BFH Beschluss v. - VII R 2/05

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist vor dem Finanzgericht (FG) mit ihrem Antrag, den Beklagten und Revisionsbeklagten (das Hauptzollamt —HZA—) zu verpflichten, ihr unter Aufhebung der ablehnenden Verwaltungsentscheidungen Mineralölsteuer in Höhe von ... € gemäß § 53 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStV) zu erstatten (Verfahren IV 359/02), unterlegen. Das FG urteilte, die Klägerin habe es versäumt, nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Schuldners ihre Forderungen gegen diesen, so wie es die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) verlange, gerichtlich in der Form der Beantragung eines Mahnbescheids geltend zu machen (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV). Im Laufe des von der Klägerin angestrengten Revisionsverfahrens hat das HZA unter Hinweis auf Absatz 19 der vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) neu erlassenen Verwaltungsvorschrift zu § 53 MinöStV, wonach die gerichtliche Verfolgung durch Beantragung eines gerichtlichen Mahnbescheids bei Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens nicht mehr erforderlich sei ( III A 1 -V 0363- 2/05, abgedruckt in Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung N 34 2005 Nr. 139 vom ), der Klägerin die Mineralölsteuer antragsgemäß erstattet. Darauf haben die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II. 1. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Das angefochtene Urteil einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung ist dadurch gegenstandslos geworden. Der Senat hat mithin nur noch über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden (§ 138 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand entspricht es billigem Ermessen, die Kosten den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen.

2. Entgegen der Auffassung der Beteiligten ist die gesetzliche Kostentragungsregel des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO auf den Streitfall nicht anwendbar. Diese Vorschrift greift —abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall der Untätigkeitsklage— nur in Verfahren aufgrund von Anfechtungsklagen, nicht jedoch auch bei Verpflichtungsklagen (Senatsbeschlüsse vom VII B 48/92, BFH/NV 1993, 320, und vom VII R 67/96, BFH/NV 1999, 93, jeweils m.w.N.). Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war der Antrag der Klägerin, das HZA zu verpflichten, ihr Mineralölsteuer zu erstatten. Über dieses Verpflichtungsbegehren kann nach Erledigung keine Sachentscheidung mehr ergehen. Der Rechtsstreit hat sich mithin nicht durch Rücknahme oder Änderung eines in diesem Verfahren „angefochtenen” Verwaltungsakts erledigt. Dass im Vorstadium des Verpflichtungsbegehrens notwendigerweise ein Antrag auf Aufhebung der das Begehren ablehnenden Verwaltungsentscheidungen zu stellen ist (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 40 Rz. 21), ist durch die Struktur von Verpflichtungsklage und Vorverfahren („Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten…Verwaltungsakts”, vgl. § 40 Abs. 1, § 44 Abs. 1 FGO) bedingt und macht das Begehren als solches nicht zu einem Anfechtungsbegehren. Denn mit der bloßen Aufhebung des den Antrag ablehnenden Verwaltungsakts und der diese Ablehnung bestätigenden Einspruchsentscheidung wäre dem (weitergehenden) Rechtsschutzziel der Klägerin nicht entsprochen. Es kommt damit im Streitfall die Kostentragungsregel des § 138 Abs. 1 FGO zum Zuge.

3. Nach § 138 Abs. 1 FGO hat das Gericht nach billigem Ermessen über die Auferlegung der Kosten zu entscheiden, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Hierbei ist der mutmaßliche Ausgang des Verfahrens ohne das erledigende Ereignis zu berücksichtigen. Dabei bedarf es allerdings keiner abschließenden Klärung der aufgeworfenen mineralölsteuerrechtlichen Rechtsfrage, vielmehr genügt eine summarische Beurteilung der Rechtslage (Senatsbeschluss vom VII K 13/92, BFH/NV 1993, 761).

Hiernach ist zunächst festzustellen, dass die Klage der Klägerin vom FG als unbegründet abgewiesen worden ist. Ob ihre Revision ohne die Erledigung des Rechtsstreits Erfolg gehabt hätte, erscheint zumindest zweifelhaft, denn das angefochtene Urteil entspricht, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, der bisherigen Rechtsauffassung des BFH (vgl. zuletzt den Senatsbeschluss vom VII B 144/04, BFH/NV 2005, 1384). Andererseits konnte der Senat in seiner Rechtsprechung bislang noch nicht die geänderte Verwaltungsauffassung, wie sie in Absatz 19 der angeführten Verwaltungsvorschrift zu § 53 MinöStV zum Ausdruck kommt, würdigen. Möglicherweise könnte eine solche Würdigung den Senat dazu veranlassen, seine Rechtsprechung dahin gehend zu modifizieren, dass künftig im Falle der Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens auf das Erfordernis der Beantragung eines gerichtlichen Mahnbescheids unter der Voraussetzung verzichtet werden könnte, dass die Forderung später unverzüglich zur Insolvenztabelle angemeldet bzw. dass im Falle der Einstellung des Insolvenzverfahrens der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids unverzüglich nachgeholt wird. Die Gründe, die das FG für eine solche Lösung ins Feld geführt hat, entbehren nicht einer gewissen Berechtigung.

In einer solchen Lage, in der der Ausgang des Rechtsstreits nicht mit einiger Gewissheit vorhergesagt werden kann, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits entweder gegeneinander aufzuheben (vgl. , BFH/NV 2005, 2043) oder sie den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen (Senat in BFH/NV 1999, 93). Der Senat hält im Streitfall die hälftige Kostentragung für angemessen. Maßgeblich hierfür ist, dass im Revisionsverfahren vor dem BFH Vertretungszwang besteht (§ 62a FGO) und im erstinstanzlichen Verfahren schwierige Rechtsfragen zu entscheiden waren, so dass es dem Senat unbillig erschiene, die Klägerin ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten allein tragen zu lassen. Der Senat weicht damit nicht von dem Beschluss des BFH in BFH/NV 2005, 2043 ab, denn es entspricht gerade billigem Ermessen, auch den Besonderheiten des Streitfalls Rechnung zu tragen.

4. Darüber, ob auch, wie von der Klägerin beantragt, die Kosten für die Zuziehung des klägerischen Prozessvertreters im Vorverfahren in die Berechnung einzubeziehen sind (vgl. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), hat nicht der Senat, sondern das FG zu befinden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 191, 505).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 353 Nr. 2
CAAAB-73509