Außenprüfung bei Steuerpflichtigen mit bedeutenden Einkünften
Bezug:
Eine Außenprüfung ist häufig das wirksamste Mittel, Sachverhalte zu ermitteln und steuerlich zu beurteilen. Im Gegensatz zu Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften sind Außenprüfungen bei Steuerpflichtigen mit Überschusseinkünften (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 – 7 EStG) nur zulässig, wenn deren steuerliche Verhältnisse erheblich sind und eine Aufklärung vor Ort erfordern, § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO. Die Verwaltung geht grundsätzlich bei Überschusseinkünften von mehr als 500.000 € von erheblichen Verhältnissen aus und erfasst diese Fälle als Großbetriebe in der Betriebskartei. Der Hessische Rechnungshof hat hierzu festgestellt, dass die Finanzämter das Instrument der Außenprüfung nur unzureichend nutzen. Mit – 9 – St III 2.04 – wurden daher Grundsätze für eine Fallauswahl naher bestimmt und unmittelbar den Betriebsprüfungsstellen der Finanzämter bekannt gemacht. Diese Regelungen sind auch für den Innendienst von Interesse und bei der Veranlagungsarbeit zu berücksichtigen; sie sind nachstehend abgedruckt:
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1. | Grundsätze |
2. | Prüfungsanordnung |
3. | Fallauswahl |
4. | Prüfungsschwerpunkte |
5. | Sonstige Prüfungen bei Überschusseinkünften |
1. Grundsätze
Im Rahmen der Einordnung der Betriebe in Größenklassen werden die bE-Fälle als Großbetriebe in die Betriebskartei aufgenommen. Dadurch wird bereits deutlich, dass der Prüfung von bE-Fällen eine herausgehobene Bedeutung zugemessen wird. Bislang wurde als Richtlinie für die Quote der Jährlichen Prüfungen 10 % des Fallbestandes ausgegeben (vgl. zuletzt Niederschrift der SGL Tagung 2004, Tz. 6.2).
Im Rahmen der Fortschreibung der Betriebskartei auf den wurden in insgesamt 2.976 Fällen Steuerpflichtige mit bedeutenden Einkünften ermittelt (Betriebskartei auf den : 1.626 Fälle). Im Kalenderjahr 2004 wurden 102 bE-Fälle landesweit geprüft. Für das Kalenderjahr 2005 wurde durch die Bp-Stellen eine weitere Fallzahlsteigerung auf 188 Prüfungen geplant. Diesentspricht einer Prüfungsdichte von 6,3 %.
Um sich der angestrebten Prüfungslichte von landeswalt 10 % weiter anzunähern, bittet die OFD ab dem Prüfungsjahr 2006:
In Finanzämtern mit einem originären Bestand von mehr als 40 bE-Fällen jährlich hiervon ca. 10 % selbst oder mittels einer Auftragsprüfung durch ein anderes Finanzamt zu prüfen.
In den übrigen Finanzämtern soll die Prüfungsdichte mindestens 5 % betragen.
Hinsichtlich der aufgrund des derzeit bestehenden Personalfehlbestandes getroffenen Prioritätensetzung sind die bE-Fälle analog wie Mittelbetriebe zu behandeln.
2. Prüfungsanordnung
Die Prüfungsanordnung eines bE-Falls ergeht grundsätzlich auf Grundlage des § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO. Eine auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO gestützte Prüfungsanordnung ist besonders zu begründen. Hierfürist zumindest die Begründung zu geben, dass eine Überschusseinkunftsart der Aufklärungbedürfe und eine Prüfung an Amtsstelle nicht zweckmäßig ist. Sollte der Steuerpflichtige im geplanten Prüfungszeitraum auch eigene betriebliche Einkünfte erzielt haben, ist es zweckmäßig, die Prüfungsanordnung auf § 193 Abs. 1 AO zu stützen, um eine besondere Begründungspflicht entbehrlich zu machen. In diesen Fällen ist daher die Angabe des § 193 Abs. 1 AO als Rechtsgrundlage der Prüfungsanordnung ausreichend.
