BVerfG Urteil v. - 1 BvR 2014/95

Leitsatz

1. Die Vorschriften des Pflege-Versicherungsgesetzes (SGB XI) über die Verpflichtung privat Krankenversicherter zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung privater Pflegeversicherungsverträge und über deren nähere inhaltliche Ausgestaltung sind durch die Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG ("privatrechtliches Versicherungswesen") gedeckt.

2. Der zur sozialpolitischen Gestaltung berufene Gesetzgeber durfte eine im Grundsatz alle Bürger erfassende Volksversicherung einrichten, um die für die Pflege hilfebedürftiger Menschen notwendigen Mittel auf der Grundlage einer Pflichtversicherung sicherzustellen.

3. Der mit der gesetzlichen Verpflichtung zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung eines privaten Pflegeversicherungsvertrages verbundene Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) ist verfassungsgemäß.

Gesetze: GG Art. 2 Abs. 1;

Gründe

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob Personen, die sich freiwillig gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert haben, gesetzlich verpflichtet werden dürfen, einen privaten Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen.

I.

1. Der Gesetzgeber hat mit dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), das durch Art. 1 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz - PflegeVG) vom (BGBl I S. 1014) dem Sozialgesetzbuch angefügt wurde, die rechtliche Grundlage für eine Versicherung geschaffen, die rund 98 % der Bevölkerung umfasst (vgl. BTDrucks 12/5262, S. 101 f.). Der größere Teil der Versicherten ist in die so genannte soziale Pflegeversicherung als einer öffentlichrechtlich verfassten Versicherung einbezogen; der kleinere Teil der Versicherten hat Verträge zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit bei privaten Krankenversicherungsunternehmen abzuschließen (so genannte private Pflege-Pflichtversicherung). Beide Zweige bilden zusammen in Abgrenzung zur freiwilligen privaten (Zusatz-)Pflegeversicherung die gesetzliche Pflegeversicherung. Pflegebedürftig sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen (§ 14 Abs. 1 SGB XI).

1995 waren in der sozialen Pflegeversicherung 71,9 Mio. Menschen (1999: 71,5), in der privaten Pflegeversicherung 7,91 Mio. (1999: 8,23) versichert. Pflegebedürftig waren zum Jahresende 1999 insgesamt 1,826 Mio. Menschen. 1,280 Mio. wurden ambulant und 0,546 Mio. stationär betreut (vgl. BTDrucks 14/3592, S. 4). Zum waren von den in der sozialen Pflegeversicherung versicherten Pflegebedürftigen weniger als 20 % unter 60 Jahre alt (vgl. BTDrucks 13/9528, Anlage 2). Die Leistungen im Pflegefall sind im SGB XI einheitlich für alle Träger und Unternehmer der gesetzlichen Pflegeversicherung festgelegt (§§ 28 ff.). Sie umfassen je nach Pflegestufe monatlich bei häuslicher Pflege Pflegesachleistungen bis zu einem Gesamtwert von 750, 1.800 und 2.800 DM, Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen von 400 bis 1.300 DM und die Übernahme der pflegebedingten Aufwendungen im Falle vollstationärer Pflege bis zu 3.300 DM.

2. Bis zum In-Kraft-Treten des SGB XI war die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Pflegebedürftigkeit nur partiell geregelt. Sie betraf überwiegend die ambulante Versorgung.

Abgesehen von den Leistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung und nach dem Bundesversorgungsgesetz, die für den Fall der Pflegebedürftigkeit nahezu umfassend sind, sahen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung die §§ 53 ff. SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom (BGBl I S. 2477) bei Schwerpflegebedürftigkeit ebenfalls gewisse Leistungen vor. In der Regel wurde lediglich ein monatliches Pflegegeld von 400 DM dem Pflegebedürftigen gewährt, der sich zu Hause von Angehörigen oder sonstigen ihm nahe stehenden Personen pflegen ließ. Bei der Inanspruchnahme von ambulanten Sachleistungen (häusliche Pflegehilfe) war die Höhe der von der Versicherung zu tragenden Leistungen auf monatlich insgesamt 750 DM begrenzt. Im Falle der Verhinderung der Pflegeperson konnte der Pflegebedürftige für maximal vier Wochen im Jahr darüber hinausgehende ambulante Sachleistungen oder die Unterbringung in einer stationären Einrichtung beanspruchen. Diese Leistung war auf einen Betrag von jährlich 1.800 DM begrenzt.

Danach waren im ambulanten Bereich die mit der Pflegebedürftigkeit einhergehenden finanziellen Lasten vor allem von den Pflegebedürftigen selbst zu tragen. Die Pflegearbeit hatten ihre Angehörigen zu bewältigen. Für die stationäre Pflege war eine allgemeine sozialversicherungsrechtliche oder anderweitige nicht von der Bedürftigkeit des Einzelnen abhängige finanzielle Absicherung bundesgesetzlich nicht vorgesehen. Die Sozialhilfe war faktisch die sozialrechtliche Regelsicherung im Bereich der stationären Pflege.

3. Dem In-Kraft-Treten des SGB XI ging eine rund 20 Jahre dauernde Diskussion voraus. Im Vordergrund stand dabei die Absicherung des Risikos der Alterspflegebedürftigkeit.

a) Bereits 1977 gab der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit in einem Bericht über "Das Problem der Pflegebedürftigkeit älterer Menschen und die Vorschläge zur Absicherung der Pflegekosten" (ZSR 1978, S. 106 ff., 175 ff. und 229 ff.) einen Überblick über die unterschiedlichen Vorschläge zur Lösung des Pflegeproblems. Diskutiert wurden insbesondere die Übernahme der Pflegekosten durch die gesetzliche Krankenversicherung und durch die gesetzliche Rentenversicherung, die Übernahme der Pflegekosten aller in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten durch diese, die Einführung einer besonderen Pflegeversicherung für den Bereich der stationären Pflege und die Schaffung einer Pflichtversicherung für alle Bürger im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der von den Sozialhilfeträgern in den 70er Jahren für pflegebedürftige Menschen zu tragende Aufwand war außerordentlich hoch. Allein in der Zeit von 1970 bis 1975 stiegen die Brutto-Ausgaben der Sozialhilfeträger für die Hilfe zur Pflege von 1,1 Mrd. DM auf 2,9 Mrd. DM; dies machte mehr als ein Drittel aller damaligen Sozialhilfeausgaben aus (vgl. Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, a.a.O., S. 107 f.; weitere Zahlenangaben in BTDrucks 12/5262, S. 184 f.).

Um genauere tatsächliche Erkenntnisse über die Pflegesituation in Deutschland zu gewinnen, wurde die Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Aufbau und Finanzierung ambulanter und stationärer Pflegedienste" ins Leben gerufen und eine Socialdata-Studie über "Anzahl und Situation zu Hause lebender Pflegebedürftiger" in Auftrag gegeben. Diese 1980 veröffentlichte Studie machte deutlich, dass eine viel größere Zahl von Personen als bislang angenommen unter erheblicher Belastung des familiären Umfeldes zu Hause gepflegt wurde (vgl. die Zusammenfassung in BTDrucks 10/1943, S. 3 ff.). Der im selben Jahr von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgelegte Bericht hielt in einer abschließenden Bewertung zwei Lösungswege für geeignet, die Pflegeproblematik wirksam anzugehen: die Finanzierung des Pflegeaufwands durch Beiträge einer die gesamte Bevölkerung umfassenden, öffentlichrechtlichen Pflegeversicherung oder durch Steuermittel auf der Grundlage eines Leistungsgesetzes (vgl. die Zusammenfassung in BTDrucks 10/1943, S. 10 ff.).

