Leitsatz
1. Im Abrechnungsverfahren kann nicht geprüft werden, ob das FA die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheids bezüglich bereits verwirkter Säumniszuschläge hätte aufheben müssen.
2. Hält das FG die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das FA für rechtswidrig, hat es eine eigene Schätzung vorzunehmen.
Gesetze: AO 1977AO 1977 § 162AO 1977 § 218 Abs. 2AO 1977 § 240 Abs. 1 Satz 1FGO § 69 Abs. 3FGO § 96 Abs. 1 Satz 1FGO § 100 Abs. 2 Satz 2
Instanzenzug: (EFG 2004, 699) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Nachdem der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) für das Jahr 1996 keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit auf ... DM und setzte die Einkommensteuer mit Steuerbescheid vom auf ... DM fest. Der noch zu entrichtende Steuerbetrag von ... DM war zum fällig. Der Kläger legte Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV), die das FA jedoch mit Bescheid vom ablehnte, da auch zu diesem Zeitpunkt noch keine Einkommensteuererklärung des Klägers vorlag.
Der Kläger reichte am die Einkommensteuererklärung ein. Am legte er gegen die Ablehnung der AdV Einspruch ein, den das FA wegen der zwischenzeitlich erfolgten Bearbeitung der Einkommensteuererklärung des Klägers und der entsprechenden Einbuchung als erledigt ansah. Mit Änderungsbescheid vom setzte das FA unter Zugrundelegung der erklärten Einkünfte in Höhe von ... DM die Einkommensteuer auf ... DM fest.
Für die Monate Oktober und November 1998 berechnete das FA verwirkte Säumniszuschläge zur Einkommensteuer in Höhe von 1 800 DM (2 x 900 DM). Den Antrag des Klägers auf Aufhebung der Säumniszuschläge lehnte das FA mit Bescheid vom ab; der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
Auf die hiergegen erhobene Klage setzte das Finanzgericht (FG) unter entsprechender Änderung des Bescheids vom die Säumniszuschläge in der Höhe fest, wie sie sich bei Durchführung einer ordnungsgemäßen Schätzung ergeben hätten, und gab dem FA auf, diesen Betrag unter Beachtung der Entscheidungsgründe (die in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 699 veröffentlicht sind) zu berechnen.
Mit seiner Revision macht das FA geltend, dass im Abrechnungsverfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 240 der Abgabenordnung (AO 1977) und darüber entschieden werden könne, ob und ab wann die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids tatsächlich ausgesetzt gewesen sei oder ob Erlöschensgründe wie Zahlung, Aufrechnung oder Erlass vorgelegen hätten. Dagegen könne in diesem Verfahren nicht die Frage entschieden werden, ob eine nicht realisierte frühere AdV oder eine Aufhebung der Vollziehung gerechtfertigt oder in Betracht gekommen wäre.
II.
Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO— entsprechend).
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Gegenstand des Streitfalls ein (rechtswidriger und deshalb zu ändernder) Abrechnungsbescheid ist.
1. Nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO 1977) betreffen, durch einen Verwaltungsakt (Abrechnungsbescheid). Der Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 enthält lediglich die Feststellung, ob und inwieweit der festgesetzte Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis bereits verwirklicht (= erfüllt) oder noch zu verwirklichen ist; d.h. er entscheidet darüber, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung durch Zahlung, Aufrechnung, Verrechnung, Erlass, Eintritt der Zahlungsverjährung oder ob eine Schuld bereits vor der Begründung der Zahlungspflicht oder infolge von Vollstreckungsmaßnahmen erloschen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom VII R 92/98, BFHE 189, 331, BStBl II 1999, 751, m.w.N.).
Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ist es als Ausnahme von diesem Grundsatz in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass der Abrechnungsbescheid bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Säumniszuschlägen unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes nicht nur über den Fortbestand der Zahlungsverpflichtung, sondern auch darüber entscheidet, ob Säumniszuschläge überhaupt und ggf. in welcher Höhe sie entstanden sind (Senatsurteil in BFHE 189, 331, BStBl II 1999, 751, m.w.N.). Damit wird ein zusätzliches Regelungsbedürfnis hinsichtlich des Entstehens von Säumniszuschlägen anerkannt, soweit es einer Überprüfung des Entstehens dieser Säumniszuschläge nach Grund und Höhe bedarf. Das betrifft insbesondere die Fragen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung von Säumniszuschlägen nach § 240 AO 1977 erfüllt sind oder ob außerhalb der Verwirklichung des Tatbestandes des § 240 AO 1977 trotz Bestehens einer Säumnis Umstände vorliegen, die das Entstehen von Säumniszuschlägen hindern, z.B. weil für bestimmte Zeiträume, für die sie erhoben werden könnten, Stundung oder AdV gewährt worden ist oder soweit sich die Parteien über die Wirkung einer AdV oder eines Vollstreckungsaufschubes im Hinblick auf die Verwirkung von Säumniszuschlägen streiten.
2. Um streitige Fragen dieser Art geht es vorliegend allerdings nicht. Ausgehend von seinem —unzutreffenden— Rechtsstandpunkt, dass für den Streitfall das Klageverfahren gegen den Abrechnungsbescheid die angemessene Verfahrensform sei, hat das FG unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger nicht in Abrede stellt, dass Säumniszuschläge in der streitigen Höhe verwirkt worden sind, sondern dass sein Begehren erkennbar auf die teilweise Aufhebung der verwirkten Säumniszuschläge für die Monate Oktober und November 1998 gerichtet ist.
a) Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 (in der im Streitjahr geltenden Fassung) ist, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet wird, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen auf 100 DM nach unten abgerundeten Steuerbetrags zu entrichten. Säumniszuschläge entstehen kraft Gesetzes, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Säumnis verwirklicht sind; einer Festsetzung der Säumniszuschläge durch das FA bedarf es nicht (Klein/Rüsken, AO, 8. Aufl., § 240 Rz. 11; Senatsurteil in BFHE 189, 331, BStBl II 1999, 751).
Nach den Feststellungen des FG hatte der Kläger den mit dem Einkommensteuerbescheid vom angeforderten Zahlbetrag nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages am entrichtet und war diesen Betrag auch noch im November 1998 schuldig geblieben. Auch wenn man mit dem FG davon ausgehen wollte, dass das FA mit seiner Schätzung der Besteuerungsgrundlagen den zulässigen Schätzungsrahmen überschritten hatte, so war der Steuerbescheid vom , aus dem sich der zum fällige Zahlungsbetrag ergab, gleichwohl wirksam. Es spricht nichts dafür —und auch das FG hat dies letztlich nicht angenommen—, dass der Steuerbescheid nichtig war, denn selbst grobe Schätzungsfehler führen regelmäßig nicht zur Nichtigkeit der darauf beruhenden Bescheide (, BFHE 156, 376, BStBl II 1990, 351). Die hier streitigen Säumniszuschläge waren daher durch Nichtentrichtung des fälligen Steuerbetrags in den Monaten Oktober und November 1998 gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 verwirkt.
