Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 3; GG Art. 12 Abs. 1; GG Art. 33 Abs. 2
Instanzenzug: BGH NotZ 7/04 vom OLG Köln 2 VA (Not) 13/03 vom OLG Düsseldorf 3830 Wuppertal - 6.29 vom
Gründe
I.
Die Verfassungsbeschwerde, die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden ist, betrifft die Ablehnung einer länderübergreifenden Bewerbung um eine Notarstelle.
1. Der Beschwerdeführer legte, nachdem er das Erste Juristische Staatsexamen mit 12,29 Punkten bestanden hatte, im Jahre 1994 die Zweite Juristische Staatsprüfung mit der Note "vollbefriedigend" (10,31 Punkte) ab und war zunächst als Rechtsanwalt in München tätig. Mit Wirkung zum erfolgte seine Einstellung zum Notaranwärter und zum seine Ernennung zum Notarassessor in Brandenburg. Nach vorübergehender Wahrnehmung einer Notariatsverwaltung wurde er zum zum Notar in Brandenburg mit Amtssitz in B. bestellt. Er bewarb sich auf die im März 2003 zur Wiederbesetzung ausgeschriebene Notarstelle in Nordrhein-Westfalen.
Die Bewerbung wurde abschlägig beschieden. Maßgeblich hierfür war die Nichterfüllung der landesrechtliche festgelegten fünfjährigen Mindestverweildauer auf einer Notarstelle in Brandenburg, die nach Ansicht der Präsidentin des Oberlandesgerichts auch bei einer Bewerbung über Landesgrenzen hinweg zu beachten ist.
Der an erster Stelle vorgeschlagene Mitbewerber legte das Erste Juristische Staatsexamen mit 9,00 Punkten und die Zweite Juristische Staatsprüfung im Jahre 1996 mit 9,52 Punkten ab. Mit Wirkung zum erfolgte seine Einstellung zum Notaranwärter und zum seine Ernennung zum Notarassessor in Sachsen. Vom bis zum war er als Notariatsverwalter eingesetzt. Seit ist er als Referent im Sächsischen Staatsministerium der Justiz tätig.
Die Anträge des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung und auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die der Auswahlentscheidung vorgelagerte Organisationsentscheidung der Justizverwaltung sei eine nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung. Die Berücksichtigung des im Bereich der Landesnotarkammer Brandenburg geltenden Grundsatzes einer Mindestverweildauer von fünf Jahren auf einer Notarstelle, die vom Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg geltend gemacht werde, begegne hiernach keinen rechtlichen Bedenken. Das stehe einem Wechsel des Beschwerdeführers in ein anderes Bundesland entgegen.
Mit hat der Bundesgerichtshof die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers unter Hinweis auf das Organisationsermessen der Justizverwaltung und den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer rügt mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung von Art. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG. Im Rahmen ihres Organisationsermessens sei es der Justizverwaltung nicht erlaubt, Bewerbungen aus einem anderen Bundesland unter Berufung auf die dortige Mindestverweildauer ungeachtet der persönlichen und fachlichen Eignung des Bewerbers auszuschließen. Zugleich stellt er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung seines Anspruchs.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die noch einzulegende Verfassungsbeschwerde wäre unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (BVerfGE 88, 169 <171 f.>; 91, 328 <332>; stRspr).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist in Bezug auf die Rüge der Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG nicht offensichtlich unbegründet. Zwar kommt der Justizverwaltung bei der Auswahl der Notare im Rahmen ihrer Organisationsgewalt ein weiter Ermessensspielraum zu. Innerhalb eines Landes dürfte daher zur Sicherstellung einer qualitätsvollen notariellen Versorgung ländlich strukturierter Gebiete die Festlegung einer Mindestverweildauer von fünf Jahren auf einer Notarstelle die Berufsfreiheit in der Regel nicht in verfassungswidriger Weise einschränken. Bei einem angestrebten Wechsel eines Notars über Ländergrenzen hinweg ist aber die Berücksichtigung dieses öffentlichen Interesses nicht in gleichem Maße geboten. Das gilt insbesondere, wenn in dem abgebenden Land strukturbedingt Notarstellen eingezogen werden müssen (vgl. BVerfG, Beschluss der Zweiten Kammer des Ersten Senats, DNotZ 2002, S. 891 ff.). Eine solche Situation hat das Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg nicht ausgeschlossen. Aufgrund des rückläufigen Urkundsaufkommens sind 1998 sechs Amtsstellen eingezogen worden. Vorausplanungen zur etwaigen Einziehung von Notarstellen an bestimmten Standorten fehlen zwar, so dass nicht eingeschätzt werden kann, ob eine der drei Notarstellen in B. von der auch künftig erforderlich werdenden Einziehung von Stellen betroffen sein werden. Im Hinblick darauf wird aber die Notwendigkeit des Verweilens des Beschwerdeführers auf seiner derzeitigen Amtsstelle unter Berücksichtigung seines Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG näher zu prüfen sein. Dies bedarf der Klärung im Hauptsacheverfahren, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Examensnoten und seiner Berufserfahrung bei Einbeziehung in die Auswahlentscheidung auch zum Zuge kommt.
3. Die danach gebotene Folgenabwägung führt vorliegend zu einem Überwiegen derjenigen Gründe, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen, die der Präsidentin des Oberlandesgerichts aufgibt, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde von einer Besetzung der Notarstelle abzusehen.
Unterbliebe die einstweilige Anordnung, hat die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg, könnte der Beschwerdeführer den konkreten Amtssitz nicht mehr erhalten. Zudem wäre der Beschwerdeführer auf ein neues Bewerbungsverfahren verwiesen, dem auch ein neuer Lebenssachverhalt mit anderen Mitbewerbern zugrunde läge. Selbst wenn er im vorliegenden Bewerbungsverfahren hätte berücksichtigt werden müssen, ist ungewiss, ob dies auch bei einer veränderten Bewerberlage der Fall wäre.
Sofern die einstweilige Anordnung erlassen wird, die Verfassungsbeschwerde aber keinen Erfolg hat, muss eine vorübergehende Vakanz der Notarstelle in Kauf genommen werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege durch diese Vakanz beeinträchtigt werden könnte, sind nicht vorhanden.
Fundstelle(n):
FAAAB-85412