Die Sachverständigenkommission zur Ermittlung des Einflusses staatlicher Transfereinkommen auf das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte (Transfer-Enquête-Kommission) äußerte in ihrem 1981 erschienenen Bericht "Das Transfersystem in der Bundesrepublik Deutschland" die Auffassung, die Pflegebedürftigkeit in hoch entwickelten Industriegesellschaften sei als allgemeines Lebensrisiko anzusehen und damit ähnlich wie Krankheit zu einem versicherbaren Tatbestand geworden. Vorgeschlagen wurde, das Pflegerisiko im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung abzusichern (a.a.O., S. 178 ff.).

b) Die folgenden Jahre waren durch ein intensives Ringen um eine gesetzgeberische Lösung geprägt. Neben Gesetzgebungsvorschlägen der Sozialverbände (siehe etwa die "Einzelüberlegungen für eine Pflegeversicherung" des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom Juni 1984) gab es seit 1984 eine Reihe von Gesetzesanträgen verschiedener Länder im Bundesrat (BRDrucks 81/86 <Hessen>; BRDrucks 137/86 <Rheinland-Pfalz>; BRDrucks 138/86 <Bayern>), einen Gesetzentwurf des Bundesrates auf der Grundlage des bayerischen Gesetzesantrags (BRDrucks 138/86 <Beschluss>; BTDrucks 10/6135) sowie einen Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN (BTDrucks 10/2609). Sie wurden allesamt nicht verwirklicht. Die Bundesregierung hatte in ihrem Bericht zu Fragen der Pflegebedürftigkeit vom (BTDrucks 10/1943) zu erkennen gegeben, dass aus ihrer Sicht eine umfassende Neuregelung oder eine grundlegende Änderung des sozialen Sicherungssystems nicht in Betracht komme. Eine Neuregelung durch ein Pflegegesetz des Bundes, dessen Leistungen dieser finanziere, scheide aus finanzpolitischen Gesichtspunkten aus (a.a.O., S. 13). Die Bundesregierung brachte noch in der 10. Legislaturperiode einen eigenen Gesetzentwurf zur partiellen Abdeckung der Kosten der ambulanten Pflege im Rahmen der Krankenversicherung ein (BTDrucks 10/6134), der in der folgenden Legislaturperiode wieder aufgegriffen wurde und durch das Gesundheits-Reformgesetz 1988 Eingang in die §§ 53 ff. SGB V fand (siehe oben A I 2).

c) Parallel zu den Vorgängen im parlamentarischen Raum warb der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Blüm im Jahre 1984 bei der privaten Versicherungswirtschaft für die Entwicklung neuer Versicherungsprodukte zur freiwilligen Absicherung des Pflegerisikos (vgl. Uleer, ZfV 1994, S. 190). Zwar gab es schon davor einige Ansätze zur Entwicklung entsprechender Versicherungsangebote. Jedoch kam es erst nach dem Vorstoß des Bundesarbeitsministers zu einem nachhaltigen Angebot der Privatversicherung (zu den Einzelheiten und insbesondere zu den Angeboten der Pflegetagegeldversicherung, der Pflegekostenversicherung und der Pflegerentenversicherung vgl. BTDrucks 12/5262, S. 71 f.). Vor der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung waren allerdings nur 315.900 Personen und damit 0,39 % der Gesamtbevölkerung (Stand: 1994) freiwillig gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit abgesichert.

d) Im Jahre 1990 entschied sich der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung für das Konzept einer Pflegeversicherung (vgl. Jung, ZfSH/SGB 1993, S. 505 <510>; siehe auch Blüm, BArbBl 1991, S. 5). Zunächst war daran gedacht, den Kreis der Versicherten auf die in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten zu beschränken. Als sich abzeichnete, dass eine die gesamte Bevölkerung erfassende öffentlichrechtliche Pflegeversicherung unter dem Dach der gesetzlichen Krankenversicherung mit Befreiungsmöglichkeiten für privat Krankenversicherte geschaffen werden könnte, bemühten sich die privaten Krankenversicherungsunternehmen um eine Berücksichtigung ihrer Vorstellungen im Entwurf des Pflege-Versicherungsgesetzes (vgl. BTDrucks 12/5262, S. 154). Danach sollte der Grundsatz gelten: Die Pflegeversicherung folgt der Krankenversicherung. Wer privat krankenversichert war, sollte verpflichtet sein, bei seinem oder einem anderen privaten Krankenversicherungsunternehmen einen Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen (näher dazu Uleer, ZfV 1994, S. 190 <191 f.>). Im Gegenzug erklärten sich die privaten Versicherungsunternehmen bereit, den durch Überalterung gekennzeichneten Mitgliederbestand der Postbeamtenkrankenkasse und der Krankenversorgung der Bundesbahn im Rahmen der privaten Pflege-Pflichtversicherung zu versichern. Die im Sommer 1993 in den Bundestag eingebrachten gleich lautenden Entwürfe der Bundesregierung und der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. für ein Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (BTDrucks 12/5262; 12/5617) berücksichtigten die Vorstellungen der privaten Krankenversicherungsunternehmen.

4. Die Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit in der schließlich Gesetz gewordenen Regelung erfolgte durch Errichtung eines neuen eigenständigen Zweiges der Sozialversicherung (soziale Pflegeversicherung) und durch die Schaffung einer privaten Pflege-Pflichtversicherung (vgl. § 1 Abs. 1 bis 3 SGB XI). Träger der sozialen Pflegeversicherung sind die Pflegekassen. Deren Aufgaben werden von den Krankenkassen wahrgenommen (§ 1 Abs. 3 SGB XI). Die private Pflegeversicherung ist Sache der privaten Krankenversicherungsunternehmen (vgl. § 110 Abs. 1 SGB XI). Der Einzelne wird den beiden Zweigen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach folgenden Grundsätzen zugeordnet:

a) Wer in der gesetzlichen Krankenversicherung als Mitglied versichert ist, wird Pflichtmitglied derjenigen Pflegekasse, die unter dem Dach der Krankenkasse errichtet ist, der er als Pflichtmitglied oder als freiwilliges Mitglied angehört (§ 20 SGB XI). Mitversichert kraft Gesetzes sind in der sozialen Pflegeversicherung Ehegatten und Kinder, sofern sie auch in der Krankenversicherung beitragsfrei familienversichert sind (vgl. § 25 SGB XI). Tritt in der gesetzlichen Krankenversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze (75 % der in der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze) Versicherungsfreiheit ein, bleibt die Pflichtmitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung bestehen, wenn der Versicherte seine bisherige Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung als freiwillige Mitgliedschaft fortsetzt. Wechselt er zu einem privaten Krankenversicherungsunternehmen, ist eine private Pflegeversicherung abzuschließen, wenn - wie üblich - der Krankenversicherungsvertrag auch Ansprüche auf allgemeine Krankenhausleistungen vorsieht.

Im Übrigen hat der freiwillig Versicherte ein befristetes Wahlrecht (§ 22 SGB XI). Er kann Mitglied einer Krankenkasse bleiben und anstelle der Mitgliedschaft in der Pflegekasse sich für den Abschluss eines privaten Pflege-Pflichtversicherungsvertrages entscheiden. Darüber hinaus sieht § 21 SGB XI für bestimmte Personengruppen, die aufgrund der dort genannten Gesetze staatliche Leistungen zur Absicherung im Krankheitsfall erhalten, eine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung vor, wenn diese Personengruppen über keinen gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungsschutz verfügen.

b) Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert sind, werden durch § 1 Abs. 2 Satz 2 und § 23 Abs. 1 SGB XI verpflichtet, bei diesem Unternehmen oder einem anderen privaten Versicherungsunternehmen ihrer Wahl (§ 23 Abs. 2 SGB XI) zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag zu schließen und aufrechtzuerhalten. Der Vertrag muss ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht für sie selbst und ihre Angehörigen, für die in der sozialen Pflegeversicherung eine Familienversicherung bestünde, Vertragsleistungen vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gleichwertig sind. Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Pflegebedürftigkeit Anspruch auf Beihilfe haben, sind zum Abschluss einer beihilfekonformen anteiligen Pflegeversicherung verpflichtet (§ 23 Abs. 3 SGB XI). Entsprechendes gilt für Heilfürsorgeberechtigte und die Mitglieder der Postbeamtenkrankenkasse und der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (§ 23 Abs. 4 SGB XI). Wer seiner Pflicht zum Abschluss oder zur Aufrechterhaltung des privaten Pflege-Pflichtversicherungsvertrages vorsätzlich oder leichtfertig nicht nachkommt, handelt ordnungswidrig. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 5.000 DM geahndet werden (§ 112 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SGB XI).

