BFH Beschluss v. - III B 147/05

Schlüssige Darlegung eines Verfahrensmangels; Hinweis auf die Abweichung von einem Beweisbeschluss

Gesetze: FGO § 76, FGO § 96 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) von der Darstellung des Sachverhalts ab.

Die Beschwerde ist unbegründet. Sie wird gemäß § 132 FGO zurückgewiesen.

1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) macht sinngemäß mangelnde Sachaufklärung durch das Finanzgericht (FG) geltend, weil es ihren, der Klägerin, Beweisanträgen zur Einreichung des Prüfungszeugnisses ihrer Tochter vor dem nicht gefolgt sei. Die Rüge genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Zur „Darlegung” des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrags i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört auch der Vortrag, dass der Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten bzw. wiederholt oder die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war. Denn bei dem Übergehen eines Beweisantrags handelt es sich um einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, auf deren Einhaltung gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung verzichtet werden kann (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom III B 94/00, BFH/NV 2001, 1036).

Die Klägerin, die in der mündlichen Verhandlung vor dem FG bereits durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten war, hat nicht dargelegt, weshalb sie bzw. ihr Bevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung nicht auf der schriftsätzlich beantragten Beweiserhebung bestanden habe oder weshalb dies nicht möglich gewesen sei. Das Erfordernis entsprechender Darlegungen gilt auch dann, wenn das FG bereits einen Beweisbeschluss erlassen hat (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VII B 332/98, BFH/NV 2000, 75, und vom XI B 210/01, juris). Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom ergibt sich im Übrigen nicht, dass der Prozessbevollmächtigte die schriftsätzlich gestellten Beweisanträge zur Einreichung des Abschlusszeugnisses der Tochter der Klägerin bei der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) vor dem wiederholt hat. Er hatte lediglich beantragt, darüber Beweis zu erheben, dass das Zeugnis mindestens einmal an die Familienkasse gesandt wurde. Diesem Antrag brauchte das FG nicht nachzugehen. Denn ungeklärt war lediglich der Zeitpunkt der Einreichung, nicht die Tatsache der Einreichung als solche. Das FG hat deshalb, da es bei seiner Entscheidung nicht darauf ankam, die Tatsache der Einreichung als wahr unterstellt.

2. Die Klägerin wendet ferner sinngemäß ein, das FG hätte auch ohne einen in der mündlichen Verhandlung erneut gestellten Beweisantrag die geladenen Zeugen zum Zeitpunkt der Einreichung des Prüfungszeugnisses vernehmen müssen.

Auch insofern genügt die Verfahrensrüge nicht den Darlegungsanforderungen. Dazu hätte die fachkundig vertretene Klägerin nicht nur dartun müssen, warum sich die Notwendigkeit einer Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag dem FG hätte aufdrängen müssen, sondern auch, warum sie nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat (, BFH/NV 1999, 961). Nachdem das FG in der mündlichen Verhandlung ihren Beweisantrag zur Einreichung des Abschlusszeugnisses abgelehnt hatte und —wie sich aus der Niederschrift ergibt— zur Begründung ausgeführt hatte, die Klägerin habe nicht substantiiert dargetan, zu welchem früheren Zeitpunkt das Abschlusszeugnis an die Familienkasse gesandt worden sein soll, hätte es an der Klägerin gelegen, einen detaillierten Beweisantrag hinsichtlich des Zeitpunkts der Einreichung des Zeugnisses zu stellen.

3. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unbegründet. Die Klägerin meint, das FG habe ihr Recht auf Gehör verletzt, weil es entgegen dem Beweisbeschluss vom die geladenen und zur mündlichen Verhandlung erschienen Zeugen nicht dazu vernommen habe, dass das Prüfungszeugnis mehrfach vor dem an die Familienkasse abgeschickt wurde.

Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Führt das FG eine durch einen Beweisbeschluss angeordnete Beweisaufnahme nicht oder nicht vollständig durch, kommt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nur dann in Betracht, wenn das FG die von ihm durch den Beweisbeschluss geschaffene Prozesslage nicht beseitigt. Denn durch einen Beweisbeschluss entsteht eine Verfahrenslage, auf welche die Beteiligten ihre Prozessführung einrichten dürfen. Sie können grundsätzlich davon ausgehen, dass das Urteil nicht eher ergehen wird, bis der Beweisbeschluss vollständig ausgeführt ist. Zwar ist das FG nicht verpflichtet, eine angeordnete Beweisaufnahme in vollem Umfang durchzuführen. Will es von der Beweisaufnahme absehen, muss es jedoch zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung vor Erlass des Urteils die von ihm durch den Beweisbeschluss geschaffene Prozesslage wieder beseitigen. Dazu hat es für die Beteiligten unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, dass es den Beweisbeschluss als erledigt betrachtet (, BFH/NV 2003, 343).

Aus dem Verlauf der mündlichen Verhandlung, wie er sich aus der Niederschrift vom darstellt, konnte die Klägerin mit der erforderlichen Klarheit erkennen, dass das FG an dem Beweisbeschluss vom nicht mehr festhielt. Zum einen ergibt sich dies schon daraus, dass das FG den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag in dem Sinne eng auffasste, dass er sich nur auf die Einreichung des Zeugnisses überhaupt, nicht auf den Zeitpunkt der Einreichung, bezog. Zum anderen war dies für die Klägerin hinreichend klar daraus ersichtlich, dass das FG die aufgrund des Beweisbeschlusses vom geladenen Zeugen entließ. Die Klägerin konnte unbeeinflusst von der Erwartung, es werde noch Beweis erhoben, zur Sache Stellung nehmen und hätte vor Schluss der Verhandlung eine weitere Beweiserhebung beantragen können.

Fundstelle(n):
AO-StB 2006 S. 109 Nr. 5
BFH/NV 2006 S. 968 Nr. 5
ZAAAB-80103