BFH Beschluss v. - VIII B 198/05

Instanzenzug:

Gründe

I. Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die für die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen (SonderAfA) nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) erforderliche Verbleibensvoraussetzung des § 2 Nr. 2 FördG gewahrt wurde.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) —Herr E— war im Streitjahr (1994) an der M-KG zu 78 v.H. als Kommanditist beteiligt. Die KG erwarb 1994 das Hopperbaggerschiff N zum Preis von rd. 15 Mio. DM. Das Schiff wurde 1994 an 122 Tagen in den alten Bundesländern sowie an 61 Tagen zu Fahrten vom Hafen X (neue Bundesländer) in das Y-Gebiet (Ostsee) zum Zwecke des Kiesabbaus eingesetzt. Das Gebiet Y gehört zum Anteil der Bundesrepublik Deutschland am Festlandsockel. Die dort gewonnene Ladung wurde in X gelöscht.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erkannte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) in dem geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1994 vom u.a. die SonderAfA für das Schiff N mit der Begründung nicht mehr an, das Gebiet Y sei nicht Teil des Fördergebiets (§ 1 Abs. 2 FördG) mit der Folge, dass das als Baugerät zu qualifizierende Schiff länger als fünf Monate und damit nicht kurzfristig außerhalb des Fördergebiets eingesetzt worden sei (Hinweis auf , BStBl I 1991, 768, Tz. 49). Für den Antragsteller ergab sich hieraus ein geringerer Anteil an dem im Streitjahr erzielten Verlust.

Über den Einspruch der M-KG hat das FA noch nicht entschieden. Mit Bescheid vom lehnte das FA den Antrag der M-KG auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) gegenüber dem Antragsteller sowie einem weiteren Kommanditisten als „damalige Gesellschafter” der M-KG ab. Da zu diesem Zeitpunkt bereits das Insolvenzverfahren über das Vermögen der M-KG eröffnet worden war, ist der Bescheid auch deren Liquidatoren bekannt gegeben worden (§ 146 Abs. 1 des HandelsgesetzbuchsHGB—).

Dem daraufhin beim Finanzgericht (FG) geltend gemachten Aussetzungsbegehren (§ 69 Abs. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) hat die Vorinstanz entsprochen. Ernstliche Zweifel (§ 69 Abs. 2 Satz 1 FGO) an der Versagung der SonderAfA seien zum einen deshalb zu bejahen, weil die einkommensteuerrechtlichen Begriffsbestimmungen grundsätzlich nicht nur für das Investitionszulagenrecht, sondern auch für die Sonderabschreibungen nach dem FördG maßgeblich sein dürften. Zu beachten sei deshalb die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), nach der auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil am Festlandsockel, soweit dort Naturschätze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes erforscht oder ausgebeutet werden, zum Inland gehöre. Zwar verwende das FördG nicht den Begriff des Inlands, sondern in § 1 Abs. 2 des Gesetzes lediglich denjenigen des Fördergebiets. Gleichwohl könne bei summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen werden, dass die dort bestimmten Gebiete der neuen Bundesländer als Teilbestandteil des einkommensteuerrechtlichen Inlandsbegriffs zu verstehen seien. Auch wenn der Festlandsockel nicht zum Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gehöre, sei es nicht wahrscheinlich, das Gebiet Y dem steuerrechtlichen Ausland oder dem steuerrechtlichen Niemandsland zuzuweisen. Hiergegen spreche nicht nur, dass die Genehmigung zum Kiesabbau im Gebiet Y vom Bundesland Z (eines der neuen Bundesländer) erteilt worden sei. Hinzu komme, dass es einen Wertungswiderspruch bedeuten würde, die aus dem Kiesabbau erzielten Gewinne einer inländischen Betriebsstätte im Fördergebiet zuzuordnen, gleichwohl aber für das hierfür erforderliche Anlagevermögen SonderAfA nach dem FördG zu versagen.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde macht das FA vor allem geltend, das Gebiet Y gehöre nicht zum Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Die vom FG vertretene Verknüpfung von Besteuerungszugriff und SonderAfA nach dem FördG sei abzulehnen, weil der deutschen Einkommensteuer das Welteinkommensprinzip zugrunde liege und deshalb selbst dann, wenn Kies im benachbarten Ausland abgebaut werde, der hierbei erzielte Gewinn der inländischen Besteuerung unterliege und ggf. einer Betriebsstätte im Fördergebiet zuzurechnen sei.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Dabei geht der Senat davon aus, dass —was offenbar zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist— das Schiff N mindestens drei Jahre nach seiner Anschaffung (1994) zu einer Betriebsstätte der M-KG im Fördergebiet gehörte (§ 2 Nr. 2, 1. Halbsatz FördG i.V.m. § 1 FördG) und die Wahrung der Verbleibensvoraussetzungen nach § 2 Nr. 2, 2. Halbsatz FördG lediglich im Hinblick auf die Verhältnisse im ersten Jahr nach Erwerb des Schiffes umstritten ist.

2. Mit Rücksicht auf diesen Streitpunkt ist dem FG darin beizupflichten, dass ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids bestehen.

a) Letzteres ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anzunehmen, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Bei der hiernach erforderlichen Abwägung sind zwar auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen; nicht erforderlich ist jedoch, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Rz. 86, m.w.N.).

b) Gründe solcher Art sind im Streitfall zu bejahen. Zwar mag der Wortlaut des § 1 Abs. 2 FördG die Maßgeblichkeit der völkerrechtlichen (staatsrechtlichen) Grenzen der Bundesrepublik Deutschland mit der Folge nahe legen, dass —was zwischen den Beteiligten unstreitig ist— der Einsatz des Schiffes N im Gebiet Y nicht als Nutzung in einer Betriebsstätte im Fördergebiet qualifiziert werden könnte. Andererseits schließt die Bestimmung auch nicht die Deutung aus, dass zum Fördergebiet über den Bereich sog. Küstenmeeres hinaus auch der jeweilige Anteil der Bundesrepublik Deutschland am Festlandsockel zu rechnen und damit auf den auf der Ausübung staatlicher Hoheitsrechte beruhenden steuerlichen Inlandsbegriff abzustellen ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EStG; § 1 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes; zu den Zusammenhängen vgl. , BFHE 123, 341, BStBl II 1978, 50; BTDrucks 7/1470, 238, 335; Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-37/00, Rdnr. 31 ff., EuGHE I 2002, 2013, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2002, 1635; /99, BStBl I 1999, 1076, Abschn. 4.6.1; Blümich/Ebling, § 1 EStG Rz. 174 f.). Soweit ersichtlich hat sich hierzu —mit Ausnahme der Vorinstanz— weder die Rechtsprechung geäußert noch wird die Frage in der einschlägigen Kommentarliteratur behandelt (vgl. z.B. Blümich/Stuhrmann, § 1 FördG Rz. 4; Blümich/ Stuhrmann, § 1 InvZulG 2005 Rz. 12; Kaligin in Lademann, EStG, § 1 FördG Anm. 35 f.; § 1 InvZulG 1999 Anm. 14). Demgemäß muss eine abschließende Stellungnahme zu den Erwägungen der Vorinstanz, die im Kern darauf beruhen, den Begriff des Fördergebiets als Teil des übergeordneten Begriffs des steuerlichen Inlands zu verstehen, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

c) Abweichendes ergibt sich nicht daraus, dass der III. Senat des BFH die Regelung zu Tz. 49 des BMF-Schreibens in BStBl I 1991, 768, nach der bei Baugeräten ein kurzfristiger —und damit für die Investitionszulage unschädlicher— Einsatz außerhalb des Fördergebiets dann vorliegt, wenn dieser sich in jedem Jahr des Dreijahreszeitraums auf höchstens fünf Monate beschränkt, als „sehr weitgehend” bezeichnet hat (, BFH/NV 2001, 340 a.E.). Ob aus diesen —nach Ansicht des erkennenden Senats berechtigten— Bedenken für den Streitfall abzuleiten sein könnte, dass zur Vermeidung von unangebrachten Wettbewerbsnachteilen derjenigen Unternehmen, die über keine Betriebsstätte im Fördergebiet verfügen (vgl. hierzu auch , BFH/NV 1999, 965, betreffend das Investitionszulagengesetz 1991), bereits der Einsatz des Schiffes N in den alten Bundesländern über einen Zeitraum von 122 Tagen der Gewährung der SonderAfA entgegensteht, kann gleichfalls nur in einem Hauptsacheverfahren abschließend entschieden werden. Nichts anderes gilt für die weiter gehende Frage danach, ob das Schiff nicht —wie vom FG unter Hinweis auf den (BFHE 191, 184) angenommen— nur als schwimmendes Arbeitsgerät, sondern auch als Transportmittel genutzt wurde und damit die Wahrung der Verbleibensvoraussetzungen unter Berücksichtigung der hierfür geltenden Rechtsregeln zu beurteilen sein könnte (s. dazu z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 965).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1084 Nr. 6
JAAAB-82045