In der sozialen Pflegeversicherung liegt 2001 der Höchstbeitrag monatlich bei 110,92 DM. Eine Prämie in dieser Höhe zahlen in der privaten Pflegeversicherung die Versicherten des Geburtsjahrgangs 1935. Versicherte des Geburtsjahrgangs 1955, zu der die Beschwerdeführerin gehört, zahlen eine Prämie von etwa 75 DM, Versicherte des Geburtsjahrgangs 1975 etwa 42 DM, sofern eine Beihilfebeteiligung nicht besteht (vgl. § 23 Abs. 3, § 110 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe e SGB XI).

Die maßgeblichen Vorschriften über die Versicherungspflicht der privatversicherungsrechtlich gegen das Risiko Krankheit abgesicherten Personen lauten in der hier maßgeblichen Fassung des SGB XI:

§ 1

Soziale Pflegeversicherung

(1) ...

(2) ... Wer gegen Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert ist, muss eine private Pflegeversicherung abschließen.

(3) bis (6) ...

§ 23

Versicherungspflicht für Versicherte der privaten Krankenversicherungsunternehmen

(1) Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert sind, sind vorbehaltlich des Absatzes 2 verpflichtet, bei diesem Unternehmen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Der Vertrag muss ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht für sie selbst und ihre Angehörigen, für die in der sozialen Pflegeversicherung nach § 25 eine Familienversicherung bestünde, Vertragsleistungen vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen des Vierten Kapitels gleichwertig sind. Dabei tritt an die Stelle der Sachleistungen eine der Höhe nach gleiche Kostenerstattung.

(2) Der Vertrag nach Absatz 1 kann auch bei einem anderen privaten Versicherungsunternehmen abgeschlossen werden. Das Wahlrecht ist innerhalb von sechs Monaten auszuüben. Die Frist beginnt mit dem Eintritt der individuellen Versicherungspflicht. Das Recht zur Kündigung des Vertrages wird durch den Ablauf der Frist nicht berührt.

(3) bis (6) ...

5. Dem Gesetzgeber ging es bei der Einführung der Pflegeversicherung als einer nahezu die gesamte Bevölkerung erfassenden Versicherung vordringlich um den sofortigen versicherungsrechtlichen Schutz der bereits Pflegebedürftigen und der so genannten pflegenahen Jahrgänge (Personen nach Vollendung des 60. Lebensjahres). Hierzu wird in der Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt (BTDrucks 12/5262, S. 77):

VI. Der Handlungsbedarf

...

Das Pflegerisiko im Rahmen einer Versicherung abzusichern, verwirklicht eine Sozialpolitik der mitmenschlichen Nähe und der Zuwendung zu den Hilfebedürftigen. Die Hilfe soll der Pflegebedürftige in seiner ihm vertrauten Umgebung zu Hause in seiner Familie, seiner Nachbarschaft und seiner weiteren sozialen Umgebung erhalten. Die Pflegeversicherung stärkt deshalb vorrangig die häusliche Pflege und hilft zu verhindern, dass Pflegebedürftige in Heime abgeschoben werden. ...

Bei der Lösung des Pflegeproblems geht es um die Interessen sehr unterschiedlicher Gruppen unserer Bevölkerung:

* Es geht zunächst um die 1,65 Millionen heute bereits Pflegebedürftigen; nach fast 20-jähriger Diskussion erwarten sie eine Verbesserung ihrer Situation; ihnen ist mit einer Lösung, die erst in vielen Jahren greift, nicht gedient.

* Es geht zweitens um die rd. 16,5 Millionen älteren Mitbürger über 60, die so genannten "pflegenahen Jahrgänge", von denen in den nächsten Jahren etwa 1 Million pflegebedürftig werden wird; sie machen sich Sorgen, wie die notwendigen Hilfen im Pflegefall aufgebracht werden sollen.

* Es geht drittens um die 64 Millionen unter 60-jährigen, für die der mögliche Eintritt der Pflegebedürftigkeit zwar ganz überwiegend in weiter Ferne liegt, die aber dennoch Versicherungsschutz benötigen, denn Pflegebedürftigkeit kann - unabhängig vom Alter - jederzeit jeden treffen.

Ein Konzept zur Lösung des Pflegeproblems muss allen diesen Gruppen gerecht werden; eine Beschränkung oder Konzentration auf nur eine Gruppe unter Vernachlässigung der anderen wäre Stückwerk und nach fast 20 Jahren Diskussion keine befriedigende Antwort.

Das gesetzgeberische Anliegen einer Sofortversicherung der bereits Pflegebedürftigen und der Angehörigen der pflegenahen Jahrgänge hat in der privaten Pflegeversicherung zur Folge, dass es wegen der gleichzeitigen Begrenzung der Prämien zunächst zu einer versicherungstechnischen Unterdeckung kommt (so genannte alte Last). In der privaten Pflege-Pflichtversicherung sollte eine allein am individuellen Risiko und am Prinzip der Kapitaldeckung ausgerichtete Prämiengestaltung verhindert werden. Der Gesetzgeber hat die Rahmenbedingungen für die Gestaltung der Prämien in den §§ 110, 111 SGB XI festgelegt.

Die Grundregel ist in § 110 Abs. 3 SGB XI enthalten. Sie betrifft alle Personen, die nach dem In-Kraft-Treten des SGB XI einen privaten Krankenversicherungsvertrag abschließen oder einen anderen, die Pflicht zum Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrages begründenden Tatbestand erfüllen (Neuzugänge). Gegenwärtig sind für die weit überwiegende Mehrheit der in der privaten Pflege-Pflichtversicherung Versicherten allerdings Übergangsregelungen (§ 110 Abs. 1 und 2 SGB XI) maßgebend.

a) § 110 Abs. 1 SGB XI bezieht die bereits pflegebedürftigen Personen und die Angehörigen der pflegenahen Jahrgänge in die private Pflegeversicherung ein. Vorerkrankungen dürfen von der Versicherung nicht ausgeschlossen werden. Die vom einzelnen Versicherten zu zahlende Prämie ist auf den Höchstbeitrag der sozialen Pflegeversicherung begrenzt. Eine Staffelung der Prämien nach dem Geschlecht und dem Gesundheitszustand der Versicherten darf nicht erfolgen. Weiter ist die Prämienhöhe für Ehegatten begrenzt, die beide in der privaten Pflegeversicherung pflichtversichert sind. Hat ein Ehegatte kein Gesamteinkommen, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV, mindestens jedoch 630 DM, überschreitet, darf die von beiden Ehegatten zu zahlende Prämie nicht höher als 150 % des Höchstbeitrages der sozialen Pflegeversicherung sein. Kinder sind prämienfrei mitzuversichern, wenn im Falle einer Mitgliedschaft des Versicherungsnehmers in einer Pflegekasse die Kinder nach § 25 SGB XI familienversichert wären.

b) Für Neuzugänge sieht § 110 Abs. 3 SGB XI vor, dass der Ausschluss von Vorerkrankungen unzulässig ist. Die Prämien dürfen nicht nach dem Geschlecht der Versicherten gestaffelt werden. Eine Staffelung der Prämie nach dem Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers ist erlaubt. Die Prämie darf allerdings den Höchstbeitrag der sozialen Pflegeversicherung unabhängig vom Alter und Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers nicht übersteigen, wenn dieser über eine Vorversicherungszeit von mindestens fünf Jahren in seiner privaten Pflegeversicherung oder privaten Krankenversicherung verfügt. Weiter ist bestimmt, dass Kinder unter denselben Voraussetzungen, wie in § 25 SGB XI festgelegt, prämienfrei versichert werden müssen.

