Rückwirkende Änderung der nationalen Umsatzsteuervorschriften und Vertrauensschutzgrundsatz
Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: Richtlinie 77/388 Art. 5 Abs. 7 Buchst. a ; Richtlinie 77/388 Art. 17 ; Richtlinie 77/388 Art. 20 Abs. 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
AZ der nicht veröffentlichten Parallelentscheidung(en): C-7/02 |
Gründe
1. Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteilen vom 14. Dezember (C-487/01) und (C-7/02), beim Gerichtshof eingegangen am und , gemäß Artikel 234 EG in jeder Rechtssache zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 17 und 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) sowie der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit (C-487/01) bzw. der Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a und 17 der Sechsten Richtlinie sowie der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit (C-7/02) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gemeente Leusden (Gemeinde Leusden) (C-487/01) und der Holin Groep BV cs (im Folgenden: Holin Groep) (C-7/02) einerseits und dem Staatssecretaris van Financiën (niederländischer Finanzminister) andererseits über die Zahlung von Beträgen, die als Vorsteuer von der Mehrwertsteuer abgezogen wurden, die für im Hinblick auf die Umgestaltung von vermieteten Grundstücken gelieferte bzw. erbrachte Gegenstände oder Dienstleistungen entrichtet wurde, wobei die Zahlung im Anschluss an eine Gesetzesänderung verlangt wird, mit der das Recht, für die Besteuerung der Vermietung von Grundstücken zu optieren, aufgehoben wurde.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3. Nach Artikel 2 der Sechsten Richtlinie unterliegen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer.
4. Nach Artikel 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie gilt als Lieferung eines Gegenstands die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
5. Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie lautet:
Die Mitgliedstaaten können einer Lieferung gegen Entgelt gleichstellen:
a) die Zuordnung eines im Rahmen seines Unternehmens hergestellten, gewonnenen, be oder verarbeiteten, gekauften oder eingeführten Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen für Zwecke seines Unternehmens, falls ihn der Erwerb eines solchen Gegenstands von einem anderen Steuerpflichtigen nicht zum vollen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigen würde.
6. Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie sieht vor:
Die Besteuerungsgrundlage ist
...
b) bei den in Artikel 5 Absätze 6 und 7 genannten Umsätzen der Einkaufspreis für die Gegenstände oder für gleichartige Gegenstände oder mangels eines Einkaufspreises der Selbstkostenpreis, und zwar jeweils zu den Preisen, die im Zeitpunkt der Bewirkung dieser Umsätze festgestellt werden.
7. Artikel 13 Teile B und C der Sechsten Richtlinie bestimmt:
B. Sonstige Steuerbefreiungen
Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
...
b) die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken...
Die Mitgliedstaaten können weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Befreiung vorsehen;
...
C. Optionen
Die Mitgliedstaaten können ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen, für eine Besteuerung zu optieren:
a) bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken;
...
Die Mitgliedstaaten können den Umfang des Optionsrechts einschränken; sie bestimmen die Modalitäten seiner Ausübung.
8. Artikel 17 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug
(1) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.
(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden;
...
9. Artikel 20 der Sechsten Richtlinie lautet:
Berichtigung der Vorsteuerabzüge
(1) Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten berichtigt, und zwar insbesondere:
a) wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war;
b) wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben, insbesondere bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten; die Berichtigung unterbleibt jedoch bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung geleistet wurde, bei einer Zerstörung oder einem ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Verlust oder Diebstahl sowie bei Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und Muster nach Artikel 5 Absatz 6. Bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung erfolgt, und bei Diebstahl können die Mitgliedstaaten jedoch eine Berichtigung verlangen.
(2) Für Investitionsgüter wird eine Berichtigung vorgenommen, die sich auf einen Zeitraum von fünf Jahren einschließlich des Jahres, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden, erstreckt. Die jährliche Berichtigung betrifft nur ein Fünftel der Steuer, mit der diese Güter belastet waren. Die Berichtigung erfolgt unter Berücksichtigung der Änderungen des Anspruchs auf Vorsteuerabzug in den folgenden Jahren gegenüber dem Anspruch für das Jahr, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden.
Abweichend von Absatz 1 können die Mitgliedstaaten für die Berichtigung einen Zeitraum von fünf vollen Jahren festlegen, der mit der erstmaligen Verwendung der Güter beginnt.
Bei Grundstücken, die als Investitionsgüter erworben wurden, kann der Zeitraum für die Berichtigung bis auf zehn Jahre verlängert werden.
(3) Bei Lieferung eines Investitionsgutes innerhalb des Berichtigungszeitraums ist dieses so zu behandeln, als ob es bis zum Ablauf des Berichtigungszeitraums weiterhin für eine wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen verwendet worden wäre. Diese wirtschaftliche Tätigkeit gilt als steuerpflichtig, wenn die Lieferung des genannten Investitionsgutes steuerpflichtig ist; sie gilt als steuerfrei, wenn die Lieferung steuerfrei ist. Die Berichtigung wird in diesen Fällen für den gesamten noch verbleibenden Berichtigungszeitraum auf einmal vorgenommen.
...
(4) Zur Durchführung der Absätze 2 und 3 können die Mitgliedstaaten
- den Begriff Investitionsgüter' bestimmen;
den Steuerbetrag festlegen, der bei der Berichtigung zu berücksichtigen ist;
alle zweckdienlichen Vorkehrungen treffen, um zu gewährleisten, dass keine ungerechtfertigten Vorteile aus der Berichtigung entstehen;
verwaltungsmäßige Vereinfachungen ermöglichen.
...
(6) Geht der Steuerpflichtige von der normalen Mehrwertsteuerregelung auf eine Sonderregelung über oder umgekehrt, so können die Mitgliedstaaten die erforderlichen Bestimmungen erlassen, um zu gewährleisten, dass dem Steuerpflichtigen weder ungerechtfertigte Vorteile noch ungerechtfertigte Nachteile entstehen.
10. Durch Artikel 1 Nr. 4 der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom zur Änderung der Richtlinie 77/388 und zur Einführung weiterer Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer - Geltungsbereich bestimmter Steuerbefreiungen und praktische Einzelheiten ihrer Durchführung (ABl. L 102, S. 18) erhielt Artikel 20 Absatz 2 Unterabsatz 3 folgende Fassung:
Bei Grundstücken, die als Investitionsgüter erworben wurden, kann der Zeitraum für die Berichtigung bis auf 20 Jahre verlängert werden.
11. Diese Bestimmung war nach Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 95/7 bis zum umzusetzen.
Nationales Recht
12. Die Wet op de omzetbelasting 1968 (Umsatzsteuergesetz 1968) sah in Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe b Nummer 5 den Grundsatz der Mehrwertsteuerbefreiung für die Vermietung von Grundstücken sowie die Möglichkeit für die Parteien eines Mietvertrags vor, für die Besteuerung der Vermietung zu optieren.
