Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für das Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen im Hinblick auf die Tages- oder Wochenarbeitszeit und die Leistung von Überstunden
Leitsatz
[1] 1. Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe i der Richtlinie 91/533 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen ist dahin auszulegen, dass er die Leistung von Überstunden nicht erfasst. Aus Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie folgt jedoch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer von einer - einen wesentlichen Punkt des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses darstellenden - Vereinbarung in Kenntnis zu setzen, wonach der Arbeitnehmer auf bloße Anordnung des Arbeitgebers zur Leistung von Überstunden verpflichtet ist. Diese Unterrichtung muss gemäß den für die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie ausdrücklich genannten Angaben geltenden Bedingungen erfolgen. Gegebenenfalls kann sie entsprechend der u. a. bezüglich der normalen Arbeitszeit geltenden Regelung des Artikels 2 Absatz 3 der Richtlinie in Form eines Hinweises auf die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. Satzungs- oder Tarifvertragsbestimmungen erfolgen.
( vgl. Randnr. 25, Tenor 1 )
2. Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 91/533 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen ist zu entnehmen, dass die Richtlinie nicht so ausgelegt werden kann, dass das Fehlen einer ordnungsgemäßen Unterrichtung des Arbeitnehmers über einen wesentlichen Punkt des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses die Unwirksamkeit dieses Punktes zur Folge hat, denn die Richtlinie belässt den Mitgliedstaaten die Befugnis, die in einem solchen Fall geltenden angemessenen Sanktionen zu bestimmen, sofern der Arbeitnehmer seine Rechte gerichtlich geltend machen kann.
( vgl. Randnr. 28 )
3. Die Frage, ob die Regeln des nationalen Rechts über die Beweisvereitelung auch im Fall der Nichterfuellung der durch die Richtlinie 91/533 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen festgelegten Unterrichtungspflicht durch den Arbeitgeber anzuwenden sind, betrifft den Anwendungsbereich dieser Beweislastregeln und daher die in diesem Fall geltende Beweisregelung. Die Richtlinie regelt diese Frage nicht, sondern überlässt es den Mitgliedstaaten, bezüglich des Vorhandenseins und des Inhalts des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses ihre eigenen Beweisregelungen anzuwenden.
( vgl. Randnrn. 33-34 )
Gesetze: Richtlinie 91/533 Art. 2 Abs. 1; Richtlinie 91/533 Art. 2 Abs. 2; Richtlinie 91/533 Art. 2 Abs. 3; Richtlinie 91/533 Art. 8 Abs. 1
Gründe
1 Das beim Gerichtshof eingegangen am 22. September 1999, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (ABl. L 288, S. 32; im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Lange (im Folgenden: Kläger) und der Georg Schünemann GmbH (im Folgenden: Beklagte) über die Kündigung, die die Beklagte gegenüber dem Kläger ausgesprochen hat, weil dieser sich weigerte, Überstunden zu leisten.
Die Richtlinie
3 Die Richtlinie zielt nach ihrer zweiten Begründungserwägung darauf ab, die Arbeitnehmer besser vor etwaiger Unkenntnis ihrer Rechte zu schützen und den Arbeitsmarkt transparenter zu gestalten". Nach der siebten Begründungserwägung der Richtlinie muss auf Gemeinschaftsebene... allgemein zur Pflicht gemacht werden, dass jeder Arbeitnehmer über ein Schriftstück mit Angaben über die wesentlichen Bedingungen seines Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses verfügt".
4 Artikel 2 der Richtlinie bestimmt:
(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den unter diese Richtlinie fallenden Arbeitnehmer (im Folgenden ,Arbeitnehmer genannt) über die wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses in Kenntnis zu setzen.
(2) Die Unterrichtung nach Absatz 1 betrifft mindestens folgende Angaben:
...
i) normale Tages- oder Wochenarbeitszeit des Arbeitnehmers;
...
(3) Die Unterrichtung über die Angaben nach Absatz 2 Buchstaben f), g), h) und i) kann gegebenenfalls durch einen Hinweis auf die Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. die Satzungs- oder Tarifvertragsbestimmungen erfolgen, die für die entsprechenden Bereiche gelten."
5 Artikel 6 der Richtlinie bestimmt:
Diese Richtlinie berührt nicht die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder einschlägigen einzelstaatlichen Praktiken für
- die Form des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses,
- die Regelung für den Nachweis über das Vorhandensein und den Inhalt des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses,
- einschlägige Verfahrensregeln."