c) Sowohl die Bestandsversicherten der jüngeren und mittleren Jahrgänge als auch die Neuversicherten müssen mit ihrer Prämie eine zusätzliche, in der Prämienrechnung nicht gesondert ausgewiesene Umlage mitfinanzieren. Die Umlage ist notwendig, um die versicherungstechnische Unterdeckung auszugleichen, die sich aus der Mitversicherung der bereits Pflegebedürftigen, aus der Prämienbegrenzung zugunsten der pflegenahen Jahrgänge und zugunsten der nicht oder nur geringfügig erwerbstätigen Ehegatten im höheren Lebensalter sowie aus der prämienfreien Versicherung der Kinder ergibt. § 111 SGB XI regelt einen durch die allgemeine Kontrahierungspflicht und die Prämienbegrenzung nach § 110 SGB XI für notwendig erachteten Risikoausgleich zwischen den Versicherungsunternehmen und die Voraussetzungen für die Festlegung der für alle Versicherungsunternehmen geltenden einheitlichen Nettoprämie.

II.

Die 1955 geborene Beschwerdeführerin ist als Rechtsanwältin privat krankenversichert. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde greift sie unmittelbar die durch § 1 Abs. 2 Satz 2 und § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XI begründete Pflicht zum Abschluss einer privaten Pflegeversicherung an.

Für den Erlass dieser Vorschriften fehle dem Bund die Gesetzgebungskompetenz. Sie ergebe sich nicht aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und 12 GG. Das System der Pflichtversicherung gelte nur für abhängig Beschäftigte. Selbständigen sei die Freiheit sowohl hinsichtlich der grundsätzlichen Entscheidung für eine Absicherung gegen Lebensrisiken als auch hinsichtlich der Art und des Umfangs der Absicherung belassen. Der Bundesgesetzgeber habe nur eine Gesetzgebungskompetenz zur Schaffung einer neuen Sozialversicherung, welche jedoch dem hergebrachten Bild der Sozialversicherung entsprechen müsse. Die als Volksversicherung organisierte Pflegeversicherung widerspreche diesem hergebrachten Bild.

Mit Art. 2 Abs. 1 GG sei es unvereinbar, dass sie durch das SGB XI überhaupt zu einer Absicherung gezwungen sei und auch die Art der Absicherung nicht mehr frei bestimmen könne. Es fehle an einer verfassungsrechtlich gebotenen Möglichkeit der Befreiung. Es gebe andere private Pflegeversicherungen als die Pflege-Pflichtversicherung im Sinne des Pflege-Versicherungsgesetzes, die nachweislich kostengünstiger seien. Die Anknüpfung der Versicherungspflicht an die freiwillig gewählte Krankenversicherung sei gleichheitswidrig. Die nicht gegen Krankheit versicherten Personen behielten ihre Wahlfreiheit, obwohl sie eine potentiell stärkere Belastung für den Sozialstaat darstellten als die Krankenversicherten.

III.

Zur Verfassungsbeschwerde haben das seit 1999 für die Pflegeversicherung zuständige Bundesministerium für Gesundheit, der Verband der privaten Krankenversicherung und der Deutsche Juristinnenbund Stellung genommen. Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren deren Ausführungen sowie die der Beschwerdeführerin und des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen, ferner eine schriftliche Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Schaffung einer privaten Pflege-Pflichtversicherung.

1. Die Bundesministerien halten die zur Prüfung gestellten Normen für verfassungsgemäß.

a) Der Bund habe die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der privaten Pflege-Pflichtversicherung.

aa) Sie ergebe sich aus der Zuständigkeit für die öffentliche Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG). Das Merkmal "öffentlich" lasse zu, dass auch Private vom Gesetzgeber aus Gründen der "öffentlichen Fürsorge" verpflichtet werden und dass die Fürsorge nicht nur auf öffentlichrechtlichem, sondern auch auf privatrechtlichem Wege erreicht wird. Entscheidend sei, dass der Gesetzgeber - wie bei der privaten Pflege-Pflichtversicherung - eine bestimmte Aufgabe zur öffentlichen erklären und Private gesetzlichen Auflagen unterwerfen könne. Das zur öffentlichen Aufgabe erklärte Fürsorgeziel liege vorwiegend darin, zumindest für einen erheblichen Teil der Fälle zu vermeiden, dass der Einzelne bei Pflegebedürftigkeit in wirtschaftliche Not gerate, aus der ihm dann nur noch die Sozialhilfe heraushelfen könne.

bb) Die Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Regelung der privaten Pflege-Pflichtversicherung könne sich auch auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG stützen.

Von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG werde jedenfalls das Versicherungsvertragsrecht erfasst. Nur solche Versicherungen seien Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG entzogen, die auf einer öffentlichrechtlichen Rechtsbeziehung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer basieren. Die private Pflege-Pflichtversicherung beruhe auf einem privatrechtlichen Versicherungsvertrag. Der Kontrahierungszwang stehe einer Zuordnung zum "Recht der Wirtschaft" nicht entgegen, das weit definiert werde und alle Normen umfasse, die das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung regeln. Auch die sich aus § 110 SGB XI ergebenden sonstigen Beschränkungen der Vertragsfreiheit schlössen die Heranziehung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG nicht aus, weil dieser Kompetenztitel es gestatte, ordnend und lenkend in das Wirtschaftsleben einzugreifen.

Bei der privaten Pflege-Pflichtversicherung handele es sich auch nicht um eine Sozialversicherung in privatrechtlicher Form. Es fehlten mindestens drei elementare Wesensmerkmale der Sozialversicherung: Es werde an kein Beschäftigungsverhältnis angeknüpft. Die Organisationsform sei nicht öffentlichrechtlich. Auch liege keine Pflichtversicherung in der Weise vor, wie sie für das Wesen der Sozialversicherung vorausgesetzt werde. Es gebe lediglich die Pflicht, eine eventuelle private Krankenversicherung durch den Schutz im Pflegefall zu ergänzen. Private Kranken- und Pflegeversicherung würden auf einem weiterhin wettbewerblich bestimmten Markt erbracht. Die gewinnorientierte, gewerbliche Tätigkeit der privaten Versicherungsunternehmen sei dem Wesen der Sozialversicherung völlig fremd.

Zwar weise die private Pflege-Pflichtversicherung derzeit in nicht bloß unerheblichem Umfang Umlageanteile auf. Wegen der geringeren Einschränkungen des Risikoäquivalenzprinzips beim so genannten Neugeschäft nähmen jedoch die zunächst notwendigen Umlageelemente bei der Prämienbemessung im Verlauf der nächsten Jahre immer weiter ab. Umlagen seien derzeit noch zur Finanzierung des Fehlbetrages bei den Altersrückstellungen der älteren Versicherten notwendig, die mit ihren eigenen Prämien wegen der Begrenzung auf den Höchstbeitrag der sozialen Pflegeversicherung keine ausreichenden eigenen Altersrückstellungen mehr aufbauen könnten. Die gegenwärtig aus der Auflösung von Rückstellungen vorgenommene Reduzierung des Umlageanteils bei den Prämien der Jüngeren beweise aber, dass die Prämienkalkulation in der privaten Pflege-Pflichtversicherung nach und nach an das für die private Versicherung typische Risikoäquivalenzprinzip herangeführt werde. Von einer "Sozialversicherung in privater Hand" hätte allenfalls dann ausgegangen werden können, wenn § 110 Abs. 1 SGB XI auch auf Neuzugänge Anwendung gefunden hätte.

b) Auch materiell sei Art. 2 Abs. 1 GG nicht verletzt. Die Einbeziehung der privat Krankenversicherten in die Pflichtversicherung und die (mittelbare) Auferlegung der Pflicht zur Prämienzahlung berührten zwar die allgemeine Handlungsfreiheit, sie verletzten aber nicht den durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Kernbereich. Die mit der Pflege-Pflichtversicherung verbundene Freiheitsbeschränkung sei angesichts ihrer Ausgestaltung dem Einzelnen zumutbar und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.

aa) Pflegebedürftigkeit müsse heute als allgemeines Lebensrisiko angesehen werden, das sich bei jedem und jederzeit realisieren könne. Daher solle auch jeder Vorsorge treffen müssen. Nicht nur ältere Personen könnten durch Krankheit oder Unfall pflegebedürftig werden; das Risiko trete auch bei zahlreichen jüngeren Personen ein.

