Mehrwertsteuerpflicht und Besteuerungsgrundlagen von Devisengeschäften
Leitsatz
[1] 3 Devisengeschäfte sind, auch wenn sie ohne Einbehaltung von Provisionen oder unmittelbaren Gebühren durchgeführt werden, Dienstleistungen, die gegen eine Gegenleistung erbracht werden, d. h. entgeltliche Dienstleistungen im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern. Insbesondere sind Geschäfte, bei denen die eine Partei einen vereinbarten Betrag in einer Währung kauft und als Gegenleistung an die andere Partei einen vereinbarten Betrag in einer anderen Währung verkauft, wobei diese beiden Geldbeträge am gleichen Wertstellungstag zu zahlen sind, und bei denen sich beide Parteien (entweder mündlich, elektronisch oder schriftlich) über die betreffenden Währungen, die zu kaufenden und zu verkaufenden Beträge sowie darüber, welche Partei welche Währung kauft, und über den Tag der Wertstellung geeinigt haben, Dienstleistungen gegen Entgelt im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie.
4 Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist dahin auszulegen, daß bei Devisengeschäften, bei denen für bestimmte spezifische Geschäfte weder Gebühren noch Provisionen berechnet werden, der Bruttoertrag der vom Dienstleistenden während eines bestimmten Zeitraums getätigten Geschäfte die Besteuerungsgrundlage darstellt. Nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ist nämlich die Besteuerungsgrundlage bei Dienstleistungen das, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Dienstleistende für diese Umsätze vom Dienstleistungsempfänger erhält oder erhalten soll. Zur Ermittlung der Gegenleistung ist zu ermitteln, welchen Betrag die Bank für die Devisengeschäfte erhalten hat, d. h. die Vergütung für die Devisengeschäfte, über die sie effektiv selbst verfügen kann.
Gesetze: Richtlinie 77/388 Art. 2 Nr. 1; Richtlinie 77/388 Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
1 Der High Court of Justice, Queen's Bench Division, hat mit Beschluß vom , beim Gerichtshof eingegangen am , gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; nachstehend: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der First National Bank of Chicago (nachstehend: die Bank) und den Commissioners of Customs & Excise (nachstehend: Commissioners) wegen des Vorsteuerabzugs für bestimmte Devisengeschäfte.
3 Artikel 2 der Sechsten Richtlinie sieht vor:
"Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;
2. die Einfuhr von Gegenständen."
4 Artikel 5 Absatz 1 definiert die Lieferung von Gegenständen wie folgt:
"(1) Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen."
5 Dienstleistungen werden in Artikel 6 Absatz 1 wie folgt definiert:
"(1) Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Artikels 5 ist."
6 Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a lautet:
"Die Besteuerungsgrundlage ist:
a) bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die unter den Buchstaben b), c) und d) genannt sind, alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen."
7 Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 4 bestimmt:
"Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festsetzen, von der Steuer:
...
d) die folgenden Umsätze:
...
4. die Umsätze - einschließlich der Vermittlung -, die sich auf Devisen, Banknoten und Münzen beziehen, die gesetzliches Zahlungsmittel sind, mit Ausnahme von Sammlerstücken einschließlich der Banknoten; als Sammlerstücke gelten Münzen aus Gold, Silber oder anderem Metall sowie Banknoten, die normalerweise nicht als gesetzliches Zahlungsmittel verwendet werden oder die von numismatischem Interesse sind."
8 Nach Artikel 13 Teil C Buchstabe b können die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen jedoch das Recht einräumen, u. a. bei den Umsätzen nach Teil B Buchstabe d dieser Bestimmung für eine Besteuerung zu optieren.
9 Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie lautet:
"3. Die Mitgliedstaaten gewähren jedem Steuerpflichtigen darüber hinaus den Abzug oder die Erstattung der in Absatz 2 genannten Mehrwertsteuer, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden für Zwecke:
...
c) seiner nach Artikel 13 Teil B Buchstaben a) und d) Nummern 1 bis 5 befreiten Umsätze, wenn der Leistungsempfänger ausserhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder wenn diese Umsätze unmittelbar mit zur Ausfuhr in ein Land ausserhalb der Gemeinschaft bestimmten Gegenständen zusammenhängen."
10 Wie sich aus dem Vorlagebeschluß ergibt, ist die Bank für Mehrwertsteuerzwecke im Vereinigten Königreich registriert und betreibt zahlreiche Bankgeschäfte, darunter Devisengeschäfte. Sie ist ein "market maker" und jederzeit bereit, Währungen, auf die sie sich spezialisiert hat, zu beschaffen und entgegenzunehmen.
