Kein Verschulden, wenn die Versäumung der Frist auf einem erstmalig auftretenden Diabetesschock beruht
Gesetze: FGO § 56
Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg Urteil vom 3 K 1708/98 E
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1991 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger betrieb bis zum Jahresende 1993 einen Kraftfahrzeugeinzelhandel nebst Reparaturwerkstatt. Betrieben wurde das Unternehmen auf dem Grundstück X-Straße in B, das zur jeweils ideellen Hälfte den Klägern gehört. In seinen Bilanzen wies der Kläger das hälftige Grundstück und das aufstehende Betriebsgebäude aus. Am erwarben der Kläger und sein Sohn D je zur ideellen Hälfte das Erbbaurecht an dem Grundstück U 1 in B. Auf diesem Grundstück errichtete der Kläger einen Verkaufspavillon, den er in vollem Umfang als Betriebsvermögen behandelte. In den Jahren 1992 und 1993 nahm der Kläger bei seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb Sonderabschreibungen gemäß §§ 2 und 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) auf die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens seines Einzelunternehmens in Anspruch.
Zum errichteten der Kläger und D die L-GmbH. Von dem Stammkapital der L-GmbH übernahmen der Kläger 24 v.H. und D 76 v.H. Durch die Vereinbarung vom verpflichteten sie sich, ihre Stimmrechte gemeinsam auszuüben. Zum übertrug der Kläger sein Einzelunternehmen zu Buchwerten auf die L-GmbH. Nicht übertragen wurden das Grundstück X-Straße und das Erbbaurecht U 1 nebst den aufstehenden Gebäuden, auch soweit dieser Grundbesitz im Eigentum des Klägers stand. Die Grundstücke wurden durch Mietvertrag vom an die L-GmbH vermietet; als Vermieter des Grundstücks X-Straße sind die Kläger und als Vermieter des Grundstücks U 1 der Kläger und D bezeichnet. Für die Überlassung des gesamten Grundbesitzes wurde eine insgesamt zu zahlende monatliche Miete vereinbart. Zudem schlossen die Kläger und D am einen Gesellschaftsvertrag über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Namen L-GbR. Die Beteiligung der einzelnen Gesellschafter an der L-GbR bestimmt sich nach den Buchwerten des gemeinschaftlichen Grundbesitzes. Danach sind an der L-GbR der Kläger mit 53 v.H., die Klägerin mit 27 v.H. und D mit 20 v.H. beteiligt.
Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Auffassung, die Verbleibensvoraussetzungen des § 2 Nr. 2 FördG seien nicht erfüllt. Die beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens seien auf die L-GmbH übertragen worden. Eine Betriebsaufspaltung liege nicht vor. In nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheiden für 1992 und 1993 machte das FA die bisher anerkannte Sonderabschreibung für die beweglichen Wirtschaftsgüter rückgängig und berücksichtigte stattdessen die Absetzung für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Hinsichtlich des Streitjahres 1991 ging das FA in dem nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Bescheid davon aus, dass der Kläger an D einen um 30 010 DM überhöhten Arbeitslohn gezahlt hatte. Zudem setzte das FA den Wertansatz des Altgebäudes in der Eröffnungsbilanz des Klägers zum herab. Auch erhöhte es den Gewinn durch Hinzurechnung einer Versicherungsentschädigung von 1 322 DM.
Hinsichtlich des Jahres 1994 ging das FA davon aus, dass der Kläger sein Einzelunternehmen unter Zurückbehaltung der Grundstücke an die L-GmbH veräußert und die Grundstücke in das Privatvermögen überführt habe. Es setzte deshalb in dem für das Jahr 1994 ergangenen Einkommensteuerbescheid, welcher Gegenstand eines gesonderten beim erkennenden Senat anhängigen Revisionsverfahrens ist, gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG einen Betriebsaufgabegewinn an.
Mit ihrer nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage machten die Kläger geltend, das FA sei nicht berechtigt, die Sonderabschreibungen rückwirkend zu versagen. Zwischen der L-GbR und der L-GmbH habe eine Betriebsaufspaltung bestanden. Die einerseits aus den Klägern und andererseits aus dem Kläger und D bestehenden Grundstücksgemeinschaften hätten durch den Mietvertrag vom den ihnen jeweils gehörenden Grundbesitz gegen Zahlung eines ungeteilten Mietzinses an die L-GmbH vermietet. Beide Gemeinschaften hätten seit diesem Zeitpunkt einen gemeinsamen Zweck verfolgt und daher eine GbR gebildet. Dies dokumentiere der Gesellschaftsvertrag vom . Da Gesellschafterbeschlüsse nach dem die L-GbR betreffenden Gesellschaftsvertrag in der Regel mit einfacher Mehrheit zu fassen seien und sich die Zahl der Stimmen nach der Beteiligung an der Gesellschaft richte, habe die aus dem Kläger und D bestehende Personengruppe das Besitz- und das Betriebsunternehmen beherrscht. Die Vereinbarung einer Stimmrechtsbindung unterstreiche, dass die Vertragspartner einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen gehabt hätten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) verständigten sich die Beteiligten u.a. darauf, den überhöhten Arbeitlohn lediglich zur Hälfte anzusetzen sowie das Altgebäude des Klägers mit einem Wert von 110 000 DM in der Eröffnungsbilanz anzusetzen.
