BFH Beschluss v. - X B 144/05

Keine wirksame Erklärung der Hauptsacheerledigung bei unzulässigem Rechtsmittel; Statthaftigkeit der außerordentlichen Beschwerde

Gesetze: FGO § 128 Abs. 1 und 3, § 138

Instanzenzug:

Gründe

I. Mit Beschluss vom 1 V 35/05 hat das Finanzgericht (FG) den Antrag der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) abgelehnt, die Vollziehung der angefochtenen Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide 1990 bis 1997 sowie der angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide 1990 bis 1995 in Höhe der sich daraus ergebenden Steuernachzahlungsbeträge auszusetzen. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das FG nicht zugelassen.

Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde haben die Antragsteller ihr Begehren auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) weiter verfolgt. Mit Schreiben vom haben sie das Verfahren wegen AdV in der Hauptsache für erledigt erklärt. Auf die Anfrage der Geschäftsstelle des angerufenen Senats, ob diese „Erledigungserklärung” als Rücknahme der Beschwerde zu werten sei, haben sie geantwortet, dass ihre Beschwerde nicht zurückgenommen werde, da sie zulässig und begründet gewesen sei. Aufgrund der Tatsache, dass die Antragsteller die angeforderten Steuern zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung jedoch zwischenzeitlich gezahlt hätten, habe sich das Aussetzungsverfahren rein tatsächlich erledigt.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Die von den Antragstellern in ihrem Schriftsatz vom erklärte Erledigung der Hauptsache ist wirkungslos; denn im Rechtsmittelverfahren kann die Hauptsache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann wirksam für erledigt erklärt werden, wenn das Rechtsmittel (hier: die Beschwerde) im Zeitpunkt der Erledigungserklärung zulässig war (vgl. z.B. die Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 138 Rz. 18b, 1. Absatz). Dies traf im Streitfall aus den nachstehenden Gründen nicht zu.

2. Gegen die Entscheidung über die AdV nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) steht den Beteiligten gemäß § 128 Abs. 3 FGO die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Das FG hat die Beschwerde nicht zugelassen und in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses auf dessen Unanfechtbarkeit hingewiesen.

In der FGO ist für diesen Fall keine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Beschwerde vorgesehen (vgl. , juris Nr: STRE200451601). Dies ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1986, 597, zu Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

3. Die Beschwerde kann auch nicht als zulässige außerordentliche Beschwerde gewertet werden.

a) Eine solche ist unter der Geltung der mit Wirkung vom eingeführten Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO weiterhin dann statthaft, wenn geltend gemacht wird, die angefochtene Entscheidung sei greifbar gesetzeswidrig (vgl. , BFHE 210, 225, BStBl II 2005, 838). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass ein solcher Verstoß schlüssig gerügt wird. Dazu hätten die Antragsteller substantiiert darlegen müssen, dass die angefochtene Entscheidung „jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt” und „inhaltlich dem Gesetz fremd”, d.h. (objektiv) willkürlich sei (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 128 Rz. 16).

b) Daran fehlt es im Streitfall. Die Beschwerdebegründung der Antragsteller erschöpft sich im Kern in (knappen) Ausführungen darüber, dass und warum die vom FG im summarischen (Aussetzungs-)Verfahren akzeptierten Schätzungen der Finanzbehörde „völlig überhöht und nicht sachgerecht” seien. Dies reicht für die schlüssige Darlegung einer greifbar gesetzeswidrigen, (objektiv) willkürlichen FG-Entscheidung offenkundig nicht aus.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 604 Nr. 3
IAAAB-76190