Ausschluss von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts durch Pensionskassen
Leitsatz
[1]Artikel 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) ist dahin auszulegen, dass Einrichtungen wie die Pensionskassen deutschen Rechts, die damit betraut sind, Leistungen eines Betriebsrentensystems zu erbringen, die Gleichbehandlung von Männern und Frauen sicherzustellen haben, auch wenn Arbeitnehmern, die aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert sind, gegenüber ihren unmittelbaren Versorgungsschuldnern, den Arbeitgebern als Parteien der Arbeitsverträge, ein insolvenzgeschützter, die Diskriminierung ausschließender Anspruch zusteht.
Dass eine Pensionskasse deutschen Rechts in ihrer Eigenschaft als Versicherungsunternehmen dem Versicherungsrecht und damit dem eigenständigen versicherungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unterliegt und dass die Erhöhung des Volumens ihrer Verbindlichkeiten im Versicherungsbereich infolge der Anwendung des Artikels 119 EG-Vertrag zu Maßnahmen zum Ausgleich dieser Erhöhung führen könnte, zu denen gegebenenfalls die Erhöhung der Beiträge für alle versicherten Arbeitnehmer gehören könnte, stellt ein Problem dar, das durch das innerstaatliche Recht gelöst werden muss. Jedenfalls kann das Bestehen eines solchen Problems die Verpflichtung der deutschen Pensionskassen nicht außer Kraft setzen, den in Artikel 119 niedergelegten Grundsatz des gleichen Entgelts zu beachten, ohne dass es dabei auf ihre rechtliche Selbständigkeit oder ihre Eigenschaft als Versicherungsunternehmen ankommt.
( vgl. Randnrn. 25, 33 und Tenor )
Gesetze: EG-Vertrag Art. 119
Gründe
1 Das beim Gerichtshof eingegangen am , gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung des Artikels 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Pensionskasse für die Angestellten der Barmer Ersatzkasse V.V.a.G. (im Folgenden: beklagte Pensionskasse) und Hans Menauer (im Folgenden: Kläger) darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Witwerversorgung zusteht und ob die Pensionskasse dafür einstehen muss.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Artikel 119 EG-Vertrag normiert den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit.
4 Artikel 119 Absatz 2 bestimmt:
" Unter ,Entgelt' im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar und unmittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt."
Innerstaatliches Recht
Das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Alterversorgung (BetrAVG)
5 Wie aus den Akten hervorgeht, können die Leistungen aus den zusätzlichen Altersversorgungssystemen der Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland auf unterschiedliche Weise erbracht werden. Einerseits kann der Arbeitgeber die Leistungen, zu denen er aufgrund des Betriebsrentensystems seines Unternehmens verpflichtet ist, unmittelbar erbringen. Andererseits kann er diese Leistungen durch externe Einrichtungen erbringen lassen. Er erbringt dann selbst keine Leistungen, sondern sorgt mittelbar für ihre Erbringung entweder durch eine "Direktversicherung", d. h. eine vom Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers abgeschlossene Lebensversicherung, oder durch eine "Unterstützungskasse", d. h. eine Vorsorgekasse, oder durch eine "Pensionskasse", d. h. eine Rentenkasse, die vom Arbeitgeber mit der Durchführung des Betriebsrentensystems seines Unternehmens betraut ist.
6 Für den letztgenannten Fall sieht § 1 Absatz 3 BetrAVG vor, dass die Pensionskasse eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung ist, die dem Arbeitnehmer oder seinen Hinterbliebenen einen Rechtsanspruch gewährt.
7 Nach Angabe des vorlegenden Gerichts muss der Arbeitgeber, wenn die von der betreffenden Pensionskasse satzungsgemäß festgelegten Versicherungsbedingungen hinter dem zurückbleiben, was der Arbeitgeber aus dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis an Versorgung schuldet, selbst die bestehende Lücke schließen; hierbei handelt es sich um eine auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhende Versorgungsverbindlichkeit im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 4 BetrAVG.
8 Der sich hieraus für den Arbeitnehmer ergebende Anspruch gegen seinen Arbeitgeber ist nach § 7 BetrAVG insolvenzgeschützt.
Die Satzung der beklagten Pensionskasse
9 In § 11 ("Leistungsarten") der Satzung der beklagten Pensionskasse heißt es:
"Als Leistungen werden gewährt an Mitglieder, die wegen des Eintritts des Versorgungsfalles aus den Diensten der BEK ausscheiden...:
...
