Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die zu Herstellungskosten i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG führen
Bezug:
Fallen im Anschluss an den Erwerb eines Gebäudes höhere Aufwendungen an, ist die Abgrenzung zwischen sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwendungen und nur im Rahmen der AfA abzugsfähigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten oftmals schwierig.
Die Frage, was als Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu beurteilen ist, richtet sich zunächst nach § 255 HGB. Im Anschluss an den Erwerb eines Gebäudes kommen hier folgende Fallgruppen in Betracht:
Aufwendungen, die zur Herstellung der Funktions- und Betriebsbereitschaft geleistet werden (§ 255 Abs. 1 S. 1 HGB, Randziffern 1-16 des ESt-Kartei § 21 Fach 4 Karte 6),
Aufwendungen, die für eine Erweiterung des Gebäudes verausgabt werden (§ 255 Abs. 2 S. 1 HGB, Randziffern 19-24 des BMF-Schreibens a. a. O.) und
Aufwendungen, die zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung führen (sog. Standardhebung, § 255 Abs. 2 S. 1 HGB, Randziffern 25-32 des BMF-Schreibens a. a. O.).
Den handelsrechtlichen Herstellungskostenbegriff hat der Gesetzgeber mit dem Steueränderungsgesetz 2003 für steuerliche Zwecke um den Tatbestand der „anschaffungsnahen Herstellungskosten” erweitert. Aufwendungen, die nach § 255 HGB nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten führen, können für steuerliche Zwecke in Herstellungskosten umqualifiziert werden.
Voraussetzung für eine Umqualifizierung von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen (Erhaltungsaufwendungen) in Herstellungskosten ist:
Es muss sich um die Anschaffung eines Gebäudes handeln; Herstellungsfälle werden durch § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht erfasst.
Die Aufwendungen (ohne Umsatzsteuer) müssen innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes 15 % der ursprünglichen Anschaffungskosten übersteigen. Zu den „Aufwendungen” im Sinne dieser Vorschrift gehören nicht Herstellungskosten für Erweiterungen i. S. d. § 255 Abs. 2 S. 1 2. Alternative HGB und Kosten für jährlich üblicherweise anfallende Erhaltungsarbeiten (z. B. Heizungswartung). Dagegen sind Kosten für die Herstellung der Funktionsbereitschaft und Kosten, die zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung führen, also für sich Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten i. S. d. HGB sind, „Aufwendungen” im Sinne dieser Vorschrift.
Wird ein Gebäude zu unterschiedlichen Zwecken (eigenbetrieblich, fremdbetrieblich, fremde Wohnzwecke, eigene Wohnzwecke) genutzt und sind daher für steuerliche Zwecke mehrere Wirtschaftsgüter anzunehmen (vgl. R 4.2 Abs. 4 EStR 2005), wird die Prüfung der 15 %-Grenze trotzdem für das ganze Gebäude vorgenommen. Erwirbt der Steuerpflichtige dagegen mehrere Eigentumswohnungen/im Teileigentum stehende Räume im gleichen Gebäude, ist die Prüfung für jede Wohnung getrennt vorzunehmen, da jedes Wohnungs-/Teileigentum als selbständiges Gebäude gilt, vgl. auch § 7 Abs. 5a EStG, R 4.2 Abs. 14.
Sind die entstandenen Kosten nicht höher als 15 % der ursprünglichen Anschaffungskosten oder übersteigen diese Kosten erst nach Ablauf von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes die 15 %-Grenze, können trotzdem Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorliegen. In diesen Fällen ist ausschließlich § 255 HGB als Maßstab für das Vorliegen von Anschaffungs- oder Herstellungskosten heranzuziehen, da die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht erfüllt sind. Die im BMF-Schreiben (a. a. O.) aufgestellten Kriterien sind zu beachten. Für Aufwendungen, die zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung (Standardhebung) führen, besteht eine 15 %ige Nichtaufgriffsgrenze, vgl. Randziffer 38 des BMF-Schreibens (a. a. O).
§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist erstmals auf Baumaßnahmen anzuwenden, mit denen nach dem begonnen wurde, § 52 Abs. 16 S. 7 EStG. Hat der Steuerpflichtige im Jahr 2003 (oder in den Vorjahren) ein Gebäude erworben, ist § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG auch in den Folgejahren nicht anwendbar, wenn er mit den Baumaßnahmen bereits vor dem begonnen hat. Dies folgt aus § 52 Abs. 16 S. 9 EStG, wonach alle Baumaßnahmen als eine, gemeinsame Maßnahme behandelt werden.
Ist bei Bearbeitung der Erklärung aus tatsächlichen Gründen ungewiss, ob es sich um Anschaffungs-/Herstellungskosten oder sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen handelt (z. B. weil die 15 %-Grenze noch nicht überschritten wurde), ist der Bescheid vorläufig zu erlassen. Nach Wegfall der Ungewissheit ist der Bescheid zu ändern oder für endgültig zu erklären.
OFD Frankfurt am Main v. - S 2171 a A - 2 - St II
2.04
Fundstelle(n):
TAAAB-79591