BMF - IV A 5 -S 7242 a - 3/06 BStBl 2006 I S. 242

Umsatzsteuer;
Anwendung der Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe 8 UStGauf die Leistungen von Integrationsprojekten nach§ 132 Abs. 1 SGB IX

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a UStG ist auf die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen, der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Die Steuerermäßigung ist ausgeschlossen für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs im Sinne von § 14 der Abgabenordnung (AO) ausgeführt werden, der kein Zweckbetrieb ist. Zweckbetriebe (§§ 65 bis 68 AO) sind wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die unter bestimmten, in § 65 AO genannten Bedingungen dem begünstigten Bereich der Körperschaft zugerechnet werden (vgl. Nr. 1 des AEAO zu § 65 AO). Daneben gelten auch die in § 66 bis § 68 AO bezeichneten Einrichtungen als Zweckbetriebe.

Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt bezüglich der Anwendung der Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a UStG auf die Leistungen, die im Rahmen von Integrationsprojekten nach § 132 Abs. 1 SGB IX ausgeführt werden, Folgendes:

1. Die umsatzsteuerliche Begünstigung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG setzt nicht voraus, dass die von dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgehende Wettbewerbswirkung das zur Erfüllung des steuerbegünstigten Zwecks unvermeidbare Maß nicht übersteigt. Voraussetzung ist jedoch, dass die Einrichtung sich in ihrer Gesamtrichtung noch als Zweckbetrieb darstellt, in dem sie erkennbar darauf abzielt, die satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen und diesen zu dienen.

Die Anwendung der Steuerermäßigungsvorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a UStG kann daher nicht lediglich von einer gesetzlichen Zugehörigkeitsfiktion zum begünstigten Bereich einer Körperschaft abhängig gemacht werden. Vielmehr ist es erforderlich, dass auch die ausgeführten Leistungen von ihrer tatsächlichen Ausgestaltung her und in ihrer Gesamtrichtung dazu bestimmt sind, den begünstigten Bereich der Körperschaft unmittelbar zu fördern.Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb hat die für einen Zweckbetrieb grundlegenden Erfordernisse zu erfüllen, da er sich auch in seiner Gesamtrichtung als Zweckbetrieb darstellen muss. Dies setzt voraus, dass der gemeinnützige Zweck der Betätigung dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb das Gepräge gibt.

2. Bei Leistungen, die im Rahmen von sog. Integrationsprojekten (§ 68 Nr. 3 Buchstabe c AO i.V.m. § 132 Abs. 1 SGB IX) ausgeführt werden, ist daher zunächst zu prüfen, ob die Anwendung der Steuerermäßigung zu ungerechtfertigten Steuervorteilen führt oder die Einrichtung in erster Linie der Erzielung von Steuervorteilen dient. In diesem Fall kommt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Leistungen dieser Einrichtung insgesamt nicht in Betracht.

2.1. Aus Vereinfachungsgründen kann davon ausgegangen werden, dass die Anwendung der Steuerermäßigung dann nicht zu ungerechtfertigten Steuervorteilen führt, wenn

  • der Gesamtumsatz i.S.d. § 19 Abs. 3 UStG der Einrichtung

    den Betrag von 30.678,– EUR im Jahr (Besteuerungsgrenze, § 64 Abs. 3 AO) insgesamt

    oder

    den Betrag von 17.500,– EUR im Jahr (Kleinunternehmergrenze, § 19 Abs. 1 UStG) je Beschäftigtem, der zu der Gruppe der besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 132 Abs. 1 SGB IX zählt, nicht übersteigt,

    oder

  • der durch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes im Kalenderjahr erzielte Steuervorteil insgesamt den Betrag nicht übersteigt, welchen die Einrichtung im Rahmen der Beschäftigung aller besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 132 Abs. 1 SGB IX in diesem Zeitraum zusätzlich aufwendet. Vorbehaltlich des Nachweises höherer tatsächlicher Aufwendungen kann als zusätzlich aufgewendeter Betrag die Summe der Löhne und Gehälter, die an die besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 132 Abs. 1 SGB IX gezahlt wird, zu Grunde gelegt werden. Als erzielter Steuervorteil gilt die Differenz zwischen der Anwendung des allgemeinen Steuersatzes und der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf den Gesamtumsatz der Einrichtung.

2.2. Die Einrichtung dient regelmäßig in erster Linie der Erzielung von Steuervorteilen,

  • wenn die besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 132 Abs. 1 SGB IX nicht als Arbeitnehmer der Einrichtung beschäftigt sind, sondern lediglich z.B. von Zeitarbeitsfirmen entliehen werden; dies gilt nicht, soweit die entliehenen Arbeitnehmer über die nach § 68 Nr. 3 Buchstabe c AO erforderliche Quote hinaus beschäftigt werden,

    oder

  • wenn die Einrichtung von anderen Unternehmern in die Erbringung von Leistungen lediglich zwischengeschaltet wird oder sich zur Erbringung eines wesentlichen Teils der Leistung anderer Subunternehmer bedient, die nicht selbst steuerbegünstigt sind.

2.3. Die Prüfung, ob die Einrichtung in erster Linie der Erzielung von Steuervorteilen dient, (1., 2.2.) ist insbesondere zu vorzunehmen bei:

  • Fehlen einer nach Art und Umfang der erbrachten Leistungen erforderlichen Geschäftseinrichtung,

  • Nutzung des ermäßigten Steuersatzes als Werbemittel, insbesondere zur Anbahnung von Geschäftsverbindungen zu nicht vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfängern,

  • Erbringung von Leistungen fast ausschließlich gegenüber nicht vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfängern.

3. Integrationsprojekte unterliegen nach § 132 SGB IX und § 68 Nr. 3 Buchstabe c AO keinen bestimmten Voraussetzungen in Bezug auf die Ausführung ihrer Leistungen. Daher ist daneben immer zu prüfen, ob der gemeinnützige Zweck der Betätigung der Einrichtung nach der Gesamtrichtung das Gepräge gibt. Gegen diese Annahme können z.B. sprechen:

  • das Fehlen von medizinisch, psychologisch, pädagogisch oder anderweitig spezifiziert geschultem Personal, welches im Hinblick auf die besonderen Belange der besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen geeignet ist, deren Heranführung an das Erwerbsleben zu fördern, bzw. die Unterlassung gleichwertiger Ersatzmaßnahmen,

  • die Beschäftigung der besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen nicht im eigentlichen Erwerbsbereich der Einrichtung, sondern überwiegend in Hilfsfunktionen.

Maßgebend ist das Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall. Die ertragsteuerrechtlichen Grundsätze bleiben unberührt.

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internet-Seiten des Bundesministeriums der Finanzen unter der Rubrik Steuern – Veröffentlichungen zu Steuerarten – Umsatzsteuer – BMF-Schreiben ( www.bundesfinanzministerium.de) zur Ansicht und zum Abruf bereit.

BMF v. - IV A 5 -S 7242 a - 3/06

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:



Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BStBl 2006 I Seite 242
DB 2006 S. 530 Nr. 10
NAAAB-79019