BFH Urteil v. - I R 125/04 BStBl 2006 II S. 400

Berichtigung eines geänderten Steuerbescheids im Einspruchsverfahren gegen den Änderungsbescheid

Leitsatz

1. Die Verwertung von Prüfungsfeststellungen, die ohne wirksame Prüfungsanordnung getroffen worden sind, ist nicht generell unzulässig. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Feststellungen im Rahmen eines erstmaligen Steuerbescheids oder einer Änderung gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 verwertet werden (Anschluss an BFH-Rechtsprechung).

2. Ist in einem Steuerbescheid die Anordnung des Vorbehalts der Nachprüfung versehentlich unterblieben, so muss das FA den Bescheid nicht zunächst nach § 129 AO 1977 berichtigen, um ihn anschließend nach § 164 Abs. 2 AO 1977 ändern zu können. Vielmehr kann der Bescheid in diesem Fall unmittelbar nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geändert werden (Bestätigung des Senatsurteils vom I R 83/94, BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509).

3. Die Berichtigung nach § 129 AO 1977 kann auch im Rahmen einer Entscheidung erfolgen, in der über den Einspruch gegen den auf § 164 Abs. 2 AO 1977 gestützten Änderungsbescheid entschieden wird. Darin liegt jedenfalls dann keine „Verböserung” gegenüber jenem Bescheid, wenn der Nachprüfungsvorbehalt in dem Änderungsbescheid aufgehoben wurde und in der Einspruchsentscheidung nicht erneut angebracht wird.

Gesetze: AO § 124 Abs. 1 Satz 2AO § 129AO § 164AO § 169 Abs. 2,AO § 170 Abs. 2AO § 171

Instanzenzug: (EFG 2005, 580) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Die Beteiligten streiten darüber, ob vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) erlassene Feststellungsbescheide gemäß § 18 des Außensteuergesetzes (AStG) wegen Ablaufs der Feststellungsfrist rechtswidrig sind.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Alleinerbin ihres im Jahr 1994 verstorbenen Ehemannes (B). Dieser war im Streitjahr (1990) zu 80 v.H. am Grundkapital der in der Schweiz domizilierenden S-AG beteiligt. Die S-AG war ihrerseits Gesellschafterin der schweizerischen R-AG und der deutschen S-GmbH. Die R-AG war wiederum zu 100 v.H. an der inländischen R-GmbH beteiligt.

Mit Vertrag vom verkaufte die S-AG ihre Anteile an der R-AG und an der S-GmbH. Die Höhe des Veräußerungsgewinns ist zwischen den Beteiligten streitig. Weder B noch die Klägerin gaben für das Streitjahr eine Erklärung zur gesonderten Feststellung nach § 18 AStG ab.

In den Jahren 1993 und 1994 wurde bei B eine Außenprüfung durchgeführt. Grundlage dafür war eine Prüfungsanordnung vom , die eine voraufgegangene, die Prüfungsjahre 1986 bis 1989 betreffende Prüfungsanordnung vom ergänzte. Beide Prüfungsanordnungen enthalten die Angabe, dass die Einkommensteuer geprüft werden solle, während das im Vordruck vorgesehene Kästchen „Feststellung der Einkünfte” jeweils nicht ausgefüllt ist. In der Prüfungsanordnung vom heißt es zusätzlich, dass die Prüfung sich „im Wege der vorgezogenen Teilprüfung auf die Prüfung der Vorgänge nach dem AStG bei der X-Gruppe” erstrecke. Dem war ein Telefonat zwischen einem Vertreter des Prüfungsfinanzamts und dem damaligen steuerlichen Berater des B vorausgegangen, in dem ein solches Vorgehen vereinbart worden war.

In dem nach Abschluss der Prüfung erstellten Prüfungsbericht ist u.a. ausgeführt, dass die R-AG im Streitjahr passive Einkünfte erzielt habe und dass dies zu einer Hinzurechnung in Höhe von 720 000 DM gegenüber B führe. Diese Sachbehandlung ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Zur Hinzurechnung von Veräußerungsgewinnen enthält der Prüfungsbericht den Hinweis, „die Frage der inländischen Steuerpflicht der durch die S-AG in 1990 aus dem Verkauf von inländischen Beteiligungen (S-GmbH bzw. R-GmbH) erzielten Veräußerungsgewinne” sei „noch nicht abschließend entschieden”.

