BFH Beschluss v. - II B 151/04

Beginn der Festsetzungsfrist bei positiver Kenntnis der Finanzbehörde von einer vollzogenen Schenkung

Gesetze: AO § 170 Abs. 5

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war Alleininhaberin der Einzelfirma S (S-Firma). Weiter hielten sie und ihr Ehemann je die Hälfte des Stammkapitals von 50 000 DM an der S-GmbH. Zwischen der S-GmbH und der S-Firma bestand eine Betriebsaufspaltung.

Mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom errichteten die Klägerin und ihr Ehemann sowie die B-GmbH die S-KG. Dabei übernahm die B-GmbH die Stellung der Komplementärin ohne Kapitalanteil und ohne Einlageverpflichtung. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden Kommanditisten, die Klägerin mit einem Kapitalanteil in Höhe von ... DM und ihr Ehemann mit einem Kapitalanteil von ... DM. Am Gewinn und Verlust einschließlich eines Liquidationserlöses der S-KG sind die Klägerin zu 90 % und ihr Ehemann zu 10 % beteiligt. Die Klägerin erbrachte ihre Kommanditeinlage durch Einbringung der S-Firma; im Verhältnis der Gesellschafter wurde sie mit einem Wert von ... DM angesetzt. Ferner brachte die Klägerin eine Bareinlage, Grundstücke, ein Erbbaurecht sowie ihren mit Urkunde vom ... Dezember 1993 auf 151 000 DM erhöhten Kapitalanteil an der S-GmbH in die S-KG ein. Ihr Ehemann brachte seinen auf 149 000 DM erhöhten Kapitalanteil an der S-GmbH und eine Bareinlage in die S-KG ein.

Die Schenkungsteuerstelle des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamts —FA—) erhielt am vom Notar die Urkunde vom ... Dezember 1993 mit dem Gesellschaftsvertrag und der Kopie einer Gebührenabrechnung hierfür mit einem angegebenen Geschäftswert von ... DM. Das FA vermerkte am (oder 1998) auf der Urkunde, dass keine Schenkung i.S. des § 7 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) vorliege. Aufgrund einer Betriebsprüfung, deren Ergebnis der Schenkungsteuerstelle des FA mit Aktenvermerk vom mitgeteilt worden war, ging das FA davon aus, dass der gemeine Wert der Anteile an der S-GmbH ca. ... DM betragen habe. Demzufolge sei der Klägerin von ihrem Ehemann mittelbar unentgeltlich ein Anteil von 40 % an der GmbH-Beteiligung im Steuerwert von etwa ... DM zugewendet worden.

Nachdem die Klägerin trotz wiederholter Aufforderung eine Schenkungsteuererklärung nicht eingereicht hatte, setzte das FA ihr gegenüber mit Bescheid vom für die Zuwendung ihres Ehemanns lt. Vertrag vom ... Dezember 1993 Schenkungsteuer fest. Den steuerpflichtigen Erwerb ermittelte das FA nach den Grundsätzen der gemischten Schenkung.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage nahm die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom zurück; am machte sie die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend. Das Finanzgericht (FG) hat daraufhin durch Urteil festgestellt, dass die Klage wirksam zurückgenommen worden ist.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin Divergenz sowie Verfahrensmängel geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

II. Die Beschwerde ist, soweit sie nicht unzulässig ist, unbegründet.

1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit die Klägerin nicht schlüssig vorträgt, dass eine Divergenz vorliegt.

a) Die Divergenzrüge ist insoweit nicht schlüssig dargelegt, als die Klägerin im Rechtssatz des FG, Äußerungen des Richters über die Rechtslage und Hinweise auf den voraussichtlichen Ausgang des Prozesses stellten regelmäßig keine rechtswidrige Beeinflussung im Hinblick auf eine Klagerücknahme dar, Abweichungen gegenüber den Entscheidungen des (BFH/NV 1997, 190) und des Saarländischen (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2004, 578) deswegen sieht, weil nach diesen Entscheidungen eine (grob) fehlerhafte Belehrung zur Unwirksamkeit der Klagerücknahme führe. Denn die Klägerin gibt die Rechtsausführungen des FG nur verkürzt wieder. Auch das FG ist davon ausgegangen, dass bei grob fehlerhafter Belehrung die Rücknahmeerklärung als unwirksam angesehen werden kann.

b) Die Divergenzrüge ist auch insoweit nicht schlüssig dargelegt, als die Klägerin Abweichungen im Rechtssatz des FG sehen will, wonach ein die Entschließungsfreiheit beeinträchtigender Druck nicht gegeben ist, wenn trotz in gewisser Weise vorhandenen psychischen Drucks von einem rechtskundigen Bevollmächtigten eine umgehende Entscheidung noch in der mündlichen Verhandlung verlangt wird. Eine Abweichung gegenüber dem aufgestellten Rechtssatz aus der Entscheidung des —zutreffend wohl VII R 42/74— (BFHE 121, 385, BStBl II 1977, 434) kann schon deswegen nicht vorliegen, weil dort von einem Zustand der vorübergehenden Prozessunfähigkeit die Rede ist. Dies gilt ebenso, soweit sich die Klägerin auch in der Ergänzung ihrer Beschwerdebegründung auf dieses Urteil beruft; denn danach ist entscheidend, ob im Zeitpunkt der Klagerücknahme ein die Prozessfähigkeit ausschließender Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit vorliegt. Ebenso wenig kann eine Abweichung gegenüber dem aufgestellten Rechtssatz aus der Entscheidung des Saarländischen FG in EFG 2004, 578 folgen, weil dieser Rechtssatz sich auf die Frage bezieht, ob sich ein Beteiligter darauf verlassen kann, dass das Gericht ihm vernünftiges Verhalten empfiehlt.

2. Die Beschwerde ist insoweit unbegründet, als eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung deswegen nicht erforderlich ist, weil die geltend gemachten Abweichungen nicht vorliegen.

Das FG hat seiner Entscheidung die Rechtsprechung des BFH zu Grunde gelegt, wonach nur die positive Kenntnis der Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung zum Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 5 Nr. 2, 2. Alternative der Abgabenordnung (AO 1977) führt. Nicht ausreichend ist danach die Kenntnis von Umständen, die erst aufgrund weiterer Ermittlungen eine Prüfung der Frage ermöglichen, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt (vgl. , BFHE 186, 128, BStBl II 1998, 647, sowie , BFHE 201, 403, BStBl II 2003, 502). Dass hierin keine Abweichung vom (BFHE 133, 258, BStBl II 1981, 688) liegt, hat der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 186, 128, BStBl II 1998, 647 ausgesprochen. Die Grundsätze dieser zu § 145 Abs. 3 Nr. 3 der Reichsabgabenordnung ergangenen Entscheidung lassen sich auf § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO 1977 nicht übertragen. Auch liegt hierin keine Abweichung vom (BFHE 181, 351, BStBl II 1997, 73) bzw. vom (BFHE 188, 440, BStBl II 1999, 529). Diese Entscheidungen betreffen allein die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 30 Abs. 3 ErbStG —und zwar entscheidungserheblich nur für Erwerbe von Todes wegen— die Anzeigepflicht entfällt.

3. Die Revision ist auch nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen. Die Klägerin hat die Klage zurückgenommen; dies führt zur Beendigung des Verfahrens ohne Entscheidung über das geltend gemachte Recht. Ein Ruhen oder eine Aussetzung des Verfahrens kam somit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr in Betracht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 700 Nr. 4
ZAAAB-76984