13. Diese Bestimmung wurde durch die Wet houdende wijziging van de Wet op de omzetbelasting 1968, de Wet op belastingen van rechtsverkeer en enkele andere belastingwetten in verband met de bestrijding van constructies met bettrekking tot onroerende zaken (Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes 1968, des Gesetzes über Abgaben im Rechtsverkehr und einiger anderer Abgabengesetze zur Bekämpfung bestimmter Vertragsgestaltungen im Zusammenhang mit Grundstücken) vom 18. Dezember 1995 (Staatsblad 1995, S. 659, im Folgenden: Änderungsgesetz) geändert. Danach steht das Optionsrecht nur noch Personen [zu], die das Grundstück für Zwecke nutzen, in Bezug auf die ein Recht auf vollen oder nahezu vollen Vorsteuerabzug besteht.
14. Das Änderungsgesetz trat am in Kraft. Es sieht jedoch vor, dass das Optionsrecht mit Wirkung vom , 18 Uhr, entfällt; zu diesem Zeitpunkt war der Inhalt des künftigen Gesetzes durch eine Pressemitteilung bekannt gegeben worden.
15. Für bis zum geschlossene Verträge sieht das Änderungsgesetz die Fortgeltung der Ausnahme von der Steuerbefreiung bis zum - tatsächlich bis zum - vor.
16. Hinsichtlich der späteren Jahre bestimmt Artikel V Absatz 9 des Änderungsgesetzes, der eine Übergangsregelung enthält, Folgendes:
Abweichend von den Absätzen 1 und 5 bleibt Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe b Nummer 5 des Umsatzsteuergesetzes 1968 in dessen Fassung, die unmittelbar vor Inkrafttreten dieses Gesetzes galt, bis zum Beginn des zehnten Rechnungsjahrs nach dem Rechnungsjahr in Kraft, in dem der Vermieter mit der Nutzung des Grundstücks begonnen hat, sofern
a) der Vermietung ein Vertrag zugrunde liegt, der bereits am 31. März [1995], 18 Uhr, schriftlich geschlossen war;
b) der Mieter das Grundstück vor April 1996 in Benutzung genommen hat;
c) sich die Jahresmiete mindestens auf einen durch ministerielle Regelung festzusetzenden Prozentsatz der Gestehungskosten des Grundstücks beläuft;
d) der schriftliche Vertrag dem Inspecteur innerhalb von vier Wochen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes gemeldet wird.
17. Der in Artikel V Absatz 9 Buchstabe c des Änderungsgesetzes genannte Prozentsatz der Gestehungskosten des Grundstücks wurde durch Ministerielle Regelung vom (WV 95/891, Staatscourant 1995, 250) auf 7 % zuzüglich 0,15 % je vollendetes Jahr ab dem Zeitpunkt der ersten Nutzung des Grundstücks festgesetzt.
Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rechtssache C-487/01
18. Die Gemeinde Leusden vermietet Sportplätze an verschiedene Sportvereine.
19. In den Jahren 1990 und 1991 ließ sie einen Sportplatz mit Naturrasendecke zum Preis von 433 000 NLG zuzüglich 79 800 NLG Mehrwertsteuer zu einem Kunstrasenplatz umgestalten. Sie vermietete diesen Platz mit Wirkung vom an den Mixed Hockey Club Leusden.
20. Der Hockeyclub ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Mietvertragsparteien hatten jedoch für eine Besteuerung der Vermietung optiert, was es der Gemeinde Leusden angesichts des Zusammenhangs zwischen der Besteuerung und dem Recht auf Vorsteuerabzug ermöglichte, die im Rahmen der Aufwendungen für die Umgestaltung des Platzes gezahlte Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen.
21. Unstreitig konnte die Gemeinde Leusden die Übergangsbestimmungen des Änderungsgesetzes schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil die vom Hockeyclub gezahlte Miete nicht den in diesen Bestimmungen vorgeschriebenen Mindestprozentsatz erreichte.
22. Nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes wurden von der Gemeinde Leusden 15 960 NLG Mehrwertsteuer für den Zeitraum vom bis zum nacherhoben. Auf Einspruch erhielt der Inspecteur van Belastingen (Steuerinspektor) den Nacherhebungsbescheid aufrecht.
23. Die Gemeinde Leusden erhob daraufhin Klage vor dem Gerechtshof Amsterdam (Niederlande), der sie mit Urteil vom abwies. Die Gemeinde Leusden wandte sich sodann mit einer Kassationsbeschwerde an den Hoge Raad der Nederlanden.
24. Im Rahmen der Prüfung des auf einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht gestützten Klagegrundes weist der Hoge Raad darauf hin, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 3. Dezember 1998 in der Rechtssache C381/97 (Belgocodex, Slg. 1998, I8153) entschieden habe, dass ein Mitgliedstaat, der von der in Artikel 13 Teil C der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und demgemäß seinen Steuerpflichtigen das Recht eingeräumt habe, für eine Besteuerung bestimmter Grundstücksvermietungen zu optieren, dieses Optionsrecht durch ein späteres Gesetz wieder aufheben und damit die Befreiung wieder einführen könne. Der Gerichtshof habe es dem damals vorlegenden Gericht überlassen, die Frage zu beantworten, ob in dem bei ihm anhängigen Fall die allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit vom nationalen Gesetzgeber gewahrt worden seien.
25. Des Weiteren verweist der Hoge Raad auf das Urteil vom in der Rechtssache C396/98 (Schlossstraße, Slg. 2000, I4279), in dem der Gerichtshof Artikel 17 der Sechsten Richtlinie dahin ausgelegt habe, dass das Recht eines Steuerpflichtigen, die Mehrwertsteuer, die er für Gegenstände oder Dienstleistungen entrichtet hat, die ihm im Hinblick auf die Ausführung bestimmter Vermietungsumsätze geliefert bzw. erbracht wurden, als Vorsteuer abzuziehen, erhalten [bleibt], wenn dieser Steuerpflichtige aufgrund einer nach dem Bezug dieser Gegenstände oder Dienstleistungen, aber vor Aufnahme dieser Umsatztätigkeiten eingetretenen Gesetzesänderung nicht mehr zum Verzicht auf die Steuerbefreiung dieser Umsätze berechtigt ist. Randnummer 51 dieses Urteils zufolge gelte diese Regel jedoch nicht, wenn die Berichtigung unter den Voraussetzungen des Artikels 20 der Sechsten Richtlinie erfolgt sei.
26. Der Hoge Raad stellt fest, dass diese Rechtsprechung nicht die Beantwortung der Frage ermögliche, ob die Auffassung der Gemeinde Leusden zutreffe, dass die in Artikel 20 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Berichtigung dann nicht in Betracht komme, wenn sich eine der Mehrwertsteuer unterliegende Nutzung durch bloße Gesetzesänderung in eine von der Mehrwertsteuer befreite Nutzung ohne Recht auf Vorsteuerabzug umwandle.