Es sei daher sachlich geboten gewesen, eine allgemeine Versicherungspflicht gegen das Pflegerisiko einzuführen. Nur auf diese Weise habe sichergestellt werden können, dass auch tatsächlich jeder Bürger die notwendige Vorsorge treffe und dass auch für die bereits Pflegebedürftigen und die pflegenahen Jahrgänge Versicherungsschutz sofort und zu finanziell zumutbaren Bedingungen begründet werde.

Auf freiwilliger Basis hätte sich eine Einbeziehung nahezu der gesamten Bevölkerung in den Versicherungsschutz der Pflegeversicherung nicht verwirklichen lassen. Nur ein geringer Teil der Bevölkerung habe selbst durch Abschluss eines Versicherungsvertrages für das Risiko der Pflegebedürftigkeit vorgesorgt. Die Situation werde dadurch verschärft, dass in den kommenden Jahrzehnten die Zahl der Pflegebedürftigen zunehmen, das Durchschnittsalter der schrumpfenden Gesamtbevölkerung steigen und die Pflegefähigkeit sowie die Pflegebereitschaft in den Familien - nicht zuletzt infolge vermehrter Berufstätigkeit der Frauen, des anhaltenden Trends zur Kleinfamilie und zum Einpersonenhaushalt - abnehmen werden. Bis zum Jahre 2010 müsse mit zwei Millionen Pflegebedürftigen gerechnet werden.

Die Einbeziehung der privat Krankenversicherten in die Pflege-Pflichtversicherung sei erforderlich gewesen, um eine größere Versichertengemeinschaft zu ermöglichen und damit eine breitere Verteilung der sich aus der Versicherung der bereits Pflegebedürftigen und der pflegenahen Jahrgänge ergebenden finanziellen Lasten zu gewährleisten. Nur so habe auch in der privaten Pflegeversicherung eine dauerhaft leistungsfähige Risikogemeinschaft im angestrebten Umfang geschaffen werden können.

Die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht bei anderweitiger eigener Vorsorge sei kein geeignetes Mittel, um die Versicherungspflicht abzumildern. Die Prüfung des Umfangs, der Effektivität und der Beständigkeit einer Absicherung und die Prüfung der Bonität und Verität einer Pflegezusage würden zu schwierigen Einzelfallentscheidungen führen. In jedem Fall wäre damit ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand verbunden. Die Festlegung von Mindestvermögen, das eine Befreiung von der Versicherungspflicht zur Folge hätte, würde zu Ungerechtigkeiten führen. Ein Vermögen, das als ausreichende Deckung bei einem Achtzigjährigen angesehen werde könne, müsste bei einem Dreißigjährigen ganz anders bewertet werden. Vor allem aber würde ein Befreiungsrecht zugunsten begüterter Personen auch zu dem ungerechten Ergebnis führen, dass diese nicht an der Finanzierung der Versorgung der heute bereits Pflegebedürftigen beteiligt würden, obwohl gerade sie die dafür notwendige finanzielle Leistungsfähigkeit hätten.

bb) Mit Blick auf den engen sachlichen Zusammenhang der Lebensrisiken Krankheit und Pflege sei es sachlich gerechtfertigt gewesen, den Einzelnen zur Absicherung des Pflegerisikos dem System zuzuweisen, in dem er auch sein Krankheitsrisiko abgesichert habe. Die mit der Einführung der allgemeinen Versicherungspflicht und der Zuweisung zu einzelnen Versicherungssystemen verbundene Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Versicherten sei erforderlich und angemessen. Der Einzelne werde nur in dem Umfang zur Absicherung des Pflegerisikos herangezogen, wie er sich vernünftigerweise auch selbst absichern würde.

c) Aus Art. 3 Abs. 1 GG folge nicht die Pflicht des Gesetzgebers, die privat Krankenversicherten von der Pflegeversicherungspflicht auszunehmen. Die unterschiedliche Behandlung von Nichtversicherten und privat Versicherten sei nicht willkürlich. Aus den oben genannten Gründen habe der Gesetzgeber eine möglichst weit gehende Versicherungspflicht angestrebt. Wünschenswertes Ziel sei eine absolut vollständige Versicherungspflicht für alle Bürger der Bundesrepublik gewesen. Bei der Festlegung des Konzeptes "Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung" habe der Gesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität in Kauf genommen, dass eine zu vernachlässigende Anzahl von Personen, nämlich rund 150.000 von etwa 81 Mio. Bundesbürgern, nicht von der Pflegeversicherungspflicht erfasst werden würden. Dabei dürfte der Kern der auf Dauer Nichtversicherten relativ klein sein.

2. Nach Auffassung des Verbandes der privaten Krankenversicherung sind die angegriffenen Vorschriften formell und materiell mit dem Grundgesetz vereinbar. Im Einzelnen macht sich der Verband ein von ihm bei Professor Dr. Rupert Scholz in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zu Eigen. Danach ergibt sich die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung der privaten Pflege-Pflichtversicherung aus dem Verbund der Kompetenzbestimmungen von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und 12 GG. Die Vorschrift des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG enthalte den Begriff des "privatrechtlichen Versicherungswesens"; Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG sei die Abgrenzung zwischen privater und sozialer Pflegeversicherung zu entnehmen. Die Kompetenzbestimmung "privatrechtliches Versicherungswesen" verwehre dem Bundesgesetzgeber lediglich solche Regelungsanliegen, die außerhalb der Sozialversicherung mittels öffentlichrechtlicher Zwangs- oder Monopolanstalten durchgeführt würden. Unschädlich sei, dass das SGB XI einen Kontrahierungszwang angeordnet habe. Sämtliche Regelungen des SGB XI, die die private Pflege-Pflichtversicherung regelten, seien durch die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG gedeckt.

Die negative Vertragsfreiheit werde zwar durch § 1 Abs. 2 Satz 2 und § 23 SGB XI sowohl zu Lasten der privat Krankenversicherten als auch zu Lasten der Krankenversicherungsunternehmen eingeschränkt. Diese Einschränkung sei jedoch durch die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG gedeckt. Ein materieller Verfassungsverstoß sei nicht ersichtlich, weil der Gesetzgeber im Rahmen seiner durch das Sozialstaatsprinzip vorgegebenen allgemeinen Handlungsermächtigung tätig geworden sei. Die Ausgestaltung des Pflege-Pflichtversicherungsvertrages verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Geeignetheit und Erforderlichkeit seien unter Berücksichtigung des sozialpolitischen Gestaltungsermessens des Gesetzgebers ohnehin gegeben. Der Gesetzgeber habe sich im höchstmöglichen Maße an den Grundsätzen der sozialen Pflegeversicherung orientiert und sei nur davon abgewichen, soweit es die Gegebenheiten des privaten Versicherungsrechts zwingend geboten hätten. Auch die Regelungen für den so genannten Neubestand würden dem grundsätzlichen sozialpolitischen Schutzanliegen gerecht.

3. Der Deutsche Juristinnenbund vertritt die Auffassung, die Vorschriften über die private Pflege-Pflichtversicherung regelten keinen Versicherungstyp, der dem Kompetenztitel "privates Versicherungswesen" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zuzuordnen sei. Bei der privaten Pflege-Pflichtversicherung handele es sich um einen Mischtyp. Dieser sei Teil eines umfassenden, durch das Prinzip des Risiko- und des Solidarausgleichs geprägten Zwangsversicherungssystems, wie es für die "Sozialversicherung" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG typisch sei.

