Umfang der richterlichen Hinweispflicht
Gesetze: FGO § 76 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) teilte dem Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt —HZA—) im November 2002 mit, dass er für bestimmte Zeiträume Stallteile und Milchkühe von B gepachtet habe und dass die in dieser Zeit erzeugten Milchmengen auf seine (des Klägers) Anlieferungs-Referenzmenge anzurechnen seien. Das HZA bat den Prüfdienst des Hauptzollamts X um Überprüfung, der nach Besichtigung der Stallanlagen mit Vermerk vom… die Ansicht vertrat, dass der Kläger nicht als Milcherzeuger angesehen werden könne, da er nicht die uneingeschränkte Dispositionsbefugnis über die zu nutzenden Produktionseinheiten erlangt habe. Das HZA schloss sich dieser Auffassung in Schreiben an den Kläger und die Molkerei an. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Soweit der Kläger beantragt hatte, seine Milcherzeugereigenschaft als Pächter während des Bestehens der Pachtverträge mit dem Verpächter B anzuerkennen, urteilte das FG, dass die in diesem Antrag zu sehende Feststellungsklage jedenfalls unbegründet sei, da der Kläger nicht als Milcherzeuger angesehen werden könne. Es sei nach den geschlossenen Verträgen nicht erkennbar, dass der Kläger die Milchwirtschaft selbständig betreibe und das wirtschaftliche Risiko trage. Die Nutzungsverträge sowohl bezüglich der Milchkühe als auch bezüglich der Stallungen sprächen für eine weitgehend beim Verpächter verbliebene Dispositionsbefugnis. Das Recht des Pächters zur Betriebsführung werde durch den zugleich mit dem Verpächter geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag, der dem Verpächter erhebliche Teile des wirtschaftlichen Risikos zuweise, relativiert. Auch seien nach den Feststellungen des Hauptzollamts X Ummeldungen bei der Berufsgenossenschaft und dem Milchkontrollverein nicht erfolgt und es stimme der Zeitraum, in dem der Kläger die Produktionseinheiten angeblich für sich genutzt habe, nicht mit den in den Verträgen angegebenen Nutzungsperioden überein, was Zweifel erwecke, ob die Verträge tatsächlich durchgeführt worden seien. Mit diesen Feststellungen habe sich der Kläger nicht substantiiert auseinander gesetzt. Er habe lediglich behauptet, dass der Verpächter die Geschäfte weisungsgebunden gegen Entgelt besorgt habe, habe dies aber nicht näher dargelegt.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, die er auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt. Das FG habe nach der Urteilsbegründung weiteren Vortrag des Klägers für erforderlich gehalten, habe es aber unterlassen, den Kläger zur Stellungnahme zu diesen vom FG für entscheidungserheblich gehaltenen Punkten aufzufordern. Damit habe das FG seine ihm nach § 76 FGO obliegende Sachaufklärungs- und Hinweispflicht verletzt.
II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt ungeachtet der Mängel in der Darlegung dieses Zulassungsgrundes (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) jedenfalls nicht vor.
Dass der Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren Beweisanträge gestellt hat, die das FG verfahrensfehlerhaft abgelehnt oder übergangen hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Ebenso wenig ergibt sich aus der Beschwerdebegründung eine Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), denn die Beschwerde macht keine Angaben zu konkreten Tatsachen, deren Aufklärung sich dem FG unter Berücksichtigung seines —insoweit maßgeblichen— Rechtsstandpunktes hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat. Vielmehr begründet die Beschwerde unter Vorlage neuer Unterlagen —was im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren nicht zulässig ist— ihre Ansicht, dass der Verpächter B lediglich weisungsgebunden gehandelt und der Kläger daher die Milch in eigener Verantwortung erzeugt habe, und wendet sich gegen die ihrer Ansicht nach insoweit unzutreffende Tatsachenwürdigung durch das FG. Damit bezeichnet sie aber keinen Verfahrensfehler, sondern wendet sich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird.
Auch hat das FG seine nach § 76 Abs. 2 FGO bestehenden Hinweispflichten nicht verletzt.
Bei den richterlichen Hinweispflichten nach § 76 Abs. 2 FGO geht es weniger um die Aufklärung von Amts wegen durch das Gericht als darum, Schutz und Hilfestellung für die Beteiligten zu geben, deren Eigenverantwortlichkeit dadurch aber nicht eingeschränkt oder gar beseitigt wird. Liegt die rechtliche Bedeutung bestimmter Tatsachen und die sich daraus ergebende Notwendigkeit, diese Tatsachen zur Erreichung des Prozessziels bei Gericht vorzubringen und zu substantiieren, auf der Hand, so stellt ein unterlassener Hinweis jedenfalls dann keine gegen § 76 Abs. 2 FGO verstoßende Pflichtverletzung dar, wenn der Kläger sachkundig vertreten ist (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 200/96, BFH/NV 1997, 693, m.w.N.).
So verhält es sich im Streitfall, denn der Kläger war im finanzgerichtlichen Verfahren sachkundig vertreten und es lag in Anbetracht der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, der insoweit maßgeblichen rechtlichen Erfordernisse und des Vermerks des Hauptzollamts X vom…über die Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse, auf den das HZA seine Auffassung stützte, auf der Hand, dass es hinsichtlich der Frage der Milcherzeugereigenschaft des Klägers darauf ankommen würde, ob er die gepachteten Produktionseinheiten im Verhältnis zu dem die Stallungen und die Milchkühe weiterhin versorgenden Verpächter B selbständig und eigenverantwortlich bewirtschaftete. Deshalb bedurfte es keines ausdrücklichen Hinweises des FG an den Kläger, konkrete Tatsachen bezüglich der Durchführung der mit dem Verpächter B geschlossenen Verträge sowie zu dessen Weisungsgebundenheit gegenüber dem Kläger bei der Bewirtschaftung der Stallungen und der Versorgung der Milchkühe vorzutragen. Auch lag es auf der Hand —wie es das FG zu Recht ausgeführt hat—, dass der Kläger, der die Milcherzeugereigenschaft für sich beanspruchte, insoweit darlegungs- und beweispflichtig war.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 988 Nr. 5
LAAAB-79653