Voraussetzungen für eine Beschlagnahme; Katalog der Zulassungsgründe in § 115 Abs. 2 FGO ist abschließend
Gesetze: AO § 399,FGO § 96, FGO § 115
Instanzenzug:
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde kann keinen Erfolg haben.
1. Zur Klärung der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfenen Rechtsfrage, in welchem Umfang die Finanzverwaltung für den Steuerpflichtigen wichtige und notwendige Unterlagen entziehen und nach Wegfall der Voraussetzungen für eine Entziehung vorenthalten kann, ist eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht erforderlich. Die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme ergeben sich aus § 399 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. §§ 94 ff. der Strafprozessordnung (StPO). Geklärt ist auch, dass bei förmlicher Beschlagnahme der beschlagnahmte Gegenstand —sofern er zur Strafverfolgung nicht mehr benötigt wird— an den letzten Gewahrsamsinhaber zurückzugeben ist (vgl. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 48. Aufl., § 94 Rn. 22, m.w.N.). Dem entspricht Nr. 75 Abs. 2 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren bundeseinheitlich (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Anhang 12).
§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO eröffnet grundsätzlich nicht die Möglichkeit, die Revision zur Beantwortung der Frage zuzulassen, ob im Einzelfall die genannten Vorschriften ordnungsgemäß gehandhabt wurden. Der Katalog der Zulassungsgründe in § 115 Abs. 2 FGO ist abschließend (vgl. „nur zuzulassen”). Anhaltspunkte für einen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung (vgl. z.B. , BFH/NV 2003, 1445) liegen im Streitfall schon deswegen nicht vor, weil das Finanzamt (FA) für Fahndung und Strafsachen den Kläger mit Schreiben vom zur Abholung u.a. der Abrechnungen mit den Gastwirten aufgefordert hat und das Finanzgericht (FG) die mangels Antwort des Klägers anschließende Vernichtung der Unterlagen weder zu seinem Vorteil noch Nachteil verwertet hat, sondern bei der Schätzung entsprechend dem Vortrag des Klägers nur die Hälfte der geschätzten (Bar-)Einnahmen angesetzt hat.
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen.
a) Ein solcher liegt nur vor, wenn das FG Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts verletzt. Vorschriften der FGO, die einen sachlichen Bezug zum materiellen Steuerrecht haben, fallen nicht unter § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Zu einer solchen Vorschrift mit materiellem Inhalt gehört § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. den §§ 158, 160, 162 AO 1977, denn sie betrifft auch dann, wenn das FG von seiner eigenen Schätzungsbefugnis Gebrauch macht, nicht das Gerichtsverfahren als solches, sondern die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 76, m.w.N.). Entsprechendes gilt für die Rüge des Klägers, das FG habe im Rahmen seiner Schätzung insbesondere die in der Richtsatzsammlung enthaltenen Erfahrungssätze verletzt (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 83).
b) Der erkennende Senat lässt dahingestellt, ob die beweisrechtliche Regelung des § 444 der Zivilprozessordnung (ZPO) im Rahmen der materiell-rechtlichen Schätzung von Besteuerungsgrundlagen Anwendung findet (vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 68). Insoweit hat der Kläger einen Verfahrensverstoß nicht in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form gerügt. Dazu gehört die genaue Angabe von Tatsachen, die den Mangel ergeben. Die Verfahrensrüge muss schlüssig geltend gemacht werden (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 48, m.w.N.). Unter Berücksichtigung des Wortlautes des § 444 ZPO verlangt dies den schlüssigen Vortrag, wonach das FA für Fahndung und Strafsachen im Streitfall die Abrechnungen des Klägers mit den Gastwirten in der Absicht, ihre Benutzung dem Kläger zu entziehen, beseitigt oder zur Benutzung untauglich gemacht hat. Dies hat der Kläger selbst nicht vorgetragen, denn schon das Schreiben, in dem der Kläger zur Abholung der beschlagnahmten Unterlagen aufgefordert wurde, spricht gegen eine solche Absicht, unabhängig davon, ob der Kläger dieses erhalten hat oder nicht.
c) Dem FG ist auch insoweit kein Verfahrensfehler unterlaufen, als es die Berechnung der Steuer dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) übertragen hat. Nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO kann das FG die Änderung des Verwaltungsaktes durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag aufgrund der Entscheidung errechnen kann, wenn die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrages einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert. Im Streitfall hat das FG nur für das Streitjahr 1986 die Berechnung der Steuer dem FA übertragen und dies mit der Berechnung der Gewerbesteuerrückstellung begründet. Diese Einschätzung liegt im Rahmen des von § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO eröffneten Beurteilungsspielraums (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Rz. 35, m.w.N.).
Fundstelle(n):
AAAAB-78316