2. Pensionen an Hinterbliebene nach Wegfall der Pensionszahlung an Mitglieder bzw. der Dienstbezüge:
a) Witwenpension an die Witwe des verstorbenen Mitglieds. Witwerpension erhält der Ehemann nach dem Tode seiner versicherten Ehefrau, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat".
Der Ausgangsrechtsstreit und die Vorabentscheidungsfrage
10 Die Ehefrau des Klägers war vom bis zu ihrem Tod am bei der Barmer Ersatzkasse in Straubing beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Ehefrau des Klägers war aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme der Ersatzkassentarifvertrag (EKTV) anwendbar.
11 Nach den Bestimmungen des EKTV schuldet die Barmer Ersatzkasse ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Diese setzen sich zusammen aus einem Ruhegeld, das die Barmer Ersatzkasse selbst schuldet, und einer Pension, die durch die beklagte Pensionskasse an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Barmer Ersatzkasse gezahlt wird, die Mitglieder der Pensionskasse sind. Die Barmer Ersatzkasse hat nach dem EKTV für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Beiträge zur beklagten Pensionskasse zu tragen. Die verstorbene Ehefrau des Klägers war während der gesamten Dauer ihres Arbeitsverhältnisses Mitglied der beklagten Pensionskasse.
12 Der Kläger erhob beim Arbeitsgericht Klage gegen die Barmer Ersatzkasse und die beklagte Pensionskasse auf Zahlung einer Witwerrente. Das Arbeitsgericht gab dieser Klage gegenüber der beklagten Pensionskasse statt und wies die Klage gegen die Barmer Ersatzkasse ab. Die beklagte Pensionskasse legte Berufung beim Landesarbeitsgericht ein. Da der Kläger keine Berufung einlegte, erlangte die Abweisung seiner Klage gegen die Barmer Ersatzkasse Rechtskraft. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung der beklagten Pensionskasse zurück. Diese legte daraufhin beim Bundesarbeitsgericht Revision mit dem Antrag ein, die vorinstanzlichen Entscheidungen aufzuheben und abzuändern und die Klage abzuweisen.
13 Der Kläger vertrat den Standpunkt, die nach § 11 der Satzung der beklagten Pensionskasse vorgesehene zusätzliche Anspruchsvoraussetzung für die Witwerpension sei gleichheitswidrig und deshalb unwirksam. Ihm stehe die gleiche Hinterbliebenenversorgung zu wie der Witwe eines früheren Mitarbeiters der Barmer Ersatzkasse. Hierfür hafte die beklagte Pensionskasse als für die betriebliche Altersversorgung der Barmer Ersatzkasse zuständige und von dieser eingeschaltete Organisation.
14 In seinem Vorlagebeschluss stellt das Bundesarbeitsgericht u. a. fest, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung eine sonstige Vergütung im Sinne von Artikel 119 EG-Vertrag darstelle und dass § 11 Nummer 2 Buchstabe a der Satzung der beklagten Pensionskasse im Widerspruch zu dieser Vertragsbestimmung stehe. Fraglich sei jedoch, ob der Kläger einen Anspruch gegen die beklagte Pensionskasse habe. Eine Erstreckung des Geltungsbereichs des Artikels 119 EG-Vertrag auch auf eine Pensionskasse würde zu schwer auflösbaren Ungereimtheiten und Brüchen im nationalen Recht führen, ohne dass es dessen bedürfte, um die Arbeitnehmer vor Geschlechtsdiskriminierung zu schützen.
15 Das Bundesarbeitsgericht führt insbesondere Folgendes aus:
- Nach deutschem Arbeitsrecht bleibe der Arbeitgeber der Schuldner der dem Arbeitnehmer zustehenden Leistungen auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Satzung der Pensionskasse das Diskriminierungsverbot verletze. Er habe daher die bestehende Lücke durch Einstehen für die betreffenden Leistungen zu schließen, ohne dass er sich dieser Verpflichtung entziehen könne. Darüber hinaus sei der Arbeitnehmer im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers geschützt.
- Ausgehend davon werde in der deutschen Literatur ungeachtet des Umstands, dass die Pensionskassen nach § 1 Absatz 3 BetrAVG als Versicherer bestimmte Versorgungsrisiken übernähmen, die eigene Einstandspflicht einer Pensionskasse für arbeitsrechtliche Gleichbehandlungspflichten überwiegend abgelehnt. Dabei werde unterstrichen, dass die Pensionskasse zwar rechtlich selbständig sei, aber der Versicherungsaufsicht und dem Versicherungsrecht unterliege; der versicherungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete jedoch, gleiche Leistungen für gleiche Beiträge zu erbringen. Würde bei einer Pensionskasse das durch ihre Satzung festgelegte Volumen der Versicherungsverbindlichkeiten erhöht, so hätte sie den Mehraufwand durch erhöhte Beitragsleistungen auszugleichen, die, wenn der Arbeitgeber nicht für seine Arbeitnehmer die Beiträge allein übernommen habe, nicht den Arbeitgeber, der Schuldner der Leistungen sei, sondern die Gemeinschaft der versicherten Arbeitnehmer belasten würden.
16 In Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile vom in der Rechtssache C-200/91, Coloroll Pension Trustees, Slg. 1994, I-4389, und in der Rechtssache C-128/93, Fisscher, Slg. 1994, I-4583) hat das Bundesarbeitsgericht jedoch beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Muss Artikel 119 EG-Vertrag dahin ausgelegt werden, dass Pensionskassen als Arbeitgeber anzusehen sind und Gleichbehandlung von Mann und Frau bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung schulden, obwohl den benachteiligten Arbeitnehmern gegenüber ihren unmittelbaren Versorgungsschuldnern, den Arbeitgebern als Parteien der Arbeitsverträge, ein insolvenzgeschützter, die Diskriminierung ausschließender Anspruch zusteht?
Zur Vorabentscheidungsfrage
17 Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine im Rahmen eines durch Tarifvertrag geschaffenen betrieblichen Rentensystems gezahlte Altersrente eine Vergütung dar, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer zahlt, und fällt somit in den Anwendungsbereich von Artikel 119 EWG-Vertrag, und zwar unabhängig davon, ob dieses System an die Stelle des gesetzlichen Systems tritt oder ergänzenden Charakter hat (vgl. u. a. Urteile vom in der Rechtssache 170/84, Bilka, Slg. 1986, 1607, Randnrn. 20 und 22, vom in der Rechtssache C-262/88, Barber, Slg. 1990, I-1889, Randnr. 28, und vom in der Rechtssache C-110/91, Moroni, Slg. 1993, I-6591, Randnr. 15).
18 Auch eine in einem Betriebsrentensystem vorgesehene Hinterbliebenenrente fällt, wie der Gerichtshof anerkannt hat, in den Anwendungsbereich von Artikel 119 EG-Vertrag. Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass die genannte Rente ihrem Begriff gemäß nicht dem Arbeitnehmer, sondern seinem Hinterbliebenen gezahlt wird, da eine solche Leistung eine Vergütung ist, die ihren Ursprung in der Zugehörigkeit des Ehegatten des Hinterbliebenen zu dem Rentensystem hat, so dass der Hinterbliebene den Rentenanspruch im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses zwischen seinem Ehegatten und dessen Arbeitgeber erwirbt und ihm die Rente aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses seines Ehegatten gezahlt wird (vgl. Urteil vom in der Rechtssache C-109/91, Ten Oever, Slg. 1993, I-4879, Randnrn. 12 und 13, Urteil Coloroll Pension Trustees, Randnr. 18, und Urteil vom in der Rechtssache C-147/95, Evrenopoulos, Slg. 1997, I-2057, Randnr. 22).
19 Daraus folgt, dass der überlebende Ehegatte des verstorbenen Arbeitnehmers sich für die Anerkennung seines Anspruchs auf eine Hinterbliebenenrente dem Grunde und der Höhe nach auf Artikel 119 EG-Vertrag berufen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Coloroll Pension Trustees, Randnr. 19).
20 Was die Frage angeht, ob der überlebende Ehegatte sich auf diesen Artikel gegenüber einer externen Einrichtung, wie z. B. einer Pensionskasse deutschen Rechts, berufen kann, die der Arbeitgeber mit der Zahlung der betreffenden Leistungen betraut hat und die rechtlich selbständig ist, so steht der Anwendbarkeit von Artikel 119 EG-Vertrag auf ein Betriebsrentensystem nach den Urteilen Barber und Coloroll Pension Trustees nicht entgegen, dass dieses System treuhänderisch ausgestaltet ist und von Treuhändern verwaltet wird, die vom Arbeitgeber formal unabhängig sind, da Artikel 119 auch für Vergütungen gilt, die der Arbeitgeber mittelbar zahlt (vgl. Urteile Barber, Randnrn. 28 und 29, und Coloroll Pension Trustees, Randnr. 20).
21 Der Gerichtshof hat ebenfalls entschieden, dass die Treuhänder, obwohl am Arbeitsverhältnis nicht beteiligt, mit der Erbringung von Leistungen betraut sind, die dadurch ihren Charakter als Entgelt im Sinne von Artikel 119 nicht verlieren, und dass sie deshalb verpflichtet sind, alles in ihrer Zuständigkeit Liegende zu tun, um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf diesem Gebiet sicherzustellen (Urteil Coloroll Pension Trustees, Randnr. 22).
22 In Randnummer 31 des Urteil Fisscher ist der Gerichtshof in Bezug auf die Verwalter eines Betriebsrentensystems niederländischen Rechts, die wie die Treuhänder nicht am Arbeitsverhältnis beteiligt waren, zu demselben Ergebnis gelangt.
23 Da diejenigen, die mit der Verwaltung eines Betriebsrentensystems betraut sind, Leistungen zu erbringen haben, die ein Entgelt im Sinne von Artikel 119 EG-Vertrag darstellen, haben sie folglich den in dieser Vorschrift niedergelegten Grundsatz des gleichen Entgelts ungeachtet ihrer Rechtsform und unabhängig davon zu beachten, in welcher Weise sie mit der Verwaltung dieses Rentensystems betraut sind.
24 Diese Feststellung gilt auch für Pensionskassen deutschen Rechts wie die beklagte Pensionskasse. Da diese mit der Verwaltung von Betriebsrentensystemen betraut sind und den bei ihnen versicherten Arbeitnehmern und deren anspruchsberechtigten Angehörigen Leistungen zu gewähren haben, die, wie in den Randnummern 17 und 18 dieses Urteils hervorgehoben worden ist, in den Anwendungsbereich des Artikels 119 EG-Vertrag fallen, sind sie verpflichtet, den in dieser Vorschrift niedergelegten Grundsatz des gleichen Entgelts zu beachten, ohne dass es dabei auf ihre rechtliche Selbständigkeit oder ihre Eigenschaft als Versicherungsunternehmen ankommt.
25 Insbesondere stellt der Umstand, dass eine Pensionskasse deutschen Rechts in ihrer Eigenschaft als Versicherungsunternehmen dem Versicherungsrecht und damit dem eigenständigen versicherungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unterliegt und dass die Erhöhung des Volumens ihrer Verbindlichkeiten im Versicherungsbereich infolge der Anwendung des Artikels 119 EG-Vertrag zu Maßnahmen zum Ausgleich dieser Erhöhung führen könnte, zu denen gegebenenfalls die Erhöhung der Beiträge für alle versicherten Arbeitnehmer gehören könnte, ein Problem dar, das durch das innerstaatliche Recht gelöst werden muss. Jedenfalls kann das Bestehen eines solchen Problems die in der vorstehenden Randnummer getroffene Feststellung nicht entkräften.
26 Wie der Gerichtshof in den Randnummern 42 und 43 des Urteils Coloroll Pension Trustees in Bezug auf ein als Trust ausgestaltetes Betriebsrentensystem festgestellt hat, ist die Tatsache, dass die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts mit Schwierigkeiten verbunden ist, die sich aus der Unzulänglichkeit der von den Treuhändern verwalteten Mittel ergeben, ein Problem des nationalen Rechts. Etwaige Probleme, die sich aus der Unzulänglichkeit dieser Mittel für die Angleichung der Leistungen ergeben, sind daher auf der Grundlage des nationalen Rechts unter Beachtung des Grundsatzes des gleichen Entgelts zu lösen und können insbesondere die Feststellung in Randnummer 24 des Urteils Coloroll Pension Trustees nicht berühren, wonach sowohl die Arbeitnehmer als auch ihre anspruchsberechtigten Angehörigen sich gegenüber den Treuhändern eines Betriebsrentensystems, die im Rahmen ihrer Befugnisse und Pflichten den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten haben, auf die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 EG-Vertrag berufen können.
27 Die gleiche Feststellung ist hinsichtlich der ähnlichen, ebenfalls auf der Unzulänglichkeit der Mittel beruhenden Probleme geboten, denen sich eine Pensionskasse deutschen Rechts, die Artikel 119 EG-Vertrag anzuwenden hat, aufgrund der Besonderheiten des deutschen Versicherungsrechts gegenübersieht.
28 Es ist ferner zu prüfen, ob die Verpflichtung, Artikel 119 EG-Vertrag zu beachten, auch eine Einrichtung wie eine Pensionskasse deutschen Rechts trifft, wenn Arbeitnehmer, die aufgrund ihres Geschlechts von dieser Einrichtung diskriminierend behandelt werden, oder ihre anspruchsberechtigten Angehörigen sich an den Arbeitgeber wenden können, der nach innerstaatlichem Recht unmittelbarer Schuldner der von dieser Einrichtung erbrachten Leistungen bleibt, und wenn ihnen insoweit ein bei Insolvenz des Arbeitgebers geschützter, die Diskriminierung ausschließender Anspruch zusteht.
29 Nach ständiger Rechtsprechung würde die praktische Wirksamkeit von Artikel 119 EG-Vertrag beträchtlich geschmälert und der für eine wirkliche Gleichstellung notwendige Rechtsschutz stark eingeschränkt, wenn sich ein Arbeitnehmer oder seine anspruchsberechtigten Angehörigen auf diese Bestimmung nur gegenüber dem Arbeitgeber berufen könnten und nicht auch gegenüber denjenigen, die ausdrücklich mit der Erfuellung der Verpflichtungen des Arbeitgebers betraut sind (vgl. in diesem Sinne die Urteile Coloroll Pension Trustees, Randnr. 23, und Fisscher, Randnr. 31).
30 Entgegen den insoweit vom vorlegenden Gericht zum Ausdruck gebrachten Zweifeln bleibt diese Feststellung auch dann gültig, wenn Arbeitnehmer, die aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert sind, oder ihre anspruchsberechtigten Angehörigen nach innerstaatlichem Recht umfassenden Rechtsschutz gegenüber dem Arbeitgeber genießen. Die praktische Wirksamkeit des Artikels 119 EG-Vertrag gebietet, dass diese Vorschrift von jedem zu beachten ist, der Leistungen zu erbringen hat, die in ihren Anwendungsbereich fallen. Könnten sich der Arbeitnehmer oder seine anspruchsberechtigten Angehörigen nur an den Arbeitgeber wenden und wäre ihnen die Inanspruchnahme der mit der Erbringung der Leistungen betrauten Einrichtung verwehrt, so würde dies die Zahl der Personen beschränken, denen gegenüber sie ihre Ansprüche geltend machen können.
31 Eine solche Beschränkung würde aber die praktische Wirksamkeit des Artikels 119 EG-Vertrag schmälern. Sie wäre darüber hinaus umso weniger vereinbar mit dieser Vorschrift, als die fragliche Diskriminierung wie im Ausgangsverfahren auf der Satzung der Einrichtung beruhen kann, die mit der Erbringung der Leistungen betraut ist und die daher insbesondere in den Augen eines Anspruchsberechtigten als der normale Schuldner der betreffenden Leistung erscheint.
32 Die Anwendbarkeit von Artikel 119 EG-Vertrag auf Pensionskassen deutschen Rechts ist folglich erforderlich, um für Arbeitnehmer, die aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert sind, oder gegebenenfalls ihre anspruchsberechtigten Angehörigen umfassenden und einheitlichen Rechtschutz zu gewährleisten.
33 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 119 EG-Vertrag dahin auszulegen ist, dass Einrichtungen wie die Pensionskassen deutschen Rechts, die damit betraut sind, Leistungen eines Betriebsrentensystems zu erbringen, die Gleichbehandlung von Männern und Frauen sicherzustellen haben, auch wenn Arbeitnehmern, die aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert sind, gegenüber ihren unmittelbaren Versorgungsschuldnern, den Arbeitgebern als Parteien der Arbeitsverträge, ein insolvenzgeschützter, die Diskriminierung ausschließender Anspruch zusteht.
Kostenentscheidung:
Kosten
34 Die Auslagen der deutschen und der niederländischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAB-72772
1Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg