BFH Beschluss v. - VII B 62/05

Tarifierung von Vitamin E-Kapseln und Johanniskraut-Dragees; Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache in Zolltarifsachen

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, KN Pos. 3004

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Oberfinanzdirektion —OFD—) hatte der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) im Jahr 2000 zwei verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) für Kapseln mit Vitamin-E-Konzentrat sowie für Dragees mit Johanniskrautextrakt erteilt, deren Zusammensetzung, Aufmachung und Verpackung das Finanzgericht (FG) in seinem angefochtenen Urteil im Einzelnen beschrieben hat. Die den Erzeugnissen beigefügte Gebrauchsinformation enthielt unter der Rubrik „Anwendungsgebiete” folgende Angaben: „Zur Leistungssteigerung” (Gebrauchsinformation der Vitamin-E-Kapseln) bzw. „Traditionell angewendet zur Besserung des Befindens bei nervlicher Belastung. Diese Angabe beruht ausschließlich auf Überlieferung und langjähriger Erfahrung” (Gebrauchsinformation der Johanniskraut-Dragees). Die vZTA bestätigten die von der Klägerin gewünschte Einreihung beider Produkte in die Pos. 3004 der Kombinierten Nomenklatur (KN).

Mit Verfügung vom widerrief die OFD die beiden vZTA und teilte dazu der Klägerin mit, dass die vZTA nach Art. 12 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex —ZK—) mit Ablauf des unwirksam geworden seien, da die Waren nicht den Voraussetzungen der Einreihung in die Pos. 3004 KN nach der Zusätzlichen Anmerkung 1 zu Kap. 30 KN (Zusätzliche Anmerkung 1) genügten. Diese Zusätzliche Anmerkung 1 war mit der am in Kraft getretenen VO (EG) Nr. 1777/2001 (VO Nr. 1777/2001) der Kommission vom zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 240/4) in die KN eingefügt worden und enthielt eine Liste ergänzender Kriterien, die Waren erfüllen müssen, um in die Pos. 3004 KN eingereiht zu werden.

Das FG hat die nach erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren dagegen erhobene Klage abgewiesen. Zur Begründung führte es u.a. aus, dass die streitbefangenen vZTA nach In-Kraft-Treten der Zusätzlichen Anmerkung 1 nicht mehr hätten ergehen dürfen. Weder das Etikett, noch die Verpackung noch der Beipackzettel enthielten die nach der Zusätzlichen Anmerkung 1 Buchst. a geforderten Angaben zu den spezifischen Krankheiten, Leiden oder deren Symptomen, bei denen diese Erzeugnisse verwendet werden oder vor denen sie schützen sollten. Die in der Gebrauchsinformation enthaltenen Angaben zu Wirkungen und Einsatzgebieten der Erzeugnisse seien lediglich allgemeiner Natur. Sie ließen keinen spezifischen Einsatzzweck erkennen und deuteten darauf hin, dass die Produkte keine besondere therapeutische oder prophylaktische Wirkung hätten, sondern allein der Gesunderhaltung bzw. dem Erhalt des Wohlbefindens dienten. Das gelte auch, soweit in dem Beipackzettel der Johanniskraut-Dragees ausgeführt werde, dass Johanniskraut gerade in Situationen, in denen einen der Alltag besonders fordere, wie beispielsweise bei Prüfungen, Terminen und Leistungsdruck, helfen könne, Symptomen wie Abgeschlagenheit, Gereiztheit und Einschlafschwierigkeiten zu begegnen. Das lasse noch keine besonderen Krankheiten oder Leiden erkennen, sondern weise nur auf allgemeine Lebensumstände hin, die die Einkehr von innerer Ruhe und Gelassenheit wünschenswert erscheinen ließen. Krankheiten und Leiden, die mit Arzneimitteln der Pos. 3004 KN kuriert werden sollten, setzten stärkere als die im Beipackzettel genannten Beeinträchtigungen voraus.

Die VO Nr. 1777/2001, mit der die Zusätzliche Anmerkung 1 in die KN eingefügt worden sei, verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Sie beruhe u.a. auf Art. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 (VO Nr. 2658/87) des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABlEG Nr. L 256/1), der die Kommission in Abs. 1 Buchst. a ausdrücklich zu bestimmten Änderungen der KN ermächtige. Dazu gehöre das Einfügen zusätzlicher Anmerkungen, soweit diese auf eine Klarstellung bzw. eine Konkretisierung einer Tarifposition hinausliefen, ohne diese Tarifposition selbst zu verändern. Die Zusätzliche Anmerkung 1 verändere die sich aus dem Abkommen über das Harmonisierte System (ABlEG 1987 Nr. L 198) ergebende Tarifposition nicht, denn das Harmonisierte System (HS) enthalte selbst keine Vorgaben zur Feststellung des therapeutischen oder prophylaktischen Zwecks von Arzneiwaren des Kap. 30 und erlaube folglich eine Reihe von Abgrenzungsmerkmalen, wie insbesondere die Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zur Pos. 3004 zeigten.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, die sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe jedenfalls nicht vorliegen.

1. Der Rechtssache kommt die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zu.

Geht es in einer Zolltarifsache allein darum, ob eine von der Zollverwaltung erteilte vZTA die betreffende Ware zutreffend in den Zolltarif (HS oder KN) eingereiht hat oder ob die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers die richtige ist, beschränkt sich also die Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen soll, auf die Frage der zutreffenden Tarifierung, so kommt, wie der Senat in seinem Beschluss vom VII B 136/01 (BFHE 198, 242) eingehend ausgeführt hat, der Klärungsbedürftigkeit der Tarifierungsfrage und ihrer ausreichenden Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) entscheidende Bedeutung zu. Hat das FG die Tarifauffassung der Zollverwaltung bestätigt, muss der Beschwerdeführer unter Heranziehung der zu dieser Frage ggf. vorhandenen Literatur und Rechtsprechung der europäischen und der nationalen Gerichte sowie der einschlägigen Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.), ggf. auch unter Vorlage abweichender vZTA aus anderen Mitgliedstaaten, Zweifel an dieser Einreihung der Ware erwecken und aufzeigen, aus welchen Gründen seiner abweichenden Tarifauffassung möglicherweise der Vorzug vor der in der vZTA zugrunde gelegten Tarifauffassung gegeben werden könnte. Gewisse Mindestdarlegungen in dieser Richtung sind auch deswegen unabdingbar, um dem Bundesfinanzhof (BFH) als Beschwerdegericht die Prüfung der Frage zu ermöglichen, ob sich ggf. Auslegungszweifel oder Gültigkeitsbedenken in Bezug auf das anzuwendende gemeinschaftliche Zolltarifrecht ergeben könnten, die zur Zulassung der Revision schon deshalb zwängen, weil im Revisionsverfahren voraussichtlich eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft einzuholen wäre.

Diese Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache gelten auch im Streitfall, in dem es um den Widerruf einer vZTA wegen einer (angeblichen) Änderung der Tariflage geht. Es kann jedoch dahinstehen, ob die Klägerin ihrer Darlegungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist, denn die aufgeworfene Tarifierungsfrage ist nach Auffassung des Senats nicht klärungsbedürftig, weil sie eindeutig so zu entscheiden ist, wie die OFD und das FG es getan haben. Der Vortrag der Klägerin ist jedenfalls nicht geeignet, hieran Zweifel zu erwecken.

a) Das FG hat in seiner Entscheidung ausführlich —und nach Ansicht des Senats überzeugend— unter Hinweis auf den Wortlaut der Zusätzlichen Anmerkung 1 und den im 6. Erwägungsgrund der VO Nr. 1777/2001 zum Ausdruck kommenden Willen des Verordnungsgebers begründet, dass und weshalb die Voraussetzungen der Zusätzlichen Anmerkung 1 in jedem Fall erfüllt sein müssen, damit eine Ware in die Pos. 3004 KN eingereiht werden kann. Dem setzt die Klägerin, ohne sich mit der vom FG gegebenen Begründung auseinander zu setzen, lediglich ihre eigene Rechtsansicht entgegen, derzufolge die in der Zusätzlichen Anmerkung 1 enthaltenen Kriterien lediglich beispielhaft und nur bei Zweifeln an der zutreffenden Einreihung einer Ware anzuwenden seien. Dazu behauptet sie, dass im Streitfall Einreihungszweifel nicht beständen. Der Hinweis auf die Auffassung von Reimer (Zur zolltariflichen Abgrenzung zwischen „Arzneiwaren” und „Nahrungsergänzungsmitteln”, Lebensmittel und Recht 2004, 33, 36) ist wenig ergiebig, weil dieser seine Auffassung kaum begründet. Aus dem Urteil des Senats vom VII R 58/02 (BFHE 204, 375) ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, dass er der Zusätzlichen Anmerkung 1 lediglich in Zweifelsfällen verbindliche Wirkung zukommen lassen will. Abgesehen davon trifft die Annahme der Klägerin nicht zu, wonach nach der Rechtsprechung des EuGH Produkte der hier in Rede stehenden Art vor In-Kraft-Treten der Zusätzlichen Anmerkung 1 zweifelsfrei der Pos. 3004 KN zuzuordnen waren und mithin Einreihungszweifel nicht bestanden (näher dazu unten d, bb). Selbst wenn Johanniskraut-Dragees nicht als Lebensmittelzubereitung i.S. der Pos. 2106 KN anzusehen wären, würde das nicht den Umkehrschluss rechtfertigen, dass sie statt dessen in die Pos. 3004 KN einzureihen sind.

b) Die Frage, ob die Pos. 3004 KN nach der Klarstellung durch die Zusätzliche Anmerkung 1 nur Arzneimittel gegen bestimmte, besonders schwere Leiden und Krankheiten erfasst, ist im konkreten Fall nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsfähig. Die Klägerin hat nach den Feststellungen des FG keine spezifische Indikation für den Einsatz ihrer Produkte angegeben, sondern ihre Erzeugnisse unter der Rubrik Anwendungsgebiete allgemein und unspezifisch „zur Leistungssteigerung” bzw. „zur Besserung des Befindens bei nervlicher Belastung” empfohlen. Dass damit keine spezifischen Krankheiten, Leiden oder deren Symptome benannt werden, bedarf keiner Erörterung. In dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren ließe sich daher nicht klären, ob ein Mittel, das nach den Angaben auf dem Etikett, der Verpackung oder dem Beipackzettel speziell gegen Abgeschlagenheit, Gereiztheit und Einschlafschwierigkeiten bzw. gegen bestimmte Arten von Zellschädigungen oder Durchblutungsstörungen eingesetzt werden soll, die Voraussetzungen der Zusätzlichen Anmerkung 1 erfüllt und folglich in die Pos. 3004 KN einzureihen wäre.

Der Ansatz der Klägerin, die offenbar meint, aus der im Beipackzettel enthaltenen allgemeinen Wiedergabe positiver Eigenschaften und Wirkungen des Vitamin E bzw. aus allgemeinen Erörterungen über Stressfaktoren, mögliche körperliche Auswirkungen von Stress und ihrer Verknüpfung mit traditionellen Einsatzgebieten des Johanniskrauts die von der Zusätzlichen Anmerkung 1 Buchst. a geforderte Angabe einer spezifischen Indikation herleiten zu können, geht fehl. Allgemeine Angaben über Einsatzgebiete und Wirkungsmechanismen der eingesetzten Stoffe, wie sie im Streitfall vorliegen, sind nicht spezifisch auf das konkrete Produkt bezogen. Sie wecken beim Anwender allenfalls die vage Hoffnung, dass ein Einsatz des Produkts unter den genannten Bedingungen oder Lebensumständen nützlich sein könnte. Im Streitfall werden sie außerdem durch die konkret produktbezogenen Aussagen zu den jeweiligen Anwendungsgebieten der Erzeugnisse relativiert und entwertet. Die dort vorhandenen Angaben deuten auf ein nahezu unbeschränktes, jedenfalls nicht näher konturiertes Einsatzgebiet der Erzeugnisse hin. Damit soll offenbar der Markt in Bezug auf alle allgemein an der Erhaltung der Gesundheit und des Wohlbefindens interessierten Personen erschlossen werden. Das steht einer Zweckbestimmung als Arzneimittel gegen spezifische Krankheiten oder Leiden entgegen.

c) Ebenfalls nicht klärungsfähig ist die Frage, mit welcher Präzision auf dem Etikett, der Verpackung oder dem Beipackzettel die Symptome oder Krankheiten zu benennen sind, gegen die das Arzneimittel zum Einsatz kommen soll. Abgesehen davon, dass der Senat bereits Zweifel hat, ob diese Frage überhaupt einer allgemeingültigen Klärung zugänglich ist, bietet der Streitfall keinen Anlass, sich damit näher zu befassen, weil mit den Angaben zum Anwendungsgebiet der streitbefangenen Produkte auch nicht annähernd spezifische Krankheiten, Leiden oder deren Symptome benannt werden.

d) Schließlich trifft nicht zu, dass die Zusätzliche Anmerkung 1 unter Verstoß gegen höherrangiges Recht, namentlich gegen Art. 9 Abs. 2 VO Nr. 2658/87 bzw. gegen das Abkommen über das Harmonisierte System, die betroffene Tarifposition materiell ändert und dass deshalb Zweifel an der Gültigkeit der VO Nr. 1777/2001 bestehen. Den Ausführungen der Klägerin liegt die Prämisse zugrunde, dass Produkte, die nach der früheren Rechtsprechung des EuGH zweifelsfrei der Pos. 3004 KN zuzuweisen waren, nunmehr durch die Zusätzliche Anmerkung 1 hiervon ausgeschlossen würden. Sie behauptet außerdem, dass Gleiches für die streitbefangenen Produkte gelte. Diese Prämissen treffen indes nicht zu.

aa) Soweit die Klägerin ihre Ansicht damit begründen möchte, dass die Vitamin-C-Präparate, zu denen das —Glob-Sped— (EuGHE 1998, I-8357) ergangen ist, nach In-Kraft-Treten der Zusätzlichen Anmerkung 1 anders zu tarifieren seien und dass bereits dadurch belegt werde, dass die VO Nr. 1777/2001 Zolltarifpositionen materiell ändere, ist dies nicht nachvollziehbar. Diese Produkte dürften auch die Anforderungen der Zusätzlichen Anmerkung 1 für die Einreihung in die Pos. 3004 KN erfüllen, denn sie enthielten auf Verpackung und Beipackzettel entsprechende Angaben über die Art der Beschwerden, gegen die sie gebraucht werden sollen, ihre Anwendungsweise und die jeweils zu verabreichende Menge. Darauf hat der EuGH in Rn. 31 seines Urteils ausdrücklich hingewiesen.

bb) Die Klägerin geht ebenfalls fehl, wenn sie behauptet, die streitgegenständlichen Erzeugnisse seien vor In-Kraft-Treten der VO Nr. 1777/2001 zweifelsfrei der Pos. 3004 KN zuzuweisen gewesen. Sie liefert zwar umfangreiche Rechtsprechungsnachweise, wertet aber die Rechtsprechung nur unvollständig aus und ignoriert die ihrer Rechtsauffassung entgegenstehenden Passagen der angegebenen Entscheidungen ebenso wie den Wortlaut der Pos. 3004 KN und die ErlHS, die nach der Rechtsprechung des EuGH ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. —LTM—, EuGHE 1997, I-6147 Rn. 17, und in EuGHE 1998, I-8357 Rn. 26).

Die Klägerin meint offenbar, dass allein die von ihr behauptete objektive Eignung der streitgegenständlichen Erzeugnisse zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken vor In-Kraft-Treten der VO Nr. 1777/2001 ausreichte, um die Waren der Pos. 3004 KN zuzuweisen. Das ist jedoch nicht der Fall. Schon der Wortlaut der Pos. 3004 KN deutet darauf hin, dass es für die Einreihung nicht nur auf die unmittelbaren objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware selbst, sondern zusätzlich auf einen bestimmten Verwendungszweck ankommt. Die Pos. 3004 KN erfasst nämlich nur „Arzneiwaren [...], die aus [...] Erzeugnissen zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken bestehen”. Dieser Befund wird durch die ErlHS bestätigt, die an verschiedenen Stellen auf den beabsichtigten Gebrauch der Erzeugnisse zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken abstellen (ErlHS Pos. 3004 Nr. 02.0 (02.1), 04.0, 06.0, 07.0). Für die Berücksichtigung des Verwendungszwecks sprechen weiter die Hinweise der ErlHS zur Abgrenzung von Arzneiwaren der Pos. 3004 KN zu Lebensmitteln, Lebensmittelzubereitungen und Getränken (ErlHS Pos. 3004 Nr. 18.0 (18.1) bis 20.0). Speziell ErlHS Pos. 3004 Nr. 4.0 und Nr. 20.0 nennen ausdrücklich die Aufmachung der Erzeugnisse und das Vorhandensein von Angaben über die Verhütung oder Behandlung einer Krankheit als Einreihungskriterium. Sie tragen damit dem Gedanken Rechnung, dass auch der Verwendungszweck einer Ware ein objektives Tarifierungskriterium sein kann, wenn er der Ware innewohnt und sich aus Kriterien ergibt, deren Vorliegen im Zeitpunkt der Verzollung nachgeprüft werden kann (vgl.  38/76, EuGHE 1976, 2027; vom Rs. C-309/98 —Holz Geenen—, EuGHE 2000, I-1975; Senatsurteil vom VII R 42/98, BFHE 190, 501).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin angeführten Entscheidungen des EuGH. Zwar beschäftigen sich diese Entscheidungen in erster Linie mit der objektiven Eignung der dort in Rede stehenden Erzeugnisse zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken, doch hat der EuGH nicht entschieden, dass bei der Prüfung, ob eine Ware in die Pos. 3004 KN eingereiht werden kann, die Aufmachung, Verpackung und der sich daraus ergebende Verwendungszweck der Ware nicht zu berücksichtigen ist. Stattdessen geht aus den meisten einschlägigen Entscheidungen hervor, dass den Waren die erforderlichen Angaben zur Indikation beigefügt waren. Das zeigt, dass der EuGH ihnen durchaus Bedeutung beigemessen hat (vgl. —Bioforce I—, EuGHE 1993, I-45 Rn. 2; vom Rs. C-405/95 —Bioforce II—, EuGHE 1997, I-2581 Rn. 15; in der Rechtssache Glob-Sped, EuGHE 1998, I-8357 Rn. 31). Der EuGH hat sich auf die Angaben im Beipackzettel bzw. die Art und Weise, wie das Erzeugnis angeboten wurde, auch gestützt um zu begründen, weshalb ein Erzeugnis nicht als Arzneiware i.S. der Pos. 3004 KN angesehen werden konnte (EuGH-Urteile in EuGHE 1997, I-6147 Rn. 42 f.; vom Rs. C-270/96 —Sarget—, EuGHE 1998, I-1121 Rn. 47).

Alles dies spricht dafür, dass die Kommission mit dem Erlass der VO Nr. 1777/2001 das ihr für Klarstellungen an der KN eingeräumte Ermessen nicht überschritten hat. Jedenfalls kann der Vortrag der Klägerin keine Zweifel an der Gültigkeit der VO Nr. 1777/2001 erwecken.

2. Eine Entscheidung des BFH ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO). Eine Divergenz zu dem vor In-Kraft-Treten der Zusätzlichen Anmerkung 1 ergangenen (Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 2000, 245), die eine Entscheidung des BFH erforderlich machen würde, besteht ebenso wenig wie eine Abweichung von dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Glob-Sped, EuGHE 1998, I-8357.

Bezüglich der Ansicht des FG München, dass das dortige Erzeugnis bereits wegen seiner objektiven Eignung als Arzneimittel in die Pos. 3004 KN einzureihen sei, weil es dosiert war und es deshalb auf Angaben zu den Anwendungsgebieten des Produkts nicht ankomme, ist bereits durch die Zusätzliche Anmerkung 1 klargestellt worden, dass dies jedenfalls bei Erzeugnissen nicht gilt, die für den Einzelverkauf aufgemacht sind. Die Zusätzliche Anmerkung 1 hat insoweit bei unveränderter Tariflage (vgl. Senatsurteil in BFHE 204, 375) etwaige noch bestehende Einreihungszweifel geklärt, so dass es künftig zu finanzgerichtlichen Entscheidungen nicht mehr kommen kann, die allein die objektive Eignung als Arzneimittel zur Einreihung einer Ware in die Pos. 3004 KN ausreichen lassen. Es bedarf daher keiner Entscheidung des BFH mehr.

3. Da der Senat nach alledem keine Zweifel an der Auslegung oder der Gültigkeit des einschlägigen Gemeinschaftsrechts hat, ist ein Revisionsverfahren auch nicht zur Einholung der von der Klägerin erstrebten Vorabentscheidung des EuGH erforderlich. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht in solchen Fällen nämlich nicht (vgl.  283/81 —C.I.L.F.I.T.—, EuGHE 1982, 3415 Rn. 16).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 985 Nr. 5
QAAAB-80855