Die öffentliche Zustellung nach § 10 VwZG ab
1. Allgemeines
Die öffentliche Zustellung als besondere Form der Zustellung ist nur dann zulässig, wenn sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft sind, das Schriftstück dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln.
An die Anordnung einer öffentlichen Zustellung sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist sorgfältig zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 VwZG vorliegen, da durch die öffentliche Zustellung der Empfänger nur selten tatsächlich Kenntnis vom Inhalt des Verwaltungsakts erhält, er diesen aber durch die öffentliche Zustellung gegen sich gelten lassen muss. Eine unter Verstoß gegen die Voraussetzungen des § 10 VwZG durchgeführte öffentliche Zustellung verstößt gegen das Verfassungsgebot des rechtlichen Gehörs ( NJW 1992 S. 2280) und ist daher unwirksam.
2. Öffentliche Zustellung bei unbekanntem Aufenthaltsort des Empfängers (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 VwZG)
Der Aufenthaltsort des Empfängers ist nicht schon deshalb unbekannt, weil das Finanzamt seine Anschrift im Zeitpunkt der beabsichtigten Bekanntgabe nicht kennt oder Briefe als unzustellbar zurückkommen. Die Anschrift muss vielmehr allgemein unbekannt sein ( BStBl 2000 II S. 560). Dies ist durch eine aktenkundig zu machende Auskunft der zuständigen Meldebehörde oder auf andere Weise zu belegen. Die bloße Kenntnis über eine getätigte Abmeldung bei der Meldebehörde ist hierzu nicht ausreichend. Das Finanzamt muss daher vor der öffentlichen Zustellung die nach Sachlage gebotenen und zumutbaren Ermittlungen nach dem Aufenthaltsort des Empfängers anstellen. Dazu gehören Nachforschungen bei der zuletzt zuständigen Meldebehörde, unter Umständen auch die Befragung von Angehörigen (unter Beachtung der Voraussetzungen des § 101 AO), der bisherigen Nachbarn oder des bisherigen Vermieters als Maßnahme nach § 93 AO. Mutmaßlichen Aufenthaltsorten des Empfängers muss durch Rückfragen bei der zuständigen Meldebehörde bzw. anderen Einrichtungen oder Personen nachgegangen werden. Für Wohnsitzermittlungen steht auch die elektronische Einwohnermeldeamt (EMA)-Anfrage zur Verfügung.
Ist das Finanzamt seiner Ermittlungspflicht nachgekommen, ist die öffentliche Zustellung zulässig, auch wenn das Ergebnis der Ermittlungshandlungen (z.B. infolge unrichtiger Auskunft) falsch war ( BFH/NV 1991 S. 13). Verletzt das Finanzamt seine Ermittlungspflicht, ist die öffentliche Zustellung unwirksam, aber nach § 8 VwZG heilbar ( BFH/NV 1992 S. 81), z.B. durch Übergabe einer Fotokopie des vollständigen Bescheides an den Empfänger (vgl. a.a.O.).
3. Unzustellbarkeit außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 VwZG)
Die öffentliche Zustellung kommt bei Aufenthalt des Steuerpflichtigen im Ausland dann in Betracht, wenn die Zustellung im Ausland nach § 9 VwZG unausführbar ist (vgl. hierzu Karte 2 zu § 122 AO, Tz 6).
4. Durchführung der öffentlichen Zuteilung
4.1. Aushang
Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 VwZG erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung an der Stelle, die vom Finanzamt hierfür allgemein bestimmt ist. Diese Stelle muss für jedermann während der Dienstzeiten allgemein zugänglich sein, weil ansonsten nicht von einer „öffentlichen Zustellung” gesprochen werden kann (Tafel für öffentliche Bekanntmachungen). Es bietet sich an, die Tafel für öffentliche Bekanntmachungen im Servicezentrum des Finanzamts zu platzieren.
Die ausgehängte Benachrichtigung hat die Funktion einer Erklärung, die die Zustellung beurkundet. Aus ihr muss sich das öffentlich zugestellte Schriftstück bzw. der öffentlich zugestellte Verwaltungsakt in einer Weise ergeben, dass keine Zweifel an seiner Nämlichkeit bestehen ( BStBl 1996 II S. 301).
Für die Erstellung der Benachrichtigung für den amtlichen Aushang steht die UNIFA-Word-Vorlage „Öffentliche Zustellung” (Ordner Allgemein) zur Verfügung. Durch Verwendung dieser Vorlage wird die Einhaltung von den in § 10 VwZG geregelten Erfordernissen des § 10 Abs. 2 VwZG gewährleistet.
4.2. Beurkundung der öffentlichen Zustellung
Gem. § 10 Abs. 2 Satz 5 VwZG sind der Tag und der Ort des Aushängens der Bekanntmachung und der Tag ihrer Abnahme aktenkundig zu machen. Nach Auffassung des BFH ist die Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung nur dann gegeben, wenn der Vermerk über die Zeitpunkte des Aushängens und der Abnahme auf der Bekanntmachung mit dem vollen Namen des zuständigen Beamten unterzeichnet ist ( BStBl 1985 II S. 597 zu § 15 VwZG a.F.). Es ist deshalb darauf zu achten, dass der zuständige Bearbeiter auf der Benachrichtigung sowohl bei dem Datum des Aushangs als auch bei der Abnahme seinen vollständigen Namenszug (Unterschrift) anbringt. Sind entsprechende Datumsvermerke nur mit einem Namenszeichen versehen, ist die Zustellung unwirksam. Die öffentliche Zustellung ist in diesem Fall zu wiederholen. Ebenso ist die Heilung des Zustellungsmangels nach § 8 VwZG möglich (vgl. hierzu Tz 2).
4.3. Tag der Zustellung
Das Schriftstück gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG an dem Tag als zugestellt, an dem seit dem Tag der Bekanntmachung der Benachrichtigung zwei Wochen verstrichen sind.
Bei Berechnung der Aushangsfrist ist der Tag des Aushängens nicht mit zu rechnen (§ 187 BGB). Die Frist verstreicht mit dem Tag, der dem Aushängetag kalendermäßig entspricht. Am darauf folgenden Tag gilt die Zustellung als bewirkt.
Die Frist beträgt zwei Wochen. Es wird an einem Mittwoch ausgehängt. Die Frist beginnt am Donnerstag und endet am übernächsten Mittwoch. Am nächsten Tag (Donnerstag) gilt die Zustellung als bewirkt.
Für das Ende der Frist ist wie bei der Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO (siehe hierzu BStBl 2003 II S. 898) maßgeblich, ob der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag fällt. In einem solchen Falle ist § 108 Abs. 3 AO anwendbar. Die Frist endet dann mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags.
4.4. Dauer des Aushangs
Die Benachrichtigung muss stets bis zu dem Zeitpunkt ausgehängt werden, zu dem die Zustellung nach § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG als bewirkt gilt (vgl. Tz. 4.3). Dies gilt auch dann, wenn der Empfänger vor Fristablauf beim Finanzamt erscheint und ihm das zuzustellende Schriftstück ausgehändigt wird. Die Aushändigung ist auf dem Aushang zu vermerken. Auch in diesen Fällen verbleibt es bei dem durch § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG bestimmten Zustellungstag. Ein Aushang über die Frist hinaus ist unschädlich.
Bayerisches Landesamt für Steuern v. - S 0284 - 21 St 41 M
Fundstelle(n):
WAAAB-76651