Anders als das FG meint, wird zwar durch die AdV die Fälligkeit des zu entrichtenden Steuerbetrags, die Voraussetzung für das Entstehen von Säumniszuschlägen ist, nicht hinausgeschoben (, BFHE 151, 304, BStBl II 1988, 366; vom VII R 36/87, BFHE 156, 392, BStBl II 1990, 352); gleichwohl ist es anerkannt, dass während der Dauer der AdV Säumniszuschläge nicht entstehen, da als „Vollziehung” nicht nur die zwangsweise Durchsetzung, sondern jedes Gebrauchmachen vom Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts, also auch das Entstehen von Säumniszuschlägen, anzusehen ist (Klein/Rüsken, a.a.O., § 240 Rz. 18; , BFHE 178, 306, BStBl II 1996, 55; vom VII R 37/92, BFH/NV 1994, 4; , BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389). Allerdings wirkt die AdV grundsätzlich nur für die Zukunft, weshalb in der Vergangenheit bereits eingetretene Vollziehungsmaßnahmen mit der Gewährung der AdV nicht beseitigt werden können (Senatsurteil in BFH/NV 1994, 4; Senatsbeschluss vom VII B 244/01, BFH/NV 2002, 1125). Soweit also der angefochtene Verwaltungsakt, dessen Vollziehungsaussetzung beantragt worden ist, bereits vollzogen worden ist, wozu —wie ausgeführt— auch der Anfall von Säumniszuschlägen gemäß § 240 AO 1977 zählt, bleiben diese Rechtsfolgen der Säumnis auch im Fall einer Gewährung der AdV grundsätzlich bestehen und können nur im Wege der Aufhebung der Vollziehung beseitigt werden. Maßgebend für den Zeitpunkt, ab dem die Vollziehungswirkungen des Verwaltungsakts aufzuheben sind, ist die Feststellung, ab wann ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestanden haben. Auf diese Weise kann die allein durch die Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 240 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 eintretende Verwirkung von Säumniszuschlägen mit Rückwirkung —ggf. ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit des Steuerbetrags— aufgehoben werden (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 240 Rz. 19, m.w.N.; Senatsurteil in BFH/NV 1994, 4; Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 1125; BFH-Beschluss in BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389). Diese Aufhebungsbefugnis steht auch dem FA im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nach § 361 AO 1977 zu (Senatsurteil in BFH/NV 1994, 4).
Im Streitfall hat das FA allerdings die vom Kläger beantragte AdV zunächst abgelehnt und hat später die hinsichtlich der Verwirkung der Säumniszuschläge bereits eingetretene Vollziehung des Steuerbescheids vom erst mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Abgabe der Einkommensteuererklärung aufgehoben. Somit sind die für die Monate Oktober und November 1998 bereits verwirkten Säumniszuschläge bestehen geblieben.
b) All dies hat der Kläger nicht bestritten. Ihm geht es allein darum, dass die für die Monate Oktober und November 1998 entstandenen Säumniszuschläge teilweise wieder aufgehoben werden, nämlich insoweit, als sie auf dem mit Steuerbescheid vom angeforderten zu hohen Steuerbetrag beruhen. Dieses Ziel kann der Kläger nicht durch einen Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids und die anschließende Anfechtung des Abrechnungsbescheids erreichen. Der Ansicht des FG, dass das FA die Vollziehung des Steuerbescheids vom bereits mit Wirkung ab Fälligkeit des Steuerbetrags hätte aufheben müssen und dass der Kläger dies mit Erfolg auch im Anfechtungsverfahren gegen den Abrechnungsbescheid geltend machen könne, folgt der Senat nicht.
Auch wenn die Verwirkung von Säumniszuschlägen streitig und Gegenstand eines Abrechnungsbescheids ist, ist der Abrechnungsbescheid —ebenso wie bei anderen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis— lediglich ein Abbild der im Zeitpunkt seines Erlasses bestehenden Anspruchssituation. Mit einem Abrechnungsbescheid über Säumniszuschläge wird dargestellt, ob und in welcher Höhe Säumniszuschläge entstanden sind und ob ggf. die entsprechende Zahlungsverpflichtung zwischenzeitlich durch den Eintritt eines der in § 47 AO 1977 genannten Erlöschensgründe erloschen ist. Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Steuerfestsetzung, aus der sich die im Abrechnungsbescheid aufgeführten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ergeben, können indes im Abrechnungsverfahren nicht geltend gemacht werden (vgl. , BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776; vom VII R 33/91, BFHE 168, 206, BStBl II 1992, 781). Aus dem vom FG angeführten Senatsurteil vom VII R 39/91 (BFHE 168, 300, BStBl II 1992, 956) folgt nichts anderes. In jenem Fall hatte sich der rückständige Steuerbetrag nicht durch eine Änderung der Steuerfestsetzung, sondern durch eine nachträgliche Anrechnung von Steuern geändert; so liegt der Streitfall jedoch nicht.
Das FG hat daher —jedenfalls in Anbetracht des von ihm angenommenen Klageverfahrens gegen einen vom FA erlassenen Abrechnungsbescheid— zu Unrecht darauf abgestellt, dass seiner Ansicht nach das FA mit dem Steuerbescheid vom die Besteuerungsgrundlagen in rechtswidriger Weise zu hoch geschätzt habe und es deshalb bereits ab Fälligkeit der Steuerforderung die entstandenen Säumniszuschläge im Wege der Aufhebung der Vollziehung oder des Erlasses —jedenfalls zum Teil— hätte aufheben müssen. Wie ausgeführt, wird mit einem Abrechnungsbescheid dargestellt, welche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis im Zeitpunkt seines Erlasses noch bestehen, nicht aber welche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis richtigerweise bestünden, wenn die Steuerfestsetzung rechtmäßig erfolgt wäre. Für die Verwirkung von Säumniszuschlägen kommt es daher allein darauf an, ob die Vollziehung des Steuerbescheids vom FA tatsächlich ausgesetzt bzw. aufgehoben wurde, und nicht auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung (Klein/Rüsken, a.a.O., § 240 Rz. 19).
c) Die begehrte teilweise Aufhebung der für die Monate Oktober und November 1998 verwirkten Säumniszuschläge kann der Kläger nur erreichen, indem er sein AdV-Verfahren in Gestalt eines nunmehr auf Aufhebung der Vollziehung umgestellten Antrags weiterverfolgt. Im Abrechnungsverfahren kann der Kläger mit diesem Begehren hingegen keinen Erfolg haben. Warum —wie es das FG meint— es dem Steuerpflichtigen nicht zumutbar sei, ein durch Erlass eines Änderungsbescheids erledigtes AdV-Verfahren zur Abwehr der Säumnisfolgen durch einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung weiterzuführen, und warum insoweit das Abrechnungsverfahren das sachnähere Verfahren zur Klärung der Säumnisfragen sein soll, ist nicht ersichtlich.
3. Die Klage wäre nach alledem abzuweisen, wenn sie sich gegen einen Abrechnungsbescheid richtete. Das FG hat allerdings zu Unrecht angenommen, dass der angefochtene Bescheid des FA vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom als ein Abrechnungsbescheid anzusehen ist.
Die Frage, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach seinem objektiven Erklärungswert zu beantworten, so dass es grundsätzlich nicht darauf ankommt, was die Behörde mit ihrer Regelung gewollt hat, sondern wie sie der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (vgl. , BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4, m.w.N.). Im Streitfall hat das FG als Tatsacheninstanz den Inhalt des Bescheids vom nicht unter Berücksichtigung seines objektiven Erklärungswerts bestimmt, sondern ist davon ausgegangen, dass der Bescheid „unstreitig ein Abrechnungsbescheid i.S. von § 218 Abs. 2 AO 1977” sei. Der Umstand, dass beide Beteiligten übereinstimmend vom Vorliegen eines Abrechnungsbescheids ausgingen, machte die gebotene Auslegung des Bescheids nach seinem objektiven Erklärungswert jedoch nicht entbehrlich. Der Senat kann die unterbliebene Auslegung daher selbst vornehmen (vgl. Senatsurteil vom VII R 12/99, BFH/NV 2000, 1263).
Es bestand aus der Sicht des Klägers als Empfänger des Bescheids vom —insbesondere in Anbetracht der Funktion eines Abrechnungsbescheids, wie sie sich aus den obigen Ausführungen ergibt— kein Grund anzunehmen, dass das FA einen Abrechnungsbescheid erlassen wollte, zumal der Kläger mit seinem Schreiben vom nicht ausdrücklich einen Abrechnungsbescheid beantragt, sondern den Antrag gestellt hatte, die Säumniszuschläge von 1 800 DM „zurückzubuchen”, wobei er sich auf die zwischenzeitlich geänderte niedrigere Steuerfestsetzung bezogen hatte. Da der Kläger —wie ausgeführt— dieses an das FA gerichtete Begehren, die für die Monate Oktober und November 1998 bereits verwirkten Säumniszuschläge von 1 800 DM aufzuheben, nicht durch einen Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids, sondern durch einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung erreichen konnte, ist in seinem Schreiben vom ein solcher Antrag zu sehen, den das FA mit Bescheid vom abgelehnt und nicht etwa durch den Erlass eines Abrechnungsbescheids beschieden hat, denn weder wurde der Begriff „Abrechnungsbescheid” in dem Bescheid vom oder in der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung verwendet noch enthielt der Bescheid inhaltlich eine Darstellung der Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, sondern allein die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der Säumniszuschläge.
Da nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung von Rechtsbehelfen grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Steuerpflichtige den Rechtsbehelf einlegen wollte, der seinen Belangen entspricht und zu dem von ihm angestrebten Erfolg führen kann (vgl. , BFH/NV 1986, 675; , BFH/NV 2000, 872; Senatsbeschluss vom VII R 43/96, BFH/NV 1997, 50), ist der vorliegende, als „Klage” bezeichnete Rechtsbehelf des Klägers als ein an das FG gerichteter Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO anzusehen. Es bestand kein Anlass, über das klägerische Begehren im Rahmen einer gegen einen Abrechnungsbescheid gerichteten Anfechtungsklage zu entscheiden. Die Sache ist daher an das FG zurückzuverweisen, damit über den Antrag des Klägers auf Aufhebung der Vollziehung in dem dafür vorgesehenen Beschlussverfahren (§ 69 Abs. 7 FGO) entschieden werden kann.
In Anbetracht des Tenors des angefochtenen FG-Urteils und in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 5 FGO weist der Senat darauf hin, dass das FG, wenn es die dem Steuerbescheid vom zugrunde liegende Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für rechtswidrig hält, eine eigene Schätzung gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO 1977 vorzunehmen hat (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 162 Rz. 58, m.w.N.; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 96 Rz. 19). Der Tenor eines gemäß § 69 Abs. 3 FGO zu erlassenden Beschlusses muss eindeutig ergeben, in welchem Umfang die in Form von Säumniszuschlägen bereits eingetretenen Vollziehungsmaßnahmen des Steuerbescheids vom aufgehoben werden. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO, den das FG herangezogen hat, erlaubt es nur, dem FA das reine Rechenwerk, nicht aber die Entscheidung über die maßgebenden Sach- oder Rechtsfragen zu überlassen (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Rz. 30).
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 2 FGO dem FG übertragen. Da —wie ausgeführt— der Rechtsbehelf des Klägers nicht als eine Klage gegen einen Abrechnungsbescheid, sondern als ein an das FG gerichteter Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO anzusehen ist, handelt es sich bei den im Revisionsverfahren entstandenen Kosten um solche, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären und die daher nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl I 1975, 3047) nicht erhoben werden. Hierüber kann der Senat bei Zurückverweisung an das FG selbst entscheiden (vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 143 Rz. 23).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 578
AO-StB 2006 S. 167 Nr. 7
BB 2006 S. 1265 Nr. 23
BFH/NV 2006 S. 1383 Nr. 7
BStBl II 2006 S. 578 Nr. 13
DStRE 2006 S. 874 Nr. 14
DStZ 2006 S. 430 Nr. 13
GStB 2006 S. 25 Nr. 7
HFR 2006 S. 763 Nr. 8
INF 2006 S. 481 Nr. 13
KÖSDI 2006 S. 15235 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 23/2006 S. 1906
NWB-Eilnachricht Nr. 36/2007 S. 3143
NWB-Eilnachricht Nr. 52/2007 S. 4752
StB 2006 S. 243 Nr. 7
StBW 2006 S. 4 Nr. 12
StuB-Bilanzreport Nr. 12/2006 S. 483
QAAAB-84351