6 Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie legt fest:
Die Mitgliedstaaten erlassen die innerstaatlichen Vorschriften, die notwendig sind, damit jeder Arbeitnehmer, der sich durch die Nichterfuellung der Verpflichtungen aus dieser Richtlinie für beschwert hält, nach etwaiger Befassung anderer zuständiger Stellen seine Rechte gerichtlich geltend machen kann."
Das deutsche Recht
7 Die Richtlinie wurde durch das Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen vom (BGBl. I S. 946; im Folgenden: NachwG) in deutsches Recht umgesetzt.
8 Artikel 2 Absatz 1 NachwG bestimmt:
Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:
...
7. die vereinbarte Arbeitszeit,
..."
Der Ausgangsrechtsstreit
9 Der Kläger war seit dem auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom als Dreher bei der Beklagten beschäftigt. Artikel 1 dieses Vertrages bestimmt u. a., dass die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden beträgt. Über die Leistung von Überstunden enthält der Vertrag keine Angaben.
10 Nachdem der Kläger die Leistung von Überstunden verweigert hatte, die sein Arbeitgeber im Hinblick auf die termingemäße Erfuellung von Kundenaufträgen angeordnet hatte, kündigte die Beklagte aus diesem Grund den Arbeitsvertrag mit Schreiben vom zum .
11 Gegen seine Kündigung erhob der Kläger am 18. Dezember 1998 Klage beim Arbeitsgericht Bremen und beantragte für den Fall des Obsiegens mit dieser Klage seine Weiterbeschäftigung. Die Beklagte beantragte Klageabweisung.
12 Vor dem nationalen Gericht ist zwischen den Parteien streitig, welche Vereinbarung bei der Einstellung des Klägers in Bezug auf Überstunden getroffen wurde. Der Beklagten zufolge hat sich der Kläger bereit erklärt, auf Anordnung der Firma bei Kapazitätsengpässen Überstunden zu leisten. Der Kläger macht hingegen geltend, er habe sich nur bereit erklärt, in Notfällen Überstunden zu leisten.
13 Nach Ansicht des Arbeitsgerichts ist in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden, ob der Kläger durch die Verweigerung von Überstunden seine Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber verletzt hat. Hierzu müsse bestimmt werden, was die Parteien in Bezug auf Überstunden vereinbart hätten.
14 Da das Arbeitsgericht Bremen der Auffassung ist, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung der Richtlinie abhänge, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Betrifft Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe i der Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen auch Vereinbarungen des Arbeitnehmers, mit denen er sich allgemein zur Ableistung von Überstunden verpflichtet?
2. Gebietet es Artikel 2 der genannten Richtlinie, ein nationales Gesetz, das ihrer Umsetzung dient, dahin gehend auszulegen, dass Vereinbarungen, die nicht die dort geforderte Genauigkeit enthalten, sondern dem Arbeitgeber inhaltlich ungenau bestimmte einseitige Rechte zuweisen, auch materiell unwirksam sind?
3. a) Gebietet es die genannte Richtlinie, nationale Grundsätze, die eine Beweisvereitelung annehmen, wenn eine Prozesspartei gesetzlichen Dokumentationspflichten nicht nachgekommen ist, im Wege europarechtskonformer Auslegung auch heranzuziehen, wenn ein Arbeitgeber einen Nachweis im Sinne der Richtlinie nicht erstellt hat?
b) Falls die Frage a verneint wird: Verbietet es Artikel 6 dritter Spiegelstrich der genannten Richtlinie, nationale Rechtsgrundsätze im unter a genannten Sinne anzuwenden?
Zur ersten Frage
15 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich der Richtlinie, insbesondere ihrem Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe i, eine Verpflichtung des Arbeitgebers entnehmen lässt, den Arbeitnehmer gemäß den in der Richtlinie genannten Bedingungen über eine Vereinbarung in Kenntnis zu setzen, wonach er auf bloße Anordnung des Arbeitgebers zur Leistung von Überstunden verpflichtet ist.
16 Wie sich bereits aus dem Wortlaut des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe i der Richtlinie ergibt, erfasst diese Bestimmung, da sie sich auf die normale Tages- oder Wochenarbeitszeit bezieht, die Leistung von Überstunden nicht. Diese sind nämlich, wie bereits der Begriff zeigt, dadurch gekennzeichnet, dass sie außerhalb der normalen Arbeitszeit, zu der sie hinzukommen, geleistet werden.