Im Anschluss an den Bericht erließ das FA am gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des B einen Feststellungsbescheid gemäß § 18 AStG, in dem es dem B Einkünfte in Höhe von 720 000 DM und eine anzurechnende Steuer (§ 12 AStG) in Höhe von 120 000 DM zurechnete. Der Bescheid enthält im Abschnitt „Begründung und Nebenbestimmungen” den handschriftlichen Zusatz: „Die Feststellung resultiert aus der Betriebsprüfung B (s. Bp-Bericht vom ).” Die in der Akte befindliche Durchschrift des Bescheids enthält ferner den Stempelaufdruck „Nach § 164 Abs. 1 AO 1977 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung”. Auf dem der Klägerin bekannt gegebenen Bescheid fehlt dieser Zusatz.

Im weiteren Verlauf fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 1991 bis 1993 statt, die sich ausweislich der Prüfungsanordnung auf die Feststellung nach § 18 AStG erstreckte. In dem dazu gefertigten Prüfungsbericht vertrat der Prüfer die Ansicht, die im Jahr 1990 erfolgte Veräußerung von Gesellschaftsanteilen durch die S-AG führe zur Hinzurechnung von Einkünften gegenüber B. Dementsprechend erließ das FA am einen geänderten Feststellungsbescheid für 1990, in dem es B Einkünfte in Höhe von 10 085 672 DM gemäß § 7 AStG zurechnete. Verfahrensrechtlich wurde dieser Bescheid auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützt; zugleich wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

Die Klägerin legte gegen den Änderungsbescheid Einspruch ein und machte u.a. geltend, dass ihr der ursprüngliche Feststellungsbescheid ohne Nachprüfungsvorbehalt bekannt gegeben worden sei. Das FA führte dazu in der Einspruchsentscheidung aus, das Fehlen des entsprechenden Vermerks im Original-Bescheid sei eine offenbare Unrichtigkeit, die nach § 129 AO 1977 berichtigt werden könne. Im Ergebnis wies es den Einspruch zurück.

Die Klägerin focht daraufhin den Änderungsbescheid mit einer Klage an, der das Finanzgericht (FG) Münster stattgab. Auf die Revision des FA hin hob der erkennende Senat das erstinstanzliche Urteil vom 4 K 8102/98 F (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2003, 504) auf und verwies die Sache an das FG zurück (Senatsurteil vom I R 14/03, BFH/NV 2004, 1072); er hielt für aufklärungsbedürftig, ob die S-AG ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr gehabt habe. Im zweiten Rechtsgang hat das FG festgestellt, dass das Wirtschaftsjahr der S-AG für 1989/90 am geendet habe. Daraufhin hat es der Klage erneut stattgegeben; sein Urteil vom 4 K 2475/04 F ist in EFG 2005, 580 abgedruckt.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA eine Verletzung der § 129, § 164 und § 171 AO 1977 sowie hilfsweise des § 169 Abs. 2 und des § 370 AO 1977. Es beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erneut zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen Feststellungen lassen eine abschließende Beurteilung der Rechtslage nicht zu.

1. Das FA hat in dem angefochtenen Bescheid eine Hinzurechnung von Einkünften gemäß § 7 ff. AStG vorgenommen. Hinzurechnungssubjekt ist der im Jahr 1994 verstorbene B. Die Klägerin ist nach den Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), Alleinerbin des B. Als solche ist sie dessen Gesamtrechtsnachfolgerin (§ 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), weshalb das FA den Bescheid zu Recht ihr gegenüber erlassen hat. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

2. Nach den ebenfalls bindenden Feststellungen des FG beruht die vorgenommene Hinzurechnung auf Erkenntnissen, die das FA anlässlich einer Außenprüfung gewonnen hat. Die Verwertung dieser Erkenntnisse scheitert entgegen der Ansicht der Klägerin nicht an einem steuerrechtlichen Verwertungsverbot. Das gilt unabhängig davon, ob sich die vom FA erlassene Prüfungsanordnung auf die hier streitige Feststellung gemäß § 18 AStG bezog oder nicht:

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unterliegen Feststellungen anlässlich einer Außenprüfung grundsätzlich einem Verwertungsverbot, wenn der Prüfung keine wirksame Prüfungsanordnung zu Grunde lag (, BFHE 165, 339, BStBl II 1992, 59; , BFH/NV 1993, 515). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht, wenn die Prüfungsfeststellungen im Rahmen einer erstmaligen Steuerfestsetzung verwertet werden (, BFHE 179, 353, 360 f., BStBl II 1996, 232, 235; vom VIII R 4/94, BFHE 184, 255, 263 f., BStBl II 1998, 461, 465 f.) oder wenn ein zuvor erlassener Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand und nunmehr nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geändert wird (, BFH/NV 1998, 1192; , BFH/NV 2002, 1279; Ruban, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 1998, 354, 355 f., m.w.N.). In beiden Fällen besteht ein Verwertungsverbot nur dann, wenn entweder die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Außenprüfung nicht gegeben waren oder wenn im Rahmen der Prüfung schwerwiegende Verfahrensfehler unterlaufen sind und die Prüfungsfeststellungen hierauf beruhen. Anderenfalls sind bei einer Außenprüfung festgestellte Tatsachen mithin auch dann verwertbar, wenn sie durch Prüfungshandlungen aufgedeckt wurden, die nicht auf einer (wirksamen) Prüfungsanordnung beruhen (BFH-Urteil in BFHE 184, 255, 263, BStBl II 1998, 461, 466; vgl. auch Tipke in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 196 AO Tz. 37; Gosch in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 196 AO Rz. 143; Ruban, DStZ 1998, 354, 355).

b) Im Streitfall war zu Beginn der Prüfung gegenüber B noch kein Feststellungsbescheid i.S. des § 18 AStG ergangen. Die Prüfung diente mithin der erstmaligen Durchführung eines entsprechenden Feststellungsverfahrens. Dass es im Verlauf der Prüfung zu schweren Verstößen gegen das Verfahrensrecht gekommen wäre, ist weder von der Klägerin geltend gemacht worden noch sonst erkennbar. Deshalb dürfen die Prüfungsfeststellungen selbst dann, wenn sie nicht von einer ausreichenden Prüfungsanordnung getragen wurden, im Besteuerungsverfahren verwertet werden. Dass im Verlauf der Prüfung ein Steuerbescheid erlassen worden und die Prüfung anschließend fortgesetzt worden ist, ändert daran nichts. Angesichts dessen muss die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die vom FA erlassene Prüfungsanordnung sich mit hinreichender Deutlichkeit auf das Feststellungsverfahren nach § 18 AStG bezieht oder nicht, hier nicht abschließend erörtert werden.

3. Das FG hat den angefochtenen Bescheid gleichwohl für rechtswidrig gehalten und dazu ausgeführt, der voraufgegangene Feststellungsbescheid vom habe keinen wirksamen Vorbehalt der Nachprüfung enthalten und deshalb nicht nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geändert werden dürfen. Diese Beurteilung wird von den bislang getroffenen tatrichterlichen Feststellungen nicht getragen.

a) Nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 können Steuern unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden. Der Vorbehalt entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO 1977). Solange er wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung geändert werden (§ 164 Abs. 2 AO 1977), ohne dass es dafür weiterer Voraussetzungen bedarf.

b) Im Streitfall ist der Bescheid vom nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen. Zwar enthält nach den Feststellungen des FG die in den Steuerakten befindliche Ausfertigung des Bescheids einen entsprechenden Vorbehaltsvermerk. In dem der Klägerin bekannt gegebenen Bescheid ist dieser Vermerk aber nicht enthalten. Allein darauf kommt es bei der Bestimmung des Bescheidinhalts an (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977).

c) Nach § 129 Satz 1 AO 1977 kann die Finanzbehörde jedoch offenbare Unrichtigkeiten, die bei dem Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt u.a. dann vor, wenn in einem Steuerbescheid die von der Behörde beabsichtigte Anordnung eines Nachprüfungsvorbehalts versehentlich unterblieben ist. Das wiederum ist regelmäßig anzunehmen, wenn ein in der Aktenverfügung enthaltener Vorbehaltsvermerk nicht in den bekannt zu gebenden Bescheid übernommen wurde (, BFH/NV 1990, 205; vom III R 2/97, BFHE 187, 148, BStBl II 1999, 62). Sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieses Vorgehen auf einer bewussten Entscheidung des den Bescheid erstellenden Bearbeiters beruht, kann deshalb die Anordnung des Vorbehalts im Wege der Berichtigung nachgeholt werden. Dass der unterlaufene Fehler aus dem bekannt gegebenen Bescheid selbst ersichtlich ist, verlangt § 129 Satz 1 AO 1977 nicht (BFH-Urteile in BFH/NV 1990, 205, und in BFHE 187, 148, BStBl II 1999, 62; vom VIII R 46/83, BFHE 149, 478, BStBl II 1987, 588; vom IX R 156/84, BFH/NV 1988, 277; vom X R 37/99, BFHE 203, 14, BStBl II 2003, 867; Senatsurteil vom I R 20/02, BFH/NV 2003, 1139, jeweils m.w.N.).

d) Im Streitfall durfte deshalb die Anordnung des Nachprüfungsvorbehalts gemäß § 129 Satz 1 AO 1977 nachgeholt werden, wenn sich erstens der vom FG festgestellte Vorbehaltsvermerk schon im Zeitpunkt des Bescheiderlasses in der Aktenverfügung befand und zweitens nicht erkennbar ist, dass die Abweichung zwischen bekannt gegebenem Bescheid und Aktenverfügung auf einer tatsächlichen oder rechtlichen Überlegung des seinerzeit handelnden Finanzbeamten beruhte. Ersteres hat die Klägerin bestritten; weder hierzu noch zu den Gründen für eine etwa vorhandene Abweichung zwischen beiden Ausfertigungen des Bescheids hat das FG indessen Feststellungen getroffen. Es ist deshalb möglich, dass die Voraussetzungen des § 129 Satz 1 AO 1977 hier vorliegen.

e) War dies der Fall, so war das FA nicht gehalten, zunächst den ursprünglichen Bescheid förmlich nach § 129 Satz 1 AO 1977 zu berichtigen und erst anschließend den —nunmehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden— Bescheid nach § 164 Abs. 2 AO 1977 zu ändern. Vielmehr kann, wenn die Anordnung des Nachprüfungsvorbehalts unterblieben ist und insoweit die Voraussetzungen des § 129 Satz 1 AO 1977 vorliegen, der versehentlich ohne Nachprüfungsvorbehalt erlassene Bescheid unmittelbar nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geändert werden (Senatsurteil vom I R 83/94, BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509). Diese Änderung schließt dann die Wahrnehmung der Berichtigungsmöglichkeit ein.

Das alles gilt auch dann, wenn —wie im Streitfall— dem FA beim Erlass des Änderungsbescheids nicht bekannt war, dass in dem ursprünglichen Bescheid die Anordnung des Nachprüfungsvorbehalts fehlte. Denn die rechtlich vorgeschaltete Berichtigung des Bescheids nach § 129 AO 1977 (vgl. dazu , BFHE 156, 59, BStBl II 1989, 531, 533) ist nur ein Element der Begründung des Änderungsbescheids, die ggf. nachträglich gegeben werden kann (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977). Soweit dem FA hinsichtlich der Berichtigung ein Ermessen eingeräumt ist, kann dieses bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens gegen den Änderungsbescheid ausgeübt werden (Senatsurteil in BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509). In dieser Weise ist das FA nach den Feststellungen des FG im Streitfall verfahren.

f) Entgegen der Ansicht des FG scheitern die Wahrnehmung der Berichtigungsmöglichkeit und die darauf gestützte Bescheidänderung nach § 164 Abs. 2 AO 1977 nicht am Ablauf der Feststellungsfrist. Zwar sind, wenn diese Frist abgelaufen ist, weder eine Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder deren Änderung (§ 181 Abs. 1 i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) noch eine Berichtigung nach § 129 AO 1977 zulässig (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Jedoch war bei Ergehen der Einspruchsentscheidung, in der sich das FA auf die Berichtigungsmöglichkeit berufen hat, die maßgebliche Feststellungsfrist nicht verstrichen.

aa) Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 gelten für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, um die es im Streitfall geht, die Vorschriften über die Besteuerung sinngemäß. Dazu zählen namentlich die Regelungen über die Festsetzungsfrist (§§ 169 ff. AO 1977).

bb) Nach § 170 Abs. 1 AO 1977 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die festzusetzende Steuer entstanden ist. Im Streitfall wurde jedoch der Beginn der Feststellungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 um drei Jahre herausgeschoben, da nach den Feststellungen des FG weder B noch die Klägerin für das Streitjahr eine Erklärung zur Feststellung nach § 18 AStG abgegeben haben. Im Ergebnis begann die hier maßgebliche Feststellungsfrist mithin mit Ablauf des Jahres 1993.

cc) Nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 beträgt die Festsetzungsfrist, abgesehen von den hier nicht einschlägigen Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977, grundsätzlich vier Jahre. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 sieht zwar längere Festsetzungsfristen für diejenigen Fälle vor, in denen eine Steuer vorsätzlich oder leichtfertig verkürzt wurde. Eine Steuerverkürzung in diesem Sinne hat das FG jedoch nicht festgestellt. Soweit das FA sich in der Revisionsbegründung auf eine Steuerverkürzung seitens des B beruft, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann. Deshalb ist in diesem Verfahren davon auszugehen, dass die Feststellungsfrist ohne das Hinzutreten weiterer Umstände mit Ablauf des Jahres 1997 geendet hätte. Diese Frist hat das FA bei dem Erlass des angefochtenen Bescheids, der nach den Feststellungen des FG am ergangen ist, gewahrt.

dd) Der Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid führte nach § 171 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 AO 1977 in der —hier maßgeblichen— Fassung vor der Geltung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) vom (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) zu einer weiteren Hemmung des Fristablaufs: Nach der genannten Vorschrift läuft im Fall der Anfechtung eines Steuerbescheids die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bis über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist. Das gilt unabhängig davon, ob der Bescheid rechtmäßig oder rechtswidrig ist (, BFHE 193, 505, BStBl II 2001, 218, 221). Die demnach eingetretene Ablaufhemmung dauert im Streitfall, da das von der Klägerin eingeleitete Rechtsbehelfsverfahren nach wie vor nicht abgeschlossen ist, weiterhin an. Erst recht war dies im Zeitpunkt des Ergehens der Einspruchsentscheidung der Fall. Die in jener Entscheidung ausgesprochene Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO 1977 ist folglich innerhalb der Feststellungsfrist und damit rechtzeitig erfolgt.

ee) Entgegen der Ansicht des FG ergibt sich keine abweichende Rechtsfolge daraus, dass die Klägerin mit ihrem Einspruch gegen den Änderungsbescheid nur eine Herabsetzung der Steuer, nicht aber eine Berichtigung des Bescheids nach § 129 AO 1977 angestrebt hat. Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass § 171 Abs. 3a AO 1977 in der heute geltenden Fassung im Streitfall nicht einschlägig ist, da diese Vorschrift erst durch das StBereinG 1999 in die AO 1977 eingefügt wurde und nur Vorgänge aus der Zeit nach Verkündung jenes Gesetzes erfasst (Art. 28 Abs. 2 StBereinG 1999). Richtig ist auch, dass nach der Gesetzesfassung vor In-Kraft-Treten der Neuregelung (§ 171 Abs. 3 AO 1977 a.F.) ein Rechtsbehelf gegen einen Steuerbescheid den Ablauf der Festsetzungsfrist —und damit auch der Feststellungsfrist— nicht in vollem Umfang, sondern nur im Rahmen des gestellten Antrags hemmte. Deshalb war, wenn der Rechtsbehelf auf eine Herabsetzung der Steuer gerichtet war, eine Erhöhung der Steuer nach Ablauf der Festsetzungsfrist unzulässig (Senatsurteil vom I R 112/97, BFHE 186, 496, BStBl II 1999, 123; Hartmann in Beermann/Gosch, a.a.O., AO § 171 Rz. 31, m.w.N.). Um eine solche Gestaltung geht es aber im Streitfall nicht.

Denn das FA hat in der Einspruchsentscheidung nicht höhere Besteuerungsgrundlagen als in dem angefochtenen (Änderungs-)Bescheid festgestellt. Es hat vielmehr die in jenem Bescheid enthaltenen Feststellungen bestätigt und durch die zugleich vorgenommene Berichtigung lediglich eine neue verfahrensrechtliche Grundlage für die vorgenommene Änderung geschaffen. Die Höhe des geltend gemachten Steueranspruchs wurde hierdurch nicht berührt. Ebenso hat das FA nicht, worin eine nach damaligem Recht unzulässige „Verböserung” hätte liegen können (vgl. dazu , BFHE 130, 370, BStBl II 1980, 527, 528; vom IV R 168-170/79, BFHE 132, 5, BStBl II 1981, 150), die angefochtenen Feststellungen nachträglich mit einer Nebenbestimmung versehen und sich so eine weitere Erhöhung der Steuer vorbehalten; insoweit blieb es vielmehr bei der zwischenzeitlich —im Bescheid vom — verfügten Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts. Im Ergebnis wurde die Rechtsposition der Klägerin, verglichen mit derjenigen nach Ergehen des angefochtenen Bescheids, durch die Einspruchsentscheidung mithin nicht verändert. Die Einspruchsentscheidung bewegte sich damit innerhalb des „Streitprogramms”, das durch den angefochtenen Bescheid einerseits und das Begehren der Klägerin andererseits abgesteckt war. Innerhalb des so gezogenen Rahmens war aber die Feststellungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO 1977 a.F. gehemmt (vgl. dazu auch BFH-Urteil in BFHE 193, 505, BStBl II 2001, 218, 221) und damit für die Berichtigung gemäß § 129 Satz 1 AO 1977 Raum.

ff) Der Senat vermag schließlich nicht der Ansicht der Klägerin zu folgen, dass eine Hemmung des Ablaufs der Feststellungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO 1977 a.F. deshalb ausscheide, weil der —ohne Vorbehalt der Nachprüfung ergangene— ursprüngliche Feststellungsbescheid (vom ) nicht angefochten worden sei. Denn die Regelungen über die Festsetzungsfrist, an die § 169 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 die zeitliche Begrenzung der Berichtigungsmöglichkeit anknüpft, beziehen sich immer auf den gesamten Steueranspruch (vgl. auch § 47 AO 1977). Sie sind nicht in dem Sinne „bescheidbezogen” anzuwenden, dass hinsichtlich jedes einzelnen Steuerbescheids eine eigenständige Festsetzungsfrist läuft, für die das Vorliegen von Hemmungs- oder Unterbrechungstatbeständen gesondert zu prüfen ist. Dass ein bestimmter Bescheid nicht angefochten worden und deshalb insoweit keine Ablaufhemmung eingetreten ist, kann daher weder zu einem vollständigen noch zu einem teilweisen Fristablauf führen, solange —wie im Streitfall— hinsichtlich der betreffenden Steuer andere Gründe für eine Ablaufhemmung vorliegen. So lange kann die Finanzbehörde deshalb auch alle einschlägigen Bescheide nach § 129 Satz 1 AO 1977 berichtigen.

4. Im Ergebnis hängt die verfahrensrechtliche Beurteilung des angefochtenen Bescheids mithin zunächst davon ab, ob der voraufgegangene, ohne Vorbehalt der Nachprüfung erlassene Bescheid in diesem Punkt eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 Satz 1 AO 1977 aufweist. Das kann anhand der bislang getroffenen tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Diese Feststellungen können in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden, weshalb die Sache an das FG zurückverwiesen wird.

Zum weiteren Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das FA die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Richtigkeit seines Vortrags trägt, die Aufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung in den Bescheid vom sei versehentlich unterblieben. Sofern dem FA dieser Nachweis gelingen sollte, wird das FG zudem über die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheids befinden müssen. Sollte es dagegen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung des ursprünglichen Bescheids nicht vorliegen, könnte zwar eine Änderung dieses Bescheids nicht auf § 164 Abs. 2 AO 1977 gestützt werden. In diesem Fall wäre aber zu prüfen, ob im Streitfall § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 eingreift.

Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 400
AO-StB 2006 S. 112 Nr. 5
BB 2006 S. 818 Nr. 15
BB 2006 S. 982 Nr. 18
BFH/NV 2006 S. 992 Nr. 5
BStBl II 2006 S. 400 Nr. 9
DStRE 2006 S. 686 Nr. 11
DStZ 2006 S. 283 Nr. 9
GStB 2006 S. 17 Nr. 5
GStB 2006 S. 17 Nr. 5
HFR 2006 S. 555 Nr. 6
INF 2006 S. 321 Nr. 9
KÖSDI 2006 S. 15081 Nr. 5
NWB-EN Nr. 376/2006 (Berichtigung eines geänderten Steuerbescheids im Einspruchsverfahren gegen den Änderungsbescheid)
NWB-Eilnachricht Nr. 14/2006 S. 1089
NWB-Eilnachricht Nr. 52/2007 S. 4745
SJ 2006 S. 10 Nr. 9
StB 2006 S. 165 Nr. 5
StBW 2006 S. 5 Nr. 8
StBp. 2006 S. 166 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 9/2006 S. 365
WPg 2006 S. 622 Nr. 9
FAAAB-80863