B.

Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Grundrechte der Beschwerdeführerin sind nicht verletzt. Die gesetzliche Verpflichtung privat Krankenversicherter, einen Pflege-Pflichtversicherungsvertrag abzuschließen und aufrechtzuerhalten, beruht auf Vorschriften, die das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise einschränken (I). Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG scheidet aus (II).

I.

Die angegriffenen Vorschriften sind vornehmlich an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen. In den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG, der die Vertragsfreiheit umfasst (vgl. BVerfGE 95, 267 <303>; stRspr), wird eingegriffen, wenn der Gesetzgeber Personen - wie hier die Beschwerdeführerin - zum Abschluss eines privaten Versicherungsvertrages zur finanziellen Absicherung des Pflegerisikos verpflichtet.

Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit ist nur in den Schranken des zweiten Halbsatzes des Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet. Die Vertragsfreiheit wird danach insbesondere durch die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt. Darunter sind alle Rechtsnormen zu verstehen, die sich formell und materiell mit dem Grundgesetz im Einklang befinden und insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. BVerfGE 97, 271 <286>; stRspr). Die angegriffenen Vorschriften des SGB XI erfüllen diese Voraussetzungen.

1. Sie sind kompetenzgemäß erlassen. Für die Schaffung der sozialen Pflegeversicherung als eines neuen Zweigs der Sozialversicherung kann sich der Bund auf seine Kompetenz zur Regelung der Sozialversicherung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG berufen (vgl. BVerfGE 11, 105 <112>; 63, 1 <34 f.>; 75, 108 <146 f.>; 87, 1 <34>). Soweit das SGB XI - was im vorliegenden Verfahren allein streitig ist - eine Verpflichtung zum Abschluss eines privaten Pflegeversicherungsvertrags begründet und Regelungen zur näheren Ausgestaltung dieses Vertragstyps enthält, ist es durch die Kompetenz des Bundes für die Materie des "privatrechtlichen Versicherungswesens" als Teil des "Rechts der Wirtschaft" (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) gedeckt. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das gesetzgeberische Gesamtkonzept einer möglichst alle Bürger umfassenden sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit durch die soziale Pflegeversicherung und die private Pflege-Pflichtversicherung auf der Grundlage von Regelungen verwirklicht wird, die auf verschiedenen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes beruhen.

a) Das Bundesverfassungsgericht hatte bisher keine Gelegenheit, Inhalt und Reichweite der Gesetzgebungskompetenz für das "privatrechtliche Versicherungswesen" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG abschließend zu klären und insbesondere gegenüber der Zuständigkeit für die "Sozialversicherung" (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) abzugrenzen. Es hat lediglich entschieden, dass es für die Inanspruchnahme dieser Zuständigkeit nicht auf die Rechtsform des Versicherungsunternehmens ankommt. Diese kann auch öffentlichrechtlich sein, sofern das Unternehmen jedenfalls private Versicherungsverträge abschließt und insoweit mit privatrechtlich verfassten Unternehmen im Wettbewerb steht. Dem Bund fehlte die Gesetzgebungszuständigkeit allerdings in solchen Fällen, in denen frühere landesrechtliche Versicherungsmonopole auf der Grundlage eines gesetzlichen Versicherungszwangs Versicherungsschutz in den Formen des öffentlichen Rechts begründet hatten (vgl. BVerfGE 41, 205 <218 ff.>).

Auch die kompetenzrechtliche Prüfung der hier angegriffenen Vorschriften erfordert keine abschließende Bestimmung des Kompetenztitels "privatrechtliches Versicherungswesen". Jedenfalls kann sich der Bundesgesetzgeber auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG stützen, wenn sich seine Regelungen auf Versicherungsunternehmen beziehen, die in Wettbewerb mit anderen durch privatrechtliche Verträge Risiken versichern, die Prämien grundsätzlich am individuellen Risiko und nicht am Erwerbseinkommen des Versicherungsnehmers orientieren und die vertraglich zugesagten Leistungen im Versicherungsfall aufgrund eines kapitalgedeckten Finanzierungssystems erbringen (vgl. auch BVerfGE 76, 256 <300 ff.>). Ebenso wie die Kompetenz "Sozialversicherung" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (vgl. BVerfGE 75, 108 <146>) ist auch die Kompetenznorm "privatrechtliches Versicherungswesen" Entwicklungen nicht von vornherein verschlossen. Der Gesetzgeber des Bundes kann sich deshalb auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG auch dann berufen, wenn er für einen von ihm neu geschaffenen Typ von privatrechtlicher Versicherung Regelungen des sozialen Ausgleichs vorsieht und insbesondere während einer Übergangszeit die das privatwirtschaftliche Versicherungswesen prägenden Merkmale nur begrenzt wirken lässt.

b) Bei Zugrundelegung dieser Kriterien halten sich die Regelungen des SGB XI über die private Pflege-Pflichtversicherung im Rahmen der Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG.

aa) Die private Pflege-Pflichtversicherung beruht auf einem Vertrag. Dies folgt vor allem aus § 23 Abs. 1 Satz 1, aber auch aus § 112 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI. Zustandekommen und Inhalt des Vertrages richten sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einschließlich des Versicherungsvertragsgesetzes (im Folgenden: VVG), sofern nicht das SGB XI besondere Vorschriften vorsieht (vgl. Dalichau/Grüner/Müller-Alten, Pflegeversicherung, Band II, Stand: Dezember 2000, § 110 Anm. II.2.). Die Unternehmen der Krankenversicherung, die den Abschluss von Pflegeversicherungsverträgen anbieten, stehen miteinander im Wettbewerb. Dies gilt zwar in erster Linie für Verträge über die Absicherung des Risikos Krankheit; sie sind aber mit Pflegeversicherungsverträgen in der Regel verbunden. Auch die Art des versicherten Risikos steht der Zuordnung der Pflegeversicherung zum privatrechtlichen Versicherungswesen nicht entgegen. Die Absicherung existentieller Risiken ist keineswegs der Sozialversicherung vorbehalten. Private Versicherungsunternehmen versichern seit langem auch solche Risiken, wie beispielsweise das der Krankheit.

bb) Die Zuordnung des hier betroffenen Teils der Pflegeversicherung zum Bereich des privatrechtlichen Versicherungswesens wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Zustandekommen der Versicherungsverträge auf einer gesetzlich angeordneten Versicherungspflicht beruht. Dem Privatversicherungsrecht ist die Versicherungspflicht des Versicherungsnehmers bei freier Wahl des Versicherers, wie sie das SGB XI für die private Pflege-Pflichtversicherung vorsieht (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2), keineswegs fremd (vgl. die Übersicht bei Prölls/Martin, VVG, Kommentar, 26. Aufl. 1998, Vorb. IV Rn. 1 bis 18). Hinzuweisen ist insbesondere auf die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter. Die Anordnung einer Versicherungspflicht durch den Bundesgesetzgeber kann auf die Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG gestützt werden (vgl. BVerfGE 41, 205 <224>).

cc) Der den Versicherungsunternehmen auferlegte Kontrahierungszwang (§ 110 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGB XI), der mit der Versicherungspflicht des Versicherungsnehmers korrespondiert, widerspricht nicht dem Begriff des privatrechtlichen Versicherungswesens im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Auch das Privatrecht kennt Kontrahierungszwänge. Entsprechendes gilt für die Vorschriften über die Aufrechterhaltung des Pflegeversicherungsschutzes (§ 110 Abs. 4 SGB XI).

dd) Der Zuordnung der privaten Pflege-Pflichtversicherung zum privatrechtlichen Versicherungswesen steht im Ergebnis auch nicht entgegen, dass die privatautonome Gestaltung des Inhalts des Pflegeversicherungsvertrages nicht unerheblich eingeschränkt ist.

(1) § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI schreibt vor, dass die im Vertrag vorgesehenen Leistungen denen der sozialen Pflegeversicherung nach Art und Umfang gleichwertig sein müssen. Geht die Versicherung über die im Gesetz vorgesehenen Leistungen hinaus, so handelt es sich insoweit um eine freiwillige Zusatz-Pflegeversicherung, auf die insbesondere die §§ 110 f. SGB XI keine Anwendung finden. Die private Pflege-Pflichtversicherung ist damit eine Mindestversicherung. Dem privaten Versicherungsrecht sind jedoch Mindestversicherungen nicht fremd. So beträgt die Mindesthöhe der Versicherungssumme bei Kraftfahrzeugen für Personenschäden je 5 Mio. DM, für Sachschäden 1 Mio. DM (vgl. Dritte Verordnung zur Änderung der Mindesthöhe der Versicherungssummen in der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter vom , BGBl I S. 1240).

(2) Auch die Einbeziehung von Personen, die bei In-Kraft-Treten des SGB XI als Pflegebedürftige versicherungspflichtig wurden und einen Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen hatten, der ab diesem Zeitpunkt Leistungen wie in der sozialen Pflegeversicherung vorsah (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI), stellt die Inanspruchnahme der Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG durch den Bundesgesetzgeber nicht in Frage. Zwar begründet dies einen wesentlichen Unterschied zum allgemeinen Versicherungsvertragsrecht. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG ist das Versicherungsunternehmen von der Versicherungsleistung frei, wenn der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss weiß, dass der Versicherungsfall bereits eingetreten ist. Hiernach wären die bereits Pflegebedürftigen von den Leistungen der privaten Pflege-Pflichtversicherung ausgeschlossen gewesen. Die stattdessen gewählte gesetzgeberische Lösung ist aber jedenfalls als Übergangsregelung von der Kompetenz umfasst.

(3) Auch mit den Besonderheiten bei der Prämiengestaltung und Finanzierung in der privaten Pflegeversicherung überschreitet der Bundesgesetzgeber seine Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG nicht.

Zwar weicht die Prämiengestaltung vom herkömmlichen Bild einer Privatversicherung ab. So besteht Prämienfreiheit der Kinder nach § 110 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe f und Abs. 3 Nr. 6 SGB XI. Entsprechendes gilt für die zum Teil erheblichen Prämienvergünstigungen für Angehörige der pflegenahen Jahrgänge (§ 110 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe e SGB XI) und für die nicht oder nur geringfügig verdienenden Ehegatten (§ 110 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe g SGB XI) sowie für diejenigen, die der Versicherung bereits fünf Jahre angehören (§ 110 Abs. 3 Nr. 5 SGB XI). Außerdem wird die mit den genannten Besonderheiten der Pflege-Pflichtversicherung einhergehende erhebliche finanzielle Unterdeckung durch eine Umlage innerhalb der Gruppe der privatrechtlich Versicherten und gemäß § 111 SGB XI zwischen den Versicherungsunternehmen ausgeglichen. Dies schließt jedoch die Inanspruchnahme des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG als Kompetenzgrundlage für die Regelung der privaten Pflege-Pflichtversicherung nicht aus.

Anders als in der sozialen Pflegeversicherung, deren Beitragsgestaltung sich an der Leistungsfähigkeit der Versicherten ausrichtet, werden die Prämien der privaten Pflegeversicherung grundsätzlich nach dem Lebensalter des Versicherten als dem versicherungsmathematisch maßgeblichen Faktor und den sich daraus ergebenden notwendigen Alterungsrückstellungen berechnet. Die in § 110 Abs. 1 und 3 SGB XI vorgesehene Begrenzung der Prämien und die dort ausgesprochenen Verbote, bestimmte risikoerhöhende Umstände bei der Prämiengestaltung zu berücksichtigen, haben keine Nivellierung der Prämien zur Folge. Die Prämien sind - der Situation in der privaten Krankenversicherung darin nicht unähnlich - deutlich nach Lebensjahren aufgefächert. Das auf statistischer Grundlage zu ermittelnde individuelle und vom Lebensalter abhängige Risiko, pflegebedürftig zu werden, und die sich daran orientierende versicherungsmathematische Berechnung der Prämien bestimmen die gesamte Tarifgestaltung so maßgeblich, dass die private Pflege-Pflichtversicherung trotz der Umlageanteile ihren Charakter als Individualversicherung nicht verliert.

Dies bestätigen die vom Verband der privaten Krankenversicherung mitgeteilten Daten. Danach variiert die Nettoprämie (einschließlich Sicherheitszuschlag und Umlage) auch für den Kreis der bereits ab In-Kraft-Treten des SGB XI Versicherungspflichtigen ganz erheblich nach dem Lebensalter. Im Einzelnen ergibt sich folgendes Bild: Bereits für das zweite Halbjahr 1996 - dem Beginn der Gewährung von Leistungen für die stationäre Pflege (so genannte zweite Stufe der Pflegeversicherung) - ist eine Prämienspreizung von 47,32 DM (Geburtsjahr 1971) bis 92,76 DM (Geburtsjahr 1945 und älter) anzutreffen. In den folgenden Jahren haben sich die Prämien wie folgt entwickelt: für 1997: 46,30 DM (Geburtsjahr 1972) bis 95,31 DM (Geburtsjahr 1944 und älter); für 1998: 45,58 DM (Geburtsjahr 1973) bis 97,86 DM (Geburtsjahr 1943 und älter); für 1999: 43,15 DM (Geburtsjahr 1974) bis 100,49 DM (Geburtsjahr 1939 und älter). Zwar fallen die altersbedingten Unterschiede bei den Beiträgen in den neuen Ländern und im Tarifbereich der beihilfeberechtigten Personen niedriger aus. Gleichwohl ergibt sich bei einer Gesamtbetrachtung eine insgesamt risikoorientierte Berechnung der Nettoprämie. Auch schwächen sich die versicherungstechnischen Auswirkungen des § 110 Abs. 1 SGB XI nach der Übergangszeit ab, so dass die privatversicherungstypischen Merkmale der Prämiengestaltung noch deutlicher hervortreten werden.

2. Die angegriffenen gesetzlichen Vorschriften über die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung eines Pflegeversicherungsvertrages sind auch materiell mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar. Sie verfolgen legitime Zwecke des Gemeinwohls (a) und sind verhältnismäßig (b).

a) Die Fürsorge für Menschen, die vor allem im Alter zu den gewöhnlichen Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens aufgrund von Krankheit und Behinderung nicht in der Lage sind (vgl. § 14 Abs. 1 SGB XI), gehört im Geltungsbereich des Grundgesetzes zu den sozialen Aufgaben der staatlichen Gemeinschaft (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG). Dem Staat ist die Wahrung der Würde des Menschen in einer solchen Situation der Hilfsbedürftigkeit besonders anvertraut (Art. 1 Abs. 1 GG). Soweit der durch die Pflegebedürftigkeit hervorgerufene Hilfsbedarf finanzielle Aufwendungen notwendig macht, ist es ein legitimes Konzept des zur sozialpolitischen Gestaltung berufenen Gesetzgebers, die dafür notwendigen Mittel auf der Grundlage einer Pflichtversicherung sicherzustellen (vgl. BVerfGE 44, 70 <89>; 48, 227 <234>; 52, 264 <274>), die im Grundsatz alle Bürger als Volksversicherung erfasst. Bei der Verwirklichung dieses Konzepts durfte der Gesetzgeber das Ziel verfolgen, mit den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn zu unterstützen, damit die Pflegebedürftigen möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können (§ 3 Satz 1 SGB XI; vgl. dazu auch BTDrucks 12/5262, S. 2, 67 und 77 sowie BTDrucks 13/9528, S. 9). Zudem war es ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers, die sich aus der Pflegebedürftigkeit ergebenden finanziellen Belastungen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen abzumildern, um einer allein im Pflegebedarf begründeten Abhängigkeit von Sozialhilfeleistungen vorzubeugen (vgl. BTDrucks 12/5262, S. 2; vgl. auch BTDrucks 13/9528, S. 8 f.).

