Noch nicht ausgeschüttete Eigenkapitalanteile als Teil des Veräußerungserlöses; Wiedereinsetzung bei verspäteter Weiterleitung durch das FG
Instanzenzug:
Gründe
1. Nach § 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde) angefochten werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesfinanzhof (BFH) einzulegen (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO).
Das Urteil vom wurde den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) am zugestellt. Die Einlegungsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO endete mit Ablauf des , einem Montag (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung —ZPO— i.V.m. § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—), die Beschwerde ging beim BFH aber erst am und damit verspätet ein.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) war den Klägern nicht zu gewähren. Sie waren nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten; das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten müssen sie sich wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
a) Die Verfristung ist darauf zurückzuführen, dass der Prozess-bevollmächtigte der Kläger die Beschwerdeschrift entgegen § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO und der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des FG nicht an den BFH, sondern —entsprechend der bis zum geltenden Rechtslage— an das Finanzgericht (FG) gerichtet hat, obwohl er das Prozessrecht als berufsmäßiger Vertreter hätte kennen müssen (Senatsbeschluss vom VIII R 23/94, BFH/NV 1995, 231). Als Beschwerdeführer tragen die Kläger das Risiko des verspäteten Eingangs der Beschwerde beim , BFH/NV 2003, 67, m.w.N.; Senatsbeschluss in BFH/NV 1995, 231).
b) Eine Mitverantwortung der Geschäftsstelle des FG für die Fristversäumnis mit der Folge, dass sich das Verschulden der Kläger nicht auswirkt, ist nicht gegeben. Zwar musste das FG, das mit der Sache bereits befasst gewesen war, den bei ihm eingereichten fristgebundenen Schriftsatz für das Beschwerdeverfahren an den BFH als das zuständige Rechtsmittelgericht weiterleiten. Einer Partei ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein solcher Schriftsatz so zeitig eingereicht worden ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom 1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, 114 f.; vom 1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835; BFH-Entscheidungen vom VII R 7/99, BFHE 193, 515, BStBl II 2001, 158, unter II.4. der Gründe; vom IV B 108/97, BFH/NV 1999, 146). Dies ist im Streitfall zu verneinen. Die Beschwerde ist erst am Nachmittag des (Mittwoch) gegen 15.40 Uhr beim FG per Telefax eingegangen, so dass davon auszugehen ist, dass die zuständige Senatsgeschäftsstelle des FG die Beschwerde mit dem Posteingang am nächsten Tag (Donnerstag) erhalten und dann am nachfolgenden Tag bearbeitet und an den BFH weitergeleitet hat. Angesichts dieser Sachlage kann von einer Mitverantwortung der Geschäftsstelle des FG nicht die Rede sein, zumal diese nicht verpflichtet ist, eine eigenständige Fristberechnung zugunsten der Kläger vorzunehmen oder die Nichtzulassungsbeschwerde vorab durch Telefax an den BFH zu übermitteln (BFH-Entscheidungen vom X B 3/91, BFH/NV 1992, 120; vom IV R 123-124/91, BFHE 169, 132, BStBl II 1993, 125; vom XI B 130/02, BFH/NV 2005, 563).
Auch auf ungewöhnlich lange Postlaufzeiten können sich die Kläger nicht berufen. Wenn die Geschäftstelle des FG die Nichtzulassungsbeschwerde am Freitag, den , bearbeitet hat, liegt es selbst bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang im Rahmen des Üblichen, dass das Übermittlungsschreiben an den BFH zwar noch am selben Tage zwecks Aufgabe zur Post in den Geschäftsgang gegeben wurde, diese jedoch —je nach Bearbeitungszeitpunkt in der Geschäftsstelle— erst am darauffolgenden Montag, den , erfolgt ist. Bei einem Eingang beim BFH am ist eine übermäßig lange Postlaufzeit daher nicht gegeben.
3. Unabhängig von der Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die Beschwerde auch deshalb unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht.
Insbesondere die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO) haben die Kläger nicht substantiiert dargelegt. Die schlüssige Rüge, die Vorentscheidung weiche von den Urteilen des (BFHE 137, 157, BStBl II 1983, 128), vom I R 190/81 (BFHE 147, 27, BStBl II 1986, 815) und vom I R 111/00 (BFH/NV 2002, 628) ab, hätte u.a. die Darlegung verlangt, dass
- im Urteil des FG dieselbe Rechtsfrage wie in den Divergenzentscheidungen entschieden wurde;
- die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann;
- die abweichend beantwortete Rechtsfrage für die Entscheidungen rechtserheblich war und die Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 5. Aufl., § 115 Rz. 41 ff., m.w.N.) Vor allem aber hätten abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und der Divergenzentscheidungen so genau bezeichnet werden müssen, dass eine Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; vom XI B 40/93, BFH/NV 1994, 569, und vom III B 26/01, BFH/NV 2002, 208).
Diese Voraussetzungen sind nicht ausreichend dargetan. Soweit die Kläger behaupten, der BFH habe entschieden, im Rahmen der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien Gewinnanteile erst nach Vorliegen entsprechender Gewinnverwendungsbeschlüsse zu berücksichtigen, und davon sei das FG abgewichen, lässt sich dieser Rechtssatz den angeführten Divergenzentscheidungen nicht entnehmen. Vielmehr hat der BFH in den Vordergrund seiner Überlegungen gestellt, dass eine Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber einer wesentlichen Kapitalbeteiligung i.S. von § 17 EStG über vorhandene Gewinnanteile Teil der Kaufpreisbestimmung ist, die Gewinnanteile beim Veräußerer demgemäß als Kaufpreis zu erfassen sind und nicht zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 628, m.w.N.). Davon ist das FG nicht abgewichen, sondern hat in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze den Veräußerungsgewinn des Klägers ermittelt.
Die Kläger wenden sich im Ergebnis gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Darauf kann die Zulassung der Revision nicht gestützt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 132/98, BFH/NV 1999, 510; vom IV B 96/98, BFH/NV 2000, 70). Eine unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall könnte allenfalls dann zur Zulassung der Revision führen, wenn dieser Fehler von erheblichem Gewicht und zudem geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen oder aber, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich ist (vgl. Lange in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler —HHSp—, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 115 FGO Rz. 173, 203; Gräber/Ruban, § 115 Rz. 55 und 68). Dafür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte, zumal sich das FG ausweislich der Urteilsgründe mit der Argumentation der Kläger zur Höhe des Veräußerungsgewinns ausführlich auseinander gesetzt hat.
Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nicht (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
YAAAB-78334