27. Demgemäß hat der Hoge Raad der Nederlanden mit Urteil vom das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Verstößt es gegen die Artikel 20 Absatz 2 und 17 der Sechsten Richtlinie oder aber die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit, dass - in einem Fall, in dem weder ein Betrug oder Missbrauch noch eine Änderung der vorgesehenen Nutzung im Sinne der Randnummern 50 und 51 des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache Schlossstraße vorliegt - die von einem Steuerpflichtigen abgezogene Mehrwertsteuer, die dieser für die an ihn erfolgte Lieferung eines (unbeweglichen) Gegenstands zum Zweck der (der Mehrwertsteuer unterliegenden) Vermietung dieses Gegenstands entrichtet hatte, nur deshalb, weil er infolge einer Gesetzesänderung nicht mehr berechtigt ist, für diese Vermietung auf die Befreiung zu verzichten, für die im Zeitpunkt des Wegfalls dieser Wahlmöglichkeit (hier: ) noch nicht verstrichenen Jahre des Berichtigungszeitraums nach Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie berichtigt wird?
2. Ist, falls die erste Frage bejaht wird, die Gesetzesänderung nur in Bezug auf die in Frage 1 genannte abgezogene Steuer unanwendbar oder auch - bis zum Ablauf des Berichtigungszeitraums - in Bezug auf die Besteuerung (unter Anwendung von Artikel 13 Teil C der Sechsten Richtlinie) der in Frage 1 genannten Vermietung?
Rechtssache C7/02
28. Die G & S Properties BV (im Folgenden: G & S), eine zur Holin Groep gehörende Gesellschaft, ließ in den Jahren 1994 und 1995 auf eigenem Grundstück in Amsterdam ein neues Bürogebäude errichten. Die Holin Groep zog die ihr dabei in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer als Vorsteuer ab.
29. Mitte 1994 führte G & S mit der ING Bank NV (im Folgenden: Bank) Verhandlungen über die Vermietung eines Teils des Bürogebäudes oder den Verkauf des Gebäudes an die Bank. Bei den Verhandlungen gingen G & S und die Bank davon aus, dass sie im Fall der Vermietung für deren Besteuerung optieren würden.
30. Ein Mietvertrag wurde im Dezember 1995 unterzeichnet; Vertragsbeginn war der . Anschließend vollendete die Bank den Bau des Mietobjekts und gestaltete dieses um. Am nutzte sie das Mietobjekt für ihre von der Mehrwertsteuer befreiten Banktätigkeiten. Die Holin Groep als Vermieterin und die Bank als Mieterin beantragten für die Vermietung beim Inspecteur van Belastingen eine Ausnahme von der Mehrwertsteuerbefreiung.
31. Dieser Antrag wurde in Anbetracht des Inkrafttretens des neuen Gesetzes abgelehnt; unter Hinweis auf die Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie entsprechende Bestimmung des niederländischen Gesetzes wurden von der Holin Groep 33 051 NLG Mehrwertsteuer nacherhoben. Auf Einspruch erhielt der Inspecteur van Belastingen den ursprünglichen Bescheid hinsichtlich der Hauptforderung aufrecht.
32. Die Holin Groep erhob vor dem Gerechtshof Amsterdam eine Klage, die mit Urteil vom abgewiesen wurde. Der Gerechtshof vertrat die Auffassung, dass am , 18 Uhr, noch kein Mietvertrag zwischen der Holin Groep und der Bank bestanden habe und dass die Übergangsbestimmungen des Änderungsgesetzes nicht anwendbar seien, auch wenn sich die Holin Groep und die Bank zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich der Vermietung des Grundstücks bereits vorvertraglich gebunden hätten. Die Holin Groep legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde vor dem Hoge Raad der Nederlanden ein.
33. Mit einer Begründung, die der im Rahmen der Rechtssache C487/01 vorgetragenen entspricht, hat der Hoge Raad der Nederlanden das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Verstößt es gegen die Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a und 17 der Sechsten Richtlinie oder aber die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit, dass - in einem Fall, in dem weder ein Betrug oder Missbrauch noch eine Änderung der vorgesehenen Nutzung im Sinne der Randnummern 50 und 51 des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache Schlossstraße vorliegt - eine Besteuerung aufgrund des genannten Artikels 5 Absatz 7 Buchstabe a in einem Fall, in dem der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer als Vorsteuer abgezogen hat, die er für ihm im Hinblick auf die beabsichtigte mehrwertsteuerpflichtige Vermietung eines bestimmten Grundstücks gelieferte Gegenstände oder ihm erbrachte Dienstleistungen entrichtet hatte, nur deshalb erfolgt, weil der Steuerpflichtige infolge einer Gesetzesänderung nicht mehr berechtigt ist, für diese Vermietung auf die Steuerbefreiung zu verzichten?
2. Erstreckt sich eine eventuelle Bejahung der ersten Frage auch auf das im Zeitraum zwischen der Ankündigung der in der ersten Frage genannten Gesetzesänderung und deren Inkrafttreten entstandene Recht auf Vorsteuerabzug? Kann mit anderen Worten bei einer Bejahung der ersten Frage eine Besteuerung aufgrund des genannten Artikels 5 Absatz 7 Buchstabe a in Bezug auf die Bestandteile des Selbstkostenpreises im Sinne von Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie erfolgen, die nach dieser Ankündigung angefallen sind?
34. Die Rechtssachen C487/01 und C7/02 sind durch Beschluss des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichtshofes vom zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.
Zu den Vorlagefragen
Rechtssache C487/01
Zur ersten Frage
35. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Artikel 17 und 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie oder die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit der auf Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie gestützten Berichtigung des Vorsteuerabzugs, den ein Steuerpflichtiger hinsichtlich der Mehrwertsteuer vorgenommen hat, die er für den Erwerb eines ihm im Hinblick auf eine der Mehrwertsteuer unterliegende Vermietung gelieferten Grundstücks entrichtet hatte, entgegenstehen, wenn die Berichtigung mit der Begründung verlangt wird, dass der Steuerpflichtige infolge einer Gesetzesänderung nicht mehr berechtigt sei, für die im Zeitpunkt des Wegfalls der Wahlmöglichkeit noch nicht verstrichenen Jahre des Berichtigungszeitraums hinsichtlich der Vermietung dieses Grundstücks auf die Befreiung von der Mehrwertsteuer zu verzichten.
- Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen
36. Die Gemeinde Leusden vertritt die Ansicht, sie schulde keine Mehrwertsteuer im Rahmen einer Berichtigung, da die Gesetzesänderung einen von ihrem Willen unabhängigen Umstand im Sinne der Randnummer 43 des Urteils Schlossstraße darstelle. Sie sei stets davon ausgegangen, dass sie hinsichtlich der auf den Investitions- und Betriebskosten lastenden Mehrwertsteuer zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Diesem Umstand habe sie bei der Bemessung der Miete und der Aufstellung eines in Bezug auf die Kosten ausgeglichenen Haushaltsplans Rechnung getragen.