11 Die Bank legt die Kurse, zu denen sie zum Abschluß von Devisengeschäften bereit ist, als "Ankaufskurse" ("bid prices") oder als "Angebotskurse" ("offer prices") fest. Sie bietet jederzeit den Ankauf von Devisen zu einem Preis in Form eines Wechselkurses und gleichzeitig den Verkauf desselben Devisenbetrags zu einem als Wechselkurs ausgedrückten etwas höheren Preis an. Der Unterschied zwischen den beiden Kursen wird als "Spread" bezeichnet.
12 Die Devisengeschäfte sind entweder "Kassageschäfte" oder "Termingeschäfte". Ein Kassageschäft lässt sich als Kauf einer Devise gegen Verkauf einer anderen Devise definieren, wobei Lieferung und Verkauf normalerweise am zweiten Werktag nach ertragsschluß, dem sogenannten Abrechnungs- oder Wertstellungstag, erfolgen. Im Gegensatz dazu erfolgen bei einem Termingeschäft Lieferung und Verkauf der Devisen zu einem späteren Wertstellungszeitpunkt, doch liegen die Beträge aufgrund des bei Vertragsschluß vereinbarten Wechselkurses fest.
13 Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts wurde in dem Fall, mit dem es befasst ist, im Rahmen der von der Bank getätigten Devisengeschäfte das Geld nicht physisch in Form von Münzen, Banknoten oder sonstigen beweglichen Sachen geliefert. Es wurde vielmehr die Möglichkeit eingeräumt, Geld in der "gelieferten" Devise von einem bei einer Bank eröffneten Konto abzuheben.
14 Für Geschäfte wie die im Ausgangsverfahren streitigen werden von der Bank keine Gebühren oder Provisionen erhoben oder in Rechnung gestellt. Die Bank ist bestrebt, bei ihren Devisengeschäften einen Gewinn aufgrund des Spread zwischen Ankaufs- und Angebotskursen zu erzielen. Jeder ihrer Händler hat sein eigenes Devisenbuch, und es wird von ihm erwartet, daß er über bestimmte Zeiträume einen Gewinn erzielt. Der Gewinn ist das Ergebnis aller seiner Geschäfte in einem solchen Zeitraum.
15 Die Bank ist teilweise von der Mehrwertsteuer befreit. Sie macht jedoch ein Recht auf Vorsteuerabzug für die Geschäfte mit Kunden geltend, die ausserhalb der Gemeinschaft ansässig sind. Zur Ermittlung des abzugsfähigen Betrages vereinbarte sie mit den Commissioners eine besondere Methode der Teilbefreiung gemäß Regulation 31 der Valü Added Tax (General) Regulations 1985 (Mehrwertsteuerverordnung von 1985, SI 1985, Nr. 886). Der abzugsfähige Teil der Vorsteuer, der der Bank nach der vereinbarten Methode eingeräumt wird, bestimmt sich nach der Zahl der durchgeführten Devisengeschäfte und entspricht einem Bruch, dessen Zähler die Zahl der Geschäfte mit den ausserhalb der Europäischen Union ansässigen Kunden und dessen Nenner die Gesamtzahl der Geschäfte ist.
16 In ihrer Erklärung für den Zeitraum vom bis , die auch die jährliche Berichtigung für den Zeitraum von April 1993 bis April 1994 umfasste, berücksichtigte die Bank für die Bestimmung von Zähler und Nenner des Bruches die Devisengeschäfte zwischen April 1993 und Juli 1994. Nach ihren Berechnungen belief sich das Vorsteuerguthaben, auf das sie für diesen verlängerten Zeitraum von fünfzehn Monaten aufgrund ihrer Devisengeschäfte mit den in Ländern ausserhalb der Gemeinschaft ansässigen Kunden Anspruch hatte, auf 251 454,90 UKL.
17 Mit Bescheid vom kürzten die Commissioners das von der Bank geltend gemachte Vorsteuerguthaben, indem sie den Teil, der auf die Devisengeschäfte mit den letztgenannten Kunden entfiel, nicht anerkannten.
18 Die Bank erhob Klage zum Valü Added Tax Tribunal. Die Parteien beschränkten den Streitgegenstand einvernehmlich auf die Frage, ob die streitigen Devisengeschäfte mehrwertsteuerrechtlich Dienstleistungen oder Lieferungen von Gegenständen waren. Das Valü Added Tax Tribunal gab der Klage der Bank mit Entscheidung vom statt.
19 Die Commissioners legten gegen diese Entscheidung Rechtsmittel beim High Court of Justice ein.
20 Der High Court of Justice ist der Ansicht, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung der Sechsten Richtlinie abhängt, und hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen vorzulegen:
1. Stellen Devisengeschäfte im Sinne der (in Nr. 1 des Sachverhalts des Vorlagebeschlusses wiedergegebenen) Definition der British Bankers' Association bei zutreffender Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie) Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen dar, die gegen Entgelt ausgeführt werden?
2. Wenn es sich um Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen handelt, die gegen Entgelt ausgeführt werden, was für eine Art von Entgelt wird dann bei einem solchen Geschäft entrichtet?
21 Die in der ersten Frage genannte Definition lautet:
Devisengeschäfte sind "Geschäfte, bei denen die eine Partei einen vereinbarten Betrag in einer Währung kauft und als Gegenleistung an die andere Partei einen vereinbarten Betrag in einer anderen Währung verkauft, wobei diese beiden Geldbeträge am gleichen Wertstellungstag zu zahlen sind, und bei denen sich beide Parteien (entweder mündlich, elektronisch oder schriftlich) über die betreffenden Währungen, die zu kaufenden und die zu verkaufenden Beträge sowie darüber, welche Partei welche Währung kauft, und über den Tag der Wertstellung geeinigt haben".
Zur ersten Frage
22 Mit der ersten Frage möchte der High Court of Justice wissen, ob Geschäfte, bei denen die eine Partei einen vereinbarten Betrag in einer Währung kauft und als Gegenleistung an die andere Partei einen vereinbarten Betrag in einer anderen Währung verkauft, wobei diese beiden Geldbeträge am gleichen Wertstellungstag zu zahlen sind, und bei denen sich die beiden Parteien (entweder mündlich, elektronisch oder schriftlich) über die betreffenden Währungen, die zu kaufenden und zu verkaufenden Beträge sowie darüber, welche Partei welche Währung kauft, und den Tag der Wertstellung geeinigt haben, Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen gegen Entgelt im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie darstellen.
23 Die Bank, die französische Regierung und die Kommission sind der Ansicht, daß die Devisengeschäfte Dienstleistungen seien. Da sie entgeltlich seien, fielen sie unter die Sechste Richtlinie.
24 Dagegen meint die Regierung des Vereinigten Königreichs, daß ein Devisengeschäft, das ohne Provision oder Bankgebühren ausgeführt werde, wegen des Fehlens eines Entgelts keine Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistung im Sinne der Sechsten Richtlinie, sondern ein blosser Austausch von Zahlungsmitteln sei.
25 Devisen, die im Rahmen eines Devisengeschäfts gegen andere Devisen gewechselt werden, können nicht als "körperliche Gegenstände" im Sinne des Artikels 5 der Sechsten Richtlinie angesehen werden, da es sich um Geld handelt, das gesetzliches Zahlungsmittel ist. Devisengeschäfte sind daher Dienstleistungen im Sinne des Artikels 6 der Sechsten Richtlinie.
26 Zur Entgeltlichkeit einer Dienstleistung hat der Gerichtshof bereits festgestellt, daß eine Dienstleistung nur dann im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie "gegen Entgelt" erbracht wird und somit steuerpflichtig ist, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (Urteil vom 3. März 1994 in der Rechtssache C-16/93, Tolsma, Slg. 1994, I-743, Randnr. 14).
27 Nur wenn die Tätigkeit eines Dienstleistenden darin besteht, ausschließlich Leistungen ohne unmittelbare Gegenleistung zu erbringen, gibt es keine Besteuerungsgrundlage, und nur dann unterliegen diese Leistungen nicht der Mehrwertsteuer (vgl. Urteil Tolsma, a. a. O., Randnr. 12).
28 Im vorliegenden Fall steht ausser Frage, daß zwischen der Bank und ihrem Vertragspartner ein synallagmatisches Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen die beiden an dem Geschäft beteiligten Parteien sich gegenseitig verpflichten, Beträge in einer bestimmten Währung zu übergeben und den Gegenwert in einer anderen Währung entgegenzunehmen.
29 Neben dem eigentlichen Devisengeschäft ist die Leistung der Bank durch deren Bereitschaft gekennzeichnet, solche Geschäfte in den Währungen abzuschließen, auf die sie sich spezialisiert hat.
30 Daß die Bank für ein konkretes Devisengeschäft weder Gebühren noch Provisionen erhebt, erlaubt allein noch nicht den Schluß, daß keine Gegenleistung erbracht wird.
31 Eventülle praktische Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Betrages der Gegenleistung erlauben es darüber hinaus nicht, allein aus diesem Grund von dem Fehlen einer Gegenleistung auszugehen.
32 Wie sich im übrigen aus den Akten ergibt, sind die Kurse, zu denen die Bank zum An- oder Verkauf von Devisen bereit ist, unterschiedlich. Zwischen beiden liegt eine bestimmte Spanne. Dies erlaubt den Schluß, daß die Bank sich ihre Dienstleistung durch eine Gegenleistung vergüten lässt, die sie in diese Kurse mit einrechnet.
33 Eine andere Lösung, nach der Devisengeschäfte nur steuerbar wären, wenn sie gegen Zahlung einer Provision oder spezieller Gebühren durchgeführt werden, und die einem Wirtschaftsteilnehmer damit die Möglichkeit böte, sich der Besteuerung zu entziehen, wenn er sich seine Dienstleistungen nicht durch die Einbehaltungen von Provisionen oder Gebühren, sondern durch die Festlegung einer Spanne zwischen den von ihm vorgeschlagenen An- und Verkaufskursen vergüten lässt, wäre mit dem von der Sechsten Richtlinie errichteten System unvereinbar und könnte zu einer ungleichen steuerlichen Grundlage für die Wirtschaftsteilnehmer führen.
34 Daraus folgt, daß Devisengeschäfte, auch wenn sie ohne Einbehaltung von Provisionen oder unmittelbaren Gebühren durchgeführt werden, Dienstleistungen sind, die gegen eine Gegenleistung erbracht werden, d. h. entgeltliche Dienstleistungen im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie.
35 Somit ist auf die erste Frage zu antworten, daß Geschäfte, bei denen die eine Partei einen vereinbarten Betrag in einer Währung kauft und als Gegenleistung an die andere Partei einen vereinbarten Betrag in einer anderen Währung verkauft, wobei diese beiden Geldbeträge am gleichen Wertstellungstag zu zahlen sind, und bei denen sich beide Parteien (entweder mündlich, elektronisch oder schriftlich) über die betreffenden Währungen, die zu kaufenden und zu verkaufenden Beträge sowie darüber, welche Partei welche Währung kauft, und über den Tag der Wertstellung geeinigt haben, Dienstleistungen gegen Entgelt im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie sind.
Zur zweiten Frage
36 Mit seiner zweiten Frage möchte der High Court of Justice wissen, was die Gegenleistung ist. Diese Frage ist somit als Frage nach der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage zu verstehen.
37 Nach Ansicht der Bank ist Gegenleistung all das, was ihr im Rahmen der Devisengeschäfte zufließe, d. h. der Umsatz, den der Gesamtwert der im Rahmen der Devisengeschäfte gelieferten Devisen darstelle.
38 Dagegen sehen die französische Regierung und die Kommission die Gegenleistung in dem erzielten Kursgewinn und anderen Vergütungen, die der Dienstleistende erhalten habe.
39 Die Kommission verweist dazu auf einen von ihr ausgearbeiteten Richtlinienvorschlag, der eine Bestimmung speziell für Devisengeschäfte enthielt (Vorschlag für eine Neunzehnte Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG - gemeinsames Mehrwertsteuersystem, KOM[84] 648 endg., ABl. 1984, C 347, S. 5). Nach dem Änderungsvorschlag sollte Artikel 19 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich um folgende Sätze ergänzt werden:
"Bei den nach Artikel 13 Teil B Buchstabe d) Ziffern 4 und 5 von der Steuer befreiten Umsätzen von Devisen und Wertpapieren wird der im Nenner zu berücksichtigende Betrag um den Anschaffungswert vermindert; dieser Betrag hat gegebenenfalls die Provision und die dem Käufer belasteten Kosten zu umfassen. Kann der Steuerpflichtige den Anschaffungswert nicht bestimmen, dann kann er stattdessen den Anschaffungswert von Devisen oder Wertpapieren verwenden, die im gleichen Zeitraum erworben wurden, wenn es sich um Devisen bzw. Wertpapiere der gleichen Art wie der verkauften handelt."
40 Die Kommission hat erklärt, diesen Vorschlag aus Gründen zurückgezogen zu haben, die mit dieser Bestimmung nichts zu tun hätten.
41 Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs wäre, wenn der Gerichtshof das streitige Devisengeschäft als eine entgeltliche Dienstleistung ansehen sollte, jede Veranlagung auf der Grundlage des Spread zwischen dem Ankaufs- und dem Angebotskurs aus zwei Gründen fehlerhaft. Erstens stelle die Bank dem Kunden diesen Spread nicht in Rechnung. Zweitens würde eine solche Veranlagung bedeuten, die Mehrwertsteuer auf den Gewinn und nicht auf den Umsatz zu erheben. Im übrigen lasse sich im Rahmen der Devisengeschäfte eine Gegenleistung nicht bestimmen, da der Gewinn oder die Einnahmen der Bank aus ihrer Beteiligung an einer Reihe von Geschäften herrührten, denen unterschiedliche Wechselkurse zugrunde lägen, und nicht der Ertrag eines einzelnen Geschäfts seien. Schließlich sei bei dem Währungsumtausch nicht die eine Währung das Entgelt für die andere.
42 Nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ist die Besteuerungsgrundlage bei Dienstleistungen das, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Dienstleistende für diese Umsätze vom Dienstleistungsempfänger erhält oder erhalten soll.
43 Die einem Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen eines Devisengeschäfts von seinem Vertragspartner übergebenen Devisen sind zwar Gegenstand eines Umsatzes, können aber nicht als Vergütung für die Dienstleistung des Umtausches der Devisen in andere angesehen werden und können damit keine Gegenleistung sein.
44 Zur Ermittlung der Gegenleistung ist somit zu ermitteln, welchen Betrag die Bank für die Devisengeschäfte erhalten hat, d. h. die Vergütung für die Devisengeschäfte, über die sie effektiv selbst verfügen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom in der Rechtssache C-38/93, Glawe, Slg. 1994, I-1679, Randnr. 9).
45 Der Spread als der Unterschied zwischen Ankaufs- und Angebotskurs ist nur der hypothetische Preis, den die Bank erhalten würde, wenn sie zur gleichen Zeit und zu gleichen Bedingungen über die gleichen Beträge und die gleichen Devisen zwei Geschäfte tätigen würde, die dem Ankauf und dem Verkauf entsprächen.
46 Dies sind jedoch nur theoretische Erwägungen, da die Bank eine Vielzahl von Geschäften über unterschiedliche Beträge in unterschiedlichen Devisen durchführt, deren Kurse im Laufe der Zeit ständig variieren. Ein Wirtschaftsteilnehmer kann normalerweise beim Abschluß eines einzelnen Geschäfts nicht vorhersehen, zu welchem Zeitpunkt und zu welchem Kurs er später ein oder mehrere Geschäfte abschließen kann, die es ihm erlauben, das Wechselkursrisiko, dem er nach dem ersten Geschäft ausgesetzt ist, auszuschalten oder auf einen bestimmten Betrag zu begrenzen.
47 Somit bildet der Bruttoertrag der von der Bank während eines bestimmten Zeitraums getätigten Geschäfte die Gegenleistung, d. h. den Betrag, über den die Bank effektiv selbst verfügen kann.
48 Im Rahmen von entgeltlichen Geschäften, bei denen die tatsächliche Gegenleistung aber durch Faktoren bestimmt wird, die wie der Ablauf von Zeit in der Zukunft liegen, hat der Gerichtshof bereits entschieden, daß die Besteuerungsgrundlage u. a. nach Maßgabe der Zinsen zu bestimmen ist, die während der Zeit eines Zahlungsaufschubs angefallen sind, die aber bei Abschluß des der Steuer unterliegenden Geschäfts noch nicht bekannt waren (Urteil vom in der Rechtssache C-281/91, Muy's en De Winter's Bouw- en Aannemingsbedrijf, Slg. 1993, I-5405, Randnr. 18).
49 Zudem ist für die Möglichkeit, eine Transaktion zu besteuern, auch nicht erforderlich, daß der Steuerpflichtige, der die Gegenstände liefert oder die Dienstleistung erbringt, oder die andere an der Transaktion beteiligte Partei den genauen Betrag der Gegenleistung kennt, der als Besteuerungsgrundlage dient (Urteil vom in der Rechtssache C-288/94, Argos Distributors, Slg. 1996, I-5311, Randnrn. 21 und 22). Daher ist es ohne Bedeutung, daß die Parteien bei Abschluß des Geschäfts die Grundlage, auf der die Mehrwertsteuer festgesetzt wird, nicht kennen und dem Empfänger der erbrachten Dienstleistung diese Grundlage auch später unbekannt bleibt.
50 Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, daß Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, daß bei Devisengeschäften, bei denen für bestimmte spezifische Geschäfte weder Gebühren noch Provisionen berechnet werden, der Bruttoertrag der vom Dienstleistenden während eines bestimmten Zeitraums getätigten Geschäfte die Besteuerungsgrundlage darstellt.
Kostenentscheidung:
Kosten
51 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs und der französischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
OAAAB-72614
1Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg