Instanzenzug:
Gründe
I. In der Sache ist streitig, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) bei der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs von den Feststellungen des zuletzt ergangenen Einkommensteuerbescheides im Hinblick auf nicht ausgewertete sog. ESt 4 B-Mitteilungen über Beteiligungseinkünfte abweichen durfte.
Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde am , einem Samstag, den Bevollmächtigten des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) zugestellt. Der Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist ging am , einem Montag, beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Der Kläger macht geltend, dass die Kanzlei samstags nicht besetzt sei und die Zustellung ausweislich des Eingangsstempels erst am erfolgt sei.
Die Post sei nicht hinterlegt worden, sondern in der Kanzlei übergeben worden. Dort sei auch der Eingangsvermerk angebracht und die Frist zur Überwachung eingetragen worden. Rein vorsorglich werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Wenn der Postbeamte das Datum vom vermerkt habe, dann möge er die Post bei sich gehabt haben und wie üblich, noch im Auto sitzend, die Zustellvermerke angebracht haben. Dies erfolge regelmäßig so; anschließend trage er die Post dann persönlich in das Büro und gebe sie dort ab. Die Fristenkontrolle werde seit 15 Jahren ohne jede Beanstandung geführt.
Die angefochtene Entscheidung stehe im Widerspruch zu den BFH-Urteilen vom XI R 62/97 (BFHE 187, 523, BStBl II 2000, 3) und vom XI R 4/96 (BFH/NV 1997, 180).
Die Feststellung, dass das FA den Einkommensteuerbescheid nicht geändert habe, weil sich nach Änderung des Bescheides keine andere Steuer ergeben habe, habe ihn überrascht. Denkbar und wahrscheinlich sei vielmehr, dass das FA die Prüfung einer Anpassung versäumt habe.
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Die Beschwerde ist nicht gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils (= ) begründet worden. Der Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist ist nicht vor Ablauf der Begründungsfrist, sondern erst am gestellt worden. Soweit der Kläger geltend macht, dass das Urteil erst am zugestellt sei, kann ihm nicht gefolgt werden.
Das Urteil des FG wurde am , einem Samstag, den Bevollmächtigten des Klägers zugestellt. Nach der Postzustellungsurkunde wurde das Schriftstück in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt. Der Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist ging am , einem Montag, beim BFH ein.
Nach dem (BFH/NV 1994, 183) begründen Postzustellungsurkunden den vollen Beweis der in ihnen bezeugten Tatsachen. Die schlichte Einwendung, das Urteil erst am nachfolgenden Montag erhalten zu haben, ist als Gegenbeweis gegen die beurkundeten Zustellungsdaten nicht ausreichend, zumal es durchaus möglich erscheint, dass das Personal das Urteil am Montag nach Wiederaufnahme des Praxisbetriebs mit dem Eingangsstempel vom Montag versah.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO kann nicht gewährt werden. Der Kläger hat nicht dargelegt, ohne Verschulden verhindert gewesen zu sein, die Frist für den Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist einzuhalten. Aus seinem Vortrag geht nicht hervor, dass sichergestellt war, dass am Samstag zugestellte Post einen entsprechenden Datumsvermerk erhält.
2. Die Beschwerde könnte auch im Übrigen keinen Erfolg haben. Es ist bereits fraglich, ob der Kläger die Voraussetzungen einer Divergenz ausreichend dargelegt hat. Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ist erforderlich, jeweils abstrakte Rechtssätze des Urteils des FG und der Divergenzentscheidung(en) so genau zu bezeichnen und einander gegenüberzustellen, dass eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschlüsse vom VII B 224/03, BFH/NV 2004, 1060; vom X B 103/02, BFH/NV 2004, 180; vom XI B 219/03, BFH/NV 2005, 1344). Das ist nicht geschehen.
Aber auch objektiv besteht keine Divergenz zu dem Urteil in BFHE 187, 523, BStBl II 2000, 3; nach dieser Entscheidung ist gemäß § 10d Abs. 3 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1990 (jetzt § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom , BGBl I 1999, 402) die Änderung des Feststellungsbescheides auch dann zulässig, wenn eine Aufhebung oder Änderung des vorausgehenden Steuerbescheides mangels steuerlicher Auswirkung unterbleibt. § 10d Abs. 3 Satz 5 EStG 1990 setzt voraus, dass eine Änderung des zugrunde liegenden Steuerbescheides allein deshalb unterbleibt, weil der Bescheid auf 0 DM lautet, dem Grunde nach aber eine Änderungsmöglichkeit nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977) gegeben wäre. Von diesen rechtlichen Vorgaben ist auch das FG ausgegangen. Ob im konkreten Fall die Voraussetzungen erfüllt waren, ist eine Frage der Anwendung der Norm auf den Einzelfall. Dasselbe gilt für die vermeintliche Divergenz zu der Entscheidung in BFH/NV 1997, 180. Nach dieser Entscheidung können gemäß § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG 1990 vor dem entstandene Verlustabzüge bei Änderungen, die sich aufgrund anderer tatsächlicher oder rechtlicher Beurteilung ergeben, noch korrigiert werden, sofern der entsprechende Steuerbescheid noch geändert werden kann. Auch dieser Rechtssatz steht mit der Rechtsauffassung des FG im Einklang.
3. Die Feststellung, dass das FA die Einkommensteuerbescheide wegen steuerlicher Nichtauswirkung nicht geändert habe, war nicht überraschend, sondern lag auf der Hand und bietet eine plausible Erklärung für die Nichtauswertung der ESt 4 B-Mitteilungen über Beteiligungseinkünfte. Ein Verfahrensfehler des FG gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist nicht gegeben. Im Übrigen ist dieser Umstand nicht erheblich. Es ist allein entscheidend, ob das FA eine Änderungsmöglichkeit gehabt hätte; aus welchem Grund es davon keinen Gebrauch gemacht hat, ist letztlich unerheblich.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 301 Nr. 2
PAAAB-71095