37. Sie erfülle nicht die Voraussetzungen des Übergangsrechts, insbesondere nicht die Voraussetzung einer Mindesthöhe der Miete. Diese Mindesthöhe - 7 % der Kosten - sei auf der Grundlage der Zinssätze für langfristige Hypothekendarlehen festgelegt worden, d. h. unter Berücksichtigung eines mit der Vermietung erzielten Gewinns. Diese Regelung verstoße grundsätzlich gegen die Sechste Richtlinie, da eine Grundstücksvermietung nicht zur Gewinnerzielung erfolgen müsse. Im vorliegenden Fall sei die Miete zwar nach objektiven Kriterien bestimmt worden, aber so, dass die Vermietung für die Gemeinde haushaltsrechtlich neutral sei, wodurch sich erkläre, dass sie nicht die in den Übergangsbestimmungen vorgeschriebene Mindesthöhe erreiche.
38. Nach der Rechtsprechung des Hoge Raad könne die Entscheidung, die Vermietung der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, während der Vertragslaufzeit nicht rückgängig gemacht werden. Eine Änderung der Miete sei in keiner Bestimmung des Mietvertrags vorgesehen. Dazu hätte ein Verfahren vor den Zivilgerichten angestrengt werden müssen, dessen Ausgang ungewiss wäre. Jedenfalls hätte ein erfolgreicher Ausgang eines solchen Verfahrens dazu geführt, dass der Mieter erheblich mehr Miete hätte zahlen müssen und deshalb in finanzielle Schwierigkeiten geraten wäre.
39. Im Gegensatz dazu vertreten die niederländische und die französische Regierung sowie die Kommission die Auffassung, dass die Gemeinde Leusden die Mehrwertsteuer nach dem niederländischen Gesetz zahlen müsse, das eine nach Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie zulässige Berichtigung vorsehe.
40. Die niederländische Regierung legt dar, vor seiner Änderung habe das niederländische Gesetz zu Praktiken geführt, die darauf gerichtet gewesen seien, den Umstand zu umgehen, dass ein von der Mehrwertsteuer befreiter Unternehmer nicht die ihm für Gegenstände oder Dienstleistungen berechnete Mehrwertsteuer als Vorsteuer abziehen könne. Sie führt als Beispiel einen Sportverein an, der die ihm für den Ankauf eines Sportplatzes in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abziehen könne, weil er von der Zahlung der Mehrwertsteuer befreit sei. Um den Ausschluss dieser Möglichkeit zu umgehen, werde der Sportplatz von einem - oft dem Sportverein verbundenen - Dritten gekauft, der ihn an den Sportverein vermiete, wobei der Dritte und der Verein für eine Besteuerung der Vermietung optierten. Die auf den Sportplatz entfallende Mehrwertsteuer könne so vom Dritten in vollem Umfang als Vorsteuer abgezogen werden, während der Sportverein die Mehrwertsteuer nur für die Miete zu zahlen habe, die angesichts der zum Käufer bestehenden Beziehungen oft künstlich niedrig gehalten werde. Nach Ablauf des Berichtigungszeitraums von zehn Jahren werde das Grundstück dann eventuell übereignet. Eben um solche Vertragsgestaltungen weniger attraktiv zu machen, hätten die Mitgliedstaaten mit der Richtlinie 95/7 beschlossen, den Berichtigungszeitraum auf zwanzig Jahre zu verlängern.
41. Nach Ansicht der niederländischen und der französischen Regierung sowie der Kommission bezieht sich Artikel 20 der Sechsten Richtlinie auch auf Gesetzesänderungen. Der Wortlaut dieser Bestimmung deute generell und die Verwendung des Adverbs insbesondere in Absatz 1 speziell darauf hin, dass die Berichtigungsfälle nicht abschließend aufgeführt seien. Eine Berichtigung für einen solchen Fall vorzusehen, entspreche auch dem Zweck dieser Bestimmung. Die niederländische Regierung führt dazu aus, die Mitgliedstaaten müssten auf Vorkommnisse des Wirtschaftslebens wie Missbrauchstatbestände rasch reagieren können. Wenn eine Berichtigung nicht möglich sei, müsse das Ende des Berichtigungszeitraums abgewartet werden, damit eine Gesetzesänderung ihre Wirkungen entfalten könne. Außerdem liefe der Übergangsmaßnahmen vorsehende Artikel 20 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie leer, wenn den Mitgliedstaaten nicht das Recht zu Gesetzesänderungen zuerkannt würde. Schließlich hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber, wenn er alle Vorgänge, die sich unabhängig vom Willen des Steuerpflichtigen abspielten, von der Berichtigung hätte ausnehmen wollen, einen solchen Ausschluss ausdrücklich festgelegt.
42. Nach Ansicht der französischen Regierung stellen die Berichtigung der Vorsteuerabzüge nach Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie und die Gleichstellung bestimmter Vorgänge mit Lieferungen gegen Entgelt nach Artikel 5 Absätze 6 und 7 der Sechsten Richtlinie zwei Maßnahmen dar, die dem gleichen Zweck dienten, zu verhindern, dass ein Steuerpflichtiger, der in der Vergangenheit zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei, wirtschaftlich ungerechtfertigte Vorteile erlange.
43. Würde keine Berichtigung vorgenommen, so hätte dies zur Folge, dass Steuerpflichtige, die die gleichen wirtschaftlichen Tätigkeiten ausübten, unterschiedlich behandelt würden, was gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer verstieße. Ein Steuerpflichtiger, der die Bewirkung mehrwertsteuerpflichtiger Umsätze einstelle und diesen Umsätzen weiterhin die Investitionsgüter zuordne, für die er den Vorsteuerabzug in voller Höhe geltend gemacht habe und die noch nicht vollständig abgeschrieben seien, sei besser gestellt als eine Person, die gleichartige Umsätze nach dem Inkrafttreten der auf diese anwendbaren neuen Vorschriften bewirke und überhaupt nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.
44. Eine Berichtigung sei das Gegenstück zu der Maßnahme, die ergriffen werde, wenn ein Ereignis zur tatsächlichen Mehrwertsteuerpflichtigkeit von zuvor steuerfreien Umsätzen führe. In diesem Fall seien die betreffenden Steuerpflichtigen nämlich befugt, von ihrem nach Artikel 17 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie entstandenen, jedoch wegen des Fehlens eines direkten, unmittelbaren Zusammenhangs mit besteuerten Umsätzen nicht ausübbaren Recht auf Vorsteuerabzug hinsichtlich der Investitionsgüter, die sie zu einer Zeit erworben hätten, als ihre Tätigkeit von der Mehrwertsteuer befreit gewesen sei, doch noch Gebrauch zu machen. Diese Berichtigung sei durch einen zusätzlichen Abzug vorzunehmen, der einem Bruchteil der Mehrwertsteuer, mit der diese Investitionsgüter belastet gewesen seien, entspreche und der bei deren Erwerb nicht habe abgezogen werden können.
