BFH Beschluss v. - I B 86/05

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Folgewirkungen einer die Vorjahre betreffenden Außenprüfung im Streitjahr berücksichtigt werden können.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, hatte wegen der Steuerfestsetzung des Streitjahres 2001 Klage erhoben. Die Klage richtete sich nach der Klageschrift „gegen die Nichtberücksichtigung der Folgewirkungen der Betriebsprüfung für die Jahre 1998 bis 2000 in dem Körperschaftsteuerbescheid 2001"; eine eingehende Begründung der Klage werde nachgereicht. Nachdem einer Aufforderung zur Abgabe einer Klagebegründung nicht entsprochen wurde, erging unter dem eine richterliche Anordnung gemäß § 79b Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sich die Klägerin beschwert fühle; zugleich mit der Fristsetzung (zum ) wurde auf die Folgen einer Fristversäumung hingewiesen. Das Finanzgericht (FG) forderte darüber hinaus die Vorlage einer Prozessvollmacht an. Unter dem Datum wurden Prozessvollmachten eingereicht; eine Klagebegründung sollte „mit separater Post” erfolgen. Nach der Bekanntgabe eines Übertragungsbeschlusses (vom ) an die Beteiligten wurde vom FG zur mündlichen Verhandlung geladen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung (am ) wurde ausweislich des Verhandlungsprotokolls der Rechtsstreit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Für den Kläger wurde vorgetragen, dass eine Klagebegründung (ebenfalls unter dem ) abgesandt worden sei; dem Gericht wurde eine Durchschrift eines Schreibens (mit Datum ) überreicht und anschließend ein Sachantrag gestellt.

Die Klage wurde durch Urteil vom 1 K 2881/04 abgewiesen; das Urteil wurde nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (Verfahrensfehler durch Versagung des rechtlichen Gehörs) zuzulassen sei.

Die Klägerin beantragt, die Revision gegen das zuzulassen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegen getreten.

II. Die rechtzeitig erhobene und —mit Blick auf die unter dem verfügte Verlängerung der Begründungsfrist— rechtzeitig begründete Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt gemäß § 116 Abs. 6 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das FG hat der Klägerin nicht in ausreichender Form rechtliches Gehör gewährt (§§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 119 Nr. 3 FGO).

Es ist zwar anerkannt, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) keinen Schutz gegen gerichtliche Entscheidungen gewährt, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus formellen Gründen unter Anwendung einer entsprechenden Norm (z.B. § 79b Abs. 3 FGO) ganz oder teilweise außer Betracht lassen (z.B. , BFH/NV 2005, 2038). Im Streitfall hat die Klägerin jedoch dargelegt, dass die Voraussetzungen für einen solchen Ausschluss des Sachvortrags nicht vorgelegen haben.

So kann es schon zu bezweifeln sein, dass das FG davon ausgehen konnte, dass die Klägerin durch den Hinweis auf die „Nichtberücksichtigung der Folgewirkungen der Betriebsprüfung für die Jahre 1998 bis 2000” ihre Beschwer nicht in ausreichendem Maße bezeichnet hat. Da auf der Grundlage der Klageschrift die Möglichkeit bestand, das „Streitprogramm” ausgehend von der Steuerfestsetzung des Jahres 2001 anhand eines Außenprüfungsberichts einzugrenzen (die dort angeführten Aufgriffspunkte zu ermitteln und solche Punkte mit „Folgewirkung” für das Streitjahr zu separieren), kann von einer „pauschalen Benennung von Streitkomplexen” nicht die Rede sein. Insoweit stellt sich mit Blick auf § 79b Abs. 3 Satz 3 FGO die Frage, ob die Zurückweisung des Vortrags rechtmäßig war. Jedenfalls hätte das FG aber bei der Prüfung eines „verspäteten Vortrags” seine Überzeugung, dass die Klägerin die Klagebegründung nicht am zur Post gegeben hat, nicht darauf stützen dürfen, dass im Termin zur mündlichen Verhandlung kein Postausgangsbuch vorgelegt werden konnte. Denn das Gericht hat nicht (nochmals) an die Abgabe der Klagebegründung erinnert, obwohl im Übersendungsschreiben der Vollmachten der Hinweis gegeben worden war, dass eine (weitere) Klagebegründung mittels separater Post zugehen werde. Daher wurde die Klägerin (auf der Grundlage ihres Vortrages einer Absendung am ) erstmals in der mündlichen Verhandlung mit der Frage des (fehlenden) Eingangs des Schriftsatzes vom bei Gericht konfrontiert. Wenn aber aus der Sicht der Klägerin keine Notwendigkeit erkennbar war, einen Absendenachweis zu führen, bestand auch keine Veranlassung, in der mündlichen Verhandlung ein Postausgangsbuch bei sich zu führen.

Fundstelle(n):
ZAAAB-83859