Instanzenzug:
Gründe
I. Der Antragsteller wurde im November 1992 zusammen mit einem weiteren LKW-Fahrer, F, auf einer Kiesabladestelle in der Nähe der polnischen Grenze von Zoll- und Polizeibeamten aufgegriffen. Auf dem Gelände wurden 13 Kartons mit unverzollten und unversteuerten Zigaretten aufgefunden, von denen zwei bereits auf den LKW des Antragstellers verladen worden waren und einer sich neben dem LKW befand. Der Antragsteller wurde später mit rechtskräftigem Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Hauptzollamt X, dessen Zuständigkeit auf den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt —HZA—) übergegangen ist, setzte für die in drei Kartons enthaltenen 30 000 Stück Zigaretten Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer) gegen den Antragsteller fest; der Einspruch blieb erfolglos.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Einfuhrabgaben entstanden seien, weil es sich bei den Zigaretten um eingangsabgabenpflichtige Waren gehandelt habe, die vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden seien. Der Antragsteller sei Schuldner dieser Abgaben, weil er drei Zigarettenkartons im Besitz gehabt habe und er hätte wissen müssen, dass es sich um vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbrachte Waren gehandelt habe. Hinsichtlich der beiden auf den LKW verladenen Zigarettenkartons sei die Inbesitznahme durch den Antragsteller unstreitig. Auch hinsichtlich des dritten Kartons sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Antragsteller den Besitz hieran begründet habe, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen sei, dass der Antragsteller diesen Karton zu seinem LKW getragen habe, um ihn aufzuladen, wozu es nur wegen des Erscheinens der Beamten nicht mehr gekommen sei. Nach eigenem Vorbringen habe der Antragsteller seinerzeit vermutet, dass die Kartons Zigaretten enthielten; er hätte daher insbesondere wegen der örtlichen Gegebenheiten wissen müssen, dass die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden waren. Die zehnjährige Verjährungsfrist für hinterzogene Steuern sei im Zeitpunkt der Abgabenfestsetzung noch nicht abgelaufen gewesen.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers, welche er auf sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt. Zur Durchführung dieses Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung, die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung —ZPO—).
Die mit der Beschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht schlüssig dargelegt, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
Soweit sich die Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) stützt, wird keine konkrete Rechtsfrage bezeichnet, geschweige denn ihre Klärungsbedürftigkeit in einem Revisionsverfahren schlüssig dargelegt. Zum Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) finden sich in der Beschwerde keine Ausführungen.
Soweit der Antragsteller geltend macht, dass das FG-Urteil von „maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts” (BVerfG) abweiche, bezeichnet er keinen Rechtssatz, auf dem das FG-Urteil beruht und der im Widerspruch zu einem vom BVerfG aufgestellten Rechtssatz steht. Es werden mit der Nichtzulassungsbeschwerde insoweit lediglich Entscheidungen des BVerfG zum Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht benannt, die der Antragsteller zur Begründung seiner Ansicht heranzieht, dass das FG im Streitfall den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Mit dieser Rüge macht der Antragsteller daher als Zulassungsgrund keine Abweichung des FG-Urteils von Entscheidungen des BVerfG, sondern einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend, den er aber ebenfalls nicht schlüssig darlegt.
So rügt der Antragsteller mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, dass das FG es unterlassen habe, F zur mündlichen Verhandlung als Zeugen zu laden oder diesen als Zeugen im Wege der Amtshilfe in Polen vernehmen zu lassen. Zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels eines vom FG übergangenen Beweisantrags gehört jedoch nach ständiger Rechtsprechung (u.a.) auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und , BFH/NV 1998, 608). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter —ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge— verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge (Senatsbeschluss vom VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597). An entsprechenden Darlegungen fehlt es im Streitfall; auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG ergibt sich kein Hinweis, dass der Antragsteller Beweisanträge gestellt oder das Übergehen zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisanträge gerügt hat. Vielmehr hat der Antragsteller bzw. sein Vertreter nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage und der Vernehmung der geladenen Zeugen rügelos zur Sache verhandelt und den Klageantrag gestellt. Auf die Rüge ist damit wirksam verzichtet worden, so dass die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben kann.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das FG wird auch nicht schlüssig dargelegt, soweit der Antragsteller mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt, dass das FG sein Vorbringen, mit dem Zigarettenschmuggel nichts zu tun gehabt und von den Zigaretten in den Kartons nichts gewusst zu haben, sowie die schriftliche Erklärung des F ignoriert habe. Das FG ist nicht verpflichtet, sich in der Urteilsbegründung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen hat (, BFH/NV 2001, 1292). Daher liegt in derartigen Fällen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das FG Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (, BFH/NV 2003, 335, m.w.N.). Solche Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung des Antragstellers indes nicht. Vielmehr sind die Behauptungen, wonach das FG Vorbringen des Antragstellers übergangen habe, offensichtlich unzutreffend. Das FG hat seine Entscheidung nicht auf die Annahme gestützt, dass der Antragsteller am Zigarettenschmuggel beteiligt gewesen sei, sondern darauf, dass er die vorschriftswidrig verbrachten Zigaretten in seinem Besitz gehabt habe. Seine Behauptung, dass er von den in den Kartons befindlichen Zigaretten nichts gewusst habe, hat das FG nicht ignoriert, sondern als nicht glaubhaft angesehen. Die Behauptung des Antragstellers, den Kartonaufdruck „Ernte 23” nicht gesehen oder nicht verstanden zu haben, hat das FG dabei als wahr unterstellt. Ebenso wenig hat das FG die schriftliche Erklärung des F ignoriert, sondern hat sich vielmehr (u.a.) auf diese Erklärung gestützt bzw. die Angaben als nicht entscheidungserheblich angesehen.
Soweit der Antragsteller mit der Nichtzulassungsbeschwerde die „Nichtbeachtung von tatsächlichen Gegebenheiten”, offensichtlich fehlerhafte bzw. unterlassene Beweiswürdigungen und fehlerhafte Rechtsanwendung rügt, bezeichnet er keine Verfahrensmängel, sondern wendet sich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (vgl. , BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers wird daher als unzulässig zu verwerfen sein. Die Entscheidung hierüber stellt der Senat bis vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses zurück, um dem Antragsteller die Möglichkeit einzuräumen, zur Verringerung der Gerichtskosten die Beschwerde zurückzunehmen.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 332 Nr. 2
XAAAB-71691