Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Vater des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) sagte diesem mit notariell beurkundetem Vertrag vom die unentgeltliche Übertragung zahlreicher ideeller Anteile an Grundstücken zu; Eigentümer der Anteile im Übrigen war der Kläger bereits. Bei der Beurkundung traten für die abwesenden Vertragsbeteiligten Notariatsangestellte auf, und zwar nach dem Vertragswortlaut als vollmachtlose Vertreter. Der Notar wies darauf hin, dass der Vertrag bis zu seiner Genehmigung durch die Vertragsparteien schwebend unwirksam sei. Diese genehmigten den Vertrag durch öffentlich beglaubigte Urkunden vom .
In dem Vertrag wurde die Auflassung der Miteigentumsanteile erklärt. Der Notar wurde angewiesen, den Antrag auf Umschreibung des Eigentums unverzüglich nach Vorliegen aller Genehmigungen beim Grundbuchamt einzureichen. Auflassungsvormerkungen sollten nicht eingetragen werden. Der Kläger räumte seinem Vater und aufschiebend bedingt durch dessen Tod dessen Ehefrau auf deren Lebensdauer unentgeltlich den Nießbrauch an den ihm übertragenen Miteigentumsanteilen ein.
Während der Kläger annahm, die Schenkungsteuer für die Zuwendung der Grundstücksanteile sei bereits mit der Beurkundung des Übertragungsvertrags am entstanden und deshalb auf der Grundlage der für die Grundstücke festgestellten Einheitswerte festzusetzen, vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Auffassung, die Schenkungsteuer sei erst mit der Genehmigung des Vertrags am entstanden, und sah dementsprechend die vom Lagefinanzamt nach § 12 Abs. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.V.m. § 138 Abs. 3 und 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 vom (BGBl I, 2049) festgestellten Grundbesitzwerte für die übertragenen Grundstücksanteile als maßgebend an. Der Einspruch gegen den Schenkungsteuerbescheid blieb insoweit erfolglos.
Während des Klageverfahrens erließ das FA aufgrund geänderter Feststellungsbescheide des Lagefinanzamts auf den einen geänderten Schenkungsteuerbescheid, den es im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Revisionsverfahren II R 61/99 für vorläufig erklärte (vgl. Vorlagebeschluss vom II R 61/99, BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598). Die Einspruchsverfahren gegen die Feststellungsbescheide ruhen bis zur abschließenden gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren.
Die mit dem zuletzt ergangenen Bescheid vom festgesetzte Schenkungsteuer von 759 178 DM errechnete das FA, indem es dem Wert des Erwerbs von 4 097 000 DM Vorschenkungen von 420 400 DM hinzurechnete und hiervon den persönlichen Freibetrag von 400 000 DM nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG abzog. Die sich auf den hieraus ermittelten Betrag von 4 117 400 DM bei einem Steuersatz von 19 v.H. (§ 19 Abs. 1 ErbStG) ergebende Steuer von 782 306 DM verminderte das FA nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG um die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer von 23 128 DM. Es stundete die festgesetzte Steuer zinslos in Höhe von 401 907 DM.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger das Fehlen schriftlicher Vollmachten für die Notariatsangestellten eingeräumt hatte, durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1622 veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, die Schenkungsteuer für die freigebigen Zuwendungen sei erst mit der Genehmigung des Vertrags vom am entstanden, so dass für die Wertermittlung und Steuerberechnung die ab 1996 geltenden Vorschriften anwendbar seien. Die zivilrechtliche Rückwirkung der Genehmigungen wirke sich nicht auf die Entstehung der Schenkungsteuer aus.
Mit der Revision hält der Kläger an seiner Auffassung fest, die Steuer sei bereits im Jahr 1995 entstanden, und bringt zur Begründung vor, die Vertragsparteien seien sich darüber einig gewesen, dass die Schenkung in diesem Jahr hätte vollzogen werden sollen. Die Notariatsangestellten seien am beauftragt und bevollmächtigt gewesen, die Erklärungen für die Vertragsbeteiligten vor dem Notar unwiderruflich abzugeben, und zwar in der gehörigen notariellen Form. Dies ergebe sich aus verschiedenen, der Revisionsbegründung beigefügten Unterlagen über die Vorbereitung der Verträge im Zusammenwirken mit dem Notar. Dass das FG dazu keine Beweise erhoben habe, stelle einen Verfahrensmangel dar. Im Übrigen sei die zivilrechtliche Rückwirkung der Genehmigungserklärungen nach § 184 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auch schenkungsteuerrechtlich maßgebend. Die rückwirkende Anwendung des erst am in Kraft getretenen ErbStG i.d.F. des JStG 1997 bereits auf Erwerbe ab sei zudem verfassungswidrig.
