Anwendbarkeit des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG für das Jahr 1995
Gesetze: EStG § 23 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) erklärte in ihrer Steuererklärung für das Streitjahr (1995) Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie sonstige Einkünfte und wurde vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) entsprechend veranlagt. Im Januar 2002 meldete sie u.a. Spekulationsgewinne und -verluste für die Jahre 1993 bis 1998 nach. Für das Streitjahr erfasste das FA Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften in Höhe von 223 306 DM und änderte den Einkommensteuerbescheid am entsprechend.
Mit ihrem Einspruch macht die Antragstellerin die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen im Streitjahr unter Bezugnahme auf das (BGBl I 2004, 591, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56) geltend. Zugleich beantragte die Antragstellerin Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Einkommensteuerbescheids. Das FA lehnte diesen Antrag ab. Auch das sodann angerufene Finanzgericht (FG) gewährte keine AdV. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1199 veröffentlichten Beschluss zog das FG die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht ernstlich in Zweifel. Es könne auch für das Streitjahr den Erwägungen in dem (BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995) folgen. Wie in den Jahren 1993 und 1994 sei auch für das Jahr 1995 ausgeschlossen, dass das BVerfG § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes a.F. (EStG) wegen der dem Gesetzgeber zuzubilligenden Übergangsfrist für nichtig erkläre.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde der Antragstellerin. Die im Grunde zuzubilligende Übergangsfrist komme im Streitjahr nicht in Betracht. Schon im Jahre 1994 sei die vom Landesfinanzministerium Nordrhein-Westfalen eingesetzte Arbeitsgruppe „Steuerausfälle” zu dem Ergebnis gekommen, dass Spekulationsgewinne nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG weitgehend nicht erklärt würden (Der Steuerberater —StB— 1994, 399, 446, 449 f.).
Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr in Höhe von 52 422,75 € auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das BVerfG habe in seinem Urteil in BGBl I 2004, 591, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56 von einer Übergangsfrist für gesetzgeberische Nachbesserungen abgesehen, weil jedenfalls für den Veranlagungszeitraum 1997 die Rechtslage grundsätzlich geklärt gewesen sei. Es sei überdies davon auszugehen, dass Veröffentlichungen von Steuerausfällen regelmäßig einen längerfristigen Prozess initiierten, der in eine Reaktion des Gesetzgebers münde.
II. 1. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) im Hinblick auf den das Streitjahr umfassende (EFG 2005, 1542) —Verfahren beim BVerfG: 2 BvL 12/05— kommt wegen der Eilbedürftigkeit des Aussetzungsverfahrens nicht in Betracht (vgl. Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 74 FGO Rz. 15, m.w.N.).
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Zutreffend hat das FG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr verneint.
Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aussetzen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. dazu z.B. , BFH/NV 2004, 37, m.w.N.; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Rz. 120 f.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Tz. 122).
Nach diesen Grundsätzen hat das FG ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der für die Besteuerung der hier streitigen Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften maßgeblichen Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG zutreffend verneint. Es hat zu Recht auch das Streitjahr in die nach der Rechtsprechung des , BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26, unter II. 2. a, und in BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995) dem Gesetzgeber zuzubilligende Übergangsfrist einbezogen. Zwar hat die Finanzverwaltung mit der Arbeitsgruppe „Steuerausfälle” des Landesfinanzministeriums Nordrhein-Westfalen —worauf die Antragstellerin hinweist— selbst Erklärungsdefizite bei den Spekulationsgewinnen festgestellt. Deren Ergebnisse lagen aber erst im Jahr 1994 vor (StB 1994, 446, 449 f.) und konnten vom Gesetzgeber noch nicht für das Streitjahr umgesetzt werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 719 Nr. 4
XAAAB-77011