Instanzenzug:
Gründe
I. Die 1984 errichtete Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war bis 1999 als Steuerberatungsgesellschaft tätig; sie befindet sich zur Zeit in Liquidation (Auflösungsbeschluss Ende 2001). Im Anstellungsvertrag des vormaligen Geschäftsführers (und jetzigen Liquidators) vom war neben einer Festvergütung eine Tantieme „von 20 % des wirtschaftlichen Umsatzes, wobei der Tantiemeanspruch nicht zu einem Verlust der Gesellschaft führen darf”, versprochen worden. Gegebenenfalls sei „der Anspruch entsprechend zu ermäßigen, wobei der nicht realisierte Anspruch nachträglich zu vergüten ist, falls in den nachfolgenden fünf Wirtschaftsjahren der Differenzbetrag ohne Verursachung eines Bilanzverlustes zurückgestellt werden kann”. Die Klägerin bildete insoweit in ihren —auf ihr abweichendes Wirtschaftsjahr 1. Oktober bis 30. September bezogenen— Jahresabschlüssen entsprechende Rückstellungen (Wirtschaftsjahr 1992/93: ... DM; Wirtschaftsjahr 1993/94: ... DM). In einer Gesellschafterversammlung vom wurde beschlossen, dass die bisherige Tantieme ab entfallen und durch eine Gewinntantieme ersetzt werden soll.
Nach einer Außenprüfung berücksichtigte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) u.a. die jeweiligen Zuführungen zum Posten Rückstellung als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) einkommenserhöhend (unter Ansatz entsprechender Gewerbesteuer-Rückstellungen) und setzte durch Änderungsbescheide Körperschaftsteuer 1993 bis 1995 bzw. Gewerbesteuermessbeträge 1993 bis 1995 fest.
Das Einspruchsverfahren wurde vom FA durch Einspruchsentscheidungen vom abgeschlossen. Das FA brachte zwei Briefumschläge zur Zustellung; auf den Zustellungsurkunden war als Geschäftsnummer vermerkt: „St.Nr.X RB 01.2 RbL 42,43,45 u. 46/98 E.E. vom ..........” bzw. „St.Nr.X RB 01.2 RbL 44 u. 47/98 E.E. vom .............”. Die in den Steuerakten abgelegten Zustellungsurkunden tragen im Adressfeld eine per Stempelabdruck gefertigte Datierung „”. Die Klägerin erhob unter Beifügung der ungeöffneten Briefumschläge Klage; sie hielt die Zustellung für unwirksam und den Ansatz einer vGA für unrechtmäßig. Die Klage wurde vom (nicht veröffentlicht) abgewiesen; Revision wurde nicht zugelassen.
Die Klägerin beantragt die Zulassung der Revision unter Hinweis auf Verfahrensfehler („Überraschungsentscheidung"; mangelnde Sachaufklärung).
Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
II. Die Beschwerde ist unzulässig und war daher zu verwerfen. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) sind in der Beschwerdeschrift nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet worden.
1. a) Eine Überraschungsentscheidung und damit ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) liegt vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (Senatsbeschluss vom I B 127/98, BFH/NV 1999, 1609, m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör und die richterliche Hinweispflicht des § 76 Abs. 2 FGO verlangen jedoch nicht, dass das Gericht die maßgebenden Rechtsfragen mit den Beteiligten umfassend erörtert oder sogar die einzelnen für die Entscheidung erheblichen (rechtlichen oder tatsächlichen) Gesichtspunkte im Voraus andeutet (Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 1609).
b) Die Frage der Rechtswirksamkeit der Zustellung war Gegenstand des Rechtsstreits und ist von dem Gericht gegen die Rechtsauffassung der fachkundig vertretenen Klägerin entschieden worden. Dass das Gericht in der mündlichen Verhandlung erörterte Gesichtspunkte letztlich für entscheidungsunerheblich angesehen und zur Begründung einer Streitfrage (Datum als notwendiger oder entbehrlicher Bestandteil der Geschäftsnummer zur Identifizierung des Schriftstücks) auf eine veröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs —BFH— vom V R 11/02 (BFHE 205, 501, BStBl II 2004, 540) Bezug genommen hat, die bisher nicht erörtert wurde, gibt dem Rechtsstreit aber schon keine „Wendung” in dem zu a) beschriebenen Sinn. Die Klägerin rügt letztlich nur, dass das FG ein „vom Sachverhalt nicht vergleichbar(es)” Urteil herangezogen und damit einen Rechtsfehler begangen habe. Für eine schlüssige Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs wäre im Übrigen die substantiierte Darlegung erforderlich gewesen, was die Klägerin bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern dieses Vorbringen möglicherweise zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können (s. z.B. , BFH/NV 2000, 861).
2. Wird als Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO mangelnde Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) gerügt, so ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, welche Tatsache aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, die genauen Fundstellen (Schriftsatz, Terminprotokoll), in denen die Beweisthemen aufgeführt worden sind, das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme, inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschlüsse vom V B 25/02, BFHE 199, 85; vom V B 83/02, BFH/NV 2004, 676, m.w.N.). In der Beschwerdeschrift fehlt insbesondere die Darlegung, dass das Urteil des FG auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann. Denn das FG formuliert als „tragenden Grund” für den Ansatz einer vGA das Fehlen einer klaren und eindeutigen Vereinbarung über die Vergütung bei Überlassung von Mandaten zur Bearbeitung, wobei der Umstand einer Überlassung von Mandaten als unstreitig angesehen wurde. Die Klägerin greift damit letztlich nur die Würdigung des Sachverhalts durch das FG und seine rechtliche Schlussfolgerung an, was als Grund für eine Zulassung der Revision nicht ausreicht (z.B. , BFH/NV 2005, 1132).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 601 Nr. 3
XAAAB-76201