Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine AG nach schweizerischem Recht, deren Sitz und Geschäftsleitung sich in der Schweiz befindet. Eine Betriebsstätte in Deutschland i.S. des Art. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom (DBA-Schweiz) i.d.F. des Änderungsprotokolls vom lag im Streitjahr 1993 nicht vor.
Nach einer Betriebsprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) davon aus, dass die Klägerin durch den Verkauf eines Grundstücks Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 22 Nr. 2 EStG und § 23 Abs. 1 Nr. 1 a EStG erzielt habe und damit nach § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) körperschaftsteuerpflichtig sei, und erließ einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1993. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ließ der Senat durch Beschluss vom die Revision zu. Die Entscheidung ging den Prozessbevollmächtigten am zu. Mit einem am zugestellten Schreiben wies der Senatsvorsitzende darauf hin, dass die Frist zur Begründung der Revision am abgelaufen sei und eine Begründung bisher nicht vorliege.
Mit am eingegangenen Schriftsatz beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete die Revision.
Sie beantragt, ihr wegen Versäumung der Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Vorentscheidung und den Körperschaftsteuerbescheid 1993 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Die Revision ist, wenn sie —wie hier— auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zugelassen wurde, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen (§ 120 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 116 Abs. 7 FGO). Im Streitfall ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Beschluss über die Zulassung der Revision am zugestellt worden. Die Frist für die Begründung der Revision endete damit am (Montag). Die Revisionsbegründung ist jedoch beim Bundesfinanzhof (BFH) erst am und damit verspätet eingegangen (§ 124 Abs. 1 FGO).
2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO liegen nicht vor.
a) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Die dafür erheblichen Tatsachen sind bei der Versäumung der Frist zur Begründung der Revision innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses schlüssig darzulegen (§ 56 Abs. 2 FGO i.d.F. des Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz) vom (BGBl I 2004, 2198). Ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten ist der Klägerin nach § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO zuzurechnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Prozessbevollmächtigter verpflichtet ist, seinen Bürobetrieb so zu organisieren, dass Fristversäumnisse ausgeschlossen sind (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschlüsse vom VIII R 56/03, juris, und vom X R 112/92, BFH/NV 1994, 328, jeweils m.w.N.). Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten liegt vor, wenn die Fristversäumung ursächlich auf eine mangelhafte Büroorganisation zurückzuführen ist. Dies ist im Streitfall aufgrund des lückenhaften Sachvortrages der Prozessbevollmächtigten nicht auszuschließen.
b) Die Klägerin hat vorgetragen, der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte habe am die Revisionsbegründung fertig gestellt und unterschrieben und sie seiner zuverlässigen Sekretärin mit der Anweisung übergeben, statt der Überschrift „Berufungsbegründung” das Wort „Revisionsbegründung” einzufügen und den Schriftsatz dann zu versenden. Die Sekretärin habe den Schriftsatz verbessert, ihn dann aber nicht mehr versandt, weil die Angestellten, die im Büro der Prozessbevollmächtigten für die Postversendung zuständig seien, bereits ins Wochenende gegangen seien. Die Sekretärin sei an jenem Wochenende lebensgefährlich für einen längeren Zeitraum erkrankt. Die Klägerin hat zur Stützung ihres Vorbringens ein „Fristenkontrollblatt” sowie einen Auszug aus der „Wiedervorlagenliste” vorgelegt, in denen die Fristen zur Vorlage an den sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten eingetragen, jedoch nicht gestrichen waren. Auf dem Fristenkontrollblatt ist die Erledigung der Sache durch den Prozessbevollmächtigten verfügt. Ferner hat sie eine eidesstattliche Versicherung der Sekretärin vorgelegt, in der sie ihre Erkrankung und den Vortrag des Prozessbevollmächtigten betätigt.
c) Dem Vorbringen der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass im Büro ihres Prozessbevollmächtigten eine ausreichende Ausgangskontrolle sichergestellt ist. Es ist nicht dargelegt, wie die rechtzeitige Absendung fristwahrender Schriftsätze kontrolliert und durch wen und zu welchem Zeitpunkt der Termin im Fristkalender zu streichen ist. Zur Organisationspflicht eines Rechtsanwaltsbüros gehört es, eine Ausgangskontrolle zu schaffen, die ausreichende Gewähr dafür bietet, dass fristwahrende Schriftstücke nicht über den Fristablauf hinaus im Büro liegen bleiben. Bei einer Versendung durch die Post ist für eine ordnungsgemäße Endkontrolle die Anweisung erforderlich, Fristen erst dann zu löschen, wenn das fristwahrende Schriftstück tatsächlich gefertigt und abgesandt ist oder zumindest postausgangsbereit vorliegt. Dementsprechend dürfen Fristen erst nach der Bereitstellung der Schriftstücke für die Mitnahme zur Post gelöscht werden. Bei einer Versendung durch die Post gehört zu einem zuverlässigen Kontrollsystem, dass zwischen dem Fristenkalender und dem Postausgangsbuch eine Übereinstimmung in der Weise sichergestellt wird, dass die Fristen im Kalender auf der Grundlage der Eintragungen im Postausgangsbuch gelöscht werden (, BFHE 155, 275, BStBl II 1989, 266). Nichts anderes gilt bei einer Versendung per Telefax.
Unabhängig hiervon hat die Klägerin nicht dargelegt, welche Maßnahmen ihre Prozessbevollmächtigten nach der plötzlichen lebensbedrohlichen Erkrankung der Sekretärin ergriffen haben, um festzustellen, ob alle fristgebundenen Schriftsätze zeitgerecht versandt wurden, und warum ihr nicht aufgefallen sein sollte, dass dies bei der Revisionsbegründung nicht der Fall war.
d) Bleibt —wie im Streitfall— nach dem Sachvortrag zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumung auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten beruht, kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden (, juris, sowie , Neue Juristische Wochenschrift 1992, 574).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 96 Nr. 1
KAAAB-69741