Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die für das Streitjahr 1978 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
Der Kläger erzielte u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen. Er hielt im Privatvermögen eine Beteiligung an einer Schweizer S.A., der GR. Die GR erwirtschaftete im Streitjahr als Holdinggesellschaft ausschließlich niedrig besteuerte passive Einkünfte i.S. des § 8 des Außensteuergesetzes (AStG).
Für das Feststellungsjahr 1973 erließ das für die Besteuerung der GR zuständige Finanzamt (FA Z) am einen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 18 AStG, der dem Kläger einen Hinzurechnungsbetrag von 8 001 DM und Steuern nach § 12 Abs. 1 AStG von 8 376 DM zuwies. Ausschüttungen nach § 11 Abs. 1 AStG a.F. wurden nicht festgestellt.
Am erging für die GR als Zwischengesellschaft ein geänderter gesonderter und einheitlicher Feststellungsbescheid 1978 nach § 18 AStG, der für den Kläger einen Hinzurechnungsbetrag von 115 276 DM, Ausschüttungen nach § 11 Abs. 1 AStG a.F. von 270 134 DM und einen Ausschüttungsüberschuss von 154 858 DM auswies.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte danach im geänderten Einkommensteuerbescheid 1978 vom (dort Zeile 144) von der festzusetzenden Einkommensteuer einen Erstattungsbetrag in Höhe von 16 333 DM gemäß § 11 Abs. 2 AStG a.F. im Wege der Verrechnung ab.
Nach Ergehen des Senatsurteils vom I R 32/95 (BFHE 183, 496, BStBl II 1998, 176) gegen die angefochtenen Feststellungsbescheide nach § 18 AStG für die Jahre 1976 bis 1978 erließ das FA Z am folgende geänderte Feststellungsbescheide 1976 und 1977, wobei der Feststellungsbescheid 1977 erstmals einen Ausschüttungsüberschuss auswies:
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Hinzurechnungs-zeitpunkt | maßgebende Beteiligung | Hinzurechnungs-betrag gemäß § 10 AStG | Ausschüttungen i.S. des § 11 Abs. 1 AStG a.F. | Grundbetrag | Steuern nach § 12 AStG |
7,501 v.H. | 4 978 DM | 0 DM | 4 978 DM | 14 196 DM | |
7,501 v.H. | 57 105 DM | 95 461 DM | ./. 38 356 DM | 36 220 DM |
Bei der Besteuerung des Hinzurechnungsbetrags 1976 unterstellte das FA eine Option nach § 12 Abs. 1 AStG. Die im Bescheid 1978 vom festgestellten Besteuerungs- und Berechnungsgrundlagen blieben unverändert.
Mit Bescheid vom setzte das FA den Einkommensteuererstattungsbetrag 1977 nach § 11 Abs. 2 AStG a.F. auf 833 DM fest. Dabei wurde der Grundbetrag von ./. 38 356 DM zum Teil auf die anzusetzenden Hinzurechnungsbeträge (einschließlich Steuern nach § 12 AStG) 1973 von 16 377 DM und 1976 von 19 174 DM verrechnet.
Von dem negativen Grundbetrag 1978 in Höhe von 154 858 DM waren ursprünglich im Rahmen einer Schattenveranlagung 93 325 DM auf das Jahr 1977 zurückgetragen worden. Da sich im geänderten Feststellungsbescheid 1977 vom aber anstelle des bisherigen positiven Grundbetrags in Höhe von 93 325 DM ein negativer Grundbetrag ergab, entfiel im Streitjahr ein fiktiver Rücktrag des Ausschüttungsüberschusses auf das Vorjahr. Deshalb erließ das FA am einen „Bescheid über eine Steuererstattung nach § 11 Abs. 2 AStG”, in dem es die „zu erstattende Einkommensteuer für 1978” auf 0 DM festsetzte, was im Ergebnis eine Rückforderung des seinerzeit —im Einkommensteuerbescheid 1978 vom — abgesetzten Erstattungsbetrages von 16 333 DM zur Folge hatte. Dementsprechend erging ebenfalls am und unter Hinweis auf den Erstattungsbescheid ein gemäß § 174 Abs. 2 und 4 der Abgabenordnung (AO 1977) hinsichtlich des Erstattungsbetrages gemäß § 11 Abs. 2 AStG a.F. geänderter Einkommensteuerbescheid sowie eine geänderte Abrechnung des Einkommensteuerbescheides 1978. Der „Bescheid über eine Steuererstattung nach § 11 Abs. 2 AStG” enthielt (unter „B”) einen mit „Abrechnung” überschriebenen Teil, wonach „aus edv-technischen Gründen (...) dieser Betrag nur aus der Abrechnung des Einkommensteuerbescheids 1978 (siehe Zeile 269) vom gleichen Tage ersichtlich (ist)”.