Das FG folgte im Ansatz dem Vorschlag der Beteiligten. Hinsichtlich der streitig gebliebenen Sonderabschreibungen hat es hingegen die Klage abgewiesen. Die Gewährung der Sonderabschreibungen für die beweglichen Wirtschaftsgüter, welche der Kläger sämtlich im Jahr 1992 angeschafft habe, setze ein Verbleiben im Anlagevermögen einer Betriebsstätte des Klägers bis zum Jahr 1995 voraus. Hieran fehle es im Streitfall. Die Wirtschaftsgüter seien auf die L-GmbH nicht im Rahmen einer Einbringung i.S. von § 20 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) übertragen worden. Die Übertragung sei auch nicht im Zusammenhang mit einer Betriebsaufspaltung erfolgt, welche wegen der Annahme eines einheitlichen Gewerbebetriebs nicht zu einem Wegfall der Bindungsvoraussetzungen führe. Eine Betriebsaufspaltung liege weder im Verhältnis der L-GbR als möglicher Besitzgesellschaft noch im Verhältnis der jeweiligen Bruchteilsgemeinschaften und der L-GmbH als Betriebsgesellschaft vor.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, das Urteil der Vorinstanz, soweit es die Versagung der Sonderabschreibung bestätigt hat, aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zu verwerfen.
Durch Beschluss vom heutigen Tage hat der Senat die vorliegende Streitsache von dem unter dem Aktenzeichen X R 49/03 geführten Rechtsstreit der Kläger abgetrennt.
II. Die Revision ist unzulässig und daher zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Die Revision ist nicht deshalb unzulässig, weil die Kläger die Revisionsbegründungsfrist versäumt hätten. Ihnen ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
a) Die Revision ist, wenn sie wie im Streitfall vom Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 116 Abs. 7 FGO zugelassen wird, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen (§ 120 Abs. 2 Satz 1 FGO). Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO kann die Frist auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag verlängert werden.
Der Beschluss über die Zulassung der Revision wurde den Klägern am zugestellt. Die Begründungsfrist wurde, nachdem rechtzeitig Fristverlängerungsanträge gestellt wurden, wiederholt, zuletzt bis zum , verlängert. Die Kläger haben ausweislich der Absenderangaben auf dem Telefax ihres Prozessbevollmächtigten mit der Absendung der Revisionsbegründung (mittels Telefax) am um 23.57 Uhr begonnen. Die mit der Unterschrift versehene letzte Seite der Revisionsbegründungsschrift hat den BFH jedoch erst am um 0.03 Uhr erreicht. Sie ist deshalb verspätet beim BFH eingegangen (, BFHE 193, 40, BStBl II 2001, 32).
b) Den Klägern ist jedoch gemäß § 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil ihr Prozessbevollmächtigter ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Eine Krankheit ist dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 56 Rz. 20 Stichwort „Krankheit”). Dies trifft für einen erstmalig auftretenden Diabetesschock zu (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1975, 350). Beim Prozessbevollmächtigten der Kläger ist erstmals am letzten Tag der Frist im Zusammenhang mit seiner Diabetes eine Unterzuckerung aufgetreten mit der Folge, dass er hierdurch einen körperlichen Zusammenbruch erlitt, welcher bis ca. 22 Uhr andauerte. Dass er im Anschluss hieran in Panik geriet und es versäumt hat, rechtzeitig einen weiteren Fristverlängerungsantrag beim BFH zu stellen, kann ihm in dieser Situation nicht als schuldhaft vorgeworfen werden. Seinen Vortrag hat der Prozessbevollmächtigte auch durch eine eidesstattliche Versicherung sowie durch andere Beweismittel glaubhaft gemacht.
Die Kläger haben den Wiedereinsetzungsantrag am und damit innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 FGO gestellt.
2. Die Revision ist unzulässig. Die Kläger sind zwar durch das angefochtene Urteil beschwert. Sie haben aber nicht die Umstände aufgezeigt, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das FG in dem angefochtenen Urteil ergeben soll (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO).
Die Revision eines Klägers ist nur dann zulässig, wenn er formell beschwert ist, er also durch das Urteil des FG nicht alles erlangt hat, was er beantragt hatte (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 526).
Die Kläger sind in diesem Sinne beschwert. Entgegen ihrem im Einvernehmen mit dem FA in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, den Betriebsausgabenabzug für die Vergütung für D nur um die Hälfte von 30 010 DM zu beschränken, hat das FG die Vergütung um 16 505 DM gekürzt. Gegen die darin liegende Abweichung von ihrem Antrag haben die Kläger —anders als § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO verlangt— nichts angeführt, woraus sich eine Verletzung ihrer Rechte ergeben würde. Sie legen in der Revisionsbegründung lediglich dar, dass das FG zu Unrecht eine Betriebsaufspaltung mit der L-GmbH verneint habe und daher die Sonderabschreibung nicht hätte versagt werden dürfen. Sie berücksichtigen dabei jedoch nicht, dass der Kläger für dieses Jahr keine Sonderabschreibungen für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in Anspruch genommen hatte. Das FA hat demgemäß für das Jahr 1991 die Inanspruchnahme solcher Sonderabschreibungen nicht nachträglich versagt. Aus diesem Grund hat das FG hierüber in dem angefochtenen Urteil auch nicht entschieden. Somit geht die Rüge der Kläger ins Leere.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 765 Nr. 4
WAAAB-78313