45. Die niederländische und die französische Regierung sowie die Kommission weisen auf den Unterschied zwischen dem niederländischen Gesetz und der Situation in der Rechtssache Schlossstraße hin. In dieser Rechtssache habe es sich um einen rückwirkenden Eingriff in einen bereits zugebilligten Vorsteuerabzug gehandelt. In den Ausgangsverfahren gehe es dagegen um eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach Artikel 20 der Sechsten Richtlinie. Alle drei Beteiligten heben hervor, dass der vorliegende Fall kein Problem der Rückwirkung des niederländischen Gesetzes, sondern eine Situation betreffe, in der sich eine Gesetzesänderung auf künftige Folgen von Sachverhalten auswirke, die unter der Geltung einer früheren Regelung entstanden seien.
46. Die niederländischen Rechtsvorschriften stünden mit Artikel 20 der Sechsten Richtlinie in Einklang und verstießen nicht gegen die allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.
47. Nach Ansicht der niederländischen Regierung steht zwar der Grundsatz der Rechtssicherheit im Allgemeinen der Rückwirkung von Rechtsakten der Gemeinschaft entgegen; eine Ausnahme von dieser Regel gelte jedoch dann, wenn das angestrebte Ziel dies verlange und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet sei (Urteile vom in den Rechtssachen 98/78, Racke, Slg. 1979, 69, Randnr. 20, und 99/78, Decker, Slg. 1979, 101, Randnr. 8, sowie vom in den Rechtssachen C143/88 und C92/89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Slg. 1991, I415, Randnr. 49). Danach sei die Maßnahme in Anbetracht der festgestellten Missbräuche gerechtfertigt gewesen und das berechtigte Vertrauen der Unternehmer gewahrt worden. Zunächst sei nämlich die Gesetzesänderung vorher angekündigt worden und daher nicht überraschend gewesen. Sodann habe der niederländische Gesetzgeber eine auf zahlreiche Sachverhalte anwendbare Übergangsregelung getroffen. Diese Regelung könne nur in den Fällen nicht in Anspruch genommen werden, in denen die Höhe der Grundstücksmiete im Verhältnis zu den Investitionskosten niedrig sei, d. h. in den Fällen, die Merkmale eines Missbrauchs aufwiesen, wie sie vom Gesetz bekämpft würden. Wie sich schließlich aus den Gesetzesmaterialien ergebe, sei den Parteien von Grundstücksmietverträgen eine Frist eingeräumt worden, damit sie sich über die Auswirkungen des künftigen Gesetzes verständigen könnten.
- Antwort des Gerichtshofes
48. Wie das vorlegende Gericht betont hat, kann ein Mitgliedstaat, der von der in Artikel 13 Teil C der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und seinen Steuerpflichtigen das Recht eingeräumt hat, für eine Besteuerung bestimmter Grundstücksvermietungen zu optieren, dieses Optionsrecht durch ein spät eres Gesetz wieder aufheben und damit die Befreiung wieder einführen (siehe in diesem Sinne Urteil Belgocodex, Randnr. 27).
49. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob eine Beschränkung oder Aufhebung des Rechts, für die Besteuerung bestimmter Grundstücksvermietungen zu optieren, eine korrelative Wirkung auf die Höhe der hinsichtlich des vermieteten Grundstücks vorgenommenen Vorsteuerabzüge haben und insoweit zu Berichtigungen dieser Vorsteuerabzüge gemäß Artikel 20 der Sechsten Richtlinie führen kann.
50. Nach Artikel 20 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Sechsten Richtlinie kann sich die Berichtigung von Vorsteuerabzügen hinsichtlich von Grundstücken, die als Investitionsgüter erworben wurden, auf zehn Jahre erstrecken. Die Richtlinie 95/7 hat diesen Zeitraum auf zwanzig Jahre verlängert.
51. Es ist festzustellen, dass Artikel 20 der Sechsten Richtlinie, der eine Reihe von Tatbeständen umschreibt, die zu einer Berichtigung führen können, den Fall einer Gesetzesänderung nicht ausdrücklich vorsieht. Er schließt ihn allerdings auch nicht aus.
52. Artikel 20 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie, der die erfassten Tatbestände beschreibt, enthält das Adverb insbesondere, was darauf hindeutet, dass die Aufzählung der Tatbestände unter den Buchstaben a und b dieser Bestimmung nicht abschließend ist.
53. Außerdem behandelt Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie den Umstand, dass sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben, während Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie, der speziell Investitionsgüter betrifft, für die der Berichtigungszeitraum länger ist, klarstellt, dass die Berichtigung unter Berücksichtigung der Änderungen des Anspruchs auf Vorsteuerabzug in den folgenden Jahren gegenüber dem Anspruch für das Jahr [erfolgt], in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden; damit sieht diese Bestimmung den Fall einer Änderung des Vorsteuerabzugs vor, die mit einer Änderung des Rechts korreliert, für die Besteuerung eines vorausgegangenen, von der Mehrwertsteuer grundsätzlich befreiten Umsatzes zu optieren.
54. Die Gemeinde Leusden hat in ihren Erklärungen zum einen geltend gemacht, dass die Gesetzesänderung einen Umstand darstelle, der von ihrem Willen unabhängig sei, und zum anderen, dass sie der Möglichkeit der Vornahme eines Vorsteuerabzugs bei der Bemessung der vom Sportverein zu zahlenden Miete Rechnung getragen habe.
55. Das erste Argument hält einer Prüfung am Wortlaut von Artikel 20 der Sechsten Richtlinie nicht stand. Nach Absatz 1 Buchstabe b dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung erfolgt, und bei Diebstahl eine Berichtigung verlangen. Aus dieser Bestimmung folgt also, dass ein Steuerpflichtiger unter von seinem Willen unabhängigen Umständen zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs herangezogen werden kann.
56. Das zweite von der Gemeinde Leusden vorgetragene Argument bezieht sich auf die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Sie macht nämlich geltend, sie habe der Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs hinsichtlich der als Investitionsgüter erworbenen Grundstücke bei der Bemessung der vom Sportverein zu zahlenden Miete Rechnung getragen.
57. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind. Sie müssen deshalb von den Gemeinschaftsorganen (Urteil vom in der Rechtssache 74/74, CNTA/Kommission, Slg. 1975, 533), aber auch von den Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Gemeinschaftsrichtlinien einräumen, beachtet werden (Urteile Belgocodex, Randnr. 26, und Schlossstraße, Randnr. 44; in diesem Sinne auch Urteil vom in der Rechtssache C-62/00, Marks & Spencer, Slg. 2002, I6325, Randnr. 44).
58. Im vorliegenden Fall ist somit zu prüfen, ob es die Sechste Richtlinie, wie sie im Einklang mit diesen Grundsätzen auszulegen ist, einem Mitgliedstaat verwehrt, das Recht, für die Besteuerung von Grundstücksvermietungen zu optieren, mit der Folge aufzuheben, dass die Vorsteuerabzüge, die hinsichtlich der als Investitionsgüter erworbenen vermieteten Grundstücke vorgenommen wurden, berichtigt werden müssen.
59. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes verbietet es der Grundsatz der Rechtssicherheit zwar im Allgemeinen, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts der Gemeinschaft auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen; dies kann aber ausnahmsweise dann anders sein, wenn das angestrebte Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist. Diese Rechtsprechung ist auch auf den Fall übertragbar, dass die Rückwirkung in dem Rechtsakt selbst nicht ausdrücklich vorgesehen worden ist, sich aber aus seinem Inhalt ergibt (Urteil vom in der Rechtssache C368/89, Crispoltoni, Slg. 1991, I-3695, Randnr. 17).
60. Zu von den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer erlassenen nationalen Regelungen hat der Gerichtshof u. a. festgestellt, dass die Steuerpflichtigeneigenschaft, nachdem sie einmal zuerkannt worden ist, außer in Betrugs- oder Missbrauchsfällen nicht mehr rückwirkend aberkannt werden kann, ohne dass gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verstoßen wird, da dem Steuerpflichtigen sonst rückwirkend das Recht genommen würde, den Vorsteuerabzug hinsichtlich der von ihm getätigten Investitionsausgaben vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom in der Rechtssache C400/98, Breitsohl, Slg. 2000, I4321, Randnrn. 34 bis 38).
61. Überdies hat der Gerichtshof entschieden, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, durch eine Gesetzesänderung, die zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Gegenstände oder Dienstleistungen im Hinblick auf die Ausübung bestimmter wirtschaftlicher Tätigkeiten geliefert bzw. erbracht wurden, und dem Zeitpunkt der Aufnahme dieser Tätigkeiten eingetreten ist, einem Steuerpflichtigen rückwirkend das Recht zu nehmen, auf die Mehrwertsteuerbefreiung für die damit bewirkten Umsätze zu verzichten (vgl. in diesem Sinne Urteil Schlossstraße, Randnr. 43).
62. Im Gegensatz zu den Rechtsvorschriften, um die es in den beiden letztgenannten vom Gerichtshof entschiedenen Rechtssachen ging, hat das Änderungsgesetz in den Ausgangsverfahren keine Rückwirkung, sondern trifft eine Regelung nur für die Zukunft, da es die Ausnahme von der Mehrwertsteuerbefreiung den Ausführungen des vorlegenden Gerichts zufolge bis zum , faktisch bis zum , aufrechterhält. Durch das Inkrafttreten des Gesetzes könnten allerdings wegen der nach Artikel 20 der Sechsten Richtlinie vorzunehmenden Berichtigungen die wirtschaftlichen Interessen bestimmter Steuerpflichtiger verletzt werden, die an Mietverträge gebunden waren, in deren Laufzeit dieses Inkrafttreten fiel.
63. In den Urteilen Breitsohl und Schlossstraße hat der Gerichtshof zwar darauf hingewiesen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug, nachdem es einmal entstanden ist, erhalten bleibt, er hat jedoch betont, dass dies nur gilt, wenn kein Fall von Betrug oder Missbrauch vorliegt, und auch nur vorbehaltlich etwaiger Berichtigungen gemäß Artikel 20 der Sechsten Richtlinie (vgl. Urteile Schlossstraße, Randnr. 43, und Breitsohl, Randnr. 41). In diesen beiden Rechtssachen betrafen die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen nicht die Möglichkeiten einer Berichtigung nach Artikel 20 der Sechsten Richtlinie.
64. Aus dieser ersten Prüfung folgt, dass weder der Wortlaut der Sechsten Richtlinie noch die Rechtsprechung des Gerichtshofes einer Auslegung von Artikel 20 der Sechsten Richtlinie entgegensteht, wonach eine Gesetzesänderung, durch die das Recht aufgehoben wird, für die Besteuerung von Grundstücksvermietungen zu optieren, die Verpflichtung nach sich ziehen kann, die Vorsteuerabzüge, die hinsichtlich eines als Investitionsgut erworbenen Grundstücks vorgenommenen wurden, zu berichtigen.
65. Es ist daher zu prüfen, ob die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit dieser Auslegung entgegenstehen.
66. Ein etwaiges Vertrauen eines Steuerpflichtigen auf die Möglichkeiten eines Vorsteuerabzugs, das ihn dazu veranlassen könnte, eine Miete zu akzeptieren, die diesen Möglichkeiten Rechnung trägt, wäre auf keine Bestimmung der Sechsten Richtlinie gegründet. Artikel 13 Teil C der Sechsten Richtlinie ermächtigt vielmehr die Mitgliedstaaten, ihren Steuerpflichtigen das Recht einzuräumen, für die Besteuerung von Grundstücksvermietungen zu optieren, aber auch, den Umfang dieses Rechts einzuschränken oder es ganz aufzuheben. Im Rahmen einer steuerrechtlichen Richtlinie, von der einige Bestimmungen, wie Artikel 13 Teil C, den Mitgliedstaaten weit gehende Befugnisse belassen, kann eine im Einklang mit der Richtlinie ergangene Gesetzesänderung nicht als unvorhersehbar betrachtet werden.
67. Zudem ist der im Fall der Aufhebung des Optionsrechts entstehende Nachteil für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge nicht spezifisch. Vielmehr würde ein gleichartiger Nachteil dem Eigentümer eines vermieteten Grundstücks, der als Vermieter zur Vornahme unerlässlicher Arbeiten am vermieteten Grundstück verpflichtet ist, dann entstehen, wenn der Gesetzgeber vor der Ausführung dieser Arbeiten das Recht, für die Besteuerung der Vermietung des Grundstücks zu optieren, ändern würde, so dass dieser Eigentümer am Vorsteuerabzug hinsichtlich der für diese Arbeiten gezahlten Mehrwertsteuer gehindert wäre, auch wenn er an einen laufenden Mietvertrag gebunden ist, nach dem die Miethöhe möglicherweise nur den vorzunehmenden Arbeiten, nicht aber der damit verbundenen Mehrwertsteuer Rechnung trägt.
68. Mithin ist jede Gesetzesänderung, mit der das Recht, für die Besteuerung bestimmter Grundstücksvermietungen zu optieren, aufgehoben wird, geeignet, einen Nachteil beim Steuerpflichtigen zu verursachen, sofern dieser keine Anpassung der Höhe der verlangten Miete vorgesehen hat, gleichgültig, ob die Aufwendungen für das als Investitionsgut erworbene Grundstück bereits entstanden sind oder noch anstehen. Der Nachteil wird also nicht spezifisch durch das Erfordernis einer Berichtigung nach Artikel 20 der Sechsten Richtlinie verursacht.
69. Daher verwehrt es die Sechste Richtlinie, wie sie im Einklang mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit auszulegen ist, einem Mitgliedstaat nicht, das Recht, für die Besteuerung von Grundstücksvermietungen zu optieren, mit der Folge aufzuheben, dass die Vorsteuerabzüge, die hinsichtlich der als Investitionsgüter erworbenen vermieteten Grundstücke vorgenommen wurden, gemäß Artikel 20 der Sechsten Richtlinie berichtigt werden müssen.