Die sowohl gegen den Erstattungsbescheid als auch gegen die diesem beigefügte „Abrechnung” gerichtete Klage war ebenso wie das vorangegangene Vorverfahren erfolglos. Das abweisende ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 949 abgedruckten Urteil über einen Parallelfall.
Ihre Revision stützen die Kläger auf Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen, unter teilweiser Aufhebung des FG-Urteils den Bescheid über die Steuererstattung 1978 gemäß § 11 Abs. 2 AStG a.F. vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist im Hinblick auf den angefochtenen Erstattungsbescheid begründet. Sie führt insoweit antragsgemäß zur Aufhebung des FG-Urteils sowie des Erstattungsbescheides. Das FA war zu seinem Erlass weder aus materiell- noch aus verfahrensrechtlichen Gründen befugt.
1. Der Senat teilt die von der Vorinstanz angestellten Überlegungen zur Zulässigkeit der Klage gegen den angefochtenen Erstattungsbescheid, soweit sich dieser auch auf die Klägerin erstreckt. Diese war zwar nicht an der GR beteiligt und ist deswegen keiner Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG ausgesetzt. Der Erstattungsbescheid ist aber ausdrücklich auch an sie gerichtet worden. Infolge der vom FA vorgenommenen vorherigen Verrechnung der auf Hinzurechnungsbeträge entfallenden Einkommensteuer im Rahmen der gegen beide Kläger gerichteten Einkommensteuerzusammenveranlagung für das Streitjahr ist die Klägerin auch Inhaltsadressatin des angefochtenen Erstattungsbescheides. Denn dieser kann die Rückforderung der verrechneten Einkommensteuer auslösen und damit Rechte der Klägerin verletzen.
2. Die Beteiligung des Klägers an der GR erfüllte die Voraussetzungen für die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG a.F. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Streitig ist allein die Auslegung von § 11 Abs. 2 und § 18 Abs. 1 AStG a.F. und die daraus abzuleitenden Rechtsfolgen.
3. Nach § 11 Abs. 1 AStG a.F. ist der Hinzurechnungsbetrag um Gewinnanteile zu kürzen, die der unbeschränkt Steuerpflichtige in dem Kalender- oder Wirtschaftsjahr, in dem der Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 2 AStG a.F. anzusetzen ist, von der ausländischen Gesellschaft bezieht. Soweit die Gewinnanteile den Hinzurechnungsbetrag übersteigen, ist nach § 11 Abs. 2 AStG a.F. ein Betrag in Höhe der Einkommen- oder Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer zu erstatten, die für die vorangegangenen vier Kalender- oder Wirtschaftsjahre auf Hinzurechnungsbeträge bis zur Höhe des übersteigenden Betrages entrichtet und noch nicht erstattet worden sind. Die Besteuerungsgrundlagen für die Anwendung der §§ 7 bis 14 AStG werden gesondert festgestellt (§ 18 Abs. 1 Satz 1 AStG).
a) Für das Streitjahr 1978 lag hiernach kein Erstattungssachverhalt vor: Für dieses Jahr wurden zwar ursprünglich durch —bis heute unveränderten— Bescheid vom gemäß § 18 Abs. 1 AStG Ausschüttungen nach § 11 Abs. 1 AStG a.F. in Höhe von 270 134 DM festgestellt. Diese Ausschüttungen waren ursprünglich auch mit Hinzurechnungsbeträgen zu verrechnen, wodurch sich ein Ausschüttungsüberschuss von 154 858 DM errechnete. Daraus ergab sich nach den tatsächlichen Feststellungen des FG jedoch keine Erstattung für das Streitjahr, sondern —infolge eines entsprechenden Rücktrags im Rahmen einer sog. Schattenveranlagung— für das Vorjahr 1977. Die für jenes Jahr zu erstattende Einkommensteuer hatte das FA seinerzeit indes —dem zuwiderlaufend, aber (wohl aus Gründen der Vereinfachung) der damaligen Verwaltungspraxis entsprechend (vgl. BStBl I 1974, 442, dort Tz. 18.15.1)— mit der auf die Ausschüttungen entfallenden und für das Streitjahr festgesetzten Einkommensteuer unmittelbar verrechnet. Wie der Senat durch Urteil vom I R 81/94 (BFHE 177, 437, BStBl II 1995, 629) entschieden hat, entsprach ein derartiges „abgekürztes” Verfahren nicht der Regelungslage. Es hätte ein eigenständiger Erstattungsbescheid bezogen auf die in 1977 gezahlte Einkommensteuer ergehen müssen (so denn auch im Grundsatz die mittlerweile geänderte Verwaltungspraxis, vgl. BStBl I 1995, Sondernummer 1, Tz. 18.1.5.1). Im Einzelnen wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das vorgenannte Urteil (dort unter II.1.a der Entscheidungsgründe) Bezug genommen (s. auch Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 11 AStG Rz. 107, 110 ff., sowie Internationales Steuerrecht —IStR— 1995, 277).
b) Bestand hiernach seinerzeit keine Veranlassung, für das Streitjahr einen (positiven) Erstattungsbescheid zu erlassen, kann der Umstand, dass das FA sich des geschilderten „abgekürzten” Erstattungsverfahrens bedient hat, nicht dazu führen, nunmehr den Erlass einer „Nullerstattung” —im Ergebnis also eines negativen Erstattungsbescheides gemäß § 11 Abs. 2 AStG a.F.— für dieses Jahr zu rechtfertigen. Für ein derartiges Vorgehen fehlt die Rechtsgrundlage: In materiell-rechtlicher Hinsicht schied ursprünglich und scheidet auch zwischenzeitlich —nach Ergehen des Senatsurteils in BFHE 183, 496, BStBl II 1998, 176— eine Erstattung für dieses Jahr aus. Eine solche wurde vom Kläger —nach dessen vom FA unwidersprochenem Vorbringen und soweit aus den vorliegenden Steuerakten ersichtlich— auch nicht beantragt. Folglich bestand keine Veranlassung, (erstmals) einen Erstattungsbescheid zu erlassen. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 ändert daran nichts. Entgegen der Annahme der Vorinstanz kommt Feststellungsbescheiden gemäß § 18 AStG insoweit keine Bindungswirkung (vgl. § 182 AO 1977) zu und wird das FA nicht zur Änderung nachfolgender Einkommensteuerbescheide oder zum erstmaligen Erlass eines Erstattungsbescheides gemäß § 11 Abs. 2 AStG a.F. verpflichtet. Zwar hängt die Berechnung des Ausschüttungsüberschusses gemäß § 11 Abs. 2 AStG a.F. davon ab, in welcher Höhe für die vorangegangenen vier Kalender- oder Wirtschaftsjahre die für die Errechnung der Hinzurechnungsbeträge maßgebenden Besteuerungsgrundlagen gemäß § 18 Abs. 1 AStG festgestellt worden sind. Diese Feststellungswirkungen strahlen jedoch regelmäßig nicht —in der Diktion der Kläger: periodenübergreifend— auf Folgejahre aus, für die in materiell-rechtlicher Hinsicht zwar ein Ausschüttungsüberschuss entsteht, jedoch kein Erstattungsbetrag festzusetzen ist. So verhielt es sich vorliegend für das Streitjahr. Folglich konnte sich das FA hier nicht auf die geänderte Feststellung gemäß § 18 Abs. 1 AStG für das Vorjahr 1977 berufen.
c) Ob es dem FA möglich gewesen wäre, statt dessen einen entsprechenden Erstattungsbescheid für 1977 zu erlassen, kann hier dahinstehen. Ein derartiger Bescheid ist nicht ergangen. Der streitgegenständliche Bescheid kann in Anbetracht des unmissverständlichen Bescheidinhalts nicht im Wege der Auslegung als ein solcher für das Vorjahr verstanden werden.
d) Gleichermaßen kann dahinstehen, ob das FA wegen von vornherein fehlenden oder später entfallenden Rechtsgrundes für die im Streitjahr ursprünglich vorgenommene Steuerverrechnung einen allgemeinen Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 geltend machen kann. Ein solcher Anspruch wurde bislang nicht geltend gemacht. Die Umdeutung des erklärtermaßen auf § 11 Abs. 2 AStG a.F. gestützten Erstattungsbescheides (in Verbindung mit der diesem beigefügten Abrechnungsverfügung) in einen solchen gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 ist ausgeschlossen; jener allgemeine Erstattungsanspruch und der sondergesetzlich geregelte Erstattungsanspruch nach § 11 Abs. 2 AStG a.F. stehen unverbunden nebeneinander (vgl. § 37 Abs. 1 AO 1977).
4. Da die Vorinstanz insoweit eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, waren das angefochtene Urteil und der angefochtene Erstattungsbescheid antragsgemäß aufzuheben.
5. Soweit die Kläger sich mit ihrer Klage auch gegen die dem angefochtenen Erstattungsbescheid angefügte „Abrechnung” gewandt haben, haben sie ihren ursprünglichen Revisionsantrag befugtermaßen eingeschränkt.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 27 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2006 S. 44
BAAAB-70187