17 Nach Ansicht der Kommission zählen Überstunden grundsätzlich nicht zur normalen Arbeitszeit; anderes gelte hingegen, wenn sie nach der konkreten betrieblichen Praxis üblich seien und daher den Arbeitsalltag des Arbeitnehmers prägten.
18 Dieser Auslegung kann nicht gefolgt werden, da sie zum einen dem Wortlaut des Artikels 2 Absatz 2 Buchstabe i widerspricht, der sich nicht auf die übliche Arbeitszeit bezieht; zum anderen dient die in der Richtlinie vorgesehene Informationspflicht dazu, den Arbeitnehmer über seine Rechte und Pflichten gegenüber seinem Arbeitgeber aufzuklären, und nicht dazu, ihm Angaben über die vor seiner Einstellung in dem Betrieb bestehende durchschnittliche Praxis zu verschaffen.
19 Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe i der Richtlinie ist folglich dahin auszulegen, dass er die Leistung von Überstunden nicht erfasst.
20 Eine Pflicht zur Information des Arbeitnehmers darüber, ob und unter welchen Bedingungen er zur Leistung von Überstunden herangezogen werden kann, kann sich aber aus einer anderen Bestimmung der Richtlinie ergeben.
21 Nach dem in Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie festgelegten Grundsatz ist der Arbeitgeber nämlich verpflichtet, den Arbeitnehmer über die wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses in Kenntnis zu setzen. Diese Verpflichtung, die in der siebten Begründungserwägung der Richtlinie als allgemeine Pflicht bezeichnet wird, betrifft alle Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses, die von wesentlicher Bedeutung sind.
22 Durch Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie wird diese allgemeine Pflicht nicht eingeschränkt. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich vielmehr, dass die Liste der dort genannten Angaben keine abschließende Aufzählung der in Artikel 2 Absatz 1 genannten wesentlichen Punkte darstellt.
23 Daher ist der Arbeitnehmer über einen Punkt, der in Anbetracht seiner Bedeutung als eine wesentliche Bedingung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses anzusehen ist, in Kenntnis zu setzen, auch wenn dieser nicht in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie genannt ist. Dies gilt insbesondere für eine Vereinbarung, nach der der Arbeitnehmer auf bloße Anordnung des Arbeitgebers zur Leistung von Überstunden verpflichtet ist.
24 Folglich hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer schriftlich gemäß denselben Bedingungen, wie sie für die ausdrücklich in Artikel 2 Absatz 2 genannten Angaben gelten, über eine Vereinbarung in Kenntnis zu setzen, nach der der Arbeitnehmer auf bloße Anordnung des Arbeitgebers zur Leistung von Überstunden verpflichtet ist. Die Unterrichtung des Arbeitnehmers kann dabei - entsprechend der u. a. bezüglich der normalen Arbeitszeit geltenden Regelung des Artikels 2 Absatz 3 - gegebenenfalls in Form eines Hinweises auf die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. Satzungs- oder Tarifvertragsbestimmungen erfolgen.
25 Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe i der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er die Leistung von Überstunden nicht erfasst. Aus Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie folgt jedoch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer von einer - einen wesentlichen Punkt des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses darstellenden - Vereinbarung in Kenntnis zu setzen, wonach der Arbeitnehmer auf bloße Anordnung des Arbeitgebers zur Leistung von Überstunden verpflichtet ist. Diese Unterrichtung muss gemäß den Bedingungen erfolgen, die für die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie ausdrücklich genannten Angaben gelten. Gegebenenfalls kann sie entsprechend der u. a. bezüglich der normalen Arbeitszeit geltenden Regelung des Artikels 2 Absatz 3 der Richtlinie in Form eines Hinweises auf die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. Satzungs- oder Tarifvertragsbestimmungen erfolgen.
Zur zweiten Frage
26 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein wesentlicher Punkt eines Arbeitsvertrags oder eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie, der nicht oder nicht hinreichend genau in einem dem Arbeitnehmer ausgehändigten Schriftstück aufgeführt ist, aus diesem Grund unwirksam ist.
27 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Richtlinie gemäß Artikel 6 zweiter Gedankenstrich die Regelung des nationalen Rechts für den Nachweis über das Vorhandensein und den Inhalt des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses nicht berührt. Wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, kann daher der Nachweis in jeder nach dem nationalen Recht zulässigen Form erbracht werden, selbst wenn der Arbeitgeber keine schriftliche Mitteilung gemacht hat. Der mit dieser Bestimmung verfolgte Zweck würde nicht erreicht, wenn die Richtlinie dahin ausgelegt würde, dass das Bestehen und der Inhalt der wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses, die dem Arbeitnehmer nicht schriftlich mitgeteilt worden sind, niemals nachgewiesen werden könnten, weil diese Punkte als unwirksam anzusehen wären.
28 Ferner sieht Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten die innerstaatlichen Vorschriften erlassen, die notwendig sind, damit jeder Arbeitnehmer, der sich durch die Nichterfuellung der Verpflichtungen aus dieser Richtlinie für beschwert hält, nach etwaiger Befassung anderer zuständiger Stellen seine Rechte gerichtlich geltend machen kann. Dieser Bestimmung ist zu entnehmen, dass die Richtlinie nicht so ausgelegt werden kann, dass das Fehlen einer ordnungsgemäßen Unterrichtung des Arbeitnehmers über einen wesentlichen Punkt des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses die Unwirksamkeit dieses Punktes zur Folge hat, denn die Richtlinie belässt den Mitgliedstaaten die Befugnis, die in einem solchen Fall geltenden angemessenen Sanktionen zu bestimmen, sofern der Arbeitnehmer seine Rechte gerichtlich geltend machen kann.
29 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass keine Bestimmung der Richtlinie es gebietet, einen wesentlichen Punkt des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses, der nicht oder nicht hinreichend genau in einem dem Arbeitnehmer ausgehändigten Schriftstück aufgeführt ist, als unwirksam zu betrachten.
Zur dritten Frage
30 Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob die Richtlinie im Fall der Nichterfuellung der Unterrichtungspflicht durch den Arbeitgeber dem nationalen Gericht vorschreibt, die Grundsätze des nationalen Rechts entsprechend anzuwenden, die eine Beweisvereitelung annehmen, wenn eine Prozesspartei gesetzlichen Dokumentationspflichten nicht nachgekommen ist, und, wenn nein, ob Artikel 6 der Richtlinie dem nationalen Gericht die Anwendung dieser Grundsätze verbietet.
31 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ergibt sich aus Artikel 6 der Richtlinie, dass die nationalen Beweislastregeln als solche durch die Richtlinie nicht berührt werden (Urteil des Gerichtshofes vom 4. Dezember 1997 in den Rechtssachen C-253/96 bis C-258/96, Kampelmann u. a., Slg. 1997, I-6907, Randnr. 30).
32 In Randnummer 33 des Urteils Kampelmann hat der Gerichtshof zwar festgestellt, dass die nationalen Gerichte die nationalen Beweislastregeln im Licht des Richtlinienzwecks anzuwenden und auszulegen haben, indem sie der Mitteilung nach Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie Beweiskraft in dem Sinne beimessen, dass sie als Nachweis der tatsächlich bestehenden wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses angesehen werden kann und demgemäß für sie eine ebenso starke Vermutung der Richtigkeit spricht, wie sie nach innerstaatlichem Recht einem solchen vom Arbeitgeber ausgestellten und dem Arbeitnehmer übermittelten Dokument zukommen würde. Er hat jedoch in Randnummer 34 darauf hingewiesen, dass die Richtlinie selbst keine Beweisregelung enthält.
33 Die Frage, ob die Regeln des nationalen Rechts über die Beweisvereitelung auch im Fall der Nichterfuellung der durch die Richtlinie festgelegten Unterrichtungspflicht durch den Arbeitgeber anzuwenden sind, betrifft den Anwendungsbereich dieser Beweislastregeln und daher die in diesem Fall geltende Beweisregelung.
34 Wie oben in den Randnummern 31 und 32 ausgeführt, regelt die Richtlinie diese Frage nicht, sondern überlässt es den Mitgliedstaaten, bezüglich des Vorhandenseins und des Inhalts des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses ihre eigenen Beweisregelungen anzuwenden.
35 Auf die dritte Frage ist daher zu antworten, dass die Richtlinie im Fall der Nichterfuellung der durch sie eingeführten Unterrichtungspflicht durch den Arbeitgeber dem nationalen Gericht weder vorschreibt noch verbietet, die Grundsätze des nationalen Rechts anzuwenden, die eine Beweisvereitelung annehmen, wenn eine Prozesspartei gesetzlichen Dokumentationspflichten nicht nachgekommen ist.
Kostenentscheidung:
Kosten
36 Die Auslagen der deutschen und der österreichischen Regierung sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
RAAAB-72746
1Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg