bis 3 gelten auch Stiefkinder und Enkel, die das Mitglied überwiegend unterhält, sowie Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches). Kinder, die mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut des Annehmenden aufgenommen sind und für die die zur Annahme erforderliche Einwilligung der Eltern erteilt ist, gelten als Kinder des Annehmenden und nicht mehr als Kinder der leiblichen Eltern.
(5) ...
§ 3 Satz 3 SGB V bestimmt, dass für versicherte Familienangehörige Beiträge nicht erhoben werden. In § 243 Abs. 2 Satz 2 SGB V ist geregelt, dass Beitragsabstufungen nach dem Familienstand oder nach der Zahl der nach § 10 SGB V familienversicherten Angehörigen unzulässig sind. Ist ein Kind wegen § 10 Abs. 3 SGB V von der Familienversicherung ausgeschlossen, so eröffnet § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB V die Möglichkeit eines Beitritts zur gesetzlichen Krankenversicherung. Dieses Beitrittsrecht ist seit dem an das Vorliegen einer Vorversicherungszeit geknüpft. Begünstigt sind von der Familienversicherung 14,6 Mio. Kinder und etwa 7 Mio. Ehegatten. Der für die Familienversicherung insgesamt jährlich von den Krankenkassen erbrachte Leistungsaufwand wird mit 15 Mrd. Euro und darüber angegeben (Ruland, NJW 2001, S. 1673 <1678 Fn 35>). § 10 SGB V hat seit dem In-Kraft-Treten mehrere Änderungen erfahren. Durch das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom (BGBl I S. 266) hat § 10 Abs. 3 SGB V folgende Fassung erhalten:
Kinder sind nicht versichert, wenn der mit den Kindern verwandte Ehegatte oder Lebenspartner des Mitglieds nicht Mitglied einer Krankenkasse ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Mitglieds ist; bei Renten wird der Zahlbetrag berücksichtigt.
II.
Der Beschwerdeführer zu I ist der im Jahr 1992 geborene Sohn der Beschwerdeführerin zu II, die mit dem Vater des Beschwerdeführers zu I verheiratet ist. Die Eltern leben mit dem Sohn in häuslicher Gemeinschaft.
Seit der Geburt des Beschwerdeführers zu I ist die Beschwerdeführerin zu II, von einer etwa 1 1/2 jährigen Unterbrechung abgesehen, bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens, einer Ersatzkasse, pflichtversichert. Ihr regelmäßiges monatliches Gesamteinkommen belief sich zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde auf etwa 3.400 DM. Ihr Ehemann ist Beamter, privat krankenversichert und für den Beschwerdeführer zu I mit einem Beihilfesatz von 80 % beihilfeberechtigt. Wegen der Krankheitskosten, die nicht durch die Beihilfe gedeckt sind, haben die Eltern zugunsten des Beschwerdeführers zu I eine private Krankenversicherung abgeschlossen. Die Prämien hierfür betrugen nach den fachgerichtlichen Feststellungen im Jahre 1992 monatlich 32,80 DM und stiegen seit April 1998 auf 45,10 DM an. Der Vater des Beschwerdeführers zu I hat im Zeitraum von 1992 bis 1999 ein monatliches Gesamteinkommen zwischen 6.375 DM und 7.887 DM erzielt.
Die Beklagte des Ausgangsverfahrens hat eine beitragsfreie Familienversicherung des Beschwerdeführers zu I für die Zeiträume, in denen die Beschwerdeführerin zu II Pflichtmitglied war, unter Hinweis auf § 10 Abs. 3 SGB V abgelehnt. Die dagegen gerichteten Rechtsbehelfe blieben ohne Erfolg. Das Bundessozialgericht hält die Ausschlussregelung des § 10 Abs. 3 SGB V für verfassungsgemäß. Kinder, deren Eltern miteinander verheiratet seien, würden gegenüber Kindern, deren Eltern in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebten, nicht in verfassungswidriger Weise schlechter gestellt. Letztere habe der Gesetzgeber nicht in die Ausschlussregelung des § 10 Abs. 3 SGB V einbeziehen müssen, weil ihre Zahl gering sei. Zudem sei eine Erstreckung der Ausschlussregelung auf Kinder nicht miteinander verheirateter Eltern in der Praxis nur schwer zu handhaben. Die Einkommens- und Versicherungsverhältnisse der Elternteile seien erfahrungsgemäß nur unter Schwierigkeiten zu ermitteln. Zudem hätte eine Erweiterung des § 10 Abs. 3 SGB V auf nichteheliche Lebensgemeinschaften möglicherweise die Forderung zur Folge, auch deren Partner - wie Ehegatten - in die Familienversicherung einzubeziehen. Dann entstünden aber Mehraufwendungen, die wahrscheinlich in keinem angemessenen Verhältnis zu dem stehen würden, was man an Leistungen einspare, wenn man Kinder von Eltern, die in nichtehelicher Lebensgemeinschaft leben, aus der Familienversicherung ausschlösse.
III.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde greifen die Beschwerdeführer § 10 Abs. 3 SGB V und die darauf gestützten Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen an. Die Regelung verletze Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG, weil sie auf Kinder, deren Eltern nicht miteinander verheiratet seien, nicht zur Anwendung komme. Rechtfertigende Gründe für die darin liegende Ungleichbehandlung lägen nicht vor. Insbesondere sei die Zahl der vom Ausschluss aus der Familienversicherung verschonten Kinder in nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht zu vernachlässigen. Kinder von Verheirateten stünden wirtschaftlich nicht besser als Kinder nicht verheirateter Partner. In nichtehelichen Lebensgemeinschaften gebe es keine besondere Bedarfssituation der Kinder, die eine Bevorzugung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigen könne. Im Unterhalts- und Steuerrecht würden sie nicht anders behandelt als Kinder, deren Eltern miteinander verheiratet seien. Ebenso wenig könnten praktische Erfordernisse der Verwaltung die unterschiedliche Behandlung begründen. Der Ausschluss des Beschwerdeführers zu I von der Familienversicherung stelle auch eine wirtschaftliche Belastung dar. Die Aufwendungen für seine private Krankenversicherung seien zumindest dann erheblich, wenn man einen größeren Zeitraum zu Grunde lege. Zudem gewähre die gesetzliche Krankenversicherung Leistungen, welche die private Krankenversicherung nicht umfasse. § 10 Abs. 3 SGB V sei deshalb für nichtig zu erklären.
IV.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung namens der Bundesregierung, der AOK-Bundesverband - zugleich für den Verband der Angestellten-Krankenkassen, den Arbeiter-Ersatzkassen-Verband, den IKK-Bundesverband sowie den BKK-Bundesverband -, der Verband der privaten Krankenversicherung und die Beklagte des Ausgangsverfahrens geäußert.
1. Das Bundesministerium hält § 10 Abs. 3 SGB V für verfassungsgemäß. Die darin angelegte Benachteiligung von Kindern miteinander verheirateter Eltern habe ihren Grund in der besonderen Situation nichtehelicher Lebensgemeinschaften. Für die Familienversicherung sei unabdingbar - nicht zuletzt wegen der Durchführung des Risikostrukturausgleichs -, ihren Beginn und ihr Erlöschen taggenau feststellen zu können. Diese Feststellung wäre in Bezug auf nichteheliche Lebensgemeinschaften erschwert, wenn ermittelt werden müsste, ob und wann eine solche Gemeinschaft vorliege. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit würde zahlreiche Verfahren zur Leistungsrückforderung und damit eine Vielzahl von Gerichtsverfahren mit sich bringen. Aus dem Umstand, dass in anderen Bereichen des Sozialrechts nichteheliche Lebensgemeinschaften hinsichtlich der Einstandspflicht füreinander der ehelichen Lebensgemeinschaft gleichgestellt seien, könne nicht geschlossen werden, dies sei auch im Krankenversicherungsrecht geboten. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung würden im Besonderen darauf abzielen, durch deren sofortige Erbringung einen kurzfristig entstandenen Bedarf zu decken. Damit seien Unsicherheiten über das Bestehen der Familienversicherung kaum zu vereinbaren. Die Anzahl der Kinder in nichtehelichen Lebensgemeinschaften, die von § 10 Abs. 3 SGB V erfasst würden, wenn ihre Eltern miteinander verheiratet wären, schätzt das Bundesministerium auf etwa 5.000 bis 7.000. Die Zahl sei demnach relativ gering. Bevorzuge der Gesetzgeber diese Kinder, indem er § 10 Abs. 3 SGB V nicht auf sie erstrecke, mache er von seiner Befugnis zur Typisierung in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch.
2. Der AOK-Bundesverband schließt sich dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil des Bundessozialgerichts an. Der Gesetzgeber stelle in § 10 Abs. 3 SGB V auf gemeinsam wirtschaftende Familienverbünde ab. Nur intakte Familien würden tatsächlich einen Familienverbund im Sinn einer Wirtschaftsgemeinschaft bilden. Würde die Vorschrift für verfassungswidrig erklärt werden, so brächte dies sowohl für die gesetzlichen Krankenkassen als auch für die privaten Krankenversicherer einen großen Verwaltungsaufwand mit sich.
3. Auch die Beklagte des Ausgangsverfahrens vertritt die Auffassung, § 10 Abs. 3 SGB V verstoße nicht gegen das Grundgesetz. Die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft dürfe zum Anknüpfungspunkt wirtschaftlicher Rechtsfolgen genommen werden. Das Bestehen einer Ehe könne sachlicher Grund für die unterschiedliche Regelung sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche sein. Im vorliegenden Fall sei die unterschiedliche Behandlung durch die besonderen unterhaltsrechtlichen Beziehungen gerechtfertigt, die innerhalb einer Familie mit intakter Ehe bestünden. In diesem Zusammenhang sei besonders auf die Verpflichtung zum Familienunterhalt nach § 1360 BGB hinzuweisen. Die wirtschaftliche Situation der beiden Lebensformen unterscheide sich grundlegend. In einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bestünden keine Unterhaltsverpflichtungen zwischen den Partnern. Dieser Umstand sei auch relevant, weil die Unterhaltsansprüche der Kinder nicht isoliert zu betrachten seien. Es komme auf die gesamte wirtschaftliche Situation der Familie an. Zudem sei die Ungleichbehandlung bloße Nebenfolge einer an sich unbedenklichen Regelung. Auch falle ins Gewicht, dass Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft selbst nie in den Genuss einer beitragsfreien Familienversicherung kommen könnten.
4. Der Verband der privaten Krankenversicherung hat Auskunft zur Struktur des Personenkreises der privat Krankenversicherten erteilt.
V.
In der mündlichen Verhandlung haben sich die Bundesregierung, der AOK-Bundesverband - zugleich für die übrigen Spitzenverbände der Krankenkassen -, der Verband der privaten Krankenversicherung sowie die Beklagte des Ausgangsverfahrens geäußert.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
I.
§ 10 Abs. 3 SGB V ist mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, soweit er Kinder miteinander verheirateter Eltern von der beitragsfreien Familienversicherung ausschließt, wenn das Gesamteinkommen des Elternteils, der nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, höher ist als das des Mitglieds und im Gesetz festgelegte Einkommensgrenzen übersteigt.
1. § 10 Abs. 3 SGB V steht nicht im Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 GG.
a) Art. 6 Abs. 1 GG gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung (vgl. BVerfGE 105, 313 <346>; stRspr). Als Grundsatznorm lässt sich ihm eine allgemeine Pflicht des Staates zur Förderung der Familie durch geeignete Maßnahmen entnehmen (vgl. BVerfGE 103, 242 <259>). Dem Gesetzgeber steht aber Gestaltungsfreiheit bei der Entscheidung darüber zu, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz verwirklichen will. Aus Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen können aus dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG nicht hergeleitet werden (vgl. BVerfGE 82, 60 <81>). Dies gilt auch für die Ausgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung.
b) Nach diesen Grundsätzen steht § 10 Abs. 3 SGB V mit Art. 6 Abs. 1 GG in Einklang. Die beitragsfreie Versicherung von Kindern des Mitglieds einer gesetzlichen Krankenkasse nach § 10 Abs. 1, 2 und 4 SGB V ist eine Maßnahme des sozialen Ausgleichs zur Entlastung der Familie. Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt für die Ausgestaltung der Familienversicherung nicht, dass deren Leistungen ohne Rücksicht auf die Einkommensverhältnisse der miteinander verheirateten Eltern erbracht werden müssen. Der Gesetzgeber kann bei der Bestimmung des Personenkreises, den er in die Familienversicherung einbezieht, und bei der Entscheidung darüber, unter welchen Voraussetzungen er Kinder von ihr ausschließt, auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen und insbesondere der Eltern abstellen und damit den Gesichtspunkt der sozialen Schutzbedürftigkeit zur Geltung bringen. Art. 6 Abs. 1 GG verbietet es ihm nicht, die Vorteile einer beitragsfreien Krankenversicherung der Kinder von einer derartigen Prüfung abhängig zu machen.
2. Die Merkmale, an die der Gesetzgeber in § 10 Abs. 3 SGB V den Ausschluss von Kindern aus der Familienversicherung knüpft, genügen den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Das Grundrecht ist aber dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 104, 126 <144 f.>; stRspr).
b) § 10 Abs. 3 SGB V benachteiligt Ehegatten, soweit deren Kinder nach dieser Vorschrift von der Familienversicherung ausgeschlossen sind, gegenüber solchen Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen für einen Ausschluss nicht vorliegen und deren Kinder deshalb beitragsfrei mitversichert sind. Benachteiligt sind auch die Kinder, welche die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1, 2 und 4 SGB V für einen Anspruch auf Mitversicherung erfüllen, jedoch - wie der Beschwerdeführer zu I - unter die Ausschlussvorschrift des § 10 Abs. 3 SGB V fallen.
c) Diese Benachteiligungen sind jedoch hinreichend gerechtfertigt. Der Gesetzgeber bedient sich in § 10 Abs. 3 SGB V einkommensbezogener Merkmale, bei deren Vorliegen typischerweise die soziale Schutzbedürftigkeit der verheirateten Eltern und deren Kinder verneint werden kann. Es ist sachgerecht, Kinder von der beitragsfreien Familienversicherung auszuschließen, wenn das Gesamteinkommen des Elternteils, das nicht Mitglied einer Krankenkasse ist, die Jahresarbeitsentgeltgrenze im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V überschreitet. Denn diese Rechengröße stimmt mit der Höhe des Arbeitsentgelts - wenn auch nicht des Gesamteinkommens - überein, ab der ein Beschäftigter nicht mehr in der gesetzlichen Krankenkasse pflichtversichert ist, weil ihn der Gesetzgeber nicht mehr als schutzbedürftig ansieht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V; vgl. BVerfGE 102, 68 <89>).
Die Anknüpfung an das Einkommen in § 10 Abs. 3 SGB V ist aber auch insoweit sachgerecht, als Kinder unabhängig von der Relation des Einkommens des Nichtmitglieds zur Jahresarbeitsentgeltgrenze in der Familienversicherung verbleiben, wenn das Gesamteinkommen des Mitglieds nicht hinter dem des Nichtmitglieds zurückbleibt. Der Ausschluss aus der Familienversicherung erfolgt demnach nur, wenn der nicht gesetzlich krankenversicherte Elternteil wegen seines höheren und die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreitenden Gesamteinkommens vorrangig dafür verantwortlich gemacht werden kann, für die Absicherung seiner Kinder gegen das Risiko der Krankheit zu sorgen. Erzielt der gesetzlich versicherte Elternteil demgegenüber ein höheres Einkommen und bleibt es danach bei der Familienversicherung der Kinder, so ist dies gerechtfertigt, weil das Mitglied entsprechend hohe Beiträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs. 3 SGB V) in die Solidargemeinschaft zahlt und zugleich maßgeblich zum Familieneinkommen beiträgt.
II.
§ 10 Abs. 3 SGB V verstößt, soweit es um die Verschiedenbehandlung von Ehen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften in Bezug auf die Familienversicherung von Kindern geht, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG.
1. Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Ungleichbehandlung von Ehen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften durch die Regelung des § 10 Abs. 3 SGB V ist Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 67, 186 <195>). Es geht um die Frage einer Benachteiligung der Ehe gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften im Hinblick auf die Familienversicherung der Kinder in der gesetzlichen Krankenversicherung, für deren Leistungen die Versichertengemeinschaft aufzukommen hat. Bei dieser Gleichheitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass Art. 6 Abs. 1 GG der Freiheit des Gesetzgebers, welche Sachverhalte er gleich und welche ungleich behandelt, Grenzen setzt (vgl. BVerfGE 103, 242 <258>). Es ist dem Gesetzgeber untersagt, die Ehe gegenüber anderen Lebensgemeinschaften zu diskriminieren (vgl. BVerfGE 69, 188 <205 f.>; 75, 382 <393>), insbesondere Verheiratete gegenüber Nichtverheirateten bei der Gewährung rechtlicher Vorteile zu benachteiligen (vgl. BVerfGE 67, 168 <195 f.>; 75, 382 <393>). Eine punktuelle gesetzliche Benachteiligung ist allerdings hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Ausgleich familiärer Belastungen abzielt, dabei Eheleute teilweise begünstigt und teilweise benachteiligt, die gesetzliche Regelung im Ganzen betrachtet aber keine Schlechterstellung von Eheleuten bewirkt.
2. Danach ist § 10 Abs. 3 SGB V nicht zu beanstanden.
a) Die Regelung stellt zwar, soweit ihre Voraussetzungen erfüllt sind, Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, die mit dem anderen Elternteil der gemeinsamen Kinder verheiratet sind, zunächst durch Ausschluss der Kinder von der Familienversicherung bei Vorliegen der einkommensbezogenen Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 SGB V schlechter als unverheiratete Mitglieder, bei denen ein solcher Ausschluss nicht erfolgt. Übersteigt in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft das Gesamteinkommen des Elternteils, das nicht Mitglied der Krankenkasse ist, die Einkommensgrenze des § 10 Abs. 3 SGB V, so steht dies - im Unterschied zu verheirateten Eltern - einer Mitversicherung des Kindes beim gesetzlich versicherten Elternteil nicht entgegen.
b) Durch diese unterschiedliche Behandlung sind jedoch bei einer Gesamtbetrachtung Eheleute nicht schlechter gestellt.
aa) Die Regelungen über die Familienversicherung in § 10 SGB V sehen rechtliche Vorteile vor, die nur zur Geltung kommen, wenn eine Ehe vorliegt. So kann nach § 10 Abs. 1 SGB V der Ehepartner, der Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist, dem anderen Ehepartner, der nicht selbst Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist, beitragsfreien Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung vermitteln. Eine solche Möglichkeit ist Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht eröffnet. Auf Grund dieser Vorschrift sind immerhin etwa 7 Mio. Ehepartner mitversichert. Hinzu kommt, dass nach § 10 Abs. 4 SGB V auch Stiefkinder des gesetzlich versicherten Ehegatten in die Familienversicherung einbezogen sind.
bb) Der Ausschluss des ehelichen Kindes miteinander verheirateter Eltern von der Familienversicherung unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 SGB V ist im Verhältnis zu nichtehelichen Kindern aber auch unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass für den Krankenversicherungsschutz eines Kindes außerhalb der Familienversicherung in einer Ehe auf Grund der damit begründeten unterhaltsrechtlichen wechselseitigen Verpflichtungen wirksamer als in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vorgesorgt ist. Zwar stellt das geltende Unterhaltsrecht eheliche und nichteheliche Kinder inzwischen grundsätzlich gleich (§§ 1601 ff. BGB). Auch der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes umfasst die Kosten für einen angemessenen Krankenversicherungsschutz (vgl. Engler/Kaiser, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, 4. Buch, Neubearbeitung 2000, § 1610 Rn. 124 f., 127, 156; Bäumel, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 7. Auflage 1999, Rn. 912, 956). Jedoch schulden die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft einander, anders als Eheleute, keinen gesetzlichen Unterhalt (vgl. auch BVerfGE 75, 382 <395>). Eine Verpflichtung zum Familienunterhalt kennt das geltende Recht nur unter Ehegatten (§ 1360 BGB). Dieser Unterhalt wird zwar dem anderen Ehegatten geschuldet, ist aber auch auf die Bedürfnisse der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder ausgerichtet (vgl. Hübner/Voppel, in: Staudinger, a.a.O., § 1360 Rn. 11). Er begünstigt auch sie und bestimmt maßgeblich ihre wirtschaftliche und soziale Situation (vgl. BVerfGE 103, 89 <103, 109 f.>), gerade auch bei der Vorsorge vor Krankheit.
Der Anspruch aus § 1615 l BGB auf Betreuungsunterhalt, der auch dem Kind zugute kommt, kann bei nicht miteinander verheirateten Eltern nicht ausgleichen, dass ihnen ein Anspruch auf Familienunterhalt nicht zusteht. Der Betreuungsunterhalt ist zeitlich begrenzt. Zu erbringen ist er der Mutter grundsätzlich nur für den Zeitraum von sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt des Kindes gegen dessen Vater (§ 1615 l Abs. 1 BGB). Soweit § 1615 l Abs. 2 BGB der Mutter einen Unterhaltsanspruch darüber hinaus bis zu drei Jahren und bei grober Unbilligkeit einer solchen Befristung auch über diesen Zeitraum hinaus gegen den Vater des Kindes zuerkennt, ist dies an die Voraussetzungen geknüpft, dass die Mutter aus bestimmten Gründen nicht in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, oder dies von ihr nicht erwartet werden kann. Das Unterhaltsmaß richtet sich nach der Lebensstellung allein der Mutter (§ 1610 Abs. 1 BGB). Die Ehefrau und minderjährige unverheiratete Kinder des Vaters gehen bei Anwendung des § 1609 BGB der Mutter vor (§ 1615 l Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz BGB).
III.
Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen beruhen danach auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage. Sie haben, da andere verfassungsrechtliche Mängel nicht geltend gemacht wurden, Bestand.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DB 2003 S. 1179 Nr. 21
PAAAB-86087