Instanzenzug:
Gründe
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden im Streitjahr (1998) als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger ist Landwirt und führte daneben bis 1996 noch einen Lohnspritzbetrieb. Da die Kläger für das Streitjahr, ebenso wie für die vorangegangenen Jahre, keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten, schätzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf 60 000 DM, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 10 000 DM und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ebenfalls auf 10 000 DM. Nachdem der auf dieser Grundlage ergangene Einkommensteuerschätzungsbescheid 1998 mit der nicht angefochtenen Einspruchsentscheidung vom bestandskräftig geworden war, reichte der Prozessbevollmächtigte der Kläger am den Jahresabschluss 1998/99 für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und weitere Unterlagen zur Einkommensteuerveranlagung 1998 mit dem Antrag, eine Berichtigungsveranlagung durchzuführen, beim FA ein. Danach ergab sich für das Streitjahr ein Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von 24 615 DM und ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung von 3 717 DM.
Das FA lehnte die Berichtigungsveranlagung mit Bescheid vom und Einspruchsentscheidung vom ab; auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, dass eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen groben Verschuldens des Klägers nicht in Betracht komme, der Einkommensteuerschätzungsbescheid aber wegen eventueller grober Schätzungsfehler zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig sei.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
Mit ihrer dagegen eingelegten Beschwerde berufen sich die Kläger auf die Zulassungsgründe der Rechtsfortbildung und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, die eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erforderten.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
Im Streitfall liegt weder die gerügte Divergenz vor noch ist die Rüge begründet, schwerwiegende Rechtsfehler im Urteil des FG, das mit der rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sei, erforderten eine Entscheidung des BFH.
1. Zu Unrecht rügen die Kläger eine Abweichung der Vorentscheidung von den Urteilen des (juris) und vom I R 50/00 (BFHE 194, 1, BStBl II 2001, 381). Das FG hat sich unter 3.c seiner Entscheidungsgründe vielmehr ausdrücklich auf diese beiden Entscheidungen des BFH bezogen und ausgeführt, der BFH habe in seiner neueren Rechtsprechung die Nichtigkeit von Schätzungsbescheiden nicht nur bei subjektiver Willkür des handelnden Beamten angenommen, sondern bereits dann, wenn das Schätzungsergebnis trotz vorhandener Aufklärungsmöglichkeiten krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweiche und nicht erkennbar sei, dass und ggf. welche Schätzungserwägungen angestellt worden seien. Das FG hat allerdings die diesen BFH-Urteilen zu Grunde liegenden Sachverhalte als mit dem Streitfall nicht vergleichbar angesehen. Auf diese von ihrer Auffassung abweichende tatsächliche und rechtliche Würdigung des FG können die Kläger eine Divergenz nicht stützen. Denn nicht die —nach Auffassung der Kläger vorliegende— Unrichtigkeit des Urteils im Einzelfall, sondern die mangelnde Übereinstimmung im Grundsätzlichen rechtfertigt die Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO— (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 55, m.w.N.).
2. Soweit sich die Kläger auf die Nichtigkeit des Einkommensteuerschätzungsbescheids berufen, geht der Senat davon aus, dass sie besonders schwerwiegende Fehler des FG bei der Auslegung revisiblen Rechts geltend machen wollen, die nach der Neufassung der Revisionszulassungsgründe durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757) ebenfalls die Zulassung der Revision ermöglichen, wenn „über den Einzelfall hinaus ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung des Revisionsgerichts besteht” (Begründung zum Gesetzentwurf, BTDrucks 14/4061, S. 9). Dabei kann dahinstehen, ob dieser Zulassungsgrund aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FGO herzuleiten ist (vgl. dazu z.B. Senatsbeschluss vom IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Jedenfalls hat der BFH diesen Zulassungsgrund bejaht, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (BFH-Beschlüsse in BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; vom VIII B 60/01, juris, und Senatsbeschluss vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25).
a) Solche Fehler haben die Kläger ausdrücklich geltend gemacht, indem sie rügen, das Urteil sei willkürlich, weil die Schätzung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft für das Streitjahr um mehr als das Zweifache des erklärten Gewinns betragen habe und ein Gewinn aus Gewerbebetrieb überhaupt nicht hätte angesetzt werden dürfen, weil dieser Betrieb zum aufgegeben worden sei. Wegen der Anerkennung der Schätzungen sei das Urteil mit derart schwerwiegenden Fehlern behaftet, dass eine korrigierende Entscheidung des BFH geboten sei.
b) Der beschließende Senat hält diese Rüge im Streitfall nicht für durchgreifend.
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Schätzungsbescheid zwar rechtswidrig und anfechtbar gewesen sein könnte, sich aber für ein willkürliches Verhalten des FA und eine daraus folgende Nichtigkeit dieses Bescheids keine Anhaltspunkte feststellen ließen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, wonach auch mehrere grobe Schätzungsfehler bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen regelmäßig nicht zu der Annahme führen, das FA habe bewusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen geschätzt (vgl. Senatsurteil vom IV R 34/90, BFHE 169, 503, BStBl II 1993, 259). Die Auffassung des FG ist aber auch von der neueren Rechtsprechung gedeckt, nach der ein Schätzungsbescheid nicht nur bei subjektiver Willkür des handelnden Bediensteten nichtig ist, sondern auch dann, wenn das Schätzungsergebnis trotz der vorhandenen Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären, krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass überhaupt und ggf. welche Schätzungserwägungen angestellt wurden, wenn somit ein objektiv willkürlicher Hoheitsakt vorliegt (s. hierzu das , juris). Objektiv willkürlich hat das FA nicht gehandelt.
Das FG hat hierzu festgestellt, dass das FA die Gewinne des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft für drei aufeinander folgende Jahre (wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen) im Schätzungswege um jeweils 20 000 DM bzw. 15 000 DM erhöht und damit möglicherweise den oberen Schätzungsrahmen in rechtswidriger Weise verlassen, nicht aber bewusst zum Nachteil des Klägers gehandelt oder überhaupt keine Schätzungserwägungen angestellt habe. Soweit der Kläger hiergegen eingewandt hat, die Schätzung sei um mehr als das Zweifache überhöht, orientiert er sich an dem von ihm im März 2002 erklärten Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 1998/99, während sich das FA beim Erlass des Schätzungsbescheids im März 2001 nur an dem Vorjahresergebnis orientieren konnte, das ebenfalls im Wege der Schätzung mit 45 000 DM festgestellt worden war. Dass die Schätzung von 60 000 DM für das Streitjahr nicht völlig unrealistisch war, zeigt auch die Erhöhung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für das vorangegangene Jahr 1997 auf 56 250 DM wegen der Einbeziehung einer Position „Maschinenmiete von Herrn A” durch den Einkommensteueränderungsbescheid 1997 vom .
Zutreffend hat das FG auch die Schätzung eines Gewinns aus Gewerbebetrieb nicht beanstandet. Zwar will der Kläger bereits bei Abgabe der Einkommensteuererklärung 1994 auf die Aufgabe des Gewerbebetriebs zum hingewiesen haben. Gleichwohl hat sich der Kläger nicht gegen die Schätzung von Einkünften aus Gewerbebetrieb für das dem Streitjahr vorangegangene Jahr 1997 gewandt. Unter diesen Umständen ist dem FA nicht vorzuwerfen, dass es die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr um 2 000 DM höher als für das Vorjahr geschätzt und es unterlassen hat, alle Erklärungen für die dem Streitjahr vorangegangenen Jahre 1994 bis 1997 auszuwerten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 240 Nr. 2
ZAAAB-73092