70. Artikel 20 der Sechsten Richtlinie verstößt zwar als solcher nicht gegen diese Grundsätze; es ist jedoch nicht auszuschließen, dass der nationale Gesetzgeber hiergegen verstoßen hat, indem er möglicherweise, ohne auf ein schutzwürdiges berechtigtes Vertrauen der Steuerpflichtigen Rücksicht zu nehmen, das Recht, für die Besteuerung von Grundstücksvermietungen zu optieren, plötzlich und unvorhersehbar aufgehoben hat, ohne den Steuerpflichtigen, die an bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits laufende Verträge gebunden waren, die zur Anpassung an die neue Gesetzeslage nötige Zeit zu lassen.
71. Die niederländische Regierung macht geltend, dass das Änderungsgesetz zur Bekämpfung bestimmter Vertragsgestaltungen zur Steuerhinterziehung erlassen worden sei, dass die Übergangsbestimmungen ergangen seien, damit die Gesetzesänderung nicht diejenigen Verträge in Mitleidenschaft ziehe, die nicht als Vertragsgestaltungen zur Steuerumgehung bewertet werden könnten, dass das Änderungsgesetz, insbesondere durch eine Pressemitteilung vom März 1995, mehrere Monate vor seinem Inkrafttreten angekündigt worden sei, womit den Parteien von Mietverträgen genug Zeit für die Neuverhandlung der Bedingungen dieser Verträge gegeben worden sei, und dass die Parteien von Grundstücksmietverträgen, falls eine Änderung der Miethöhe nicht nach dem Vertrag zulässig oder nicht im Verhandlungswege möglich gewesen sei, immer noch die Möglichkeit gehabt hätten, bei den innerstaatlichen Gerichten die Genehmigung einer solchen Änderung zu beantragen.
72. Die Gemeinde Leusden macht geltend, sie sei wegen des ungewissen Ausgangs des erforderlichen gerichtlichen Verfahrens und wegen der finanziellen Schwierigkeiten, in die sie den Sportverein gebracht hätte, wenn dieser eine höhere Miete hätte zahlen müssen, außerstande gewesen, eine Anpassung der Miethöhe zu erwirken.
73. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Argument, der Sportverein hätte eine höhere Miete finanziell nur schwer verkraften können, nicht auf das berechtigte Vertrauen des Steuerpflichtigen selbst, nämlich der Gemeinde Leusden, sondern auf dasjenige ihres Mieters, des Sportvereins, gestützt wird. Dieses Argument ist daher unerheblich und kann mithin nicht berücksichtigt werden.
74. Aus den Übergangsbestimmungen, den Materialien des Änderungsgesetzes und den Erläuterungen der niederländischen Regierung geht hervor, dass der Gesetzgeber bemüht war, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes laufenden Mietverträge so wenig wie möglich in Mitleidenschaft zu ziehen.
75. Zum Vorliegen eines Vertrauenstatbestands bei einem Steuerpflichtigen wie der Gemeinde Leusden ist festzustellen, dass der im Ausgangsverfahren fragliche Mietvertrag deshalb nicht von den Übergangsbestimmungen des Gesetzes erfasst war, weil die Miete im Verhältnis zu den entstandenen Investitionskosten zu niedrig war. Ein solcher Mietvertrag soll also vom Änderungsgesetz als das erfasst werden, was die niederländische Regierung als Vertragsgestaltung zur Umgehung einer von den Parteien als zu hoch angesehenen Besteuerung erachtet.
76. Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach Artikel 13 Teil B der Sechsten Richtlinie die Mitgliedstaaten die Vermietung von Grundstücken unter den Bedingungen von der Mehrwertsteuer befreien, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiung sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen. Aus dieser Bestimmung folgt, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird.
77. Diesem Ziel würde es zuwiderlaufen, wenn ein Mitgliedstaat die unmittelbare Anwendung seines Gesetzes, mit dem das Recht, für die Besteuerung bestimmter Grundstücksvermietungen zu optieren, mit der notwendigen Folge aufgehoben wird, dass die Vorsteuerabzüge, die hinsichtlich eines als Investitionsgut erworbenen Grundstücks vorgenommen wurden, berichtigt werden müssen, dann nicht vorschreiben dürfte, wenn er festgestellt hat, dass das Optionsrecht im Rahmen von Vertragsgestaltungen zur Umgehung der Steuer ausgeübt wird. Ein Steuerpflichtiger kann daher kein berechtigtes Vertrauen in die Aufrechterhaltung eines rechtlichen Rahmens setzen, der Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen oder Missbräuche ermöglicht.
78. Zu missbräuchlichen Praktiken hat der Gerichtshof bereits ausgeführt, dass ein Missbrauch dann vorliegt, wenn zum einen eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde, und wenn zum anderen ein subjektives Element, nämlich die Absicht vorhanden ist, sich einen gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (Urteil vom in der Rechtssache C110/99, Emsland-Stärke, Slg. 2000, I11569, Randnrn. 52 und 53). Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Verpflichtung zur Rückgewährung des Vorteils, der im Rahmen einer in dieser Weise festgestellten missbräuchlichen Praxis rechtswidrig erlangt wurde, nicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstößt, sondern nur die Folge der Feststellung des Vorliegens der missbräuchlichen Praxis ist (Urteil Emsland-Stärke, Randnr. 56).
79. Was Steuerumgehungen angeht, so kann selbst dann, wenn einem der Mehrwertsteuer unterworfenen Steuerpflichtigen nach dem Recht eines Mitgliedstaats nicht vorgeworfen werden kann, dass er - ohne missbräuchliches Vorgehen - eine Rechtsvorschrift oder Gesetzeslücke so ausgenutzt habe, dass er weniger Steuern hat zahlen müssen, die Aufhebung des von ihm ausgenutzten rechtlichen Rahmens als solche kein auf Gemeinschaftsrecht gestütztes berechtigtes Vertrauen verletzen.
80. Daher kann eine Maßnahme wie das Änderungsgesetz nicht als eine solche angesehen werden, die über das, was nach ihrem Ziel geboten ist, hinausgegangen wäre oder ein berechtigtes Vertrauen der Steuerpflichtigen verletzt hätte.
81. Auch kann ein Steuerpflichtiger jedenfalls nicht auf das völlige Ausbleiben von Gesetzesänderungen vertrauen, sondern nur die Modalitäten der Durchführung einer solchen Änderung in Frage stellen. Im vorliegenden Fall hat der niederländische Gesetzgeber Vorkehrungen getroffen, um zu verhindern, dass die Steuerpflichtigen hinsichtlich der Berichtigungen des Vorsteuerabzugs von der Anwendung des Gesetzes überrascht würden. In einer Pressemitteilung wurde nämlich auf die zum geplante Gesetzesänderung hingewiesen, und der Gesetzgeber hat den Übergang von einer der Mehrwertsteuer unterliegenden zu einer von ihr befreiten Vermietung erst mit Wirkung vom Inkrafttreten des Gesetzes vorgesehen, um den Parteien von Mietverträgen Zeit zu lassen, sich bis zu diesem Tag über die Folgen dieser Gesetzesänderung zu verständigen.
82. Nach alledem ist die Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:
Die Artikel 17 und 20 der Sechsten Richtlinie, wie sie im Einklang mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit auszulegen sind, verwehren es einem Mitgliedstaat nicht, das Recht, für die Besteuerung von Grundstücksvermietungen zu optieren, mit der Folge aufzuheben, dass die Vorsteuerabzüge, die hinsichtlich der als Investitionsgüter erworbenen vermieteten Grundstücke vorgenommen wurden, gemäß Artikel 20 der Sechsten Richtlinie zu berichtigen sind.
Hebt ein Mitgliedstaat das Recht, für die Besteuerung von Grundstücksvermietungen zu optieren, auf, so hat er bei der Wahl der Modalitäten der Durchführung der Gesetzesänderung das berechtigte Vertrauen der Steuerpflichtigen zu beachten. Die Aufhebung des rechtlichen Rahmens, den ein der Mehrwertsteuer unterworfener Steuerpflichtiger - ohne missbräuchliches Vorgehen - so ausgenutzt hat, dass er weniger Steuern gezahlt hat, kann jedoch als solche kein auf Gemeinschaftsrecht gestütztes berechtigtes Vertrauen verletzen.
Zur zweiten Frage
83. Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.
Rechtssache C7/02
Zur ersten Frage
84. Mit der ersten Frage möchte der Hoge Raad wissen, ob es gegen die Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a und 17 der Sechsten Richtlinie oder die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verstößt, dass - in einem Fall, in dem weder ein Betrug oder Missbrauch noch eine Änderung der vorgesehenen Nutzung im Sinne der Randnummern 50 und 51 des Urteils Schlossstraße vorliegt - eine Besteuerung aufgrund des genannten Artikels 5 Absatz 7 Buchstabe a in einem Fall, in dem der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer als Vorsteuer abgezogen hat, die er für ihm im Hinblick auf die beabsichtigte mehrwertsteuerpflichtige Vermietung eines bestimmten Grundstücks gelieferte Gegenstände oder ihm erbrachte Dienstleistungen entrichtet hatte, nur deshalb erfolgt, weil der Steuerpflichtige infolge einer Gesetzesänderung nicht mehr berechtigt ist, für diese Vermietung auf die Steuerbefreiung zu verzichten.
- Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen
85. Die französische Regierung und die Reg ierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission räumen zwar ein, dass die Berichtigung der Vorsteuerabzüge nach Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie und die Gleichstellung bestimmter Umsätze mit Lieferungen gegen Entgelt nach Artikel 5 Absätze 6 und 7 der Sechsten Richtlinie zwei Maßnahmen seien, die dem gleichen Zweck dienten, zu verhindern, dass ein Steuerpflichtiger, der in der Vergangenheit zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei, wirtschaftlich ungerechtfertigte Vorteile erlange; ihrer Ansicht nach ist jedoch die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach Artikel 20 und nicht nach Artikel 5 Absatz 7 der Sechsten Richtlinie vorzunehmen.
86. Artikel 5 Absatz 7 betreffe speziell den Fall, dass ein Steuerpflichtiger die ursprüngliche Zuordnung seiner Investitionsgüter insbesondere durch die Entnahme von Gegenständen oder die Überführung einer Tätigkeit von einer besteuerten in eine von der Steuer befreite Tätigkeit ändere oder seine berufliche Tätigkeit einstelle.
87. Die niederländische Regierung hält eine Verpflichtung der Holin Groep zur Zahlung der Mehrwertsteuer nach Maßgabe der Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie entsprechenden Bestimmung des niederländischen Gesetzes für möglich.
88. Sie meint, die integratieheffing (Eigenverbrauchsabgabe) werde nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes ohne Rückwirkung erhoben. Sie werde von dem Zeitpunkt an festgesetzt, zu dem das Bürogebäude für berufliche Zwecke zur Verfügung stehe. Wäre in einem vergleichbaren Fall das Bürogebäude zu diesem Zeitpunkt übergeben worden und hätte der Käufer es anschließend unter Befreiung von der Mehrwertsteuer vermietet, so hätte dieser Käufer/Vermieter kein Recht auf Vorsteuerabzug gehabt.
89. Aus den gleichen Gründen wie den in der Rechtssache C487/01 dargelegten verneint die niederländische Regierung eine Verletzung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit.
- Antwort des Gerichtshofes
90. Wie die Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, und die Kommission dargelegt haben, handelt es sich bei der Gleichstellung mit einer entgeltlichen Lieferung gemäß Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie und der Berichtigung gemäß Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie um zwei Mechanismen, die die gleiche wirtschaftliche Wirkung haben, nämlich einen Steuerpflichtigen zur Zahlung von Beträgen zu zwingen, die den Vorsteuerabzügen entsprechen, zu deren Vornahme er nicht berechtigt war.
91. Die Zahlungsmodalitäten unterscheiden sich jedoch voneinander. Während nämlich Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie von einer einmaligen Zahlung ausgeht, sieht Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie hinsichtlich der Investitionsgüter auf mehrere Jahre aufgeteilte Berichtigungen vor.
92. Soweit es um die Zahlung von Vorsteuerabzügen entsprechenden Beträgen geht, die wegen einer Gesetzesänderung verlangt wird, durch die ein Mitgliedstaat das Recht aufgehoben hat, für die Besteuerung von Grundstücksvermietungen zu optieren, ist festzustellen, dass ein solcher Umstand nicht dem in Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie umschriebenen Tatbestand entspricht. Diese Bestimmung bezieht sich nämlich auf die Zuordnung eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen für Zwecke seines Unternehmens und nicht auf eine Gesetzesänderung, mit der das Recht, für die Besteuerung eines von der Mehrwertsteuer grundsätzlich befreiten wirtschaftlichen Vorgangs zu optieren, aufgehoben wird.
93. Daher kann nur Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie, der Berichtigungen im Fall der Änderung des Anspruchs auf Vorsteuerabzug vorsieht, als Grundlage dafür dienen, von einem Steuerpflichtigen die Zahlung von Beträgen zu verlangen, die dem ursprünglich vorgenommenen Vorsteuerabzug entsprechen, der hinsichtlich eines als Investitionsgut erworbenen Grundstücks, das Gegenstand einer von der Mehrwertsteuer befreiten Vermietung ist, vorgenommen wurde.
94. Wegen der Beachtung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit im Rahmen der Anwendung von Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie ist auf die Randnummern 57 bis 82 dieses Urteils zu verweisen.
95. Demgemäß ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass sich Artikel 5 Absatz 7 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie auf die Zuordnung eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen für Zwecke seines Unternehmens und nicht auf eine Gesetzesänderung bezieht, mit der das Recht, für die Besteuerung eines von der Mehrwertsteuer grundsätzlich befreiten wirtschaftlichen Vorgangs zu optieren, aufgehoben wird.
Zur zweiten Frage
96. Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.
Kostenentscheidung:
Kosten
97. Die Auslagen der niederländischen und der französischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAB-72841
1Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg