Zuständigkeit bei der Gewährung von Stundungen; Zuständigkeit bei Billigkeitsmaßnahmen über Insolvenzforderungen, in ausländischen Insolvenzverfahren und im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen
Bezug: BStBl 2004 I S. 29 BStBl 2004 I S. 29 BStBl 2003 I S. 401
I) Zuständigkeit für Stundungen nach § 222 AO, Erlasse nach § 227 AO, Billigkeitsmaßnahmen nach § 163, § 234 Abs. 2, § 237 Abs. 4 AO, Absehen von Festsetzungen nach § 156 Abs. 2 AO und Niederschlagungen nach § 261 AO von Landessteuern und der sonstigen durch Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern und Abgaben
Unter Aufhebung der bisherigen Anordnungen wird die Zuständigkeit für Stundungen nach § 222 AO, Erlasse nach § 227 AO, Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO, Absehen von Festsetzungen nach § 156 Abs. 2 AO und Niederschlagungen nach § 261 AO von Landessteuern und sonstigen durch Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern und Abgaben – jeweils einschließlich Nebenleistungen – sowie für den Verzicht auf Zinsen nach § 234 Abs. 2, § 237 Abs. 4 AO, soweit sie auf durch Landesfinanzbehörden verwaltete Steuern und Abgaben erhoben werden, wie folgt geregelt:
A. Regelung der Zuständigkeit
I. Stundungen nach § 222 AO
Die Finanzämter sind befugt zu stunden:
in eigener Zuständigkeit
Beträge bis 100.000 Euro einschließlich zeitlich unbegrenzt,
höhere Beträge bis zu 6 Monaten;
mit Zustimmung der Oberfinanzdirektion
Beträge bis 250.000 Euro einschließlich zeitlich unbegrenzt,
höhere Beträge bis zu 12 Monaten;
mit Zustimmung der obersten Landesfinanzbehörde in allen übrigen Fällen.
Stundungen sind stets unter dem Vorbehalt des Widerrufs auszusprechen.
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IV. Zuständigkeit beim Verzicht auf Mittelbehörden (§ 2a FVG)
Ist keine Oberfinanzdirektion eingerichtet, ist bei Überschreiten der für die Vorlage an die Oberfinanzdirektion maßgeblichen Grenzen die Zustimmung bzw. Genehmigung der obersten Landesfinanzbehörde einzuholen.
B. Gemeinsame Anordnungen
I. Zuständigkeitsgrenzen
Für die Feststellung der Zuständigkeitsgrenzen sind jede Steuerart und jeder Veranlagungszeitraum für sich zu rechnen; erstreckt sich die Maßnahme nach § 163 Satz 2 AO auf mehrere Jahre, so sind die Beträge, die auf die einzelnen Jahre entfallen, zu einem Gesamtbetrag zusammenzurechnen. Bei Steuerarten ohne bestimmten Veranlagungszeitraum (z.B. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) gilt das Kalenderjahr als Veranlagungszeitraum; bei den Einzelsteuern ist jeder Steuerfall für sich zu betrachten. Etwaige vorher ausgesprochene Bewilligungen sind zu berücksichtigen. Vorauszahlungen für einen Veranlagungs- bzw. Besteuerungszeitraum sind zusammenzurechnen; sie sind jedoch nicht in einen Jahresbetrag hochzurechnen.
Steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) sind dem Hauptbetrag nicht hinzuzurechnen. Sie gelten jedoch selbst als Hauptbetrag, soweit für sie eine der in diesem Erlass genannten Maßnahmen getroffen werden soll.
Bei Steuerschulden verschiedener Art und Höhe oder aus mehreren Jahren richtet sich das Zustimmungserfordernis für alle Beträge nach dem höchsten Betrag.
II. Ablehnung von Anträgen
Die Finanzämter und die Oberfinanzdirektionen sind unabhängig von der Höhe des Betrages berechtigt, Anträge auf Stundung nach § 222 AO, auf abweichende Festsetzung nach § 163 AO, auf Erlass nach § 227 AO sowie auf Verzicht nach § 234 Abs. 2 und § 237 Abs. 4 AO abzulehnen, wenn diese Anträge für nicht begründet erachtet werden.
III. Vorlage von Anträgen
Die Finanzämter und die Oberfinanzdirektionen haben Anträge auf eine der in Abschnitt B II bezeichneten Maßnahmen der zuständigen übergeordneten Behörde vorzulegen, wenn die Anträge ganz oder teilweise für begründet erachtet und die im Abschnitt A bezeichneten Grenzen überschritten werden oder wenn aus besonderen Gründen die Vorlage angezeigt ist.
Die Zustimmung der jeweils zuständigen Landesfinanzbehörde ist nicht einzuholen bei Billigkeitsmaßnahmen über Insolvenzforderungen im Verbraucherinsolvenzverfahren (einschließlich des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens) und im Regelinsolvenzverfahren.
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Diese Erlasse ergehen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen. Sie treten an die Stelle der Erlasse vom (Oberste FinBeh der Länder, Erlass vom – S 0457, BStBl 2002 I S. 62).
II) Mitwirkung des Bundesministeriums der Finanzen bei Billigkeitsmaßnahmen bei der Festsetzung oder Erhebung von Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Mitwirkung des Bundesministeriums der Finanzen bei Billigkeitsmaßnahmen bei der Festsetzung oder Erhebung von Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, und von Zinsen auf solche Steuern Folgendes:
Die obersten Finanzbehörden der Länder werden auf dem Gebiet der Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, in folgenden Fällen die vorherige Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen einholen:
Bei Stundungen nach § 222 AO, wenn der zu stundende Betrag höher ist als 500.000 Euro und für einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten gestundet werden soll;
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bei Billigkeitsrichtlinien der obersten Finanzbehörden der Länder, die die abweichende Festsetzung, die Stundung oder den Erlass betreffen und sich auf eine Mehrzahl von Fällen beziehen.
Die Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen ist nicht einzuholen bei Billigkeitsmaßnahmen über Insolvenzforderungen, im Verbraucherinsolvenzverfahren (einschließlich des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens) und im Regelinsolvenzverfahren.
Für die Feststellung der Zustimmungsgrenzen ist jede Steuerart und jeder Veranlagungszeitraum für sich zu rechnen; erstreckt sich die Maßnahme nach § 163 Satz 2 AO auf mehrere Jahre, so sind die Beträge, die auf die einzelnen Jahre entfallen, zu einem Gesamtbetrag zusammenzurechnen. Bei Steuerarten ohne bestimmten Veranlagungszeitraum (z.B. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) gilt das Kalenderjahr als Veranlagungszeitraum; bei den Einzelsteuern ist jeder Steuerfall für sich zu betrachten. Etwaige vorher ausgesprochene Bewilligungen sind zu berücksichtigen. Vorauszahlungen dürfen nicht in einen Jahresbetrag umgerechnet werden. Steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) sind dem Hauptbetrag nicht hinzuzurechnen. Zinsen gelten jedoch selbst als Hauptbetrag, soweit für sie eine Billigkeitsmaßnahme getroffen werden soll. Dabei sind für einen Verzicht auf Stundungszinsen nach § 234 Abs. 2 AO und auf Aussetzungszinsen nach § 237 Abs. 4 AO die in den Ziffern 2 und 3 bezeichneten Betragsgrenzen maßgebend.
Dieses Schreiben tritt an die Stelle des IV D 2 – S 0457 – 1/02 – (BStBl 2002 I S. 61).
Zusatz der Oberfinanzdirektion:
a) zur Zustimmung bei Billigkeitsmaßnahmen über Insolvenzforderungen im Verbraucherinsolvenzverfahren und im Regelinsolvenzverfahren:
Im Verbraucherinsolvenzverfahren (einschließlich des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens) und im Regelinsolvenzverfahren ist bei Billigkeitsmaßnahmen über Insolvenzforderungen keine Zustimmung der vorgesetzten Behörde einzuholen. Die Finanzämter können in den einschlägigen Fällen in vollem Umfang in eigener Zuständigkeit ohne Zustimmung der Oberfinanzdirektion und des Hessischen Ministeriums der Finanzen sowie ohne Mitwirkung des Bundesministeriums der Finanzen entscheiden.
b) zur Mitwirkung der vorgesetzten Behörde bei Billigkeitsmaßnahmen in ausländischen Insolvenzverfahren:
Durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom wurden Regelungen zur Anerkennung von ausländischen Insolvenzverfahren in die Insolvenzordnung eingefügt. Grundsätzlich wird ein ausländisches Insolvenzverfahren von Deutschland anerkannt, sofern es nicht gegen deutsche Rechtsgrundsätze verstößt. Hierbei ist in der Regel das Recht des Landes anzuwenden, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
In ausländischen Insolvenzverfahren ist keine Zustimmung der vorgesetzten Behörde einzuholen. Die Finanzämter können in den einschlägigen Fällen in vollem Umfang in eigener Zuständigkeit ohne Zustimmung der Oberfinanzdirektion und des Hessischen Ministeriums der Finanzen sowie ohne Mitwirkung des Bundesministeriums der Finanzen entscheiden. Die OFD bittet aber, in entsprechenden Fällen nachträglich zu berichten.
c) zur Mitwirkung der vorgesetzten Behörde bei Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen:
Bei Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen ist keine Zustimmung der vorgesetzten Behörde einzuholen.
Die Finanzämter können in eigener Zuständigkeit ohne Zustimmung der Oberfinanzdirektion und des Hessischen Ministeriums der Finanzen sowie ohne Mitwirkung des Bundesministeriums der Finanzen entscheiden.
Bezüglich etwaiger Vorlagepflichten in diesen Fällen wird auf die Rdvfg. vom – S 2140 A – 4 – St II 2.02 (ESt-Kartei § 3 Fach 9 Karte 2 N) verwiesen.
Übersicht über die Zuständigkeit bei Gewährung von Stundungen [1]
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FA | OFD | HMdF | BMF | |
a) | 1 Euro - 100.000 Euro zeitlich unbegrenzt | 100.001 Euro - 250.000 Euro zeitlich unbegrenzt | 250.001 Euro - 500.000 Euro zeitlich unbegrenzt | mehr als 500.000 Euro zeitlich unbegrenzt |
b) | mehr als 100.000 Euro bis zu 6 Monaten | mehr als 250.000 Euro bis zu 12 Monaten | mehr als 500.000 Euro bis zu 12 Monaten |
Oberfinanzdirektion Frankfurt am
Main v. - S
0457 A - 1 - St II
4.04
Fundstelle(n):
YAAAB-74997
1Im Verbraucherinsolvenzverfahren (einschließlich des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens) und im Regelinsolvenzverfahren können die Finanzämter bei Billigkeitsmaßnahmen über Insolvenzforderungen in vollem Umfang in eigener Zuständigkeit ohne Zustimmung der Oberfinanzdirektion und des Hessischen Ministeriums der Finanzen sowie ohne Mitwirkung des Bundesministeriums der Finanzen entscheiden. Dies gilt entsprechend bei Billigkeitsmaßnahmen in ausländischen Insolvenzverfahren sowie bei Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen (vgl. hierzu auch Rdvfg. vom – S 2140 A – 4 – St II 2.02 (ESt-Kartei § 3 Fach 9 Karte 2 N))