Sollte die Prüfungsanordnung mit Einspruch angegriffen werden, sind weitergehende Ausführungen zu den Prüfungsgründen insbesondere hinsichtlich des Auswahlermessens dem Steuerpflichtigen spätestens im Rahmen der Einspruchsentscheidung mitzuleiten. Darin sind vor allem die aufklärungsbedürftigen Sachverhalte, die sich aus der Steuererklärung oder dem Schriftverkehr während der Veranlagung ergeben, aufzuführen.
Bei bE-Fällen, in denen der Steuerpflichtige auch Einkünfte aus einer Beteiligung erzielt besteht die Möglichkeit, ausgehend von einer bei der Personen- oder Kapitalgesellschaft, an der die Beteiligung besteht angeordneten Prüfung, diese auf den Gesellschafter zu erstrecken (sog. Erstreckungsprüfung). Dann bietet sich die Möglichkeit, nach § 194 Abs. 2 AO im Rahmen der gebotenen Schwerpunktsetzung, jedoch ohne rechtliche Beschränkung des Prüfungsumfangs, die gesamten steuerlichen Verhältnisse des Gesellschafters zu überprüfen. Hierfür ist ebenfalls eine Prüfungsanordnung notwendig, die sich auf § 194 Abs. 2 i. V. m. § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO stützt und die ebenfalls zu begründen ist, AEAO zu § 194 AO Tz. 2.
Anschlussprüfungen sind bei bE-Fällen uneingeschränkt gem. § 4 Abs. 2 BpO zulässig, da diese als Großbetriebe in die Betriebskartei eingeordnet sind. Bei Anschlussprüfungen ist jedoch die Prüfungsanordnung zwingend auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO zu stützen, Sofern nicht die betrieblichen Einkünfte der Anlass sind, eine Anschlussprüfung durchzuführen.
Innerhalb der Verwaltung wird für die Zukunft die Einführung einer eigenständige Prüfungsnorm (§ 193 Abs. 1a AO-E) erörtert, wodurch u.U. eine besondere Begründung der Prüfungsanordnung entbehrlich würde. Daher wird die OFD zu einem späteren Zeitpunkt ggf. Erfahrungsberichte anfordern, in denen insbesondere die in eventuellen Einspruchsverfahren wegen Prüfungsanordnungen In bE-Fällen zu beurteilenden Sachverhalte und Rechtsprobleme zu beschreiben sein werden.
3. Fallauswahl
3.1 Die Prüfungen sind grundsätzlich genauso In die Prüfungsplanung aufzunehmen wie die in § 193 Abs. 1 AO genannten Fallgruppen mit Gewinneinkünften. Ausgangspunkt ist auch in diesen Fällen die Prüfungsbedürftigkeit. Abweichungen in der Handhabung ergeben sich jedoch bei den geplanten Prüfungen von bE-Fällen, in denen eine Erstreckungsprüfung möglich ist.
In diesen Fällen bittet die OFD zunächst möglichst frühzeitig (spätestens im Rahmen der Vorbereitung der Prüfung des bE-Falls) festzustellen, ob eine Erstreckungsprüfung in Betracht kommt und für sinnvoll erachtet wird. Sollte dies der Fall sein, bittet die OFD eine Abstimmung mit der für die Gesellschaft zuständigen Bp-Stelle (Gesellschafts-FA) herbeizuführen Sollte die für den bE-Fall zuständige Bp-Stelle eine Erstreckungsprüfung für erforderlich halten und eine Prüfung bei der Gesellschaft für den geplanten Prüfungszeitraum bereits stattfinden oder zeitnah geplant sein, ist zur effizienten Fallbearbeitung der Gesellschafter (bE-Fall) durch das Gesellschafts-FA im Wege der Erstreckungsprüfung mitzuprüfen. Hierdurch werden unzweckmäßige Parallelprüfungen bei Gesellschaft und Gesellschafter vermieden.
Das für die Prüfung der Gesellschaft zuständige Finanzamt ist umgekehrt gehalten, zur Verwirklichung der in Tz. 1 genannten Ziele bei seiner Prüfungsplanung bzw. -vorbereitung von Gesellschaften, deren Gesellschafter als bE-Fall eingestuft wurde(n), eine Abstimmung über eine mögliche Erstreckungsprüfung mit der für diese(n) Gesellschafter originär zuständigen Bp-Stelle(n) herbeizuführen.
3.2 Hinweise für die Prüfungsbedürftigkeit eines bE-Falls können z. B. sein,
Hohe Einkünfte über einen längeren Zeitraum (Mittelverwendung)
Unklare Mittelverwendung bei einmaligen Einkünften (z. B. Abfindungen) oder sonstigen Mittelzuflüssen (z. B. Verkauf von Immobilien und GmbH-Beteiligungen)
Hohe Unterhaltungsaufwendungen bei vermieteten Immobilien (Abgrenzung zu Anschaffungs- bzw. Hersteltungskosten)
Hohe Werbungskosten bei Einkünften aus Kapitalvermögen (Aufteilung Halbeinkünfteverfahren)
Veränderung der Beteiligungsverhältnisse des Gesellschafters
Fragliche Einordnung von Darlehen an Kapitalgesellschaften bei Veräußerung der Anteile
(eigenkapitalersetzende Darlehen bei Einkünften aus § 17 EStG)
Umfangreiche Vermögensumschichtungen insbesondere bei Wertpapieren und Grundstücken
4. Prüfungsschwerpunkte
Aufgrund der Höhe der erzielten Einkünfte ist regelmäßig auch die Mittelverwendung zu überprüfen, soweit sich im Einzelfall eine steuerliche Relevanz der Mittelverwendung ergibt. In diesen Fällen mussen sich im Fallheft zumindest überschlägige Berechnungen befinden, aus denen sich die Einkünfteentwicklung, die Mittelverwendung und die Vermögensentwicklung erkennen lassen. In dieser Berechnung sind insbesondere Hinweise auf neue Steuerobjekte (Immobilien, Beteiligungen) kenntlich zu machen, Ggf. sind der VTB bzw. andere zuständige Stellen (z. B. Bewertungsstelle, Grunderwerbsteuerstelle, Erbschafts-/Schenkungsteuerstelle) zu informieren. Auch sind dem VTB Hinweise zu geben, die für die Festsetzung von Vorauszahlungen Bedeutung haben.
Die Einzelüberprüfung hat sich auf steuerlich gewichte Sachverhalte zu beschränken, wie sie sich z. B. aus den Hinweisen zur Prüfungsbedürftigkeit vgl. Tz. 3.2 ergeben.
Diese strikte Schwerpunktsetzung ist erforderlich, da sich aus den bisher gemachten Erfahrungen und Ergebnissen der abgeschlossenen Prüfungen ergibt, dass in Einzelfällen beträchtliche Mehrergebnisse erzielt wurden, jedoch in einer Vielzahl von Fällen auch nur geringe steuerliche Änderungen sich aufgrund der Prüfung ergeben haben. Auf die Schwerpunktprüfung ist insbesondere durch die Sachgebietsleiter zu achten.
Von der Möglichkeit der abgekürzten Außenprüfung nach § 203 AO ist in geeigneten Fällen Gebrauch zu machen.
5. Sonstige Prüfungen bei Überschusseinkünften
Steuerpflichtige, deren Summe der positiven Überschusseinkünfte zwar nicht die Grenze von 500.000 € (d. h. keine Einordnung als bE-Fall in der Betriebskartei) überstreitet, jedoch nach den Kriterien zur Fallauswahl (vgl. Tz. 3.2) prüfungswürdig sind, können von den VTB auch zur Prüfung vorgeschlagen werden.
OFD Frankfurt am Main v. - F 2319 A - 73 - St II 2.01
Fundstelle(n):
EAAAB-80872