b) Der mit der gesetzlichen Verpflichtung zum Abschluss eines privaten Pflegeversicherungsvertrages verbundene Eingriff in das Grundrecht der Art. 2 Abs. 1 GG wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

aa) Die Einführung einer grundsätzlich alle Bürger umfassenden Versicherung gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit ist geeignet, die vom Gesetzgeber angestrebten Zwecke im hinreichenden Maße zu erreichen. Dies gilt, obgleich das SGB XI die Leistungen im Pflegefall begrenzt (vgl. §§ 36 ff. SGB XI) und sie infolgedessen nach den vorliegenden Erfahrungen nicht ausreichen, die notwendige Hilfe, insbesondere bei stationärer Pflege, vollständig zu finanzieren. Die Finanzierung von Pflegeleistungen aus den Beiträgen und Prämien einer flächendeckenden Pflichtversicherung ist zudem auch geeignet, eine leistungsfähigere, bedarfsgerechte Pflegestruktur - jedenfalls mittelfristig - zu schaffen (vgl. BTDrucks 12/5262, S. 77; siehe auch BTDrucks 13/9528, S. 9).

Dies bestätigen die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebenen Forschungsprojekts "Wirkungen der Pflegeversicherung" (vgl. dazu Schneekloth/Müller, Wirkungen der Pflegeversicherung, Band 127 der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit, 2000). Die Studie stellt für das Jahresende 1997 fest, es sei der gesetzlichen Pflegeversicherung gelungen, die bereits vorher vorhandene, jedoch sozialpolitisch nur unzureichend gewürdigte hohe Pflegebereitschaft der Angehörigen weiter abzustützen und die bei einer Pflege im Privathaushalt entstehenden Nachteile finanziell auszugleichen (a.a.O., S. 85). Im ambulanten Bereich habe die Abhängigkeit von Sozialhilfe um rund zwei Drittel auf rund 70.000 Leistungsempfänger reduziert werden können (a.a.O., S. 27 und S. 41 f.). Im stationären Bereich sei die Sozialhilfeabhängigkeit in den alten Bundesländern von 69 % auf 46 % und im Beitrittsgebiet von 88 % auf 39 % reduziert worden (a.a.O., S. 179 f.). Die Nettoausgaben der Sozialhilfeträger im Bereich der ambulanten Pflege hätten sich 1997 gegenüber 1994 auf 775,4 Mio. DM halbiert, im stationären Bereich um zwei Drittel auf 4,172 Mrd. DM verringert (a.a.O., S. 26). Schließlich sei auch infolge des SGB XI eine deutliche Beschäftigungszunahme im Bereich der ambulanten Pflegedienste zu verzeichnen, wobei der Anteil der Pflegefachkräfte im Durchschnitt bei 77 % je Pflegedienstunternehmen liege (a.a.O., S. 121 f.).

bb) Der Gesetzgeber durfte die Einführung einer Pflege-Pflichtversicherung auch für erforderlich halten. Eine hinreichende anderweitige Absicherung des Pflegerisikos in der Bevölkerung bestand nicht. Auch waren große Teile der Bevölkerung nicht bereit, sich alsbald freiwillig gegen das Pflegerisiko abzusichern. Die geringe Zahl von Personen, die vor In-Kraft-Treten des SGB XI freiwillig eine Pflegeversicherung abgeschlossen hatten (siehe oben unter A I 3 c), rechtfertigte die Entscheidung des Gesetzgebers, nicht länger auf eine breite Absicherung des Pflegerisikos auf freiwilliger Grundlage zu vertrauen. Aus der mangelnden Bereitschaft zur entsprechenden Eigenvorsorge durfte er den Schluss ziehen, dass es der Bevölkerung am gebotenen Risikobewusstsein fehlte und sie - anders als bei der Versicherung des Risikos Krankheit - keinen "Versicherungsdruck" verspürte (dazu näher Breyer, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 4: Pflegeversicherung, 1997, § 3 Rn. 25 ff.). Das mangelnde Interesse an einer freiwilligen Eigenvorsorge war schließlich auch deshalb ein nachvollziehbarer Grund für gesetzgeberische Maßnahmen, weil wegen der gesellschaftlichen Gegebenheiten und Entwicklungen mit der unentgeltlichen Pflege durch Dritte, insbesondere durch Ehepartner oder Kinder, nicht allgemein gerechnet werden kann (vgl. -, Umdruck S. 32 ff.).

Der Gesetzgeber durfte in die Pflege-Pflichtversicherung grundsätzlich alle Bürger einbeziehen. Unerheblich ist dabei, dass das Pflegerisiko erst in den jeweils letzten Lebensjahren signifikant ansteigt (vgl. BTDrucks 12/5262, S. 62; zur Altersstruktur der Leistungsempfänger vgl. Anlage 2 zu BTDrucks 13/9528) und Pflegebedürftigkeit vorwiegend bei Hochbetagten eintritt. Denn das Risiko, pflegebedürftig zu werden, ist allgegenwärtig und kann sich bei jedem Menschen verwirklichen, etwa als Folge von Schädigungen bei der Geburt und durch Unfälle (vgl. BTDrucks 12/5262, S. 64). Seinen weiten Gestaltungsraum in Fragen der Daseinsvorsorge hat der Gesetzgeber daher nicht überschritten, wenn er auch Personen jüngeren und mittleren Alters als schutzbedürftig angesehen und sie deswegen einer Versicherungspflicht unterworfen hat. Dies gilt umso mehr, als eine frühzeitig eintretende Pflegebedürftigkeit die Lebenssituation der davon Betroffenen infolge der ihnen verbleibenden verhältnismäßig langen Lebensdauer (vgl. BTDrucks 12/5262, S. 64) besonders nachhaltig prägt. Ohne die gesetzliche Pflegeversicherung ist gerade in solchen Fällen eine finanzielle und physische Überforderung der mit der Pflege befassten Angehörigen nicht auszuschließen.

cc) Die gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss eines Pflege-Pflichtversicherungsvertrages stellt schließlich für die Betroffenen keine unangemessene Belastung dar. Diese Verpflichtung macht ein Lebensrisiko mit für die meisten nicht finanzierbaren Folgen durch verhältnismäßig niedrige Prämien kalkulierbar und im Versicherungsfall tragbar. Die Unabhängigkeit des Einzelnen wird im Ergebnis dadurch gestärkt.

Der Gesetzgeber war auch nicht gehalten, die Pflegebedürftigen und die pflegenahen Jahrgänge generell der sozialen Pflegeversicherung zuzuweisen, um niedrigere Prämien für jüngere Versicherte zu ermöglichen. Die Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung hätten dann durch ihre Beiträge auch die Absicherung der älteren privat Krankenversicherten gegen das Pflegerisiko übernehmen müssen; die durchschnittlich oder unterdurchschnittlich verdienenden abhängig Beschäftigten hätten die gesamte alte Last tragen müssen. Der Gesetzgeber, der eine Pflegevolksversicherung in der Gestalt zweier Versicherungszweige geschaffen hat, durfte die einzelnen Gruppen dem einen oder anderen Versicherungszweig sachgerecht und unter dem Gesichtspunkt einer ausgewogenen Lastenverteilung zuordnen.

II.

Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Regelungen auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG dadurch verletzt, dass der Gesetzgeber einzelne Gruppen ausnahmsweise nicht der Versicherungspflicht unterwirft (siehe auch dazu -, Umdruck S. 18 ff.). Die diese Gruppen kennzeichnenden Besonderheiten liegen bei den privat Krankenversicherten nicht vor.

Fundstelle(n):
DStR 2001 S. 804 Nr. 19
JAAAB-85655