Der Kläger beantragt, unter Änderung des Schenkungsteuerbescheids vom die Steuer auf 111 930 DM herabzusetzen und in Höhe von 66 253 DM zinslos zu stunden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Schenkungsteuer sei nicht bereits 1995 entstanden. Die Verträge seien in diesem Jahr noch nicht wirksam gewesen. Die zivilrechtliche Rückwirkung der 1996 erteilten Genehmigungen wirke sich auf die Schenkungsteuer nicht aus. Die rückwirkende Anwendung des ErbStG i.d.F. des JStG 1997 auf Erwerbe ab sei verfassungsgemäß.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das FG hat zwar zutreffend entschieden, dass die Schenkungsteuer im Jahr 1996 entstanden und die im JStG 1997 angeordnete Rückwirkung des neuen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts auf den verfassungsgemäß ist (, BFHE 207, 355, BStBl II 2005, 99). Die Berechnung der Schenkungsteuer entspricht indes nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 1 ErbStG. Die nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG anzurechnende fiktive Schenkungsteuer beträgt 36 344 DM und ist daher höher als der vom FA berücksichtigte Anrechnungsbetrag.
1. Das FG ist übereinstimmend mit den Verfahrensbeteiligten zutreffend davon ausgegangen, dass die Frage, wann die Schenkungsteuer entstanden ist, im vorliegenden Verfahren und nicht im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Feststellungsbescheide über die Grundbesitzwerte zu klären ist. Der Zeitpunkt der Steuerentstehung gehört nicht zu den Besteuerungsgrundlagen, über die in den Bescheiden zur gesonderten Feststellung der Grundbesitzwerte nach § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 138 Abs. 5 BewG verbindlich zu entscheiden ist. Er betrifft vielmehr die Vorfrage, welche Gesetzesfassung auf den Streitfall anzuwenden ist. Wird ein Feststellungsbescheid auf einen Stichtag erlassen, an dem keine Steuer entstanden ist, geht er ins Leere und wirkt sich daher nicht aus. Über die Höhe der festgestellten Werte besteht kein Streit.
2. Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 der Abgabenordnung —AO 1977—). Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entsteht die Steuer bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Eine Schenkung oder freigebige Zuwendung ist ausgeführt, wenn der Bedachte das erhalten hat, was ihm nach der Schenkungsabrede, im Fall der freigebigen Zuwendung nach dem Willen des Zuwendenden, verschafft werden soll; danach richtet sich auch der Gegenstand der Schenkung, sofern der Wille des Zuwendenden tatsächlich vollzogen wurde (, BFH/NV 2005, 213, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung).
Abweichend hiervon entsteht die Steuer bei der freigebigen Zuwendung (Schenkung) eines Grundstücks oder eines Miteigentumsanteils hieran nicht erst bei Eintritt des Leistungserfolges, also mit Übergang des zivilrechtlichen Eigentums durch Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB). Vielmehr ist die freigebige Zuwendung (Schenkung) in solchen Fällen bereits ausgeführt, wenn die Vertragspartner die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken. Dies ist der Fall, wenn von den Vertragsparteien die Auflassung erklärt (§ 925 Abs. 1 Satz 1, § 873 Abs. 1 BGB) und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch von dem Berechtigten, nämlich dem Schenker, bewilligt worden ist (§ 19 der Grundbuchordnung —GBO—), der Schenker also alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan hat, und wenn ferner der Beschenkte jederzeit seine Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch beantragen und damit den Eintritt der —dinglichen— Rechtsänderung herbeiführen kann (, BFH/NV 2000, 1095, und vom II R 26/02, BFHE 208, 438, BStBl II 2005, 312). Nicht erforderlich ist, dass der Beschenkte den Eintragungsantrag beim Grundbuchamt stellt (, BFHE 163, 214, BStBl II 1991, 320).
Bei einem letztlich nicht zustande gekommenen Eigentumsübergang auf den Beschenkten, dessen Erben oder —durch diese veranlasst— auf einen Dritten und damit bei einem Verbleib des Grundstücks im Vermögen des ursprünglichen Eigentümers soll indes mit dieser Rechtsprechung eine Grundstücksschenkung nicht durch Vorverlegung des Ausführungszeitpunkts fingiert werden. Diese Rechtsprechung hat vielmehr zur Voraussetzung, dass die Umschreibung im Grundbuch und damit der Eigentumswechsel auf den Beschenkten oder ggf. dessen Erben nachfolgt oder nur deshalb unterbleibt, weil der Beschenkte bzw. dessen Erbe die unmittelbare Umschreibung vom Schenker auf einen Dritten —etwa nach Abtretung des Verschaffungsanspruchs oder Übertragung des Anwartschaftsrechts— veranlasst hat. Bezüglich eines solchermaßen zivilrechtlich abgeschlossenen, auf den Eigentumsübergang gerichteten Vorgangs sollte ein unter dem Gesichtspunkt der §§ 11, 14 oder 37 ErbStG sinnvoller Ausführungszeitpunkt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bestimmt werden (, BFHE 199, 25, BStBl II 2002, 781; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 208, 438, BStBl II 2005, 312).
Die Umschreibung im Grundbuch auf den Beschenkten, dessen Erben oder auf deren Veranlassung auf einen Dritten, braucht nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erfolgen. Die entstandene Schenkungsteuer fällt vielmehr rückwirkend erst dann weg, wenn die Schenkungsabrede vor der Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch wieder aufgehoben wird (BFH-Urteil in BFHE 199, 25, BStBl II 2002, 781) oder der Beschenkte aus anderen Gründen aufgrund der Eintragungsbewilligung die Eigentumsumschreibung im Grundbuch auf ihn selbst oder einen Dritten nicht mehr herbeiführen kann, etwa weil der Schenker über das Grundstück gegenüber dem Beschenkten wirksam anderweit verfügt hat. Treten solche Umstände ein, handelt es sich um ein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit (rückwirkendes Ereignis, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977). Die Festsetzungsfrist für die Änderung eines ergangenen Schenkungsteuerbescheids richtet sich nach § 175 Abs. 1 Satz 2 und § 171 AO 1977.
3. Die Schenkungsteuer für die dem Kläger geschenkten Grundstücksanteile ist danach nicht bereits im Jahr 1995, sondern erst 1996 mit Abgabe der Genehmigungserklärungen durch die Vertragsparteien entstanden.
a) Aufgrund des ausdrücklich als schwebend unwirksam bezeichneten Vertrags konnte im Jahr 1995 die Eintragung des Klägers als Eigentümer der ihm zugewendeten Grundstücksanteile nicht herbeigeführt werden, und zwar unabhängig davon, ob der Vertrag zu Recht so bezeichnet war. Auf die vom Kläger behauptete bloße Absicht der Vertragsbeteiligten, die Schenkung noch im Jahr 1995 zu vollziehen, kommt es nicht an; seine hierauf bezogene Verfahrensrüge geht fehl. Die zivilrechtliche Rückwirkung der Genehmigungen (§ 184 Abs. 1 BGB) hat ebenfalls keine Bedeutung, da sie am maßgebenden tatsächlichen Geschehensablauf nichts ändert.
b) Nachdem im Jahr 1996 der Vertrag von den Vertragsbeteiligten genehmigt worden war, lagen die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer hinsichtlich der zugewendeten Grundstücksanteile vor. Die Auflassungserklärungen waren nunmehr wirksam. Die für die Entstehung der Steuer erforderliche Eintragungsbewilligung ist in dem Auftrag an den Notar zu sehen, den Antrag auf Umschreibung des Eigentums unverzüglich nach Vorliegen aller Genehmigungen beim Grundbuchamt einzureichen. Die Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) braucht nicht ausdrücklich als solche gekennzeichnet zu sein. Es muss nur unzweideutig erkennbar sein, dass eine Grundbucheintragung gewollt ist und was eingetragen werden soll. Die Eintragungsbewilligung kann daher auch in die Form eines Eintragungsantrags gekleidet werden (Demharter, Grundbuchordnung, Kommentar, 24. Aufl., § 19 Rz. 27, m.w.N.).
4. Nach den im Senatsurteil vom II R 43/03 (BFH/NV 2005, 1453) dargelegten Grundsätzen errechnet sich der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbare Betrag von 36 344 DM, indem man vom Wert der Vorschenkungen (420 400 DM) den vom Kläger innerhalb von 10 Jahren vor der mit dem angefochtenen Bescheid besteuerten freigebigen Zuwendung für Schenkungen seines Vaters verbrauchten Freibetrag von 90 000 DM abzieht und auf den Unterschiedsbetrag von 330 400 DM den in § 19 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des JStG 1997 bestimmten Steuersatz von 11 v.H. anwendet. Da das FG dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Schenkungsteuer berechnet sich wie folgt:
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Steuerpflichtiger Erwerb: | 4 117 400,00 DM |
Schenkungsteuer | 782 306,00 DM |
./. Anrechnungsbetrag | 36 344,00 DM |
festzusetzende Schenkungsteuer | 745 962,00 DM |
= 381 404,31 € |
Die Berechnung des Betrags der nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu stundenden Steuer und des Ablösebetrags (§ 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG) wird nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FGO dem FA übertragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BBV-Kurznachricht Nr. 2/2006 S. 42
BFH/NV 2006 S. 551 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2006 S. 54
NWB-Eilnachricht Nr. 9/2006 S. 655
VAAAB-73491